Das Zentrum Kreuzberg. Eine Untersuchung der städtebaulichen Eingriffe am Kottbusser Tor


Masterarbeit, 2010

117 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung

I. Einleitung
I.1 Fragestellung und Hypothese
I.2 Methode und Forschungsstand

II. Historische Entwicklung des Stadtbezirks Kreuzberg
II. 1 Von der ländlich geprägten Luisenstadt zur steinernen Mietskasemenstadt
II.2 Zerstörung, Wiederaufbau und Sanierung
II.2.1 Massenwohnungsbau und Kahlschlagsanierung
II.2.2 Die kulturelle Entwertung der Mietskaserne als Legitimation für die Stadt von Morgen
II.2.3 Wiederaufbau in Kreuzberg
II.2.4 Sanierungspolitik in (West-)Berlin
II.2.5 Festlegung des Sanierungsgebiets Kreuzberg
II.3 Fazit

III. Das Sanierungsgebiet Kottbusser Tor (SKKT)
III. 1 Planungseinheit Pili und Planung des Neuen Kreuzberger Zentrums (NKZ)
III. 1.1 Positive Wahrnehmung des Bauvorhabens
III. 1.3 Negativ-Image des NKZ vor seinem Bau
III. 2 Fazit

IV. Das Sanierungsgebiet Kottbusser Tor nach dem Bau des NKZs
IV. 1 Veränderung der städtebaulichen Leitbilder
IV. 1.1 Widerstandsbewegungen gegen die autoritäre Planungspolitik
IV. 1.2 Proteste und Veränderung der Stadtplanungspolitik in West-Berlin
IV. 1.3 ״Strategien für Kreuzberg"
IV. 1.4 Die IBA Berlin GmbH IV.2 Die negative Wahrnehmung und Bewertung des NKZ
IV. 3 Fazit

V. Das positive Image des Neuen Kreuzberger Zentrums
V. 1 Das Zentrum Kreuzberg im Kontext der neueren Stadtentwicklung
V. 2 Das Programm Soziale Stadt und das Projekt Quartiersmanagement
V.2.1 Das Modellgebiet Kottbusser Tor
V. 3 Kreuzberg und Gentrifizierung
V. 4 Tourismus in Kreuzberg
V.5 Das positive Image des Neuen Kreuzberger Zentrums
V. 6 Fazit

VI. Zusammenfassung und Fazit
VI. 1 Ausblick

Anhang
I. Interview mit dem Architekten des Zentrum Kreuzberg
II. Planung für das Sanierungsgebiet KKT von Prof. Johannes Uhl
III. Plan des Zentrum Kreuzberg 1974
IV. Plan des Zentrum Kreuzberg 2000, Erdgeschoss
V. Fragen an die Hausverwaltung Kremer
VI. Befragung der Gewerbetreibenden im Zentrum Kreuzberg

Literaturverzeichnis

Bildnachweis

I. Einleitung

La forme d’une ville change plus vite, hélas! que le coeur d’un mortel.1

Charles Baudelaire

Die Formen einer Stadt verändern sich im Wandel der Zeit. Charles Baudelaire kommentiert in diesem Zitat die Entwicklung der Stadt Paris im 19. Jahrhundert, deren Formveränderungen für den bekannten Flaneur kaum noch nachvollziehbar waren, da sie sich im ״Rhythmus des Herz­Schlags eines Sterblichen“ neu gestalteten.

Baudelaire könnte mit der sich unablässig verändernden Form der Stadt zweierlei gemeint haben: Erstens, die materielle Form, sprich die gebaute Substanz. Er könnte auf die äußeren Strukturen der Stadt angespielt haben, die fortwährend neu entstehen oder sich auflösen. Raum­beziehungen werden dabei immer wieder aufs Neue definiert und auf unterschiedliche Art und Weise bewertet, da sich deren materielle Form verändert.

Zweitens könnte damit jedoch auch den Inhalt dieser äußeren Hülle gemeint haben, die ״immaterielle Form“. Damit ist der Raum gemeint, der sich aus den gelebten Strukturen zusam­mensetzt, aus sozialen sowie gesellschaftlichen Beziehungen und Entwicklungen. Auch dieser Raum gestaltet sich in seinen Strukturen kontinuierlich neu und wird in seiner Form verschieden­artig wahrgenommen.

Die vorliegende Arbeit widmet sich den Veränderungen und unterschiedlichen Wahrnehmungen dieser ״immateriellen Form“ und untersucht sie anhand einer konkreten Architektur. Für die Analyse wurde ein Gebäude ausgewählt, das in der Vergangenheit sowie in der Gegenwart immer wieder neu bewertet wurde und in vielfältiger Form von äußeren, zeitlichen Gegeben­heiten beeinflusst wurde und wird.

Das Beispielgebäude ״Zentrum Kreuzberg“, das zwischen 1972 und 1974 entstand, befindet sich im heutigen Stadtteil Friedrichshain-Kreuzberg am Verkehrsknotenpunkt Kottbusser Tor und fällt dem Betrachter besonders ins Auge: Wie ein Fremdkörper überspannt der Riegel aus Beton und Fertigteilen die Adalbertstraße, blockiert damit die Sichtachse vom Kottbusser Tor aus und degradiert ein komplettes Viertel zum Hinterhof,2 in dem abgesehen von den Bauten im großen Maßstab am Kottbusser Tor eher kl einteilige Mischstrukturen mit Gebäuden aus dem 19. Jahr­hundert vorzuflnden sind. Verglichen mit der restlichen Bebauung erscheint das Zentrum

Kreuzberg monströs und bizarr, seine Architektur grau und aggressiv. Das Gebäude wirkt von Außen heruntergekommen, die Fassaden sind dreckig, der Beton zeigt teilweise Risse auf. Im Inneren sind die Wände beschmiert und es riecht unangenehm.

Als grau, menschenfeindlich und soziale Brennpunkte werden die im großen Maßstab angelegten Wohnblöcke der 50er, 60er und 70er Jahre auch noch heute immer wieder in der Presse darge­stellt. Auch das Zentrum Kreuzberg reiht sich vor allem durch diverse Pressemitteilungen immer wieder in die Beschreibungen dieser Bauten ein: Betonklotz3,, Slamsilo4, menschenverachtendes Monstrum5 oder schlichtweg Ghetto6. Die sehr abwertenden Bezeichnungen zeugen von der negativen Meinung über das Gebäude und werfen die Frage auf, wie und warum dieses Gebäude entstehen konnte. Die Wahrnehmung des Zentrum Kreuzberg muss sich im Laufe der Jahrzehnte verändert haben.

Ganz offensichtlich unterschied sich das frühere Bild von ״sinnvoller“ Architektur und ent­sprechender Planung von der heutigen Vorstellung, es handele sich bei dem Bauprojekt um eine ״typische Fehlplanung der 70er Jahre“. Entscheidend für den hier stattgefundenen Párádig- menwechsel waren und sind die unterschiedlichen Wahrnehmungsformen und Beurteilungs­muster von Architektur und Städteplanung. Denn obwohl noch immer die gleiche Architektur in der gleichen Form am Kottbusser Tor vorzufinden ist, hat sich der Gesamteindruck - nachfolgend als Image bezeichnet - des Zentrum Kreuzberg im Laufe der Jahre fortwährend verändert. Folglich eignet sich das Gebäude am Kottbusser Tor gut als ein Beispielgebäude für diese Arbeit, da die unterschiedliche Wahrnehmung und Beurteilung in Bezug auf den Wohnblock sehr prägnant sind und - wie die Untersuchung zeigen wird, eng an die zeitlichen Rahmenbe­dingungen gebunden waren und sind.

Die unterschiedlichen Wahrnehmungsformen lassen sich hinsichtlich des Gebäudes Zentrum Kreuzberg schematisch in drei Perioden aufgliedem, die nachfolgend kurz skizziert werden.

In der ersten Phase, der Planungs- und Bauphase wurde das Zentrum Kreuzberg ganz im Gegen­teil zu den späteren Negativschlagzeilen sehr positiv beurteilt. Das Bauprojekt wurde in großen Zügen gelobt: Jetzt bekommt auch Kreuzberg sein Glitzerding7 hieß es da bisweilen. Das Zentrum Kreuzberg biete alles, was das Herz begehrt8, schrieb beispielsweise die Bild Zeitung. In seiner Architektur und seiner städtebaulichen Einbettung entsprach es den damaligen Vor­Stellungen von modernem Wohnungsbau.

Doch die Wahrnehmung der ״Wohnblöcke“ hat sich im Laufe der Zeit deutlich verändert: Was einst als zukunftsweisend gelobt wurde, wird heute bei der breiten Masse der Bevölkerung als ״menschenunwürdig“ erachtet. Erste Anzeichen für die Heranbildung eines Negativimages des Zentrum Kreuzberg und damit die zweite Phase lassen sich bereits in der Planungszeit fest­stellen. In den 80er und 90er Jahren verfestigte sich zunehmend das schlechte Image des Gebäudes. Geprägt von skandalösen Medienberichten über soziale Missstände war in jenen Jahren immer wieder die Rede vom Abriss solcher ״Wohnsilos“. Das Zentrum Kreuzberg geriet dabei besonders in Verruf, Berichte machten das Gebäude zum ״Moloch Kreuzbergs“. Es sei ein Betonrahmen, in dem sich der Untergang der menschlichen Seele vollziehe, berichtete die TAZ beispielsweise 1987.

Die Meinungen zum Thema Wohnblock gehen auch heute noch selten auseinander: In Großsied­lungen wie der Gropiusstadt oder dem Märkischen Viertel findet ein Rückbau statt, da die Wohnungen heute massenhaft leer Stehen. Und dennoch lässt sich in dem letzten Jahrzehnt, der dritten hier analysierten Zeitperiode, eine Rückbesinnung auf die Bauten der Nachkriegsmoderne beobachten: Der Tag des offenen Denkmals Stand 2007 im Zeichen der Architektur der ersten drei Nachkriegs-Jahrzehnte.9 Auch im Fall des Zentrum Kreuzberg ist ein - wenn auch langsamer - Prozess der Wiederaufwertung zu beobachten. So berichtete die TAZ im Jahr 2008: Im Zentrum Kreuzberg blüht das Kulturleben.10 Mehr und mehr Szenebars siedeln sich im Gebäude an, und so manche gilt als echter Geheimtipp11. Auch das vor Ort agierende Quartiersmanagement, das im Rahmen des Projekts ״Soziale Stadt“ entstand, verzeichnete in den letzten Jahren einen Aufwärtstrend und hält im Bericht über das ״Modellgebiet Kottbusser Tor“ fest: Der Standort hat wieder Zukunft.12

Mittels dieser Aufgliederung in drei Zeitabschnitte ist deutlich nachzuempfinden, dass sich in Bezug auf das Gebäude Zentrum Kreuzberg ein Imagewandel vollzog. Obwohl immer der gleiche räumliche Rahmen vorhanden war, wurde dieser immer wieder verschiedenartig wahrgenommen.

Gewiss ist ein ״Image“ immer nur ein Ausschnitt aus einem komplexen Meinungsbild und kann nur einen schemenhaften Gesamteindruck wiedergeben. Ein Passant etwa nimmt das Zentrum Kreuzberg ganz anders wahr als der Bewohner des Gebäudes und ein Tourist besitzt zweifelsohne ein anderes Urteil über den Bau als der Kioskbesitzer am Kottbusser Tor. Auch die Medien lassen stets Teile von Meinungen und Beurteilungen weg, die als nicht stellvertretend erachtet werden oder nicht von einem ausreichenden Teil der Bevölkerung vertreten werden. Das Image ist folglich eine subjektive Art und Weise, eine Tendenz von Meinungen zu einem Ge­samtbild zusammenzufügen. Die Analyse des Images eines Gebäudes ermöglicht indessen, Ver­änderungen von Meinungsbildem zu erklären und darüber hinaus zu zeigen, dass sich Räume nicht nur äußerlich verändern, sondern auch immer wieder anders und neu bewertet werden. Die gebaute Umwelt muss in ihrem zeitlichen und gesellschaftlichen Kontext betrachtet werden, da Auf- und Abwertungsprozesse eines Gebäudes und der sich hieraus ergebende Imagewandel an historische Rahmenbedingungen gebunden sind.

Das Zentrum Kreuzberg kann stellvertretend für andere Gebäude oder städtebauliche Planungen als ein Beispiel dienen, anhand dessen Veränderungsprozesse von städtischen Räumen und deren Abhängigkeit von zeitlichen Entwicklungen erläutert werden.

I.1 Hypothese

Die Architektur des Zentrum Kreuzberg wird in engen Zusammenhang mit Auf- und Abwer­tungsprozessen auf sozialer und gesellschaftlicher Ebene gebracht. Bei den abschätzigen Berner- kungen über das Zentrum als beispielsweise Sozialruine13, menschenverachtendes Monstrum14 oder Burgghetto der Sozialfälle15 ist auffällig, dass gesellschaftliche und soziale Aspekte sowie auch ökonomische Gesichtspunkte {Pleitebau16, Bausünde17 ) sehr stark mit der Architektur in Verbindung gebracht werden. Der Bau und seine ״fehlerhafte Planung“ werden bisweilen sogar für die negativen Entwicklungen verantwortlich gemacht: Natürlich ist dieses Haus verkorkst. Es ist ein Monster, verschachtelt und unübersichtlich18. Es gleicht einem Kaninchenstall. Wenn man so winkelig baut, muß ja eine Dreckhalde entstehen19.

Aus diesen Überlegungen aufbauend ergibt sich die zentrale Fragestellung dieser Arbeit: Kann Architektur für gesellschaftliche und soziale Entwicklungen verantwortlich gemacht werden? In Bezug auf das hier aufgeführte Beispiel, das Zentrum Kreuzberg, lautet die Frage konkreter: Inwiefern ist der räumliche Rahmen, die gebaute Substanz, für Auf- und Abwertungsprozesse des Zentrum Kreuzberg verantwortlich?

Anhand des Beispiels und des Imagewandels wird die Hypothese aufgestellt, dass die Entwick­lungen, die das Gebäude im Laufe der Jahrzehnte - während der hier definierten drei unter­schiedlichen Zeitperioden - durchlief, von vielschichtigen zeitlichen Bedingungen, von sozialen, politischen und ökonomischen Zusammenhängen abhängig waren. Weiterhin wird diese These unterstützt durch die Annahme, dass diese zeitlichen Rahmenbedingungen für die Evolution des Gebäudes und dessen Image ausschlaggebend waren und nicht dessen äußere Hülle - die gebaute Substanz.

I. 2 Methode und Forschungsstand

Seit dem ״spatial tum“ in den späten 80er Jahren ist in den Kultur- und Sozialwissenschaften eine Neubewertung des Raumbegriffs zu beobachten: Raum [wird] in jüngster Zeit zu einer neuen zentralen Wahrnehmungseinheit.20

Raum wird nicht mehr lediglich als eine leblose und physisch unveränderbare Hülle, sondern als ein Resultat von Leben in seiner kulturellen Interdependenz betrachtet. Im Fokus Stehen dabei soziale Netzwerke und ihre komplexe Produktion von Raum durch ״Leben und Bewerten“, die ergänzt wird durch die mediale Beschreibung behiehungsweise die Außenwahmehmung. Geographen wie zum Beispiel David Harvey, Edward Soja oder Derek Gregory wandten sich in den letzten Jahrzehnten vermehrt theoretischen Autoren wie Henri Lefebvre zu, der sich in seinem Werk 'La production de l'espace'21 intensiv mit der Entstehung von Raum durch ״soziale Produktion“ beschäftigte. Er schuf damit den gmndlegenden Ansatz für ein neues Raum­Verständnis. Ebenso setzen sich Soziologen wie Saskia Sassen, Martina Löw oder Hartmut Häußermann mit dem Verhältnis von Raum und Gesellschaft auseinander. Damit hat auch die Stadtsoziologie an Bedeutung gewonnen. Es wird immer offensichtlicher, dass die Stadt als ein Raum betrachtet wird, der nicht vom sozialen Gefüge loszulösen ist und im Wesentlichen von ihr ״produziert“ wird.22 Das erläuterte Raumverständnis, die Abhängigkeit des Raums von sozialen Entwicklungen, diente der vorliegenden Arbeit als Basis für die Untersuchung der ausgewählten Architektur, des Zentrum Kreuzberg.

Die Literatur, auf dessen Recherche die Analyse beruht, ist für die drei erwähnten Zeitperioden von unterschiedlicher Art.

Der erste Teil der Arbeit behandelt die Rahmenbedingungen, die für die Architektur der Nach- kriegsjahre entscheidend waren und in der Folge für ein positives Image des Zentrum Kreuzberg während seiner Planungsphase verantwortlich waren. Für diesen Teil besteht eine recht umfang­reiche Sammlung an Literatur, die sich mit dem Thema des Städtebaus der Nachkriegsmodeme und den Planungen der Stadterneuerung in Berlin befasst. Die vom Senat für Bau- und Woh­nungswesen herausgegebenen Stadtemeuerungsberichte und weitere Quellen dieser Zeit, wie zum Beispiel das vom Kreuzberger Bezirksamt 1956 herausgegebene Buch 'Wir bauen die neue Stadt'23 ermöglichen einen sehr aufschlussreichen Einblick in die Vorstellungen von dem zukunftsorientierten Planen dieser Zeit. Harald Bodemchatz setzt sich in seinem Werk 'Platz frei für das neue Berlin'24 kritisch mit der Stadtemeuerungspolitik der Nachkriegs-Jahrzehnte auseinander und analysiert ausführlich die historischen Gegebenheiten, auf denen die Planungen und Leitbilder dieser Zeit basierten. Für die Bewertung des Images des Zentrum Kreuzberg waren die Betrachtung der zeitlichen Umstände und zusätzlich die Auswertung von Zeitungsartikeln maßgebend.

Für die zweite Zeitperiode, während derer es zu einer Abwertung des Zentrum Kreuzberg kam, dienten vornehmlich Zeitungsartikel der Recherche. Eine Sammlung von Zeitungsartikeln der 80er Jahre, erschienen unter dem Titel 'Mythos Kreuzberg'25, ermöglichte außerdem eine Analyse der Wahrnehmung des Umfeldes und der entsprechenden Darstellung in der Presse, die einen er­heblichen Anteil an der Herausbildung des Negativimages hatten. Für das Verständnis der sich zu dieser Zeit neu entwickelnden städtebaulichen Leitbilder diente die Literatur der Bewegung der ״Behutsamen Stadtemeuerung“, die einen kritischen Beitrag zur Architektur und Stadtpla­nung der Nachkriegsjahre leistete.

Der letzte Teil, der den langsamen Aufwertungsprozess des Zentrum Kreuzberg analysiert, beruht zunächst einmal ebenfalls auf Zeitungsartikeln, zudem auf Untersuchungen des Quartiers­managements und Literatur, die sich mit derzeitigen neueren Stadtentwicklungen wie Gentri- fizierung, Tourismus und dem Projekt ״Soziale Stadt“ beschäftigt. Darüber hinaus wurden Befragungen des Architekten, der Hausverwaltung, der Gewerbetreibenden und der Bewohner durchgeführt und für eine Analyse hinzugezogen.

Auch die einzelnen Arbeitsschritte orientieren sich an den erläuterten drei Zeitabschnitten. In Kapitel II dieser Arbeit wird die Frage geklärt, wie es zum Projekt Zentrum Kreuzberg kam und es werden die Rahmenbedingungen beleuchtet, die den Weg für den Städtebau der Nach­kriegsjahre bereiteten und für das Konzept der ״Wohnblöcke“ entscheidend waren. Darauf aufbauend wird im darauf folgenden Kapitel untersucht, warum die Wahrnehmung des Zentrum Kreuzberg vor seinem Bau im Allgemeinen so positiv ausfiel. Im vierten Kapitel werden die negativen Entwicklungen des Zentrum Kreuzberg diskutiert: Warum entwickelte sich das zuvor so positiv wahrgenommene Bauprojekt zu einem Gebäude mit einem schlechten Image? Welche zeitlich bedingten Faktoren waren für diesen Prozess ausschlaggebend?

Im letzten und fünften Kapitel dieser Arbeit wird die aktuelle Entwicklung des Gebäudes im Kontext der neueren Stadtentwicklung erörtert. Es wird die Aufwertung des Zentrum Kreuzberg in den letzten Jahren dargestellt und geklärt, durch welche Aspekte diese bedingt wurde bezie­hungsweise wird.

II. Historische Entwicklung des Stadtbezirks Kreuzberg

Kreuzberg zeigte in seiner historischen Entwicklung viele Veränderungen auf, die auch noch heute für das Stadtgefüge, die bauliche Substanz, aber auch die soziale Zusammensetzung des Bezirks sehr prägend sind. Wie kam es zu der Planung des Zentrum Kreuzberg26 ? Warum ent­schloss man sich dagegen, die alten Gebäude am Kottbusser Tor zu erhalten und warum entschied man sich an dieser Stelle für den groß maßstäblichen Wohnungsbau? Um die stadtplanerischen Eingriffe nach den Kriegszerstörungen und insbesondere die Planungen der Nachkriegsmodeme begreifen zu können, ist eine Betrachtung der historischen Stadtentwicklung der näheren Umgebung - des Kottbusser Tors und des Bezirks Kreuzberg - unabdingbar.

II. 1 Von der ländlich geprägten Luisenstadt zur steinernen Mietskasernenstadt

Erst mit der Bildung Groß-Berlins im Jahre 1920 erhielt der zu jenem Zeitpunkt neu gebildete Stadtteil27 seine heutige Bezeichnung Kreuzberg, benannt nach der gleichnamigen Erhöhung im südwestlichen Teil des Bezirks.28 Die Gegend zeichnete sich schon immer durch ihre Randlage aus, die auch erst mit der Wiedervereinigung 1989 aufgehoben werden konnte. So lag der Bezirk auch im 17. und 18. Jahrhundert vor den Toren der Stadt, getrennt durch die Akzisemauer, und wurde dementsprechend lediglich als Vorstadt bezeichnet (vgl. hierzu Abb.l).29 Erst 1802 erlangte das Gebiet einen eigenen Namen und wurde nach der Königin zunächst in Luisenstadt30 umbenannt.

Bis zu den Planungen des Landschaftsgestalters Peter Joseph Lennes unter dem Einfluss von Karl Friedrich Schinkel im 19. Jahrhundert besaß dieser Teil des Großraums Berlin einen eher dörflich geprägten Charakter und wurde vorwiegend als Acker- und Weideland genutzt. Die Straßenverläufe wuchsen in der Köpenicker Vorstadt willkürlich und dienten alleinig als Er­schließungswege für den Viehaustrieb und Ackerbau. Die wichtigsten Wege ordneten sich strahlenförmig vom Köpenicker Tor aus an.31

Lennés landschaftliche und städtische Planungen für die Luisenstadt in den 1840er Jahren weisen die für diese Zeit typisch romantischen Züge auf, die bei genauerem Hinsehen heute noch sichtbar sind. Charakteristisch ist in erster Linie der Entwurf einer ganzen Reihe von Plätzen, wie Z.B. des Wassertorplatzes, des Mariannenplatzes, des Moritzplatzes, des Heinrichplatzes und des Lausitzer Platzes (vgl. hierzu Abb.2). Die teilweise begrünten Plätze tragen auch heute einen wesentlichen Teil zur Auflockerung des sonst sehr dichten Stadtgefüges bei. Als ein weiteres Erbe Lennés ist außerdem die Planung des Landwehrkanals erwähnenswert, die den Anteil an Grün- und Erholungsflächen in Kreuzberg deutlich erhöht. Die Anlage des Luisenstädter Kanals als Verbindung zwischen Spree und Landwehrkanal sollte als eine Infrastrukturmaßnahme zur Verstärkung der Industrieansiedlung in der Luisenstadt beitragen. Eine niedrige Blockrandbe­bauung mit Schuppen und Werkstätten im Inneren der Blöcke ergänzte die kleinteiligen Strukturen des Bezirks und unterstützte darüber hinaus die Mischung von Wohnen und Gewerbe, die auch noch heute kennzeichnend für Kreuzberg ist.32

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.l: Die Köpenicker Vorstadt vor den Toren der Stadt im Jahre 1700. Abb.2: Pian Peter Joseph Lennés um 1840.

Die lockere Bebauung und der große Anteil an Plätzen und Grünflächen in der Luisenstadt konnte im Zuge der sukzessiven Industrialisierung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht aufrechterhalten werden. In der Zeit von 1850 bis 1900 vervierfachte33 sich die Bevölkerung Berlins, infolgedessen wurde auch der Wohnraum in Kreuzberg immer knapper. Mit dem Zuzug von Arbeitern vom Land und der vermehrten Nachfrage nach Wohnraum setzte eine immer extremere Verdichtung der Bausubstanz ein, Gebäude wurden aufgestockt, ausgebaut oder er­setzt. Die Planungen der so genannten Mietskasernen durch James Hobrecht in den 1860er Jahren ermöglichten es außerdem, dass noch mehr Menschen auf immer weniger Raum Platz fanden. Es herrschten katastrophale Wohnbedingungen, die sich ganz besonders in den extrem schlechten hygienischen Verhältnissen und der Überbelegung von vielen Wohnungen widerspiegelten. Werner Hegemann schilderte in seinem Werk 'Das steinerne Berlin' die menschenunwürdigen Zustände in den Hinterhöfen und Kellerwohnungen der Mietskasernen. In dieser Zeit lebten durchschnittlich 78 Menschen in jedem Haus, 1925 waren die vielen Einzimmerwohnungen mit durchschnittlich 4,3 Menschen belegt.34 Laut Hegemann würde die riesige Mietskaserne [...] auf fast unabsehbare Zeiten die Wohnform bleiben, der sich die Masse [..] unterwerfen muss [...].35

Zusätzlich bedeutete der Wegzug bürgerlicher Bewohner in die neuen Villenkolonien der Außen­bezirke nach 1870 für den Stadtteil Kreuzberg den Wandel zu einem homogenen proletarischen Arbeiter-Wohnviertel.36 Frei- und Grünflächen waren in dieser Zeit so gut wie nicht mehr vorhanden und es mangelte überall an sozialer und medizinischer Versorgung, denn die Preußischen Bauverordnungen erlaubten eine viel zu dichte Bebauung der Grundstücke. Die Luisenstadt entwickelte sich in dieser Zeit zu einem klassischen Arbeiterviertel, das sich durch eine intensive Funktionsmischung von Wohnen und Arbeiten, Tätigkeiten, die meist auf dem gleichen Gelände stattfanden, auszeichnete.37

Bis 1900 kann die Entwicklung der groben Strukturen des Stadtteils als abgeschlossen betrachtet werden und es können damit auch die wesentlichen, zum Teil auch noch heute prägenden Beson­derheiten des Bezirks ausgemacht werden. Hierzu zählen die dichte Blockrandbebauung in Form von Mietskasernen mit einer ebenso dichten Blockinnenbebauung und eine extreme Funktions­mischung (vgl. hierzu Abb. 4).

Jene Merkmale fanden sich auch am Kottbusser Tor wieder, das in der Kaiserzeit zu einem zentralen Platz im Bezirk wurde. An dem achtstrahligen, sternförmigen Platz kreuzten sich in dieser Zeit acht verschiedene Pferdebahnlinien. Das Tor war für die Verbindung Berlin-Rixdorf- Dresden ein wichtiger Knotenpunkt und somit verkehrlich gut erschlossen, was durch den Bau der Hochbahn 1902 noch verstärkt wurde.38 Abbildung 3 zeigt den Verkehrsknotenpunkt Kottbusser Tor und die extrem dichte Blockrandbebauung im gesamten angrenzenden Gebiet.

II.2 Zerstörung und Wiederaufbau

Im Allgemeinen waren die Zerstörungen Berlins durch den Zweiten Weltkrieges großflächig. Es wurden insgesamt 28,5 km2 von 187 km2 bebauter Stadtfläche total zerstört. Resultat der Bomben waren Trümmer und Lücken in der Bebauung. Besonders stark betroffen waren die Innenstadtbereiche, wo teilweise komplette Straßenzüge vernichtet worden waren.39 Von rund 1.600.000 Wohnungen wurden in ganz Berlin 500.000 zerstört, 300.000 teilzerstört und 400.000 leicht beschädigt,40 was eine extreme Wohnungsnot zur Folge hatte.

Trotz des stark zerstörten Stadtbildes war die Versteinerung [...] noch zu Teilen erhalten geblieben41 und es waren weiterhin 95% der unterirdischen Anlagen benutzbar sowie 90% der städtischen Infrastrukturen noch erhalten42 geblieben. Dies bedeutete, dass die groben Strukturen der Stadt im Wesentlichen noch ablesbar waren und das Stadtgefüge als solches, wenn auch in stark zerstörter Form, noch erhalten geblieben war.

In Kreuzberg belief sich der Anteil der Zerstörung auf 42% der Straßen und Häuser.43 Demnach war auch hier das Stadtgefüge stark von den Folgen des Krieges gezeichnet. Trotzdem war ein erheblicher Anteil an Altbauten erhalten geblieben, vor allem im südöstlichen Teil Kreuzbergs, insbesondere in der Oranienstraße und im Gebiet um den Görlitzer Bahnhof, wo auch noch heute die Mietkasernen mit Seitenflügeln und Hinterhofbebauung für das Stadtbild charakteristisch sind.

Der enorme Verlust von Wohnbauten (rund 54 000 Wohneinheiten)44 in gesamt Berlin hatte zur Folge, dass ein Einschreiten Vonseiten der Regierung erforderlich wurde, um eine Grundsiche­rung von Wohnraum für die Bevölkerung garantieren zu können. Die Wiederaufbauarbeiten konnten allerdings anfangs aufgrund der finanziellen Lage und der politischen Situation in Berlin nur langsam von Statten gehen. Berlin war abgeschnitten vom restlichen Bundesgebiet und hatte immense Schwierigkeiten, Baumaterial und die benötigten Arbeitskräfte zu beschaffen. So übernahmen die Alliierten Mächte zunächst eine Wohnraumversorgung und förderten mit der ECA (Economic Cooperation Administration) die Neuplanung von ersten Wohnsiedlungen.45 Auch private Geldgeber wurden in diesen ersten Nachkriegsjahren in der umkämpften Viermächtestadt Berlin nur wenig aktiv, sodass sich der Staat letztendlich zum Eingreifen gezwungen sah.46

Ein Wiederaufbau sollte noch 1945/1946 nach den Vorstellungen des ״Berliner Planungs- kollektivs“47 unter Hans Sharoun stattflnden. Der so genannte ״Kollektivplan“ schlug eine Neu­Strukturierung und einen Umbau der gesamten Mietskasemenstadt nach den Ideen der Charta von Athen48 mit Bändern zentraler Einrichtungen (City-Band vom Zoo bis zur Friedrichstadt) und des Gewerbes vor, dazu in Ergänzung ein großflächig angelegtes Verkehrsnetz, eine Reduzierung der Baudichte und eine offene Hochhaus- und Zeilenbebauung. Jenes Konzept des Wiederaufbaus konzentrierte sich darauf, nicht die alte Stadt wieder zu erbauen, sondern eine komplett neue Stadt - die Stadt von Morgen - zu planen.49

Obwohl der Kollektivplan alsbald wieder verworfen wurde, so orientierten sich die nachfol­genden Gesamtplanungen für Berlin wie der ״Zehlendorfplan“50, der ״Bonatzplan“51 und schließlich das ״Erste Stadterneuerungsprogramm“ von 1963 immer wieder an den gleichen Prämissen avantgardistischer Planung, deren wesentliche Hauptmerkmale eine Ausrichtung an der autogerechten Stadt und damit die groß angelegte Verkehrsplanung, eine Trennung der verschiedenen Funktionen innerhalb der Stadt und eine Auflockerung des Stadtbildes durch Freiflächen darstellten (vgl. hierzu Abb. 5 und 6)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.5: Die gegliederte und aufgelockerte Stadt mit der Verwirklichung der Trennung von Wohnen und Arbeiten.

Abb. 6: Die Innenstadt Berlins nach den Planungen des Planungskollektivs (Der Spreeverlauf ist zu erkennen). Die Stadt wird eindeutig in ihre verschiedenen Funktionen eingeteilt. Funktionstrennung in 1. Arbeitsgebiete. 2. Wohngebiete. 3. alte Industriegebiete. 4. StadWerwaltung. 5. ״Museumsstadt mit der Feststraße unter den Linden“

1949 verabschiedete der Senat für Bau- und Wohnungswesen das ״Erste Wohnungsbau­programm“, womit die Produktion von Wohnungen durch den Staat in beachtlichem Maße geför­dert werden konnte. Zusätzlich konnten mit der Einführung des Sozialen Wohnungsbaus52 1952 weitere finanzielle Unterstützung abgesichert werden.

In den 50er Jahren ermöglichte ein vom Bundeshaushalt fest eingeplanter Zuschuss groß angelegte Projekte wie zum Beispiel das Hansaviertel oder auch die Unité d'Habitation von Le Corbusier im Rahmen der Interbau von 1957.53 Dabei stellte die Ausrichtung am Städtebau dieser Zeit im internationalen Vergleich ein ganz besonderes Anliegen der Politiker und Planer dar.

II.2.1 Massenwohnungsbau und Kahlschlagsanierung

In den 50er und 60er Jahren wurden in Berlin bereits gewaltige Wiederaufbauleistungen vollbracht, genannt seien neben dem Hansaviertel (1957) für ca. 5.000 Einwohner und dem Falkenhagener Feld (1962-1990) für ca. 30.000 Einwohner außerdem das Märkische Viertel (1962-1975) und die Gropiusstadt (1963-1974) für jeweils 50.000 Einwohner.54 Bis 1963 hatte man bereits 223.000 Wohnungen errichtet55 und 1969 konnte der Vorkriegsbestand an Wohnraum wieder erreicht werden. Bis 1970 waren laut Berliner Baubilanz 280.000 Wohnungen gebaut worden und jeder dritte Berliner wohnte zu diesem Zeitpunkt in einem Neubau (vgl. hierzu Abb.7).56 Wie der Tabelle 2 der Abbildung 8 zu entnehmen ist, konnte das Angebot an Wohnraum so erhöht werden, dass immer mehr Wohnungen für weniger Personen zur Verfügung gestellt werden konnten. Es handelte sich bei den vielen Neubauten in der ersten Nachkriegszeit vor allem um eine Erstversorgung mit Wohnraum, man wollte einfach mit wenig Geld möglichst viel Wohnraum schaffen, um die Bevölkerung versorgen zu können57.

Der Massenwohnungsbau wurde in Berlin, wie bereits erwähnt, von der öffentlichen Hand ins Leben gerufen und zu 90% staatlich subventioniert im Zuge des Sozialen Wohnungsbaus errichtet.58 Hierfür wurde laut der Berliner Baubilanz jährlich die Hälfte des zur Verfügung stehenden Bauvolumens (1970 sind es 4 Mrd DM, vgl. hierzu Tabelle, Abb.8) aufgewendet.59 Die Begeisterung fürs Bauen war groß, der Berliner Senat erhoffte sich hierdurch die Schaffung einer neuen und modernen Großstadt und internationale Anerkennung (vgl. hierzu Abb.7).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 7: '.Jeder Drille wohnt in Berlin in einem \ eit halt' Begeisterung fürs Balten: '1־ff mir haun se große Stücke', Zeichnungen aus der 'Berliner Baubilanz' 1966.

Als ein weiterer und nicht zu vernachlässigender Grund für die enorm hohe Produktion von neuem Wohnraum war die wirtschaftliche Lage der damaligen BRD entscheidend, wo man nach dem Zweiten Weltkrieg sehr stark mit dem Wiederaufbau beschäftigt war. Das Baugewerbe bot in den Nachkriegsjahren nur wenig Vollbeschäftigung, denn die Gelder waren knapp und Rationalisierung und Mechanisierung trugen den Rest zu einer wirtschaftlichen Krise bei. Nun kam hinzu, dass in Berlin eine Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage nach dem Bau der Mauer 1961 noch erschwert wurde. 50.000 Arbeitskräfte, die täglich vom Osten in den Westen pendelten, konnten ihren Arbeitsplatz nicht mehr aufsuchen und eine Vielzahl von Facharbeitern wanderte in den Westen ab, wo die wirtschaftliche Lage durchaus besser war.60

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.8: Wiederaufbauleistungen und extrem hoher Anteil an Wohnungsneubau in West-Berlin.

Folglich sollten die baulichen Entwicklungen der 50er, 60er und 70er Jahre nicht nur einfach den benötigten Wohnraum bieten und Zukunftsvisionen in die Realität Umsetzen, sondern auch einen erheblichen Beitrag dazu leisten, die Bauwirtschaft anzukurbeln. Das Baugewerbe gehörte in Berlin-West zu den Wirtschaftszweigen, die am stärksten von Aufträgen der öffentlichen Hand oder halbstaatlicher Gesellschaften abhängig waren, demzufolge war ein wirtschaftliches Interesse am Wohnungsbau besonders groß.61 Die maßlosen Planungen der 60er Jahre wurden mit der pejorativen Bezeichnung Bauwirtschafts-Funktionalismus62 versehen, die sonderlich treffend die Orientierung der Planung an der Wirtschaft widerspiegelt.

Nach dem Mauerbau allerdings ergab sich durch die Insellage Berlins ein beschränktes Angebot an Raum, sodass Freiflächen für die groß angelegten Neubauten nur noch bedingt zur Verfügung standen. Folglich waren jene Projekte nur noch dann möglich, wenn der dafür benötigte Platz beschafft werden konnte. Erst jetzt konnte man darangehen, den überalterten Vorkriegsbestand [also die noch Stehen gebliebenen Altbauten] zu sanieren, so der Senator für Bau- und Wohnungswesen in Bezug auf die Gebiete, die zur Stadterneuerung ausgeschriebenen wurden. Von Sanierung im Sinne von Erneuerung konnte hierbei nicht die Rede sein, denn man verband damit vielmehr einen kompletten Abriss der alten Gebäude und eine Erneuerung beziehungsweise Sanierung durch Neubau. Der sich daraus ergebende Eingriff in das Stadtbild und die so bezeichnete ״Kahlschlagsanierung“ wurde zunächst einmal damit gerechtfertigt, dass ein Totalabriß mit nachfolgender Neubebauung verständlicherweise die beste Möglichkeit [böte], einen höchstmöglichen Mißstand [die alten Stadtstrukturen] gänzlich zu beseitigen.63 so lautete es im ״Ersten Stadterneuerungsbericht“64, der vom damals amtierenden Bürgermeister Willy Brandt verfasst wurde.

Der Begriff Kahlschlagsanierung stieß vor allem in den 70er und 80er Jahren auf Kritik und wird heutzutage immer noch als eine misslungene Stadtplanung angesehen, deren alleinige Zielsetzung es war, die vorhandenen Strukturen auszulöschen, ohne dabei Rücksicht auf die alte Bausubstanz zu nehmen.

Wie kam es zu diesen Vorstellungen der Stadtplaner und warum wurde das Alte als nicht mehr erhaltenswert erachtet? Sicherlich lässt sich diese Frage ganz einfach damit beantworten, dass der Zeitgeist der ״modernen“ Architektur auch in Berlin Einzug gehalten hatte und man sich an der internationalen Avantgarde orientierte. Demgemäß Stand ״das Alte“ im Wege und sollte dem ״Neuen“ weichen. Der großflächige Abriss der alten Stadt bedeutete jedoch nicht nur eine folgenschwere Veränderung des bestehenden Raums, sondern war auch mit immensen Kosten verbunden. Eine alleinige Orientierung an der ״modernen“ Architektur reichte folglich nicht aus, um den Abriss ganzer Stadtviertel zu legitimieren.

Entscheidend dafür, dass das Alte und damit insbesondere die Mietskaserne, die noch immer in erheblichem Maße das Stadtbild prägte, als nicht mehr erhaltenswert erachtet wurde, war die kulturelle Entwertung der Mietskaserne65. Diese Vorstellung war der Grundstein, auf dem die Stadtplanungspolitik der 50er, 60er und 70er Jahre basierte: Die schlechte Bewertung der alten Stadt diente als Legitimation für die Stadt von Morgen. Nachfolgend wird die Entwicklung hin zur kulturellen Entwertung der Mietskasemenstadt näher betrachtet, da sie auch für die Pia- nungen Kreuzbergs und das Bauvorhaben Zentrum Kreuzberg von Bedeutung war.

II.2.2 Die kulturelle Entwertung der Mietskaserne als Legitimation für die ״Stadt von Morgen“

Die unliebsamen Mietskasernen machten auch nach den Kriegszerstörungen noch immer einen erheblichen Teil des Stadtbildes aus und das alte Gefüge war demnach, wenn auch teilweise sehr zerstört, in seinen Grundzügen noch immer vorhanden.66 Zudem wurden jene Altbauten - 470.000 davon vor dem Ersten Weltkrieg erbaut - nur selten oder wenig instand gehalten und unterstützen damit das heruntergekommene, zerbombte und wenig attraktive Bild der alten Mietskasernenstadt.67

Was genau kritisierten die neuen Stadtplaner an dem alten Stadtgefüge? Harald Bodenschatz unterscheidet zwischen drei verschiedenen Kritikpunkten: Erstens der Kritik an der Planung, zweitens der Kritik an den gesellschaftlichen und sozialen Eigenschaften der Mietskaserne und drittens der Kritik an der Ästhetik der Bauten.

Die an der Planung geäußerte Kritik prangerte die alten preußischen Bauverordnungen an: Sie erlaubten eine viel zu große Bebauungsdichte, wo der Hofraum eine Breite und Länge von nur ca. 5,30m besitzen durfte, für Aufenthaltsräume eine Mindesthöhe von 2,50m erlaubt wurde und Kellerwohnungen, deren Deckenhöhe sich circa einen Meter über dem Straßenniveau befand, noch zusätzlichen Wohnraum schufen.

Auch der bereits erwähnte Hobrecht-Plan von 1864/65 brachte keine Verbesserungen, sondern ermöglichte ganz im Gegenteil eine noch größere Grundstücksnutzung durch den Bau von Seitenflügeln und Quergebäuden.68

Diese alte Bebauung Berlins bildete den Stadtplanern zufolge keine Einheit. Man empfand das alte Stadtbild als ungeordnet und überholt und die Planungen der alten städtischen Verwaltung als misslungen. Die einstige Stadt evoluti on wird vom Bezirksamt Kreuzberg folgendermaßen beschrieben:

Eine ungeordnete Entwicklung [setzte ein], die Stadt [wurde] ein wüster Häuserhaufen, anstatt eine vernünftig geordnete, der Gesundheit und Schönheit dienende, dem Verkehr und der wirtschaftlichen Entfaltung gerecht werdende Gestalt anzunehmen.69

Mit dem ״wüsten Häuserhaufen“ sind insbesondere die teilweise ungeplanten Entwicklungen des Stadtgefüges bis in die Mitte des 19. Jahrhundert und die dichte Bebauung der Mietskasernenstadt gemeint. Die Planungen des 19. Jahrhunderts und vor allem die erwähnten Mietskasernen wurden ferner als ein großer Planungsfehler gewinnsüchtiger Spekulanten angesehen, die in Zukunft unbedingt vermieden werden sollten:

Das rücksichtslose Unternehmertum, Terrainbesitzer [...] waren die bestimmenden Kräfte der Stadterweiterung, die [...] Elendsquartiere schufen. [...] Volksgesundheit und Familienglück waren selten oder nie ein Faktor von Bedeutung. Auf Schönheit der Wohnungen wurde selten Wert gelegt]70

Die oben aufgeführten Zitate machen deutlich, wie sehr man die dichte Bebauung kritisierte und sich eine neue, gesunde, gegliederte und aufgelockerte Stadt wünschte.71

Bei der Kritik an der Mietskaserne ist auffällig, dass sie sich genau genommen nicht auf die Mietskaserne als Bautypus konzentrierte. Nicht die zu dichte Bebauung oder die architekto­nischen Sonderheiten der Mietskasernenstadt waren die Gründe für die weit verbreitete Deklas­sierung dieser Bauform; Die Hauptprobleme der Mietskasernen sah man in deren Überbelegung, in deren schlechter Ausstattung mit Ofenheizung, Etagentoiletten und nicht vorhandenen Bade­zimmern und in den für diesen Standard zu hohen Mieten. Die politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Bedingungen und kulturellen Bewertungsmuster der Kaiserzeiť72 waren demnach insbesondere ausschlaggebend für eine Kritik an der Mietskaserne.

Diese Erklärung leitet über zu dem zweiten Kritikpunkt: die sozialen Bedingungen der Mietska- semen. Die Mietskaserne der Vorkriegszeit wurde wegen ihrer schlechten Bedingungen geradezu verachtet, sie wurde zum Synonym für schlechte und unhygienische Wohnverhältnisse (vgl. hierzu Abb.9 und IO).73 Ein gesundes Leben war den Stadtplanern zufolge in der Mietskasernen­Stadt nicht mehr möglich.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.9/10: Hofschmiede im Hinterhof in Kreuzberg, Beengter Wohnraum für eine Familie in Kreuzberg.

Auch die hierarchischen Verhältnisse der Kaiserzeit drückten sich nach Meinung der Kritiker in den Bauformen der Mietskasernen aus. In den Augen der Stadtplaner nämlich förderten die alten Baustrukturen die gesellschaftliche Ungleichheit durch großzügigere Wohnungen für die bürgerlichen Schichten und räumlich sehr eingeschränkte und dunkle Einzimmerwohnungen für die Arbeiter im Hinterhof.74 Im postfaschistischen und sozial orientierten Deutschland der Nachkriegszeit wollte man jene Strukturen auslöschen und vergessen. Demgemäß sollten die in der Nachkriegszeit neu entstandenen Wohnblöcke durch ihre einheitliche Gestaltung dem Wunsch nach demokratischer Gleichberechtigung nachkommen, womit der Fertigteilhausbau auch eine politische Legitimation erhielt.

Der dritte Kritikpunkt, die ästhetische Kritik an den Mietskasernen, ähnelt sehr der heutigen Kritik an den großen Wohnsiedlungen der Nachkriegsmoderne: Eintönigkeit und Monotonie wurden am Bautypus Mietskaserne kritisiert, die ewige Aneinanderreihung der gleichen Häuserreihen in den unterschiedlichsten Grautönen wurde als unmenschlich wahrgenommen. Des Weiteren wurden die Verzierungen an den Häuserwänden der Gründerzeitarchitektur als störend empfunden, da sie die hierarchischen Gegebenheiten mit den bürgerlichen Wohnungen im Vorderhaus nach außen projizierten, nach dem Krieg setzte man sich zum Ziel, mehr Raum zu schaffen, sich ״Luft zu schaffen“, um den Nachkriegsschutt und die alten Strukturen (der Kaiserzeit) hinter sich zu lassen und wieder ohne Lasten ״frei atmen“ zu können.

Die Zukunftsvisionen und die Aufbruchsstimmung in eine neue Zeit zeigten sich im allgemeinen Lebensgefühl und fanden somit auch in anderen Lebensbereichen ihren Ausdruck, wie zum Beispiel der Literatur. In den 50er Jahren entstanden eine ganze Reihe von Werken, die sich mit dem Leben und der Welt von Morgen beschäftigen: Aidons Huxley׳. 'Schöne neue Welt' (1953), Morus: Die Enthüllung der Zukunft (1958), p. Jordan: 'Wie sieht die Welt von Morgen aus?' (1958). Von der Hypothese ausgehend, dass Städtebau, Lebensform und soziale Entwicklung ganz eng Zusammenhängen, hatten sich Politiker und Planer zum Ziel gesetzt, die Stadt von Morgen zu entwerfen und damit zukünftigen idealen Städtebau mit der Utopie einer besseren Gesellschaft zu entwickeln.

Die Idee der Entkernung und Auslichtung der zu dichten Strukturen der Stadt vollzog sich schon Ende des 19. Jahrhunderts mit der Entwicklung hin zur Konzept der hygienischen Stadt und fand ihren Ausdruck besonders in den ausgelichteten Siedlungen der 20er Jahre.75 Ihre radikale Umsetzung wurde jedoch erst in der Nachkriegszeit mithilfe der Kahlschlagsanierung und dem Großsiedlungsbau realisiert, da erst die großflächigen Zerstörungen des Krieges und der gewünschte Neuanfang eine komplette Umstrukturierung und damit die Realisierung des Leitbildes der ״gegliederten und aufgelockerten Stadt“ ermöglichten und legitimierten.

Die Stadtplaner der Nachkriegszeit knüpften mit ihren Zukunftsvisionen nicht nur an die Entwicklungen der Hygienebewegung aus dem 19. Jahrhundert an, sondern sie griffen auch auf die Ideen avantgardistischer Planung, die Bauhausbewegung und die städtebaulichen Leitlinien der Charta von Athen zurück. Die Ideen der ״gegliederten und aufgelockerten Stadt“, die Vorstellungen einer funktionellen Einteilung der Stadt, das Ideal der autogerechten Stadt und die Standardisierung und Massenproduktion durch den Fertigteilbau wurden somit auch für einen zukunftsweisenden Neuanfang zur Zeit des intensiven Aufbaus nützlich gemacht:

Was jetzt entsteht, sind die ersten Ergebnisse jahrelangen Mähens mit dem Ziel, aus einem über\’ölkerten, verbauten Teil unserer Stadt eine moderne, lichtdurchflutete und von Grünflächen unterbrochene Großstadt entstehen zu lassen.76

Ein ganz besonderes Anliegen der Planung der ״Modernen Stadt“ beinhaltete die bereits aufgeführte Funktionstrennung innerhalb der Stadt. Die heute so hoch gelobte Kreuzberger Mischung aus Wohnen und Arbeiten galt für die Berliner Stadtverwaltung und auch die Kreuzberger Bezirksverwaltung in den 50er Jahren als ein Modell, das sich in Zukunft als überholt erweisen würde (vgl. hierzu Abb.ll). In den stadtplanerischen Dokumenten dieser Zeit wird immer wieder auf die Massenquartiere und elenden, unhygienischen Zustände in den Mietskasernen hingewiesen, die es aus dem Stadtbild zu entfernen galt. Das so genannte Latschenmilieu77 und das Berliner Zimmer78 waren Begriffe, die fortan nicht mehr existieren sollten, da man voller Hoffnung auf eine andersartige, neue Stadt in die Zukunft blickte.

Man war der Meinung, dass es überall an Einkaufszentren, breiten Straßen, öffentlichen Gebäuden, Nahverkehrsmitteln und Wohnraum mangelte und wollte diese Mängel durch Abriss und Neubau beheben. Bei den Planungen für die Stadterneuerung in diesen Jahren können fünf verschiedene Aspekte als Zielsetzungen besonders hervorgehoben werden:

1. Die Erbauung von ״menschenwürdigen“ Wohnungen mit den entsprechenden Ausstattungen wie Zentralheizung, Badezimmer mit wc und Balkon.79
2. Die Schaffung von genügend Frei- und Grünflächen (Spielplätze, Parks, u.ä ). Hierfür wurde insbesondere die Bebauungsdichte in den Bauvorschriften herabgesetzt. Demzufolge durften nur noch 3 Zehntel der Fläche bebaut werden und nicht wie zuvor 7 Zehntel (vgl. hierzu Abb.14).
3. Die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichend öffentlichen Einrichtungen (Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, usw.).
4. Die Verwirklichung der autogerechten Stadt: dementsprechend eine neue Verkehrsplanung (Verbreiterung der Straßen, Bau von neuen Straßen, Schaffen von genü­gend Stellflächen).80
5. Die Durchführung der Funktionstrennung, das heißt die alte Kreuzberger Durch­mischung aufzuheben und beispielsweise Wohnen und Arbeiten jeweils seinen eigenen Raum zuzuteilen.

Das Bedürfnis nach ?Licht, Luft und Sonne“, Schlagwörter, die zu jener Zeit besonders durch den Hamburger Stadtplaner Fritz Schumacher wieder aufgegriffen wurden81, verdeutlicht besonders gut den damaligen Wunsch nach Freiraum und angenehmerem Wohnraum.

Man wollte sich von den alten, beengten Verhältnissen befreien, die ?Stunde Null“ nach dem Krieg nutzen und mithilfe einer zukunftsfähigen Architektur eine nene Stadtlandschaft gestalten.82 Ebenso veröffentlichte Bruno Taut schon kurz nach Kriegsende (1946) seine Pläne für das neue Berlin und unterstrich sie mit folgenden zukunftsweisenden Worten:

Es soll ein anderes Berlin entstehen, nicht mehr eine Stadt der Mietskasernen, Hinterhäuser, Kellerwohnungen. [...] Unermüdliche Arbeit, Fleiß und gegipfelte Baukunst sollen diese Fehler in Zukunft verhindern, und eine neue Stadt muß im Laufe von Generationen erstehen, die den Bewohnern Heime mit Lieh, Luft und Garten bietet83

Auch der Verwaltungsbezirk Kreuzberg war in Bezug auf die großen Zukunftspläne im Städtebau keine Ausnahme, sondern zeigte sich vielmehr als Kind seiner Zeit und willig, die Neuerungen in die Realität umzusetzen.

II.2.3 Wiederaufbau in Kreuzberg

Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft der Stadt und eine bessere Gesellschaft spiegelt der Slogan wider, mit dem 1956 für einen Neuanfang in Kreuzberg geworben wurde: Wir bauen die neue Stadt84. Das gleichnamige, von der Bezirksverwaltung herausgegebene Heft verdeutlichte und veranschaulichte die Bauvorhaben und Umgestaltungsmaßnahmen im Bezirk der nächsten Jahre. Die Planungen orientierten sich eindeutig an dem Leitbild der gegliederten und aufgelockerten Stadt (vergi, hierzu Abb.ll bis 14). Mit sehr eingängigen Grafiken wurde dem Leser vor Augen geführt, wie überholt die alten Strukturen und wie erstrebenswert die neuen Planungen seien.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.ll: Die Funktionsmischung innerhalb der Stadt wird als nicht mehr wünschenswert erachtet. So nicht! lautet die Parole, mit der die Bezirksverwaltung auf die Missstände der alten Bausubstanz aufmerksam machen möchte.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.12: Die alten Bauvorschriften ermöglichten eine zu hohe Bebauungsdichte.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.13: 'Das ist zu viel!' Nicht nur die zu dichte Bebauung wurde kritisiert, sondern auch die Überbelegung und zu dichte Besiedlung der Innenstadt. Abb.14: Die Planung nach dem Leitbild „Licht, Luft und Sonne“ und der aufgelockerten und gegliederten Stadt. Weniger Fläche soll bebaut werden.

Ein besonders gutes Beispiel für die gegliederte und aufgelockerte Stadt zeigt Abbildung 15, auf der, auf der linken Seite eine schwarze Darstellung mit sehr dichter Bebauung zu sehen ist und auf der rechten Seite eine farbige Zeichnung, die eine lockere Bebauung, eine Schule, einen Kinderspielplatz und einen großen Anteil an Grün- und Freiflächen aufzeigt. Diese ?neue Bebauung“ wird außerdem mit im Grimeti-Luft-Somie betitelt, wohingegen die alte Bebauung mit diesen Zeilen beschrieben wird:

[...] Selten bietet ein grüner Baum dem Auge einen Lichtblick in der grauen Trostlosigkeit zwischen verrußten Fassaden und häßlichen Brandgiebeln. [...] öffentliche Grünflächen sind in diesem steinernen Meer nicht vorhanden.85

Diese Gegenüberstellung führt vor Augen, wie sehr Alt und Neu gegeneinander abgewogen wurden und wie vehement das Alte als falsch und nicht erhaltenswert und das Neue als richtig und zukunftsweisend erachtet wurde.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.15: Geplante Umstrukturierung am Waldeckpark in Kreuzberg

Man nahm sich vor, die alten Fehler nicht noch einmal zu begehen und den Neuanfang als eine Chance zu sehen. Auch die Stadtplaner Kreuzbergs waren für den Wiederaufbau bereit und zitierten Schumacher: Wenn sie euch stören, reißt die Mauern nieder, schafft euch erbarmungslos den nötigen Raum, was Menschenhand erschuf das schafft sie wieder. 86 Die Aufbruchsstimmung war groß, erste Siedlungen entstanden in Kreuzberg, wie zum Beispiel die Otto-Suhr-Siedlung (1956-1963). Es handelte sich hierbei allerdings um Neubauten, bei denen aufgrund der zur Verfügung stehenden Fläche kein oder nur wenig Altbausubstanz - im Gegensatz zum Bauvorhaben Zentrum Kreuzberg - abgerissen werden musste.

Die lobenden Worte bezüglich der neuen Wohnkomplexe zeigen, wie positiv die Menschen über die neu entstehenden Bauten dachten. Was heute oftmals als kalte, menschenunwürdige und graue Architektur empfunden wird, wurde damals als ein zukunftsorientiertes Planen und als eine Befreiung von alten Lasten empfunden.

1965 erscheint das Buch 'Kreuzberg - ein Berliner Bezirk Gestern und Heute', in dem Stolz die Bauten der letzten Jahre abgebildet wurden: die Otto-Suhr-Siedlung, die Amerika Gedenkbibliothek, das neue Rathaus in der Yorckstraße und Wohnhochhäuser in der Franz­Künstler-Straße (vgl. hierzu Abb.16) Die alten Gebäude des Bezirks wurden als ?historische Bauten“ nur am Rande erwähnt, die neuen Mietshauskomplexe jedoch als hervorragende Beispiele neuzeitlichen Wohnungsbaues87 angepriesen, denn die Devise [hieß] mit Recht: Auslichtung, Entkernung, Durchgrünung, Enthalhmg88

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.16: Architektur der 50er und 60er Jahre: Wohnhochhäuser der Otto-Suhr-Siedlung und in der Franz-Künstler Straße, Amerika Gedenkbibliothek.

Entsprechend dieser Planungsziele entstanden in Kreuzberg die nachfolgenden Wohnsiedlungen:

- Otto-Suhr Siedlung, 1956-58/ 1961-63 BeWoGe (2320 WE)
- Spring-Siedhmg, 1959-61/ 1965, GSW, (1700 WE)
- Neues Wohnen Blücher-Platz, 1954-56, privater Eigentümer (460 WE)
- Mehring-Platz, 1967-1974, Neue Heimat/Mosch (1 550 WE)89

Auch am Kottbusser Tor errichtete man 1956 ein erstes zukunftsweisendes Gebäude, nämlich einen Stahlskelettbau an der Südseite (Zillehaus), der mit seinen 11 Geschossen und 102 modern ausgestatteten, hellen Wohnungen mit Zentralheizung, Badezimmer und Balkon das Bild der Stadt von Morgen ausdrückte. Ergänzt durch das 1963 errichtete, zehnstöckige Sparkassenhaus90 an der Westseite des Kottbusser Tors wies man hier auf die zukünftige Bebauung hin.91 Das Zillehaus wurde in ganz besonderem Maße gelobt es wurde von dem damaligen Bürgermeister Willy Kressman in einem Zeitungsartikel als ein formschöner Stahlbetonskelettbau, der [...] seinen Bewohnern jeden Komfort bietet, den der moderne Mensch nicht mehr als Luxus, sondern mit Recht als Se lbst ver standi i ch ke it betrachte 92 beschrieben.

II.2.4 Sanierungspolitik in (West-)Berlin

Die öffentliche Hand übernahm in den Jahrzehnten nach dem Krieg die Verantwortung für das Schaffen von neuem Wohnraum und betrachtete es als ein besonderes Anliegen, die entsprechenden Förderungsgelder zur Verfügung zu stellen, um die gesteckten stadtplanerischen und wohnpolitisehen Ziele erreichen zu können. Stadtplanung und Architektur war demnach kein privates Unternehmen, sondern lag in ganz wesentlichem Maße in der Hand von politischen Entscheidungsträgern.

Seit 1960 beriet der Senat für Bau- und Wohnungswesen auf Initiative des Deutschen Städtetags regelmäßig über Sanierungsangelegenheiten und hielt dies in den Stadtemeuerungsberichten fest. Im ?Ersten Stadterneuerungsbericht“ von 1963 setzte man im § 5 fest, dass Gebiete, in denen zur Beseitigung städtebaulicher Mißstände besondere, der Stadterneuerung dienende Maßnahmen erforderlich sind, Sanierungsgebiete sind.93.

Diese ?städtebaulichen Missstände“ bezogen sich zum Einen auf die Kriegszerstörungen und die hieraus entstandene Wohnungsnot in bestimmten Stadtvierteln und basierten zum Anderen auf die zuvor beschriebene Entwertung der Mietskasernenstadt.

Der Senat für Bau- und Wohnungswesen bestimmte nachfolgend eine Sanierungsverwal­tungsstelle und den für die Sanierung verantwortlichen Sanierungsträger. Sanierungsträger waren meist gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften und im eher seltenen Fall private Investoren, deren Verhältnis zur Stadt Berlin vertraglich festgelegt wurde. In den zur Sanierung ausgeschriebenen Gebieten besaß die Gemeinde dann ein Vorkaufsrecht, das heißt, dass die meisten Grundstücke in der Anfangszeit ohne Probleme von der öffentlichen Hand aufgekauft werden konnten und dieser dann zur freien Verfügung standen. Die hierbei neu entstandenen Bauten wurden in Berlin fast ausnahmslos im Sozialen Wohnungsbau verwirklicht. Um dies zu ermöglichen und um vor allem tragbare Mieten in der Zukunft erreichen zu können, stellte die Stadt die bereits erwähnten Finanzierungsmittel zur Verfügung. Diese Mittel beinhalteten unter anderem die Kosten in Bezug auf Entschädigungen für den Abriss von Gebäuden, für Mietausfälle oder Umzugskosten.94

Das Städtebauförderungsgesetz von 1971 gab der Stadtplanung schließlich das Recht, in Sanierungs- und Entwicklungsgebieten Abbruch-, Bau- und Modernisierungsgebote zu erlassen. Solche Maßnahmen wurden zwar schon zuvor durchgeführt, aber nicht gesetzlich legitimiert.95 In den vorangegangenen Kapiteln wurde vor allem davon ausgegangen, dass die Sanierungsmaß­nahmen als ein positiver Neuanfang empfunden wurden, der ein Befreien von alten Lasten und beengtem Raum ermöglichte und außerdem den geforderten Wohnraum schaffen konnte. Bei dieser Sichtweise handelt es sich jedoch um eine sehr einseitige Perspektive. Die Maßnahmen wurden besonders Vonseiten der Gemeinde, der Verwaltungsstellen, des Senats für Bau- und Wohnungswesen, der Bundesregierung, der Bauwirtschaft und natürlich auch Vonseiten der meisten Planer als positive Eingriffe in die stadtplanerischen Entwicklungen angesehen. Sie bedeuteten jedoch einen vehementen Eingriff in das bestehende Gefüge, der das Stadtbild nachhaltig verändern würde. Die Kritik an der Mietskaserne war nur bedingt gerechtfertigt. Auf die Kritik und den Widerstand gegen die autoritäre Sanierungspolitik wird noch weiter in Kapitel III. 1 eingegangen.

II.2.5 Sanierungsgebiet Kreuzberg

Sechs Gebiete wurden in Berlin zu Sanierungsgebieten erklärt: Kreuzberg, Wedding, Tiergarten, Charlottenburg, Schöneberg und Neukölln, wobei die Bezirke Kreuzberg und Wedding als besonders ?sanierungsbedürftig“ hervorgehoben wurden.

[...]


1 Charles Baudelaire über die Veränderungen der Stadt Paris im 19. Jahrhundert in Charles Baudelaire׳. Le Cygne' 'Les Fleurs du mal'. Le Livre de Poche Classique, Paris 1997, s. 136.

2 Akrap/Yücel: 'Statt der Autobahn kam der Türke’ in Jörg Sundermeier/ Vera Diehl/ Werner Labisch: ’Kreuzbergbuch’, Verbrecher Verlag, Berlin 2002, S.109.

3 'Betonklotz blockiert Altbau-Sanierung' in: Berliner Morgenpost, 07.06.1987.

4 ebd.

5 'Dreckiges Monstrum- Anwolmer kritisieren Neues Kreuzberger Zentrum' in: Berliner Morgenpost, 09.09.1987.

6 'Landowsky sprengt diese Wolm-Ghettos' in: Berliner Zeitung, 10.03.1998.

7 'Das Dach des Kreuzbeiger Zentrums wird ein grüner Parkwall krönen' in: Die Welt, 03.12.1970.

8 'Alles, was das Herz begehrt', in: Bild Zeitung, 03.12.1970.

9 Vgl.: Adrian von Buttlar/ Christoph Henter: 'Gefährdete Naclikriegsmodeme - eine Forschungs- und Vennittlungsaufgabe' in: 'Denkmal! Modeme - Wiederentdeckung einer Epoche', jovis Verlag GmbH, Berlin 2007, s. 14-27. Vgl. außerdem den Bericht über die Podiumsdiskussion zum progressiven Denkmalschutz: www.baunetz.de/meldungen/Meldungen_Podiumsdiskussion_in_Berlin_zu_progressivem_Denkmalschutz_21225 .html (03.04.2010).

10 'Problemschlange mit Bar' in: 7:1z. 06.10.2008.

11 Vgl. den Artikel über die Bar Möbel Olfe: 'Der ewige Geheimtipp' in: Berliner Zeitung, 18.10.2007.

12 Ingeborg Beer/Rainfried Musch: 'Berlin Kreuzberg - Kottbusser Tor', Zwischenbilanz, o. J., S.70. pdf.download unter: www.sozialestadt.de/veroeiFenthchungen/zwischenbilanz/pdf/DF5689-201.pdf.

13 'Das Kottbusser Tor' in: Kreuzberger Chronik, 23.01.2001, S.2/3.

14 'Dreckiges Monstrum- Anwolmer kritisieren Neues Kreuzberger Zentrum' in: Berliner Morgenpost, 09.09.1987.

15 'Der Kotti koimnt vom Tropf in Die Zeit Nr. 28, 3.07.2003.

16 'Teils leere Geschäfte, viel Unrat und auch Zerstörung' in: Die Morgenpost, 31.07.1980.

17 ebd.

18 'Im Teufelskreis innerstädtischer Entmischung'in: 7:1z. 14./15.04.1998.

19 'Dreckiges Monstrum- Anwolmer kritisieren Neues Kreuzberger Zentrum' in: Berliner Morgenpost, 09.09.1987.

20 Doris Bachmann-Medick/ Burghard König (Hrsg.): 'Cultural tums - Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften', rowohlts enzyklopädie, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2006, S.285.

21 Henri Lefebvre: 'La production de l'espace', Gallimard, Collection "Idées", 4. Auflage, Paris 1974.

22 Zum weiteren Verständnis des Begriffs ״spatial tum“ vgl. Bachmann-Medick/ König (Hrsg.): 'Cultural turns', S.285-317.

23 Bezirksamt Kreuzberg von Berlin (Hrsg.): Wir bauen die neue Stadt', Berlin 1956.

24 Harald Bodenschatz: Platz frei für das neue Berlin', TRANSIT Buchverlag, Berlin 1987.

25 Stefan Krautschick (Hrsg.): 'Mythos Kreuzberg- Reflexionen einer Wirklichkeit', Berlin-Kreuzbeig 1991.

26 Das Neue Kreuzbeiger Zentrum wurde erst 2002 aufgrund der durchaus fragwürdigen Abkürzung NKZ in ״Zentrum Kreuzberg“ umbenannt. Aus des verschiedenen Namensgebungen ergeben sich auch die zwei unterschiedlichen Bezeiclmungen in dieser Arbeit.

27 Die nördlichen Teile der Luisenstadt, die so genannte Friedrichstadt wurden in den Stadtteil Mitte eingegliedert. Der Stadtbezirk Kreuzberg wurde aus den südlichen Gebieten der Friedrichstadt, aus der Tempelhofer Vorstadt und der Luisenstadt gebildet. Die Gebietsreform von 1998 schloss die Stadtteile Kreuzbeig und Friedrichshain zu einem Verwaltungsbezirk zusammen (heutiger Name: Kreuzberg-Friedrichshain).

28 Zunächst wurde der Bezirk 1920 Hallesches Tor genannt, 1921 gab man dem Stadtteil schließlich den Namen Kreuzbeig. Martin Düspohl/ Kreuzberg Museum (Hrsg.): Kleine Kreuzberg Geschichte', Berlin Story Verlag, 1. Auflage, Berlin 2009, Seite 29.

29 ebd., S.8. Bis 1802 wurde der Bezirk auch ״Cöllnische Vorstadt“ genannt, da sie vor den Toren der Stadt Cölln lag.

30 ebd. Seit 1802 wurde der Stadtteil nach der Königin Luise Luisenstadt genannt.

31 ebd., Seite 6 ff. Heute befindet sich an der Stelle des Köpenicker Tors der Lausitzer Platz. Das Köpenicker Tor war Teil der Askisemauer, die Berlin von 1732 bis 1862 umgab.

32 S.T.E.R.N.: 'Schritt für Schritt Behutsame Stadtemeuerung in Kreuzberg', Berlin 1990, S.25.

33 Vgl. Dr. Günter Peters: 'Gesamtberliner Stadtentwicklung, Daten und Grafiken', Berlin 1990, s. 67/68.

34 Werner Hegemann: 'Das steinerne Berlin', Berlin 1930, s. 24 und s. 337.

35 ebd., s. 24

36 Institut für Wohnungsbau und Stadtteilplanung (BIOS)/Technische Universität Berlin: 'Bericht 1, Stadtplanung, Sanierung und Bürgerbeteiligung am Beispiel Berlin-Kreuzbeig', Berlin 1977, s. 35/36.

37 S.T.E.R.N.: 'Schritt für Schritt', s. 25.

38 Deutsches Institut für Urbanistik (Auftraggeber): 'Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf - die soziale Stadt, Modellgebiet Kottbusser Tor, Berlin - Kreuzberg', Endbericht im Rahmen der PvO, Berlin 2002, S.5.

39 Herbert Schwenk: 'Lexikon der Berliner Stadtentwicklung', Haude & Spener, Edition Luisenstadt, Berlin 2002, S.272.

40 Zaillen wurden gemndet. 1 gl. Peters: 'Gesamtberliner Stadtentwicklung, Daten und Grafiken', S.69.

41 Senator für Bau- und Wohnungswesen: Vortrag des Herrn Senator für Bau- und Wohnungswesen Dipl. Ing. Rolf Schwedler über baupolitische Fragen und die Vorbereitung der Sanierung', Berlin, 1963, s. 3. Vgl. auch die Beschreibungen der Mietskasernen in Hegeniamr. 'Das steinerne Berlin', 1930, s. 24 und s. 337.

42 Schwenk: 'Lexikon der Berliner Stadtentwicklung', s.272.

43 DiispohUKreuzberg Museum: Kleine Kreuzberg Geschichte', s. 108.

44 Institut für Wohnungsbau und Stadtteilplanung/ TU Berlin: 'Bericht 1', s. 37.

45 Robert Liebscher: 'Wohnen für alle- Eine Kulturgeschichte des Plattenbaus', Vergangenheitsverlag, Berlin 2009, S.67.

46 Vgl. Volker Heise/Institut für Wohnungsbau und Stadtteilplanung der TU Berlin: Bedingungen und Fonnen der Stadtemeuerung in Berlin-West, dargestellt an zwei innerstädtischen Wolmgebieten in Berlin-Kreuzbeig', Nr.21, Berlin 1981, s. 17.

47 Als Planungskollektiv wurde das Berliner Hauptamt für Planung II bezeiclmet, das in der Zeit von 1945 bis 1950 wesentlich zum methodischen Ansatz und zur Prinzipienfindung der Stadtplanung in Berlin beitrug. Vgl. Andrea Contursi: Das Berliner "Planungskollektiv" und das Konzept der " Wolmzelle" in der Zeitschift Raumplanung 130, Februar 2007, s. 23-27.

48 Charta von Athen: 1933 im Rahmen der CIAM (congrès international d'architecture modeme) von den beteiligten Architekten verabschiedete Regeln für zukünftige modeme Stadtplanung.

49 Schwenk: 'Lexikon der Berliner Stadtentwicklung', s.274/75.

50 Vgl. ebd., s.274-66. Der Zehlendorf-Plan von 1945/46 geht auf einen Zehlendorfer Bürgermeister zurück. Auch er wurde in seiner Gesamtkonzeption nicht realisiert, seine Prinzipien wurden jedoch weitestgehend übemoimnen und weiterentwickelt. Hieraus entstanden die Pläne A und B, die 1948 zum Bonatz-Plan zusammengefasst wurden.

51 Vgl. ebd. Der Bonatzplan von 1948 geht auf Karl Bonatz, Stadtbaurat nach Hans Sharoun, zurück. Ein wesentliches Element des B. war die Planung eines Ring- und Radialstraßensystems, das in die Verkehrsplanung der 50er und 60er Planung (Autobalmplanung) mit einfloss.

52 Die Bezeiclmung Sozialer Wolmungsbau ist irreführend, da die Wolmungen für eine breite Masse der Bevölkerung gedacht waren (die Einkommensgrenzen waren in dieser Zeit großzügiger gezogen). Der Begriff ״Gemeinnütziger Wolmungsbau“ ist für diese Jahre des Sozialen Wolmungsbaus weitaus treffender. Zu einem ״Sozialen Wolmungsbau“, das heißt eine Bereitstellung von Wolmraum für sozialschwache Haushalte, entwickelte sich das Programm erst durch die später Strengen, sein־ eng gezogenen Einkommensgrenzen, die Belegungsbindung und die Fehlbelegungsabgabe (vgl. hierzu auch Kapitel IV2).

53 Horst Cornelsen: 'Berlin-West- gebaut in 25 Jahren', Harry V. Hofmann Verlag, Hamburg 1973.

54 Liebscher: 'Wohnen für alle- Eine Kulturgeschichte des Plattenbaus', 2009, S.70.

55 Baufertigstellungen von Wolmbauten in Berlin (West) in Senator für Bau- und Wohnungswesen: 'Zaillen zum Bau- und Wohnungswesen in Berlin (West) 1950-1972', Berlin 0. J., S.80.

56 Senator für Bau- und Wohnungswesen (Hsrg.): 'Berliner Baubilanz', Berlin 1970.

57 Anhang I: Interview mit dem Architekten des Zentrum Kreuzbeig, Johannes Ulli, S.94.

58 Heise/Institut für Wohnungsbau und Stadtteilplanung der TU Berlin: Bedingungen und Fonnen der Stadtemeuerung in Berlin-West', s. 89.

59 Senator für Bau- und Wohnungswesen (Hsrg.): 'Berliner Baubilanz', 1970, s. 7.

60 Senator für Bau- und Wohnungswesen: 'Vortrag des Herrn Senator für Bau- und Wohnungswesen', 1963, S. 3.

61 ebd., s. 2. Im Jahr 1961 konnte beispielsweise ein Umsatz von 1,3 Milliarden DM im Baugewerbe gemacht werden.

62 Vgl. Hardt-Waltherr Hämer: 'Die Kunst der Proportionen' in Senator für Bau- und Wohnungswesen: 'Die Reparatur und Rekonstruktion der Stadt', Frölich&Kaufmann, Berlin 1984, S.9. Der Begriff des ?Bauwirtschaftfunktionalismus“ wurde von Heinrich Klotz geprägt.

63 Der Senat von Berlin: 'Erster Stadtemeuerungsbericht', Berlin 1963, S.4.

64 Ab 1960 beriet der Senat für Bau- und Wolmungswesen regelmäßig über ?Sanierungsangelegenheiten“ und Iliéit dies in den Stadtemeuerungsberichten fest.

65 Vgl. Bodenschatz: Platz frei für das neue Berlin'.

66 Vgl. Kapitel II.2 Zerstörung und Wiederaufbau.

67 Bodenschatz: Platz frei für das neue Berlin', s. 12. Die Hauseigentümer konnten ihre Mieten aufgrund der Mietpreisbindung nur bedingt anheben und rechtfertigten sich, dass die entstehenden Kosten für eine Instandhaltung damit nicht zu decken seien.

68 ebd., s. 3/4. Es wird Bezug genommen auf die Baupolizeiverordnung von 1953 und den Hobrecht-Plan von 1864/65.

69 Bezirksamt Kreuzberg von Berlin (Hrsg.): 'Die Stadtplanung im Bezirk Kreuzbeig', Berlin 1956, s. 3.

70 ebd.

71 Vgl. das gleichnamige Werk:./. Göderitz/ R. Rainer/H. Hoffmann: 'Die gegliederte und aufgelockerte Stadt', Verlag Emst Wasmuth Tübingen, Tübingen 1957. Das Leitbild der gegliederten und aufgelockerte Stadt geht ebenfalls auf die Ideen der Charta von Athen zurück, es hat sich besonders in den 50er Jäinen durchgesetzt.

72 Bodenschatz: Platz frei für das neue Berlin', s. 202.

73 Vgl. außerdem Kapitel II. 1

74 Florian Urban: 'Towers and slabs', unpublished document, S.6.

75 Vgl. Marianne Rodenstein: 'Mehr Licht, mehr Luft - Gesundheitskonzepte im Städtebau seit 1750', Campus Verlag, Frankfurt Main New York, 1988.

76 Bezirksamt Kreuzberg: 'Die Stadtplanung im Bezirk Kreuzberg', 1956, S.2.

77 Als Latschenmilieu wurden Wohnfonnen bezeichnet, die es ennöglichten, dass der Arbeiter in seinen ?Latschen“ (Hausschuhen) seinen Arbeitsplatz aufsuche konnte, der sich meist im Hinterhof befand.

78 Als Berliner Ziimner bezeiclmete man das Ziimner, das das Vorderhaus mit dem Hinterhaus verband, meist sein? geräumig war, aber extrem schlecht belichtet war.

79 In Kreuzbergs wurden 91?/0 Altbauten gezählt, 66?/0 dieser Altbauten besaßen weder Bad noch Dusche, Wohnungstoiletten waren vereinzelt vorhanden, Podesttoiletten waren die Regel. Der Senat von Bertin: 'Siebenter Bericht über die Stadtemeuerung in Berlin', Berlin 1970, s. 11.

80 Hämer: 'Die Kunst der Proportionen' in Senator für Bau- und Wohnungswesen: 'Die Reparatur und Rekonstruktion der Stadt', 1984, s. 9.

81 Das Konzept von 'Licht, Luft und Sonne' und damit die Forderung nach einer Entballung des städtischen Raums wurde bereits Ende des 19. Jahrhunderts von Stadtplanem eingefordert und fand seine Umsetzung vor allem in den Siedlungen der 20er Jahre verwirklicht. Vgl. Rodenstein: 'Mein? Licht, mein? Luft', s. 105 ff.

82 Hans Sharoun 1946 in Rainer Autzen, Hei dede Becker: 'Emeuerungsgebiete der Zukunft' in Senator für Bau- und Wohnungswesen: 'Die Reparatur und Rekonstruktion der Stadt', 1984, s. 73.

83 Die Pläne von Bruno Taut wurden genauso wie der Kollektivplan (vgl. Kapitel II. 1) verworfen. Bodenschatz: 'Platz frei für das neue Berlin', s. 160.

84 Bezirksamt Kreuzberg von Berlin (Hrsg.): Wir bauen die neue Stadt', Berlin 1956.

85 ebd., S. 5.

86 ebd., s.ll.

87 Vgl. Oschilewski: 'Kreuzberg - ein Berliner Bezirk Gestern und Heute', s. 52.

88 ebd

89 Institut für Wohnungsbau und Stadtteilplanung TU Berlin: 'Bericht 1', s. 37.

90 Nach der Fertigstellung befand sich liier im Erdgeschoss die Sparkasse, die später umzog, und zwar auf die Südseite des Kottbusser Tores an der Skalitzer Straße. Heute befindet sich im Sparkassenhaus der türkische Lebemuittelladen ?Intergida“.

91 Deutsches Institut für Urbanistik: 'Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf, S.6.

92 'Die Stadt von morgen' in: Telegraf 26.06.1955.

93 ebd., S. 4/5.

94 ebd., S.5.

95 Nach mehreren Änderungen wurde das Städtebauförderungsgesetz 1986 in das Bundesgesetzbuch aufgenommen.

Ende der Leseprobe aus 117 Seiten

Details

Titel
Das Zentrum Kreuzberg. Eine Untersuchung der städtebaulichen Eingriffe am Kottbusser Tor
Hochschule
Technische Universität Berlin  (Geistes- und Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Historische Urbanistik
Note
1,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
117
Katalognummer
V182385
ISBN (eBook)
9783668697355
ISBN (Buch)
9783668697362
Dateigröße
3949 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Geschichte, Stadtgeschichte, Stadtplanung, Kreuzberg, Sozialer Wohnungsbau, Kahlschlagsanierung, Kottbusser Tor, Wohnungsbau, Architektur, Architekturtheorie, Architektursoziologie, Raumwahrnehmung, Imageforschung, Berlin, Moderne, Nachkriegsmoderne, IBA, Soziale Stadt, Gentrifizierung, Mietskaserne, Zentrum Kreuzberg, Neues Kreuzberger Zentrum, Strategien für Kreuzberg, Wohnmaschine, Behutsame Stadterneuerung, Behutsame Sanierung, Plattenbau, Quartiersmanagement, Stadterneuerungsprogramm
Arbeit zitieren
Dorit Schneider (Autor:in), 2010, Das Zentrum Kreuzberg. Eine Untersuchung der städtebaulichen Eingriffe am Kottbusser Tor, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/182385

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Das Zentrum Kreuzberg. Eine Untersuchung der städtebaulichen Eingriffe am Kottbusser Tor



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden