Die Großstadtthematik zu Anfang des 20. Jahrhunderts

Am Beispiel von Bertolt Brechts Großstadtlyrik


Referat (Ausarbeitung), 2010

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Begriffsannäherung „Großstadt“ (Katrin Oberster)
1.1 Heutige Definition
1.2 Entwicklung der Großstadt
1.3 Leben in einer Großstadt Anfang des 20. Jahrhunderts

2 Ästhetische Auseinandersetzung mit der Großstadtthematik Anfang des 20. Jahrhunderts (Eva Uhl)
2.1 ÄEpochen der Großstadt“
2.1.1 Expressionismus
2.1.2 Neue Sachlichkeit
2.2 Beispiele für das Thema ÄGroßstadt“
2.2.1 Lyrik
2.2.2 Bildende Kunst

3 Bertolt Brecht und de Großstadtlyrik
3.1 Bertolt Brechts Verhältnis zur Großstadt (Katrin Oberster)
3.1.1 Grundzüge expressionistischer Großstadtlyrik
3.1.2 Brechts Verhältnis zur Großstadt
3.2 Tabellarischer Vergleich zweier Großstadtgedichte Brechts (Eva Uhl)

4 Anhang
4.1 Großstadt in der Lyrik
Gedicht 3: Wolfgang Borchert: Großstadt (1949)
4.2 Großstadt in der Bildenden Kunst

5 Literaturverzeichnis

6 Tabellenverzeichnis

7 Abbildungsverzeichnis

8 Gedichteverzeichnis

1 Begriffsannäherung „Großstadt“

1.1 Heutige Definition

In der Anthropogeographie beschäftigt man sich schon seit vielen Jahrzehnten mit einer korrekten Definition des modernen Stadtbegriffes. Das Problem der Abgrenzung zwischen ländlichen und städtischen Siedlungen steht hierbei im Vordergrund, da eine Begriffsdefinition je nach Autor und Untersuchungszweck sehr variabel ist.

Heineberg stellt in seinem Buch eine Reihe von Merkmalen zusammen, die den geographischen Stadtbegriff näher beschreiben und charakterisieren sollen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Merkmale des geographischen Stadtbegriffs

Neben den genannten Kriterien kann auch eine Ausdifferenzierung in Stadtgrößenklassen erfolgen. Hierbei werden Einwohnerschwellenwerte definiert. Die Bezeichnungen und Abgrenzungen können jedoch zwischen einzelnen Staaten oder Kulturräumen sehr unterschiedlich sein. Unter Berücksichtigung anderer Kriterien werden demnach Bezeichnungen wie Metropole, Megastadt oder Weltstadt voneinander unterschieden.1

1.2 Entwicklung der Großstadt

Die Urbanisierung nach 1800 beschreibt einen Prozess, Äin dessen Verlauf die Bevölkerung ländlicher Räume die Berufs- und Sozialstruktur, sowie die Verhaltensweisen der Stadtbewohner annimmt.“2 Zudem wird dadurch ein ansteigender Anteil der in der Stadt lebenden Bevölkerung eines Gebietes, Landes oder Staates angezeigt.3

Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts lebten etwa 90% der Menschen in dörflichen Siedlungen und übten landwirtschaftliche Tätigkeiten vor allem zur Selbstversorgung aus. Mit der Erfindung und Nutzung der Dampfkraft zu Anfang des 20. Jahrhunderts begann in Europa die industrielle Revolution. Durch neue Technologien konnten innovative Produktionsverfahren z.B. zur gezielten Kohleförderung betrieben werden. Zudem erhöhte der Ausbau von Verkehrswegen und Eisen- bahnstrecken die Mobilität und förderte die Kommunikation. Im Zuge dessen entwickelte sich auch die Schwer- und die Textilindustrie, die zu den bedeutenden Wirtschaftfaktoren heranwuch- sen. Neue Erkenntnisse in der medizinischen Forschung ermöglichten den Menschen ein längeres Leben und führten langfristig zu einem enormen Bevölkerungswachstum in Europa.

Sowohl der enorme Arbeitskräftebedarf in den Stadtregionen, als auch der enorme Versor- gungsmangel der ländlichen Gebiete lockte viele Menschen in die zentralen Städte. In der Hoff- nung auf ein finanziell besseres Leben kam es zu einer regelrechten ‚Landflucht‘, bei der die Men- schen in die Städte pilgerten und dort zumeist als Fabrikarbeiter eine Anstellung fanden. Diese Entwicklungen führten zu einem explosionsartigen Anwachsen der Städte.4 Im Laufe der nächsten Jahrzehnte verfestigten sich diese Strukturen und führen zur Entwicklung von zentralen Großstäd- ten.

1.3 Leben in einer Großstadt Anfang des 20. Jahrhunderts

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts galt Berlin als eine der modernsten und kulturträchtigsten Städte in Europa. Da sich ein Großteil der deutschen Großstadtlyriker dieser Zeit auch mit der Stadt Berlin beschäftigten, soll im Folgenden ein Eindruck Berlins zu Beginn des 20. Jahrhunderts gewonnen werden, wobei die zwanziger Jahre besonders fokussiert werden sollen.

Zu diesem Zweck lassen sich Eckdaten zur geschichtlichen Entwicklung der Stadt Berlin zusam- mentragen, aus denen man dann auch etwas auf das damalige Leben in der Großstadt schließen kann.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 2: Die Geschichte Berlins bis in die Zwanzigerjahre

Wie oben beschrieben wird Berlin spätestens durch den Zusammenschluss mit umliegenden Städten im Jahre 1920 zu einer Weltstadt. Doch auch bereits durch den Aufbau des Verkehrsnetzes zu Beginn des 20. Jahrhunderts steigt die Stadt in den Olymp der modernen Großstädte Europas auf. Wenn man das Gesagt auf den Punkt bringen möchte, charakterisieren einerseits Traditionsbindung, andererseits aber auch eine selbstbewusste Modernität die deutsche Stadt.5

Friedrich Kreppel schrieb über das Jahrzehnt der Zwanziger Jahre: ÄMan nennt es das goldene und das korrupte, das mythische und das hektische, das zukunftsträchtige und das tolle, das frei- heitliche und das anarchistische Dezenium. In ihm feiert die Wissenschaft Triumphe, fanden Put- sche und Straßenschlachten statt, blühten Kunst, Literatur und Korruption, waren Hunger und Reichtum, Arbeitslosigkeit und großer Idealismus zu Hause.“6

Es wird deutlich, dass der Schein der ‚goldener‘ 20er Jahre trügerisch ist. Denn nicht nur die kulturellen Höhepunkt in Literatur, Theater und Kunst prägen dieses Jahrzehnt. Je nach gesell- schaftlichem und sozialem Kontext stellten Armut und politische Unruhen einen Gegenpol zu den viel bejubelten Technologien und innovativen Forschungserkenntnissen dar. Die zwanziger Jahre waren auch ein Jahrzehnt des Umbruchs, der politischen Neuorientierung und Identitätsfindung, aber auch der Wirtschaftskrisen und damit verbundener Armut der sozial schwachen Schichten7: ÄEin Leben auf dem Vulkan.“8

2 Ästhetische Auseinandersetzung mit der Großstadtthematik Anfang des 20. Jahrhunderts

2.1 ÄEpochen der Großstadt“

2.1.1 Expressionismus

Die Epoche des Expressionismus wird sowohl in der Literatur als auch in der Kunst zu Beginn des 20 Jahrhunderts angesiedelt, wobei die Hochphase in die Jahre 1910 bis 1920 fällt. Im Expressionismus setzten sich Lyriker und Künstler mit Themen wir Großstadt, (drohender) Krieg, Kriegserfahrungen, Menschenmasse, Industrialisierung, Verstädterung oder Technisierung auseinander.9

Zentraler Hintergrund der expressionistischen Strömung war der 1. Weltkrieg, dessen Grausamkeit und Folgen ein zentrales Thema darstellte. In diesem Zusammenhang wurde im Expressionismus in den Jahren nach dem 1. Weltkrieg so etwas wie eine Forderung nach dem Äneuen Menschen“ laut, der die Gräuel des Krieges überwindet und sich aus der Zerstörung erhebt. Darüber hinaus kann der expressionistische Stil als Epoche der Selbst- und Fremderkundung bezeichnet werden, in der also nicht nur die Umwelt der Menschen und die Vorgänge darin thematisiert und zumeist kritisiert werden, sondern auch als Auseinandersetzung mit der Rolle des Menschen als Individuum in eben dieser Umwelt. Oftmals zeugt der Expressionismus von einer detaillierten Schilderung des Grotesken, Hässlichen, Grausamen oder Krankhaften. Für Letzteres steht vor allem Franz Kafka, beispielsweise mit seinen Werken ÄDie Verwandlung“ oder ÄDer Prozess“.10

Die expressionistische Literatur ist in ihrem Stil zumeist geprägt von kurzen, einfachen Sät- zen, die durch ihre Einprägsamkeit und Deutlichkeit bestechen. In einem beschreibenden Stil werden Situationen und Vorgänge unverblümt und drastisch geschildert, wie sie vom Betrachter (lyrischem Ich) wahrgenommen werden und im literarischen Text zum Ausdruck (lat. expressio) gebracht werden sollen. Prägend für die expressionistische Lyrik ist Kurt Pinthus ÄMenschheitsdämmerung“ aus dem Jahre 1920. Die expressionistische Gedichtsammlung enthält unter anderem Gedichte von Georg Heym, Gottfried Benn, Rudolf Leonhard oder Franz Werfel.11

Der Begriff ÄExpressionismus“ wurde erstmals von Herwarth Walden in der Zeitschrift ÄDer Sturm“, dem Sprachrohr der neuen Kunstentwicklungen, gebraucht. Der Expressionismus sollte ein bewusster Bruch mit der Vergangenheit darstellen und das subjektiv Ausdrücken allen Wahrnehmens in den Vordergrund stellen, womit außerdem eine Abgrenzung zur Kunstrichtung des Impressionis- mus definiert wurde. Im Expressionismus schlossen sich viele Künstler zu Vereinigungen zusammen, darunter die bekannten Bewegungen der ÄFauvisten“, ÄDie Brücke“ oder ÄDer blaue Reiter“. Als Gemeinsamkeit der expressionistischen Kunstepoche gelten vor allem freiere Formen und Farben, die das Intensive der Darstellung unterstützen. Bekannte bildende Künstler des Expressionismus waren Henri Matisse, Emil Nolde, Franz Marc oder August Macke. Treffend beschreibt der expressionisti- sche Künstler Ludwig Meidner den Unterschied zu vorangegangenen Stilen: ÄDas erste ist, daß wir sehen lernen, daß wir intensiver und richtiger sehen als unsere Vorgänger. Die impressionistische Verschwommenheit und Verundeutlichung nützt uns nichts.“12 Und weiter: ÄEine Straße besteht nicht aus Tonwerten, sondern ist ein Bombardement von zischenden Fensterreihen, sausenden Lichtkegeln zwischen Fuhrwerken aller Art und tausend hüpfenden Kugeln.“13

2.1.2 Neue Sachlichkeit

Die Epoche Neue Sachlichkeit wird vor allem dem Zeitalter der Weimarer Republik zugeschrieben, wobei präzisere Zuordnungen sich auf die Jahre 1923 bis 1932 festlegen. Gleichsam dem Expressio- nismus wurde in der Neuen Sachlichkeit der Schwerpunkt auf Wirklichkeitsdarstellung gelegt und dementsprechend ähnlich waren die thematischen Auseinandersetzungen: drohender Krieg, Technik, Medien, Verkehr, bürgerlicher Alltag oder Lebensverhältnisse.14 Schriftsteller der Neuen Sachlichkeit verstanden sich selbst oftmals als politische Akteure, die die zunehmend brisante Lage reflektierten.15

[...]


1 Vgl. Heineberg 2007, S.307f.

2 Dabelstein 1988, S.123.

3 Vgl. Ebd., S.123f.

4 Vgl. Heineberg (2007), S.302ff.

5 Koch 2002, S.2f.

6 Kreppel 1968.

7 Vgl. Faulstich 2008, S.7ff.

8 Ebd., S.7.

9 Vgl. Stark 2006, S. 112-114.

10 Vgl. Jeßing 2008, S. 146+147.

11 Vgl. Jeßing 2008, S. 148.

12 Zitiert nach Meisterwerke der Kunst - Quellen und Texte 1990, S. 33.

13 Zitiert nach ebd., S.33

14 Vgl. Schütz 2006, S: 293.

15 Vgl. Jeßing 2008, S. 208.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die Großstadtthematik zu Anfang des 20. Jahrhunderts
Untertitel
Am Beispiel von Bertolt Brechts Großstadtlyrik
Hochschule
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
20
Katalognummer
V182721
ISBN (eBook)
9783656064435
ISBN (Buch)
9783656064275
Dateigröße
918 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
großstadtthematik, anfang, jahrhunderts, beispiel, bertolt, brechts, großstadtlyrik
Arbeit zitieren
Katrin O. (Autor:in), 2010, Die Großstadtthematik zu Anfang des 20. Jahrhunderts , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/182721

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