Bezugsrahmen für den internationalen Transfer von Unternehmenskultur im Falle eines Greenfield – Starts


Diplomarbeit, 2008

98 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

Abkürzungsverzeichnis:

Abbildungsverzeichnis:

Tabellenverzeichnis

1. Einführung
1.1 Problemstellung und Relevanz
1.2 Zielsetzung und Verlauf der Untersuchung

2. Internationaler Transfer von Unternehmenskultur im Spannungsfeld zwischen Kultur, internationalem Management und interkultureller Kommunikation
2.1 Kulturbegriff
2.1.1 Kulturmerkmale
2.1.2 Ebenen der Kultur
2.1.3 Konvergenz vs. Divergenzthese und der ausgewogene Mittelweg
2.1.4 Kulturtransfer
2.2 Unternehmenskultur
2.2.1 Zum Begriff von Unternehmenskultur
2.2.1.1 Funktionen der Unternehmenskultur:
2.2.1.2 Unternehmenskultur als Wettbewerbsfaktor
2.2.1.3 Elemente und Dimensionen der Unternehmenskultur
2.2.2 Unternehmenskultur im internationalen Kontext
2.2.2.1 Interdependenzen zwischen Unternehmenskultur und Nationalkultur
2.2.2.2 Unternehmenskultur und strategische Ausrichtung des Stammhauses
2.2.2.3 Grundtypen transnationaler Unternehmenskulturen
2.3 Interkulturalität und kulturelle Herausforderung von internationalen Unternehmen
2.3.1 Unternehmenskultur als Interkultur
2.3.2 Interkulturalität ergänzt um Transkulturalität
2.3.3 Doppelrolle der Beteiligten
2.4 Transfer von Unternehmenskultur im Rahmen des internationalen Greenfield - Starts

3. Referenzrahmen des Unternehmenskulturtransfers internationaler Unternehmen
3.1 Selektionsprozesse
3.1.1 Beitrag des internationalen Managements und der Cultural Due Diligence in der Pre - Merger Phase
3.1.1.1 Die kulturelle Eigenanalyse
3.1.1.2 Die Kulturanalyse des Gastlandes
3.1.2 Beitrag der kulturvergleichenden Managementforschung
3.1.2.1 Wertekompatibilität
3.1.2.2 Kulturelles Selektions- und Planungsprinzip: Der Entscheidungsbaum
3.2 Vermittlungsprozesse
3.2.1 Beitrag des interkulturellen Managements
3.2.1.1 Interkulturelle Trainingskonzepte und -methoden
3.2.1.2 Integrationsmaßnahmen
3.2.1.3 Rekrutierung der Mitarbeiter der Tochtergesellschaft
3.2.2 Der Beitrag des Wissensmanagements
3.2.2.1 Einführende Überlegungen
3.2.2.2 Das Wissenstransfermodell
3.3 Rezeptionsprozesse
3.3.1 Beitrag der soziologischen Theorie
3.3.1.1 Wertewandel
3.3.1.2 Sozialisation im Unternehmen
3.3.2 Beitrag der psychologischen Theorie
3.3.2.1 Fremd- und Eigenwahrnehmung
3.3.2.2 Kognitive Lernprozesse
3.3.2.3 Akkulturationsprozesse

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis:

Abb. 1: Schachtelmodell von Kulturelementen im Internationalisierungsprozess

Abb. 2: Zusammenhang von Landes-, Unternehmens- und Individualkultur

Abb. 4: Die reflektiert universalistische Position

Abb. 5: Basisoptionen kultureller Steuerungsansätze im internationalen Kontext

Abb. 6: Unternehmenskulturtypen

Abb. 7: Referenzrahmen für Transfer von Unternehmenskultur

Abb. 8: Vertikalschnitt des Schichtenmodells

Abb. 10: Theoretical model of relations among ten motivational types of values

Abb. 11: Entscheidungsbaum

Abb. 12: Knowledge transfer model

Abb. 13: Formen der Akkulturation aus der Sicht des Stammhauses

Abb, 14: Prototypischer Akkulturationsprozess

Abb. 3: Kulturkorridor

Abb. 9: Werteprofil für zwei Akteure

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Beschreibung der fünf kulturellen Dimensionen nach Hofstede

Tab. 2: Beschreibung der zusätzlich ermittelten Dimensionen in der GLOBE Studie

Tab. 3: List of Value Items by Motivational Value Types

1. Einführung

Die heutige Welt ist eine Welt der Dynamik und Geschwindigkeit. Wenn man als Unternehmen darin überleben möchte, muss man sich ständig anpassen sowie neues Wissen und Fähigkeiten erwerben. Die zunehmende Globalisierung der Weltwirtschaft findet heute in der Verschmelzung von Kapital und in der Internationalisierung der Unternehmen ihren Ausdruck. Im Zuge der Internationalisierung ist die Begegnung von Globalem und Lokalem unausweichlich. Thematisiert wurde diese kulturelle Herausforderung für multinationale Unternehmen sehr oft. Dabei spielt die Unternehmenskultur eine zentrale Rolle. Die polarisierende Diskussion in Bezug auf die Möglichkeit der Harmonisierung von Unternehmenskultur über die Grenzen hinweg betont die Heterogenität der Herangehensweisen an eine solche Frage.

Damit sich ein international tätiges Unternehmen auf eine gewisse Effizienz und Stabilität in der neuen Umgebung verlassen kann, versucht es, eine globale Unternehmenskultur zu gestalten (vgl. Barmeyer/Davoine 2006, S. 3). Durch eine Art „länderübergreifende Identifikation“ mit den Werten und Überzeugungen des Stammhauses sollten Vorteile bezüglich der Kommunikation des Kontrollaufwandes und der Effizienz erzielt werden (vgl. Liemich 2006, S.3).

Der Prozess der Übertragung unternehmenskultureller Instrumente von der Mutter- zur Tochtergesellschaft wird von Barmeyer und Davoine als „internationaler Transfer“ bezeichnet (vgl. Barmeyer/Davoine 2007, S. 259). Allerdings gestaltet sich dieser Transfer von Unternehmenskultur problematisch aufgrund einer Vielzahl an länderspezifischen Eigenarten. „Companies with global experience understand that while it’s important to have one overarching culture, there are and will always be differences in how that culture is carried out locally.“ (vgl. McCune 1999, S. 52).

Aber gerade im Kontext der Globalisierung ist es für international tätige Unternehmen wichtig, eine starke Identität, also eine einheitliche Unternehmenskultur, als integratives Element einzusetzen, denn Produkte können den lokalen Märkten angepasst werden, doch die Ideologie und die Vision, die dahinter stecken, müssen aus einem Guss sein.

Viele multinationale Konzerne unternehmen in den letzten Jahren Schritte zur Gestaltung einer länderübergreifenden Unternehmenskultur. So hat etwa „The Linde Group“ im Jahre 2007 ihre einschlägigen Grundwerte (auch als der „Linde Spirit“ bekannt) und Verhaltens­regeln (bekannt als „Code of Ethics“) konzernweit eingeführt, um die Werte und Grundprinzi­pien global zu etablieren und auszubauen (vgl. The Linde Group, 12.11.2008). Ebenso hat BASF bereits seit dem Jahr 2000 gruppenweite Grundwerte und Verhaltensrichtlinien etabliert, welche jedoch landesspezifische Umgebungen und Gesetzgebungen einbeziehen. Zudem sollen sie durch ein Compliance Programm vermittelt und verankert werden (vgl. BASF, 12.11.2008).

Laut einer jährlichen Befragung[1], durchgeführt durch das Consulting Unternehmen Accenture, ist das größte Belangen der Manager eines internationalen Unternehmens das Aufrechterhalten einer einheitlichen Unternehmenskultur gefolgt von dem Verständnis lokaler Gepflogenheiten (vgl. Accenture, 12.11.2008).

1.1 Problemstellung und Relevanz

Das Thema “Kulturtransfer” ist in der Literatur nur selten anzutreffen. Zwar gibt es Veröffent­lichungen, die den grenzüberschreitenden Transfer von organisationalen Praktiken (vgl. Barlett/Ghoshal 2007, Kostova 1999) oder von Human Ressources Management (vgl. Sug-In Chang 2006; Schmitt 2002) analysieren, jedoch geht keiner vertiefend auf den Ausgangspunkt solcher Überlegungen ein, nämlich die Unternehmenskultur als ein integrierter und damit auch integrierender Mechanismus der Einwirkung auf das Individuum in einer Organisations­struktur. So meint beispielsweise Kostova, dass der Erfolg bei der Übertragung organisationa- ler Praktiken via Implementierung und Internalisierung durch Mitarbeiter der Tochter­gesellschaft erreicht werde, wobei im Prozess der Internalisierung der Praktiken die Mitarbeiter zunächst damit beginnen, ihnen einen gewissen Wert beizumessen und sie erst später als selbstverständlich akzeptieren (vgl. Kostova. T. 1999, S. 311).

Es wurden von Autoren demnach immer wieder nur Teiltransfers näher untersucht. Wie sich der Transfer von Unternehmenskultur als Ganzes vollzieht, wurde jedoch nicht berücksichtigt. Unternehmen expandieren auf unterschiedlichen Weisen (vgl. Hofstede 1993, S. 254):

- Aufbau einer neuen Niederlassung, auch „Greenfield - Start“ genannt
- eine ausländische Übernahme
- eine internationale Fusion
- ein internationales Jointventure
- eine Teilzusammenarbeit mit einem ausländischen Partner

Dabei sind die kulturellen Folgen in Abhängigkeit von der Art der Expansion unterschiedlich. Die Spannweite der kulturellen Risiken variiert von niedrig bis hoch. Die größten kulturellen Probleme treten bei einer Übernahme oder Fusion auf, welches bereits mehrmals durch eine hohe Scheiterrate solcher Expansionsarten bestätigt wurde (vgl. Hofstede, S. 254 f.).

Ein rezentes, bekanntes Beispiel ist der Zusammenschluss von Daimler - Benz und der Chrysler Corporation (vgl. Badrtalei/Bates, S. 305 f.). Bei diesem, wie auch bei anderen Beispielen, werden die Misserfolge eines Zusammenschlusses überwiegend der Vernachlässi­gung so genannter „weicher Faktoren“[2] zugerechnet (vgl. Blöcher/Glaum 2005, S. 295; Haussmann 2002, S. 917). Viele Autoren haben sich mit dem Aufeinandertreffen zweier Unternehmenskulturen beschäftigt und die komplexen Phasen der M&A Transaktion detailliert analysiert (Zimmer 2001; Strähle 2003; Blöcher/Glaum 2005; Stahl/Mendenhall 2005). Da zu diesem Thema in der Literatur bereits ausreichend geschrieben wurde, möchte ich mich mit einer anderen Ausgangslage beschäftigen.

Gründet ein Unternehmen eine Tochtergesellschaft im Ausland, so kann die Muttergesellschaft natürlich frei entscheiden, welche Elemente der bestehenden Unterneh­menskultur gezielt übertragen werden und wie sie mit den nationalen Elementen des Gastlandes zu kombinieren sind. Die Muttergesellschaft hat demnach freies Ermessen in der Gestaltung der internationalen Unternehmenskultur, insbesondere wenn es um die Einbezie­hung nationaler Werte und Normen geht (vgl. Hofstede 1993, S. 254 ff.). Daher möchte ich mich in meiner Arbeit mit dem Transfer von Unternehmenskultur auf den Fall des Greenfield - Starts begrenzen, denn dessen Ausgangslage ist eine andere als bei M&A.

Die Prägungskraft der unternehmenskulturellen Einflüsse der Muttergesellschaft oder der lokalen Normen und Gewohnheiten ist von Fall zu Fall unterschiedlich und kann nur durch qualitative beziehungsweise quantitative Methoden ans Licht gebracht werden (vgl. Liemich 2006, S, 16). Ich möchte an dieser Stelle jedoch versuchen, einen grundlegenden theoretischen Bezugsrahmen für das Phänomen des Unternehmenskulturtransfers zusammenzustellen, anhand dessen eine Begleitung der Transferprozesse innerhalb zukünftiger Direktinvestitionen möglich ist.

Die zentrale Frage ist also: Wie kann eine grenzüberschreitende Unternehmenskultur in der Mutter- und Tochtergesellschaft gestaltet werden, die durch gemeinsam geteilte Werte- und Normensysteme eine soziokulturelle Integration aller Mitarbeiter erreicht und dennoch die lokale Akzeptanz nicht verliert? Dabei werde ich versuchen, begünstigende und hemmende Faktoren für Unternehmenskulturtransfers zu identifizieren.

1.2 Zielsetzung und Verlauf der Untersuchung

Im Verlauf der Untersuchung soll ein Referenzraster für den Transfer der Unternehmenskultur transnationaler Unternehmen ausgearbeitet werden. Die vorliegende Arbeit gliedert sich in vier Kapitel.

Nachdem ich im ersten Kapitel eine Einführung gegeben habe, soll es Gegenstand des zweiten Kapitels sein, zunächst die grundlegenden Begriffe zu erklären, um einen geeigneten theoretischen Zugang zum Phänomen des Unternehmenskulturtransfers zu finden. In diesem Zusammenhang werden die Begriffe Kultur, Unternehmenskultur und Interkultur in ihren wichtigsten Aspekten dargestellt. Die Vorstellung divergierender Kulturkonzepte sowie unterschiedlicher Alternativen der internationalen Unternehmenskulturgestaltung dient dabei der Annäherung an das Thema und soll einen theoretischen Überblick verschaffen, um anschließend den Gegenstand der Arbeit, den internationalen Unternehmenskulturtransfer, innerhalb dieses Rahmens positionieren zu können.

Im ersten Abschnitt des zweiten Kapitels erfolgt eine eingehende Auseinandersetzung mit den Begriffen, Merkmale und Ebenen von Kultur sowie eine Darstellung der „Kulturkonvergenz - Kulturdivergenz - Debatte“. Abschließend wird der Kulturtransfer als Ausgangspunkt für den Unternehmenskulturtransfer behandelt. Im zweiten Abschnitt des gleichen Kapitels wird das Phänomen Unternehmenskultur mit seinen zentralen Charakteristika vermittelt und darauf aufbauend die Verflechtungen der Unternehmenskultur im internationalen Kontext dargestellt. Der dritte Abschnitt wendet sich den interkulturellen Herausforderungen in internationalen Unternehmen zu und erklärt, wie sich Interkulturalität auf das Konzept der Unternehmenskultur auswirkt. Im dritten Kapitel wird mittels Literaturanalyse verschiedener Ansätze unterschiedlicher Wissensgebiete, die sich mit grenzüberschreitenden Unternehmensaktivitäten und auch mit kulturellen Einflüssen beschäftigen, versucht, einen Referenzrahmen für den Transfer von Unternehmenskultur zu modellieren. Dabei werden ausgewählte theoretische Positionen dargestellt.

Zum Schluss werden die Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst und Hinweise auf weitere mögliche Forschungsschwerpunkte gegeben.

2. Internationaler Transfer von Unternehmenskultur im Spannungsfeld zwischen Kultur, internationalem Management und interkultureller Kommunikation

2.1 Kulturbegriff

Jeder Mensch ist kulturell geprägt und nur so können wir uns innerhalb einer spezifischen Kultur orientieren. Besser gesagt, wir befinden uns innerhalb der Kultur und nur so können wir weiter existieren. Daraus entsteht die Wichtigkeit des Kulturbegriffes, aber gleichzeitig auch die Schwierigkeit, ihn zu definieren. Der Begriff „Kultur” gehört zu einem der kompliziertesten Termini, die im praktischen und wissenschaftlichen Gebrauch verwendet werden. Dies zeigt sich einerseits in der Sprachgeschichte und der Vielzahl unterschiedlicher Bedeutungen des Wortes Kultur, andererseits aber auch in dem Phänomen, dass der vorliegende Terminus in den diversen wissenschaftlichen Disziplinen ebenfalls mit teils stark divergierenden Bedeutungen belegt wird. Das deutsche Wort „ Kultur“ hat seine Wurzeln in den lateinischen Verben „colo, colui, cultus“ und besitzt zwei Bedeutungen: Zum einen „pflegen, bebauen, bestellen“ und zum anderen „anbeten“. Diese Bedeutungen beziehen sich direkt auf die Lebensweise der damaligen Menschen, da Ackerbau und Götterverehrung einen wichtigen Bestandteil des Lebens darstellten. Der Begriff „Kultur“, wie wir ihn heute kennen, entstand erst später, auf einem anderen Entwicklungsgrad der Menschheit (vgl. Hansen 2003, S.14 f.). Kultur bezieht sich heutzutage mehr auf die kreative oder künstlerische Arbeit, das heißt auf alle Tätigkeiten, die im Ergebnis eine anspruchsvolle Leistung in diesem Bereich erbringen. Andererseits könnte Kultur im Sinne von Kultiviertheit verstanden werden. Dies ist eine Lebensart, die sich „durch Humanität, Bildung, Geschmack, Manieren und schöngeistige Interessen“ auszeichnet (Hansen 2003, S.12).

Jede Wissenschaftssparte definiert Kultur zudem fachgerecht in ihrer Art und Weise (vgl. Zimmer 2001, S. 13).

Eine gute Basis für den Unternehmenskulturbegriff sehe ich in der anthropologischen und soziologischen Erklärung der Kultur. Während die Kultursoziologen ihr Augenmerk auf die Interaktion und das Handeln der Individuen oder des Kollektivs legen, versuchen die Kultur­anthropologen, Sinn und Deutungen einer Kultur zu untersuchen (vgl. Barmeyer 2000, S.25). Die Anthropologen Kroeber und Kluckhohn erstellten, nach einer Katalogisierung der Kulturbegriffe, eine umfassende und weit akzeptierte Definition: „Culture consists of patterns, explicit and implicit, of and for behaviour acquired and transmitted mainly by symbols, constituting the distinctive achievements of human groups, including their embodiments in artifacts; the essential core of culture consists of traditional (i.e. historically derived and selected) ideas and especially their attached values; culture systems may, on the one hand, be considered as products of action, on the other, as conditioning elements of future action.” (Kroeber/Kluckhohn 1952, S. 181 ).

Der Ethnologe Clifford Geertz, der fremde Kulturen beobachtet und nach deren Deutungen gesucht hat, beschreibt Kultur als ein „Bedeutungsgewebe“ oder ein System symbolischer Bedeutungen, in dem der Mensch verstrickt ist, aber der auch vom Menschen selbst geschaffen ist (vgl. Geertz 1999, S.7). Gleichzeitig ist Kultur ein Rahmen, in dem die Menschen ihre Umwelt interpretieren und versuchen sich zurechtzufinden (vgl. Geertz 1999, S. 99). Basierend auf anthropologischen Ausführungen betonen die Kultursoziologen die Verbindung zwischen dem Individuen und der Gesellschaft, wobei Kultur eine integrative Rolle spiele. Goodenough definiert Kultur als „[...]eine Gesamtheit von Überzeugungen und Normen, die von einer Gruppe von Menschen geteilt werden und dem Einzelnen helfen zu entscheiden, was sein kann, wie man über etwas fühlt, was man tun kann und wie man dazu vorgehen muss“ (zitiert nach Usunier/Walliser 1993, S. 23).

Kombiniert man diese Definitionen, so könnte man Kultur als ein kollektives Phänomen bezeichnen, das sowohl ein Ideensystem, aber auch kognitive Prozesse des Denkens, Bewertens und Kommunizierens wie auch die Gesamtheit von Verhaltensweisen und Artefakten einschließt, die gemeinsame Lebensweise in unterschiedlichen Bereichen beeinflussen. Der Sozialpsychologe Gerd Hofstede vergleicht Kultur mit einer „mentalen Software“, die den Mensch zu wahrscheinlichen Reaktionen anhand bestimmter Denk-, Fühl- und Handlungsmustern veranlasse, diese können jedoch auch Abweichungen enthalten. Die Muster werden in der Kindheit von den älteren Generationen erworben, weiterhin im Laufe des Lebens im Gehirn gefestigt und durch das soziale Umfeld und gesammelte Erfahrungen geprägt (vgl. Hofstede 1993, S.18).

Der Kulturbegriff hat sich im Laufe der Zeit verändert und neue Bedeutungen entwickelt. Viele Kulturbegriffe sind nicht mehr aktuell, da durch fortlaufende Entwicklung der Gesellschaften ein dynamisches Kulturkonzept in weltweiter Interaktion benötigt wird. Die Homogenität und Stetigkeit der Gesellschaften wird durch Internationalisierung, zunehmende Multikulturalität und Nutzung moderner Kommunikationstechnologien aufgehoben (vgl. Barmeyer 2000, S. 19 f.). Somit gewinnt ein „offener Kulturbegriff“ an Bedeutung, der keine strikte räumliche Eingrenzung voraussetzt, sondern eher „soziale Lebenswelten wechselnder Größe und Zusammensetzung“ (Bolten 2007b, S.18) meint und dessen Individuen als mobile Subjekte sieht, die die Möglichkeit haben, Gruppenzugehörigkeit zu wechseln. Natürlich sollte man diesen Begriff vorsichtig und meist kontextgebunden anwenden (vgl. Bolten 2007b, S. 17 f.).

2.1.1 Kulturmerkmale

Aus der Gesamtheit unzähliger Kulturdefinitionen können folgende Kulturmerkmale extrahiert werden und zur Erfassung wichtiger Aspekte von Kultur benutzt werden:

1) Kultur entsteht in sozialen Einheiten durch Zusammenleben: Nach E. Schein besitzt jede soziale Einheit, die gemeinsame Geschichte teilt, eine Kultur. Und die Stärke dieser Kultur ist davon abhängig, wie lange sie schon existiert, ob die Individuen dauerhaft daran teilnehmen und wie stark die emotionale Bindung durch gemeinsam erlebte Erfahrungen ist (vgl. Schein 2004, S. 11). Kultur ist ein kollektives Phänomen, das „ [...] die Mitglieder einer Gruppe oder Kategorie von Menschen von einer anderen unterscheidet“ (Hofstede 1993, S. 19). Kultur entsteht aus der Interaktion der Mitglieder.
2) „Kultur ist ein Kommunikationsprodukt“ (Bolten 2000b, S.4): weil die Schaffung gemeinsamer Bedeutungen durch gemeinschaftliche Kommunikationsprozesse und Selbstver­ständigungsprozesse möglich ist (vgl. ebd., S. 4).
3) Kultur wird erlernt, erworben oder tradiert: Kultur wird nicht genetisch vererbt, sondern wird prozessual und auf Dauer erlernt. Wichtig ist nach Hofstede die Kultur von der menschli­chen Natur (welches ererbt ist) und von der Persönlichkeit eines Menschen zu unterscheiden (vgl. Hofstede 1993, S.18 f.). Die Tradierung der Kultur erfolgt über das „Kollektive Gedächtnis", welches ein Archiv abgespeicherter Wissensvorräte und Erfahrungen beispiels­weise in Form von Bräuchen, Liedern und Erzählungen darstellt (vgl. Bolten 2007b, S. 37). Kulturentwicklung und -weiterbestehen werden durch Sozialisationsprozesse des einzelnen Individuums unterstützt. Vor allem im Laufe der Primärsozialisation, das heißt in der Kindheit, sammelt und lernt die Person gewisse „[...]Muster des Denkens, Fühlens und Handelns, die als Werte und Haltungen umschrieben werden“ (Barmeyer 2000, S.21). Mit der Zeit verfestigen sich solche Werte beziehungsweise Haltungen und werden als selbstverständlich verinnerlicht (vgl. ebd., S. 21). Aber Sozialisation findet nicht nur in der Kindheit und Jugend statt, sondern vollzieht sich über das gesamte Leben. Dieser Prozess ist notwendig, um „[...] die relevanten Normen, Werte, Einstellungen und Verhaltensweisen zu erlernen“ (Thomas 2004a, S.146) und um sich einer bestimmten Gemeinschaft anzupassen. Eine abgeschlossene Sozialisation, oder anders genannt Enkulturation, endet mit Internalisierung gewisser Denk- und Handlungsschemata, über die nicht mehr nachgedacht wird. Jedoch veranlasst das Auftauchen ungewöhnlicher Ereignisse zu neuem sozialen Lernen, so dass es sich um einen dynamischen und lebenslangen Prozess handelt (vgl. ebd., S.146 ff.).
4) Kultur ist spezifisch menschlich: Kultur wird vom Menschen erschaffen, Menschen sind gleichzeitig Träger von Kultur, aber werden auch von der Kultur beeinflusst (Wierlacher/ Hudson-Wiedemann 2003, S. 220). Kultur ist „[...] das Ergebnis gesellschaftlicher Akte eines jeden von uns“ (Wierlacher/ Hudson-Wiedemann 2003, S. 220).
5) Kultur umfasst unbewusste Grundannahmen, Werte und Haltungen, aber auch materielle Artefakte: Die tiefer liegenden kognitiven Zusammenhänge sind auf einer unsichtbaren Ebene der Kultur, auch „Concepta“ genannt, zu finden. Wobei die Kulturprodukte und -äußerungen, die wahrnehmbar und empirisch beobachtbar sind, die „Percepta“ Ebene bilden (vgl. Kutschker/Schmid 2006, S. 667).
6) Kultur ist langfristig adaptiv wandlungsfähig: „Kulturen sind lebendige kommunikative Netzwerke, die sich beständig ändern“ (Moosmüller 2004, S. 62). Langfristig passen sich die Kulturen den internen und externen Umweltbedingungen an. Es kommt immer wieder zur Kollision der Kulturen, was zu einem Austausch der Wert- und Handlungssysteme und ebenso zur gegenseitigen Nachahmungen oder Anpassungen führt. Somit können die Kulturen nicht isoliert betrachtet werden (vgl. Wierlacher/ Hudson-Wiedemann 2003, S. 221).
7) Kultur strebt nach innerer Konsistenz und Integration: Die Kultur vereint alle Paradigmen (Werte, Rituale, Verhaltensweisen, usw.) unter einem kulturellen Referenzrahmen. Er schafft eine kohärente Gesamteinheit (vgl. Schein 2004, S. 14 f.). Die Menschen tendieren zu innerer Harmonie und widerspruchsfreien Kontexten. Ebenso möchte der Mensch einer kulturellen Gruppe angehören und „kulturelle Identität“ aufweisen können (vgl. Moosmüller 2004, S. 55).

2.1.2 Ebenen der Kultur

Im Allgemeinen kann der Kulturbegriff für jedes menschliche Kollektiv oder jede Kategorie, wie zum Beispiel Organisationen, Berufe, Geschlechter, Altersgruppen oder Familien, angewendet werden (vgl. Hofstede 2004, S. 9).

Eine verbreitete Annahme ist, dass Kulturen Subkulturen entwickeln können, die Verhaltensweisen, Gewohnheiten und Einstellungen einer bestimmten Gruppe ausdrücken, jedoch in die Gesamtkultur integriert sind (vgl. Hansen 2003, S. 13). Die Subkulturen können eine eigene kulturelle Prägung entwickeln, der Nährboden für diese ist jedoch immer in den Elementen der National- oder Oberkultur zu finden (vgl. Steinmann/Schreyögg 2005, S. 373; Throsby 2001, S. 8).

Unternehmenskulturen sollten nicht als abgeschottete Formationen, sondern als Teil des Ganzen innerhalb der umgebenden Kultur in Augenschein genommen werden. In Form eines Schachtelmodells veranschaulicht Abb. 1 die relevanten Umkulturen, welche einen Einfluss auf das Verhalten von Organisationsmitgliedern haben können.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Schachtelmodell von Kulturelementen im Internationalisierungsprozess. In Anlehnung an: Krystek 2002, S. 828 (modifiziert).

- Privatkultur als Summe kultureller Standards des Individuums
- Branchenkultur als existierende Werte und Normen einer Branche
- Gesellschaftskultur als Summe der nationalen Wertehaltungen (vgl. Krystek/Zur 2002, S. 779).
- Gruppenkultur als unternehmensinterne Subkultur einer Unternehmung, vor allem eines Konzerns (vgl. Heinen/Frank 1997, S. 246 ff.).
- „Kultur von Menschen“ (vgl. Scholz 1990, S. 18).

Das Individuum ist somit ein Mitglied unterschiedlicher Teilkulturen oder sozialer Gruppen, die in die Landeskultur eingebettet sind und sich gegenseitig beeinflussen. Scholz erwähnt noch eine übergreifende Kultur, „Kultur von Menschen“, in der sich das sozial-evolutionäre Gedächtnis widerspiegelt (vgl. Scholz 1990, S. 18). Man kann dies unter dem Motto „Nichts Menschliches ist uns fremd“ (Bittner 2002, S. 768) zusammenfassen. Obwohl das fremde Verhalten auf den ersten Blick völlig merkwürdig erscheint, verbergen sich dahinter logisch erklärbare Ansätze, die auch für andere Kulturen nachvollziehbar sein können (vgl. ebd., S. 768 f.).

Die Pyramidenform bringt zum Ausdruck, dass sich fast alle jeweiligen Ebenen gegenseitig beeinflussen und aufeinander aufbauen. Die Branchenkultur prägt die Verhaltensweisen der Aktoren einer Branche und die Wettbewerbsumwelt durch brancheneinheitliches Bildungssystem oder fachliches Know - how (vgl. Bea/Haas 2001, S.469). Dabei bewirken die Branchenmerkmale die Entstehung einer branchentypischen Unternehmenskultur, die bestimmte geteilte kognitive Strukturen umfassen. Hier ist ein Einfluss nur in einer Richtung festzustellen, die von der Branchenkultur auf die Unternehmenskultur ausgeübt wird. Natürlich variieren die Unternehmenskulturen innerhalb einer Branche, dies aber geringer als etwa die Unternehmenskulturen verschiedener Branchen (vgl. Cappallo 2005, S. 180).

Als unternehmensbezogene Subkultur zählt die Gruppenkultur, die sich infolge der Verschiedenheit der zu erledigenden Aufgaben innerhalb differenzierter Bereiche eines Unternehmens herauskristallisiert (vgl. Rothlauf 2006, S. 59).

Die oberste Mikroebene der Kultur ist die Individualkultur, welche durch die Gesamtheit kognitiver und affektiver Prädispositionen eines Individuums charakterisiert wird und dessen Verhalten innerhalb der sozialen Interaktion bestimmt wird (vgl. Huck 2004, S. 94). Die Formung der Individualkultur vollzieht sich im Verlauf des Sozialisationsprozesses, innerhalb dessen bestimmte Normen, Werte, Einstellungen und Verhaltensweisen erlernt werden (vgl. Thomas 2004a, S. 146). Neben einer primären Sozialisation, die in der Kindheit meistens unbewusst stattfindet, ereignet sich auch eine sekundäre Sozialisation im Erwachsenenalter, die eine Anpassung an weitere Kulturen oder Subkulturen vorantreibt und damit eine Erweiterung des Bezugsrahmen der primären Sozialisation und „Aufweichung der primär­kulturellen Determiniertheit des Individuums“ erzeugt (vgl. Huck 2004, S. 94). Manche Autoren bezeichnen dieses Hineinwachsen in die umgebende Gesellschaft und die Übernahme der kulturellen Rolle durch unbewusste Lernprozesse als Enkulturationsprozess und des Weiteren bewusste soziale Prägung als Sozialisationsprozess (vgl. Geistmann 2002, S. 73). Daraus resultiert eine für uns wichtige Zusammenfassung dessen, was in Abb. 2 zu sehen ist: Während die Nationalkultur eine direkte Wirkung auf die Individualkultur mittels Primär­sozialisation ausübt, beeinflusst sie die Unternehmenskultur nur indirekt. In diesem Rahmen ist die Aufgabe der Unternehmenskultur, „[...] die Individualkulturen der Mitarbeiter in einer einheitlichen, unternehmensweiten Arbeitskultur zu integrieren“ (Huck 2004, S. 95). Dies erfolgt mittels bereits erwähnter Sekundärsozialisation. Für grenzüberschreitend tätige Unternehmen im Fall eines Greenfield - Starts ergibt sich die Möglichkeit, auf die ausgesuchten Mitarbeiter aus dem Gastland Einfluss zu nehmen. Die unflexible, weithin vertretene Annahme, dass die Landeskultur die Denk- und Verhaltensweisen der Organisationsmitglieder vor dem Berufseintritt so tief und unveränderlich prägt, dass die Unternehmenskultur nur neue Praktiken und Artefakte beibringen könne (vgl. Köppel 2003, S. 39 f.; Geistmann 2002, S. 67 f.), sehe ich als mangelhaft an. In der heutigen Welt, in der Personen mehrsprachig aufwachsen oder binationale Identitäten herausbilden können, greift dieser Ansatz zu kurz.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Zusammenhang von Landes-, Unternehmens- und Individualkultur. In Anlehnung an: Huck 2004, S. 95

2.1.3 Konvergenz vs. Divergenzthese und der ausgewogene Mittelweg

Eine umstrittene Frage der Kulturforschung, die für die vorliegende Arbeit eine wichtige Rolle spielt, könnte man als eine Debatte der Extreme, Kulturismus versus Universalismus, zusammenfassen. Die Universalisten (auch Kulturuniversalisten genannt) vertreten die „culture free - These“, während die Kulturisten (Kulturrelativisten) die culture bound - These vertreten. Universalisten postulieren die Existenz allgemeingültiger Eigenschaften, Merkma­le, Werte und Verhaltensweisen der Menschen über Länder hinweg, die „Universalien“ genannt werden. Kulturalisten akzentuieren, die kulturelle Verschiedenheit und Einzigartigkeit jeder einzelnen Kultur und die Notwendigkeit eines differenzierten Vorgehens (vgl. Gawlik 2004, S.22 f.).

Die Globalisierung, welche die Annäherung der Systeme, Länder und Verhaltensweisen der Menschen vorantreibt, ist sehr oft mit der Konvergenzthese in Verbindung gebracht worden (vgl. Marieke de Mooij 2003, S. 109). Die globale Vernetzung von Menschen und Kulturen führe zu einer Abnahme kultureller Unterschiede, so die Annahme der Konvergenzthese. Andererseits behauptet die Divergenzthese, dass die Nivellierung kultureller Unterschiede unmöglich wäre. Zu betonen ist hier der dynamische, zeitbezogene Aspekt der Konvergenz - und Divergenzthese im Vergleich zu dem statischen Aspekt der Annahmen der Universalisten und Kulturisten (vgl. Kutschker/Schmid 2006, S. 779). Die ökonomische Angleichung der Länder findet jedoch viel schneller statt als die kulturelle oder psychologische Angleichung der Menschen (vgl. Marieke de Mooij 2003, S. 110). Ebenso hat eine empirische Studie bezüglich des Konvergenzgrades gezeigt, dass, obwohl auf dem Makroniveau Konvergenz stattfindet (wie z. B. weltweite Verfügbarkeit von Produkten), die Divergenz auf der Mikroebene bestehen bleibt (z. B. unterschiedliche Nutzung gleicher Produkte) (vgl. Marieke de Mooij 2003, S. 115 ff.). Bezogen auf das Alltagsleben kann man beispielsweise amerikanische Musik hören, ab und zu griechisch essen gehen und sich gerne Filme anschauen, welche einem anderen Kulturkreis entstammen, jedoch nichtsdestotrotz eigene kulturelle Besonderheiten und Werte haben. Daher erachte ich eine Position, wie sie durch den Autor Roland Robertson vertreten wird, als realitätsnäher. Diese spricht von einer kulturellen Hybridisierung, die von einem Prozess „wechselseitiger Vermischung“ der Kulturen aus geht (vgl. Schwinn 2006, S. 205). Dabei können auch asymmetrische Beeinflussungsprozesse stattfinden, in Abhängigkeit von den örtlichen strukturellen Gegebenheiten, die darüber entscheiden, welche globalen Merkmale sich durchsetzen werden (vgl. ebd., S. 206 f.).

Somit entsteht im Zuge der Globalisierung eine „Glokalisierung“ (Robertson 1998, S. 193), das heißt es entstehen lokale Kontexte, die einen Abdruck des Globalen in sich tragen. Beim Aufeinandertreffen der Kulturen wird das Leben und Verhalten der Menschen durch die jenseits des lokalen Kontexts entsprungenen Möglichkeiten beeinflusst (Dürrschmidt 2006, S.525).

Nun sollen die sich gegenüberstehenden Thesen speziell auf die Managementlehre angewandt werden. Hier besagt die Konvergenzthese, dass universelle Managementtechniken und - instrumente, unabhängig von nationalen Gegebenheiten innerhalb eines Konzerns zum Erfolg führen würden. Solch eine Haltung setzt das Ausleben gleicher Wertvorstellungen bzw.

Normen im Unternehmen voraus und lässt die jeweilige Landeskultur unbeachtet (vgl. Barmeyer 2000, S. 35 ff.). Die Divergenzthese hingegen verneint die Möglichkeit einer erfolgreichen Übertragbarkeit von Managementtechniken in andere Kulturkreise und Kulturumfelder. Durch ihren Absolutheitsanspruch sind beide Thesen nicht überzeugend. Darum vermag die "These des Kulturkorridors" angewendet werden, um einen Kompromiss in der Konvergenz-Divergenz - Kontroverse zu schaffen (vgl. Barmeyer 2000, S. 39). Die „These des Kultur-Korridors“ geht auf das 3 - Ebenen - Konzept von Edgar H. Schein zurück und unterstellt, dass eine gewisse Menge an gemeinsamen Grundannahmen existiert, die sich aufgrund unterschiedlicher Interpretationsmöglichkeiten zu einer größeren Menge gemeinsamer Werte, Normen und Artefakte ausweitet. Somit ist die Konvergenz oder das Ausmaß an Übereinstimmungen auf der sichtbaren Ebene der Artefakte am größten und am geringsten auf der unsichtbaren Ebene der Grundannahmen (vgl. Barmeyer 2000, S. 39). Dies bedeutet, dass die Harmonisierung oberflächlicher Dinge nicht zwangsläufig zur Übereinstimmung der Werte führt. Christian Scholz analysierte die Kultur innerhalb der Europäischen Union und bringt es bildlich folgendermaßen zum Ausdruck: Die Mitte des Korridors bilden die Konvergenzen, die von Divergenzen umgeben sind (vgl. Anhang, Abb. 3). Je mehr Grundannahmen geteilt werden, desto besser sind die Voraussetzungen für die interkulturelle Verständigung (vgl. Scholz 2004, S. 227). Dabei ist eine „Mindestanpassung bezüglich des Minimalkorridors“ (Scholz 2000, S. 829) erforderlich, um eine Stimmigkeit der Unternehmenskultur eines international tätigen Unternehmens zu gewährleisten (vgl. ebd., S. 829).

Manche Autoren schlagen vor, sich nach einer differenzierten Äquivalenzthese zu richten. Diese meint, dass der Transfer von Managementkonzepten und die Entwicklung gleichartiger Unternehmenskulturen nur dann möglich sind, wenn die Kulturen der interagierenden Länder „funktional-äquivalent“ sind (vgl. Rollberg 2001, S. 158). Dies setzt nicht die Gleichheit der Annahmen und Wertevorstellungen zweier Kulturkreise voraus, sondern eine „gleiche verhaltenssteuernde Wirkung auf die jeweilige Bevölkerung“ (vgl. ebd., S. 158).

An dieser Stelle möchte ich eine vierte Position anführen, die positive Impulse in Bezug auf den Transfer von Unternehmenskultur geben soll. Ausgehend von einem „offenen Kultur­begriff“ wird angenommen, dass die Angehörigen eines Gastlandes ihre Wertesysteme in einer Art zweiten Sozialisation innerhalb des Unternehmens erweitern oder sogar überformen können und die Handlungsspielräume der Kultur als Orientierungssystem vergrößert werden. Diese universalistisch-reflektierte Position lässt eine Übertragung von Unternehmenskultur zu und befindet sich daher zwischen den beiden Extremen, allerdings näher zum universalistischen Pol, wie in der Abb. 4 dargestellt (vgl. Liemich 2006, S. 16). Dabei übernimmt die Muttergesellschaft eine kreative Rolle in der Gestaltung einer alle Einheiten verbindenden Unternehmenskultur, die im Endeffekt ein mosaikartiges Bild ergibt. Solch eine Ausübung dieser Gestaltungsrolle ist durch die asymmetrische Machtverteilung gewährleistet. Um einen besseren Vergleich zu erreichen, wird der kulturistische Pol durch die kulturverglei­chende Managementforschung besetzt. Das andere universalistische Extrem wird durch die vergleichende Länderforschung eingenommen, die ihren Anfang in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts fand und sich mit der Frage beschäftigte, ob man Management - Know how erfolgreich transferieren kann (vgl. Liemich 2007, S. 8 ff.). Das interkullturelle Management ist ein relativ junges Forschungsfeld und hat sich als Antwort auf die Herausforderungen der Unternehmen im internationalen Kontext herausgebildet (Merkens 2004b, S. 10). Seine Aufgabe ist es, die universellen Anteile des Managements mit den national-kulturellen Besonderheiten zu verknüpfen und damit eine Balance zwischen den beiden zu schaffen. Aktuell beschäftigt sich das interkulturelle Management jedoch überwiegend mit den so genannten weichen Faktoren (vgl. Merkens 2004a, S. 24 ff.), was dazu führt, dass viel Aufmerksamkeit der Entwicklung interkultureller Kompetenz, interkultureller Kommunika­tion und Lernen gewidmet wird. Da das interkulturelle Management primär eine Sensibilisie­rung in Bezug auf kulturelle Vielfalt und Differenz fördert, befindet es sich in der Abbildung näher dem „culture-bound“ Pol.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Die reflektiert universalistische Position. Quelle: Liemich 2006, S. 16.

2.1.4 Kulturtransfer

Da Kulturen ein offenes System darstellen, sind sie Einflüssen von außen ausgesetzt und durch Austauschbeziehungen charakterisiert, vor allem wegen moderner Technologie- und Kommu­nikationsentwicklungen. Dieser so genannte „Kulturtransfer“ impliziert Transferprozesse, die in einem gewissen Maße Veränderungen an Kulturen veranlassen (vgl. Barmeyer 2000, S. 32 f.).

Kulturtransferprozesse sind Gegenstand des interkulturellen Lernens und beziehen sich auf die „Übertragung von Ideen, kulturellen Artefakten, Praktiken und Institutionen aus einem spezifischen System gesellschaftlicher Handlungs-, Verhaltens- und Deutungsmuster in ein anderes“ (Lüsebrink 2005, S. 129). Kulturtransfer zwischen Kulturen ist die Ausgangsbasis für den interkulturellen Transfer auf der Unternehmensebene. Der Kulturtransfer basiert auf der Annahme „[...] der Existenz bzw. der empirisch nachvollziehbaren historischen Konstituierung solcher Identifikationsgemeinschaften und zugleich einer interkulturellen Kommunikation zwischen ihnen, die auf einem Sockel von Gemeinsamkeiten beruht.“ (Middell 2000, S. 17). Kulturtransfer umfasst nicht nur die materiellen Ausprägungen einer Kultur, sondern auch die symbolischen Elemente (vgl. ebd., S. 18). Während die Übermittlung von Informationen, Praktiken und Medienangeboten einen fassbaren Bereich des Kulturtransfers darstellt, ist die Vermittlung von Codes, Werten und Ritualen nur schwer erkennbar (vgl. Lüsebrink 2005, S.129 f.). Im Hintergrund des Kulturtransferprozesses läuft allerdings eine nicht unmittelbar einsehbare, komplizierte interkulturelle Handlung ab, welche das Verhältnis von Fremdem und Eigenem oder das Verhältnis von Ausgangs- und Rezeptionskultur auf die Probe stellt. Dabei ist die Frage nicht nur, ob die Ausgangskultur genügend Prägekraft besitzt, sondern noch wichtiger ist, ob die Bereitschaft und das Bedürfnis der Rezeptionskultur gegeben ist, das Fremde in das Eigene einzuschließen. Wichtig ist, dass im Prozess der Aneignung die Fremdheit möglichst verborgen bleibt, damit die Empfangenden im Endeffekt, trotz entstehender Heterogenität, den Eindruck einer homogenen eigenen Kultur haben (vgl. Middell 2000, S 18 ff.).

Der interkulturelle Transfer ist ein dynamischer Prozess und basiert auf Konzepten wie Akkulturation und Enkulturation (vgl. Lüsebrink 2005, S. 130). Da der Akkulturationsprozess weitgehend im Rahmen von Punkt 3.3.2.3 analysiert wird, sei hier nun der Schwerpunkt auf die Strukturelemente des Kulturtransfers gelegt, die es ermöglichen, das Forschungsfeld des Kulturtransfers zu strukturieren.

Lüsebrink ermittelt drei wichtige Prozesse, aus denen sich der Kulturtransfer zusammensetzt. Am Anfang finden Selektionsprozesse statt. Innerhalb dieser werden anhand bestimmter technischer, praktischer oder ideologischer Interessen Objekte, Praktiken oder Werte ausgewählt, die in die Zielkultur übertragen werden sollen, gefolgt von interkulturellen Vermittlungsprozessen, die die Art und Weise der Vermittlung festlegen, aber auch die Schlüsselpersonen oder Institutionen einordnen, die die ausgewählten Diskurse transferieren. Abschließend erfolgen Rezeptionsprozesse, welche die Aneignung und die Integration der kulturellen Inhalte in den Verständnishorizont der Zielkultur begleiten und möglicherweise zu strukturellen und psychologischen Veränderungen führen (vgl. Lüsebrink 2005, S. 132 ff.). Die Rezeptionsprozesse sind aus Sicht mancher Autoren wegen mangelnder Beachtung von besonderem Interesse. Eine wichtige zu beantwortende Frage ist hier: In welchem Ausmaß werden die übermittelten kulturellen Instrumente oder Wertsysteme angenommen oder übernommen (vgl. Barmeyer/Davoine 2006, S. 12). Aus meiner Sicht sind auch die Vermittlungsprozesse nicht zu vernachlässigen, denn sie stellen eine Herausforderung dar, Änderungen herbeizurufen, ohne die Moral der Angehörigen der Gastlandkultur zu verletzen.

2.2 Unternehmenskultur

2.2.1 Zum Begriff von Unternehmenskultur

Unternehmenskultur ist bereits in den achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts zu einem relevanten Thema geworden. Dabei ist die Vielfalt wissenschaftstheoretischer Standpunkte und Begriffe der Unternehmenskultur unabwendbar und mittlerweile kaum noch zu überschauen. Eine detaillierte Diskussion der unterschiedlichen Begriffe würde den Rahmen dieser Arbeit übersteigen.

Jeder hat die Möglichkeit, aus der Vielfalt der Definitionen von Unternehmenskultur die für ihn passendste zu wählen. Es ist jedoch klar, dass der übergeordnete Sinn in allen Bestimmungen der Unternehmenskultur identisch ist: Unternehmenskultur stellt eine schöpferische Tätigkeit der Organisation dar, die die einzigartige Erscheinung von materiellem und geistigem Leben des Kollektivs widerspiegelt, eingeschlossen die darin vorherrschenden Normen, Werte, Verhaltenskodexe und die verwurzelten Rituale, Traditionen, die sich ab der Entstehung der Unternehmung entwickeln und von der Mehrheit der Mitarbeiter geteilt werden.

Unternehmenskultur wird aus dem Blickwinkel zweier pragmatischen Sichtweisen jeweils unterschiedliche Bedeutung beigemessen (vgl. Zimmer 2001, S. 14).

1) Der objektivistisch - funktionale oder variable Ansatz deutet Unternehmenskultur als ein Unternehmensmerkmal, das als ein eigenständiges, wahrnehmbares Attribut gewisse funktionale Aufgaben für das Unternehmen erfüllt. Somit besteht die Annahme des funktionalistisch-objektivistischen Ansatzes, dass das Unternehmen Kultur habe (vgl. Zimmer 2001, S. 14). Die inhaltlichen Definitionen von Unternehmenskultur durch die Vertreter des variablen Ansatzes richten sich auf die Bedeutung von Werten, Normen und sichtbaren Äußerungsformen der Unternehmenskultur (vgl. Heinen/Frank 1997, S. 16).

[...]


[1] Befragt wurden mehr als 900 Manager aus USA, England, Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, Japan, Kanada und China (vgl. Accenture, 12.11.2008)

[2] Basierend auf dem 7-S-Modell von Mc Kinsey und der Veröffentlichung von Peters und Waterman "In the search of excellence" wurden weiche Faktoren wie Fähigkeiten, Personal, Stil und übergeordnete Ziele unter dem Begriff Unternehmenskultur zusammengefasst.

Ende der Leseprobe aus 98 Seiten

Details

Titel
Bezugsrahmen für den internationalen Transfer von Unternehmenskultur im Falle eines Greenfield – Starts
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Autor
Jahr
2008
Seiten
98
Katalognummer
V182513
ISBN (eBook)
9783656063568
Dateigröße
938 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Unternehmenskultur, Internationalisierungsprozess, Transfer von Unternehmenskultur
Arbeit zitieren
Ina Sclearov (Autor:in), 2008, Bezugsrahmen für den internationalen Transfer von Unternehmenskultur im Falle eines Greenfield – Starts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/182513

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