Systemumstellung der Spezialschulen Sport des Landes Brandenburg

Formen der sozialen Unterstützung der Sportler zur Bewältigung der schulischen und sportlichen Leistungsanforderungen


Bachelorarbeit, 2009

79 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Gliederung der Bachelorarbeit

1. Abkürzungsverzeichnis

2. Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

3. Einleitung

4. Soziale Unterstützung
4.1 Wirkweisen des Social Support
4.2 Differenzierungsmöglichkeiten sozialer Unterstützung
4.3 Abhängigkeiten sozialer Unterstützung
4.4 Bedeutung Sozialer Unterstützung für jugendliche Leistungssportler

5. Informelle Unterstützungsquellen
5.1 Unterstützung durch die Familie
5.2 Unterstützung durch die Peergroup
5.2.1 Freundschaften
5.2.2 Liebesbeziehungen
5.2.3 Trainingspartner

6. Formelle Unterstützungsquellen
6.1 Soziale Unterstützung im Sportsystem
6.2 Die Eliteschule des Sports als Unterstützungsressource
6.2.1 Unterstützung durch strukturelle Rahmenbedingungen
6.2.2 Unterstützung durch den Trainer
6.2.3 Schule und Lehrer als Unterstützungsquelle
6.3 Unterstützung durch Sportinternate
6.3.1 Unterstützung ermöglichende Strukturen
6.3.2 Unterstützung durch Internatspädagogen
6.3.3 Persönlichkeitsentwicklung von Sportinternatsathleten

7. Zusammenfassung

8. Diskussion und Ausblick

9. Literaturverzeichnis

1. Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2. Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abb. 1: Übergang vom klassischen kooperativ-komplementären Modell zum Brandenburger Inklusionsmodell (aus: Hummel, 2009 b, S. 25)

Abb. 2: Bedingungen sportlicher Leistungen (aus: Martin et al., 1993, S. 25)

Abb. 3: Trias des leistungssportlichen Trainings im Kindes- und Jugendalter (nach Hummel, 2007)

Abb. 4: Schulische Leistungsentwicklung der Jugendlichen (aus: Brett- schneider & Klimek, 1998, S. 71)

Tab. 1: Medaillienspiegel der Olympischen Sommerspiele (nach wikipedia)

Tab. 2: Anforderungen der Schule (aus: Richartz & Brettschneider, 1996, S. 54)

Tab. 3: Maximale Hausaufgabenzeiten (aus: Richartz & Brettschneider, 1996, S. 53)

Tab. 4: Wochenplan einer Schwimmerin aus der 8. Klasse (aus: Richartz & Brettschneider, 1996, S. 67)

3. Einleitung

Die Olympischen Spiele 2004 in Athen brachten für die Deutsche Olympiamannschaft das schlechteste Ergebnis seit der Wiedervereinigung Deutschlands - Platz 6 in der Gesamtwer- tung der Nationen (vgl. Tab. 1). Das angestrebte Ziel, den 3. Platz in der Medaillenwertung zu erreichen, wurde weit verfehlt. Selbst die Olympiamannschaft der alten Bundesrepublik Deutschland, welche ohnehin schon nicht mit der Mannschaft der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) mithalten konnte, erreichte bei den Spielen in Seoul 1988 eine bessere Plat- zierung. In Peking 2008 enttäuschte die Deutsche Mannschaft erneut. Zwar erzielten die deut- schen Athleten diesmal den 5. Platz, allerdings errangen sie noch weniger Medaillen als vier Jahre zuvor in Athen. Die Medaillenspiegel der Olympischen Spiele von 1988, 2004 und 2008 sind in Tabelle 1 dargestellt.

Tab. 1: Medaillienspiegel der Olympischen Sommerspiele (nach wikipedia)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

* Die Platzierungen im olympischen Medaillienspiegel richten sich nach der Gesamtanzahl der Medaillen, der Anzahl der Goldmedaillen, gefolgt von der Anzahl der Silber- und Bronzemedaillen. Deshalb ist es möglich das trotz einer größeren Gesamtanzahl an Medaillen eine schlechtere Platzierung erfolgt.

Die mieserablen Ergebnisse vor Augen, begannen Sportwissenschaftler nach den Ursachen für das schlechte Abschneiden der Deutschen Mannschaft zu forschen. Dabei fiel der Blick alsbald auf die Nachwuchsförderungssysteme des Spitzensports in Deutschland. Kritische Stimmen zur Effektivität der aktuellen Nachwuchsförderung kamen auf (vgl. u.a. Rost, 2005). Besonders standen dabei die „Eliteschulen des Sports“ (EdS) in der Kritik, welche ein speziel- les Nachwuchsförderungssystem des deutschen Leistungssports darstellen. Diese Einrichtun- gen stellten bei den Olympischen Spielen in Athen immerhin 36 Prozent der deutschen Olympiateilnehmer1. Ausführliche Analysen zur Effizienz dieser Einrichtungen wurden ange- stellt und erbrachten ernüchternde Ergebnisse.

Emrich, Fröhlich, Klein und Pitsch (2007) beschäftigten sich ausführlich mit der Problematik und führten eine Vollerhebung aller 611 2 Teilnehmer der Olympischen Sommerspiele 2004 und der Winterspiele 2006 durch. Sie untersuchten unter anderem, ob Athleten, welche eine Eliteschule besuchen3, Vorteile gegenüber Nichteliteschülern haben (vgl. ebd.). Dafür wurden die erreichten Platzierungen der Athleten bei den Olympischen Spielen herangezogen und verglichen, inwiefern sich die sportlichen Erfolge von Eliteschülern und Nichteliteschülern unterscheiden (vgl. ebd.). Zusätzlich wurde der Bildungsabschluss zwischen den eben ge- nannten Athletengruppen verglichen (vgl. ebd.). Die Ergebnisse zeigten, dass die von Seiten der EdS propagierten Vorteile des Besuchs einer solchen Fördereinrichtung - nämlich die Verbesserung der schulischen und sportlichen Leistungen durch Belastungsreduktion und An- forderungsökonomisierung - empirisch nicht belegbar sind (vgl. ebd.)4. Die Eliteschüler hat- ten im Vergleich zu den Schülern, welche Regelschulen besuchten, keine besseren Ergebnisse im Schulabschluss sowie in der Medaillenwertung (vgl. ebd.). Emrich et al. (2007, S. 242) kommen zu dem Schluss, dass die empirischen Befunde „[...] vorsichtig als Beleg für eine verbesserungsfähige Effektivität gewertet werden“ sollten. Forderungen nach neuen struktu- rellen Konzepten zur Nachwuchsförderung wurden jedoch auch schon eher laut (vgl. Buß- mann & Glatzel, 2006; Rost, 2005). Schon die Ergebnisse von Rost (2005) und Güllich (2005) bestätigten die Ineffektivität der bestehenden Förderungsstrukturen dieser leistungs- sportlichen Spezialschulen.

Systemumstellung der Spezialschulen Sport des Landes Brandenburg

In Brandenburg wurde deshalb zum Schuljahr 2008/09 5 ein Projektversuch gestartet, welcher eine Systemumstellung der Spezialschulen Sport (EdS) beinhaltet (vgl. Hummel, Brand, Gru- ber & Mayer, 2009). Ziel der Systemumstellung ist es „[...] in höherem Maße als bisher Spit- zenleistungen im Erwachsenalter zu generieren“ (Hummel et al., 2009, S. 1). Entstehende Veränderungen lassen sich vor allem an einer Umstellung des Fördermodells festmachen (vgl. ebd.). Das bisherige Förderungssystem, welches an den restlichen Eliteschulen der Bundesre- publik Deutschland nach wie vor besteht, basiert auf einem kooperativ-komplementären Mo- dell (vgl. ebd.). Schule und Leistungssport sind in diesem Modell durch das Verbundsystem der EdS zwar unter einem Dach zusammengebracht, jedoch konzentriert sich jeder Koopera- tionspartner vornehmlich auf das Erreichen der eigenen Zielvorgaben (vgl. ebd.). Die neuen Strukturen der Nachwuchsförderung, die an den Brandenburger Eliteschulen zur Zeit evaluiert werden, basieren nun auf einem Inklusionsmodell (vgl. ebd). Inklusion bezeich- net eine Steigerung der Integration sowie eine „[...] gelungene ‚strukturelle Kopplung’ zwi- schen Teilsystemen“ (Hummel, 2009 a, S. 45). Im Brandenburger Inklusionsmodell sind Schul- und Leistungssportsystem nicht mehr zwei voneinander unabhängige Instanzen inner- halb des Verbundsystems (vgl. Hummel et al., 2009). Das leistungssportliche Engagement un- terliegt nun nicht mehr der alleinigen Verantwortlichkeit des Leistungssportsystems, sondern wird als Bestandteil des Bildungsbereichs angesehen (vgl. ebd.). Die Schule gilt als Förde- rungsinstanz der sportlichen Talente und die Leistungssportart selbst zählt als Unterrichtsfach (vgl. Hummel, 2009 a).

Ein Vergleich des bisherigen und des neuen Förderungsmodells ist in Abbildung 1 dargestellt.

Abb. 1: Übergang vom klassischen kooperativ-komplementären Modell zum Branden- burger Inklusionsmodell (aus: Hummel, 2009 b, S. 25)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Möglich wird dieser Modellversuch durch „schulinterne Lehrpläne“ (SILP), welche auf Grundlage bestehender Rahmentrainingspläne erarbeit werden (vgl. ebd.). Zusätzliche Zeit- ressourcen müssen zur Verfügung gestellt werden, um die leistungssportliche Spezialbildung in den Unterricht zu integrieren (vgl. ebd.). Außerdem sind neue Personalstellen von Nöten, damit eine Inklusion des Leistungssports auch auf praktischer Seite ermöglicht wird (vgl. Hummel et al., 2009). Erziehungsträger werden benötigt, welche gleichermaßen Kompetenzen im schulischen sowie im leistungssportlichen Bereich besitzen (vgl. ebd.). Sogenannte „Lehrertrainer“ spielen dabei eine wesentliche Rolle (vgl. ebd.).

Derzeit wird in vier Fachbereichen (Trainingswissenschaft, Sportpädagogik/ Organisationsso- ziologie, Sportmedizin und Sportpsychologie) evaluiert, ob sich empirisch nachweisbare Vor- teile aus dieser Systemumstellung ergeben, die letztendlich zum Erreichen des Hauptziels füh- ren (vgl. ebd.). Da fast ausschließlich strukturelle Veränderungen durch die Einführung des Inklusionsmodells stattgefunden haben, werden in der Evaluation deshalb auch nur strukturel- le Kriterien überprüft, welche letztendlich zu einer Leistungssteigerung der geförderten Schü- ler führen sollen.

Fragestellung

Wird noch einmal das Ziel der Systemumstellung genau betrachtet - die Generierung von Spitzenleistungen im Erwachsenenalter - so stellt sich die Frage, ob einzig und alleine die strukturellen Veränderungen der Systemumstellung zum Erreichen dieses Ziels führen kön- nen. Besonders aus der Trainingswissenschaft ist bekannt, dass sportliche Leistung von vie- lerlei Faktoren abhängig ist. In einem Schaubild von Martin et al. (1993) werden verschiedene Bedingungen dargestellt, welche sportliche Leistung beeinflussen (vgl. Abb. 2).

Unter anderem ist auch die soziale Unterstützung eine Bedingung, welche Einfluss auf die sportliche Leistung hat (vgl. ebd.). Nach Schneider, Bös und Rieder (1993, zit. n. Beckmann, Elbe & Szymanski, 2004 a) sind Höchstleistungen nur möglich, wenn dem Athleten ein unter- stützendes soziales Umfeld zur Verfügung steht. Brettschneider und Klimek (1998) äußern sich ähnlich. Das Konstrukt der sozialen Unterstützung stellt deshalb gerade für die jungen Spitzensportler an den Eliteschulen des Sports eine entscheidende Komponente zum Errei- chen sportlicher Glanzleistungen dar. Gerade in Zeiten wo intensiv nach Lösungen zur Ver- besserung des Abschneidens deutscher Spitzensportler bei internationalen Wettkämpfen ge- sucht wird, sollte diese wichtige Ressource nicht außer Acht gelassen werden.

Das Ziel, sportliche Höchstleistungen zu erzielen, ist zu allererst an das Erfüllen bestimmter Anforderungen geknüpft (vgl. Brettschneider & Klimek, 1998). Deshalb soll der Blick in die- ser Untersuchung auch mehr auf die Beanspruchungen gerichtet sein, welche die jungen Ath- leten zu bewältigen haben, um dem hohen Anspruch, der an sie gestellt wird, gerecht zu wer- den. Außerdem sollen nicht nur sportbezogene Anforderungen und die dazugehörigen sozia- len Unterstützungsressourcen betrachtet werden, sondern auch schulische Verpflichtungen, welchen die Heranwachsenden zusätzlich nachkommen müssen.

Abb. 2: Bedingungen sportlicher Leistungen (aus: Martin et al., 1993, S. 25)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Ziel dieser Arbeit ist zu untersuchen, auf welche sozialen Unterstützungsressourcen jugendliche Athleten, insbesondere an den Eliteschulen des Sports, zurückgreifen können, um die hohen leistungssportlichen und schulischen Anforderungen zu bewältigen. Dabei soll genauer beleuchtet werden, welche Inhalte und Formen sozialer Unterstützung die Heranwachsenden von den unterschiedlichen Unterstützungsquellen erwarten können. Es wird angenommen, dass verschiedene Quellen sozialer Unterstützung für jugendliche Leistungssportler existieren und dass differente Helferquellen unterschiedliche Formen von Zuwendungen anbieten. Zusätzlich soll davon ausgegangen werden, dass die sozialen Bezüge, welche jungendliche Athleten erhalten, unterstützende Wirkungen für die Bewältigung schulischer und sportlicher Leistungsanforderungen haben.

4. Soziale Unterstützung

Zur Bewältigung von Anforderungen werden in der Literatur zweierlei Ressourcen unterschieden (Tietjens, 2001). Die erste Ressource bezeichnet die subjektiven (in der Person selbst gelegenen) Bewältigungsmechanismen, welche einer Person zur Verfügung stehen, um die gestellten Anforderungen zu erfüllen (vgl. ebd.). Die zweite Bewältigungsressource stellt das Konstrukt der Sozialen Unterstützung dar (vgl. ebd.). Soziale Unterstützung, oder auch „Social Support“, definiert Badura (1981 b, S. 157) als:

„[...] Fremdhilfen, die dem einzelnen durch Beziehungen und Kontakte mit seiner sozialen Umwelt zugänglich sind und die dazu beitragen, daß die Gesundheit erhalten bzw. Krankheiten vermieden, psychische oder somatische Belastungen ohne Schaden für die Gesundheit überstanden und die Folgen von Krankheiten bewältigt werden.“

In der Definition wird deutlich, dass der Autor soziale Unterstützung in einem stark auf die Gesundheit bezogenen Kontext ansieht. Hierzu muss der Ursprung der Begrifflichkeit des Social Support näher beleuchtet werden.

Ursprung der Social Support Forschung

Der Ursprung der Social Support Forschung geht auf die Sozialepidemiologie zurück (vgl. Nestmann, 1988). Hier wurde anfangs der Einfluss sozialer Faktoren auf die Entstehung und Bewältigung von Krankheiten erforscht (vgl. Badura, 1981 a). Die Epidemiologen Cassel und Cobb gelten als Vorreiter der Social Support Forschung (vgl. Bona, 2001). Cassel sprach sozialer Unterstützung eine große Bedeutung „[...] zum Schutz vor psychischen und physischen Belastungen“ zu und verstand Unterstützung v.a. als „Rückmeldung von Primärgruppenmitgliedern“ (Cassel, 1974, zit. n. Bona, 2001, S. 52). Cobb wiederum konzentrierte sich bei der Social Support Forschung „[...] auf die subjektive Wahrnehmung eines Individuums“ (Cobb, 1976, zit. n. Bona, 2001, S. 52). Er stellte eine Abhängigkeit sozialer Unterstützung von der subjektiven Deutung und Erfahrung der Betroffenen fest (vgl. ebd.).

Die Grundlage der Theorien von Cobb (1976) und Cassel (1974) ist die Ansicht, dass Perso- nen, welche um unterstützende Zuwendungen wissen, geringere negative Folgen aus Stresssi- tuationen tragen (vgl. Bona, 2001). Cohen & Wills begründen die positiven Effekte des Social Support damit, dass durch das Wissen um Unterstützungsleistungen „[...] Stabilität und Vor- hersagbarkeit im Alltag gesichert wird [...]“ (Cohen & Wills, 1985, zit. n. Bona, 2001, S. 53). Unterstützungsleistungen selbst werden als „Eigenschaften sozialer Netze, einzelne Bezie- hungen und konkrete zwischenmenschliche Prozesse, die als wertvoll, hilfreich oder erfreu- lich empfunden werden“, bezeichnet (Badura et al. 1988, S. 49, zit. n. Schulze, Burrmann & Stucke, 2007, S.4).

Soziales Netz

Der Begriff des sozialen Netzes, welcher in der vorangegangenen Definition erwähnt wird, steht im engen Zusammenhang mit dem Social Support und den daraus resultierenden Unterstützungsleistungen.

Das soziale Netz bezeichnet die Gesamtheit aller Beziehungen, die eine Person zu einzelnen Menschen oder Gruppen hat (vgl. Pfaff, 1989, zit. n. Tietjens, 2001). Es schafft die spezifischen Vorraussetzungen, welche für das Aufkommen sozialer Unterstützungsleitungen notwendig sind (vgl. Alfermann & Stoll, 2005). In der Unterstützungsforschung ist es ebenso wichtig, die Parameter sozialer Netze mitzubetrachten (vgl. Tietjens, 2001). Verfügt eine Person über ein großes soziales Netz, ist dies nicht konkomitierend mit einem hohen Maß an sozialer Unterstützung gleichzusetzen (vgl. ebd.).

Der Ausdruck „soziales Netz“ ist auf den britischen Sozialanthropologen Barnes zurückzu- führen (vgl. ebd.). Er verband mit diesem Begriff ein Fischernetz, wobei die Knotenpunkte verschiedene Personen darstellen und die Verbindungslinien unterschiedliche Beziehungen (z.B. Freundschaft, Zuneigung oder materielle Hilfe) zwischen den einzelnen Personen oder Gruppierungen versinnbildlichen (vgl. Barnes 1954, zit. n. Tietjens, 2001). Der Begriff „sozi- ales Netz“ macht außerdem deutlich, dass es sich nicht nur um eine einzelne Beziehung han- delt, sondern vielmehr um ein Beziehungsgeflecht. Um „kontext-adäquate Hilfe“ zu bekom- men sollten Jugendliche deshalb nicht nur auf eine Unterstützungsperson zurückgreifen kön- nen, sondern auf mehrere (Tietjens, 2001, S. 35). Dafür müssen sie aber vorerst einmal „Men- schen für sich [...] gewinnen“ (Brettschneider & Heim, 2001, S. 35). Dies stellt für sie „[...] zugleich Herausforderung und soziale Leistung im Prozeß jugendlicher Sozialisation und Entwicklung [...]“ dar (ebd., S. 35). Die Entwicklungsprozesse der Jugendlichen vollziehen sich in verschiedenen „Settings“6, die sich teilweise aber auch überschneiden (vgl. Brett- schneider & Klimek, 1998). Das soziale Netzwerk ist gerade wegen der Auswirkungen auf die Erziehung und Entwicklung der jugendlichen Nachwuchsathleten von großer pädagogischer Relevanz (vgl. ebd.).

4.1 Wirkweisen des Social Support

Betrachtet man die Wirkung des Social Support, so wird in erster Linie davon ausgegangen, dass durch „soziale Unterstützung [...] das psychosoziales Wohlbefinden gefördert wird“ (Bona, 2001, S. 53).

„Sozialer Rückhalt macht widerstandsfähiger gegenüber Stress, und zwar (a) durch Stärkung des Selbstvertrauens und damit der Zuversicht, mit den jeweiligen Belastungen zurechtzukommen; (b) durch Beratung bei der Lösung von schwierigen und beunruhigenden Problemen; (c) durch Ablenkung von grübelnden und kummervollen Gedanken; (d) durch direkte Hilfe“ (Brandstätter, 1990, S. 440, zit. n. Weber, 2003, S. 166).

Die Forschung zu den Wirkungen des Social Support wurde besonders im sozialepidemiolo- gischen Bereich betrieben (vgl. Nestmann, 1988). Viele Studien bestätigen beispielsweise die negative Beziehung zwischen Mortalität und sozialer Unterstützung (vgl. ebd.). Als Beispiel für positive Wirkungen des Social Support im sportgebundenen Kontext sei hier auf die Stu- die von Alfermann, Würth & Saborowski (2002) verwiesen. Sie fanden heraus, dass die Leis- tungsentwicklung von Nachwuchsathleten durch elterliche Unterstützung positiv beeinflusst beeinflusst wird (vgl. ebd.).

Negative Wirkungen des Social Support

Vom Wortlaut her wird soziale Unterstützung meist nur mit positiven Effekten assoziiert. So- ziale Bezüge können jedoch auch „abschwächende Konsequenzen“ haben, selbst wenn in gu- ter Absicht gehandelt wurde (Bona, 2001, S. 53). Auch wenn Unterstützungsleistungen vom Empfänger positiv wahrgenommen werden, können die angenommenen Zuwendungen objek- tiv negative Folgen haben, wie zum Beispiel unmündig machen (vgl. ebd.). Dies gilt zum Bei- spiel für übertriebene Support Leistungen (vgl. Tietjens, 2001). Zu stark verlangte Hilfeleis- tungen, der Missbrauch oder das Ausnutzen von Zuwendungsbereitschaft bergen außerdem die Gefahr des Rückzugs der Unterstützungsperson und eine damit verbundene Reduktion der Zuwendungen (vgl. Bona, 2001).

Ein weiterer Aspekt der negativen Wirkung von sozialer Unterstützung ist das „Unterdruck- setzen“ (Alfermann et al., 2002). „Wahrgenommener elterlicher Druck kann das Selbstwert- gefühl von Athleten beeinträchtigen (McElroy, 1982), Stress und Schuldgefühle hervorrufen (Donnelly, 1993, S. 102 f.), sowie Burnout begünstigen (Smith, 1986; Udry et al., 1997)“ (ebd., S. 52). Ein zu stark ausgeprägtes direktives Verhalten der Eltern wirkt sich negativ auf die Entwicklung des jugendlichen Athleten aus (vgl. ebd.). In ihrer Tennisstudie stellen Mav- vidis, Mantis, Karakos und Taxildaris (2002) fest, dass sich zu starkes Einmischen der Eltern in den Trainingsprozess oder das Wettkampfgeschehen nachteilig auf das Spielverhalten des Kindes auswirkt.

Trotz der Gefahren und Probleme die durch soziale Unterstützungsleistungen hervortreten können bleibt festzuhalten, dass die positiven und unterstützenden Bezüge im sozialen Netzwerk dominieren (vgl. Bona, 2001).

Wirkmechanismen des Social Support

Zu den Wirkmechanismen sozialer Unterstützung existieren zwei konkurrierende Theorien (vgl. Nestmann, 1988). Unterschieden werden die „Puffer-Hypothese und die „Haupteffekt- Hypothese“ (vgl. ebd.). In der Puffer-Hypothese wird davon ausgegangen, dass soziale Unter- stützung nur unter Stressbedingungen (z.B. Niederlage) wirksam wird (vgl. Bona, 2001). Es tritt ein interaktiver Effekt zwischen Stressor und Unterstützungsleistung auf (vgl. ebd.). Durch die soziale Unterstützungsleistung werden die negativen Folgen bzw. Wirkungen eines Stressors abgeschwächt (vgl. ebd.). Das soziale Netz hat sozusagen einen abpuffernden Effekt (vgl. Tietjens, 2001). Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Nach einer knappen Niederlage bei einem für den Athleten bedeutsamen Wettkampf ist er im Anschluss demotiviert und nieder- geschlagen. Die Eltern des Athleten leisten emotionale Unterstützung und ermutigen den Ath- leten durch Annahme und Zuspruch. Durch den geleisteten Rückhalt wird dem Motivations- verlust des Sportlers entgegengewirkt. Er fühlt sich nach dem Gespräch mit seinen Eltern be- freiter und versucht die Niederlage positiv zu verarbeiten.

Die Haupteffekt-Hypothese basiert auf der Annahme, dass sich soziale Unterstützung direkt auf das Wohlbefinden des Individuums auswirkt (vgl. ebd.). Eine Steigerung des Wohlbefin- dens geschieht durch positive Erfahrungen (vgl. Bona, 2001). Soziale Unterstützung wirkt so- zusagen als „Schutzschild vor Belastungen“ (ebd., S. 54). Durch das Vorhandensein sozialen Rückhalts kommt es erst gar nicht zum „Unwohlsein“. Erleidet der Athlet eine Niederlage, so empfindet er - nach dieser Hypothese - die Niederlage nicht so belastend, wenn er sich der sozialen Unterstützung seiner Eltern gewiss ist, als wenn er auf keine sozialen Ressourcen zu- rückgreifen kann.

4.2 Differenzierungsmöglichkeiten sozialer Unterstützung

In der Literatur finden sich zahlreiche Klassifikationen, wie sich soziale Unterstützungsleis- tungen einteilen und abgrenzen lassen. Die Einteilungen sind aus unterschiedlichen Perspekti ven vorgenommen worden. Eine Darstellung der Unterstützungsleistungen in allen bekannten Differenzierungsformen kann nicht geschehen, da sich die Kategorisierungen teilweise über- schneiden, beziehungsweise die Darstellung des sozialen Rückhalts zu unübersichtlich und verwirrend wäre. Die einzelnen Dimensionen sozialer Unterstützung sollen nun kurz ange- führt werden.

Differenzierung nach Art der Unterstützungsleistung

Die erste Einteilungsform differenziert die soziale Unterstützung hinsichtlich verschiedener Arten von Unterstützungsleistungen. Hierbei wird nach emotionaler, instrumenteller und in- formationeller Unterstützung getrennt (vgl. u.a. Tietjens, 2001; Alfermann et al., 2002; Schul- ze et al. 2007). Sozialer Rückhalt emotionaler Art entsteht vor allem durch Wertschätzung, Sympathie oder Annahme und wird besonders durch Familie und Freunde vermittelt (vgl. Tietjens, 2001). Kolip spricht emotionaler Zuwendung die größte Bedeutung zu (Kolip, 1993, zit. n. Tietjens, 2001). „Instrumentelle Unterstützung dagegen spiegelt sich in der direkten Be- reitstellung von materieller und finanzieller Hilfe wider“ (Schulze et al., 2007, S. 4). Dies kann z.B. den Kauf von Sportkleidung oder die täglichen Trainingsfahrten betreffen (vgl. Tietjens, 2001). Informationelle Hilfe wiederum beinhaltet Hinweise und Ratschläge zur Problemlösung (Schulze et al., 2007). Vermittelnde Akteure sind Experten wie z.B. Trainer oder Ärzte, da diese spezielle Kenntnisse auf einem bestimmten Gebiet besitzen (vgl. ebd.). Weber (2003, S. 6) teilt soziale Bezüge zweidimensional ein. Zum einen unterscheidet sie auch nach verschieden Bezugsformen (emotionale und sachliche Unterstützung), zum anderen differenziert sie soziale Unterstützung situationsabhängig („Temporale Anpassung an die Er- wartungsstrukturen von Training und Wettkampf“).

Tietjens (2001) betont, dass die Abgrenzung verschiedener Support-Formen nicht bedeutet, dass diese unabhängig voneinander sind. Eine Person oder Personengruppe ist nicht nur auf eine Form von Unterstützung festgelegt (vgl. ebd.). „Der Helfende wird eher selten von sich aus einen Unterschied in der Bereitstellung von emotionaler, instrumenteller oder informationeller Hilfe machen“ (ebd., S. 38 f).

Differenzierung aus Sicht des Hilfeempfängers

Unterstützungsleistungen lassen sich weiterhin aus Sicht des Empfängers unterscheiden (vgl. Schulze et al., 2007). Untereinander abgegrenzt werden hier wahrgenommene und erhaltene Hilfen (vgl. ebd.). Ob und wie der Hilfeempfänger geleistete Unterstützungsleistungen sub- jektiv wahrnimmt ist abhängig von seinen „[...] kognitiven Prozesse(n), Überzeugungen, Be- wertungen und Erwartungen“ (ebd., S. 5). Erhaltene Unterstützung bezeichnet die tatsächlich erfahrene Support-Leistung, unabhängig davon ob der zu Unterstützende die Hilfeleistung auch als solche identifiziert (vgl. Tietjens, 2001). So ist es dementsprechend möglich, dass ge- leistete Unterstützung aufgrund der Nichtwahrnehmung des Empfängers keine Wirkung er- zielt (vgl. ebd.).

Differenzierung nach Unterstützungsquelle

Nach Bona (2001) ist es wichtig, die Unterstützungsquelle zu kennen, da selbst wenn die Un- terstützung durch unterschiedliche Quellen gleich ausfällt, die Wirkung verschieden sein kann. Bei der Unterscheidung nach dem Ursprung von Hilfeleistungen können informelle und formelle Systeme voneinander abgetrennt werden (vgl. Tietjens, 2001; Schulze et al., 2007; Bona, 2001). Informeller Support erfolgt durch Laien, welche „[...] diesen Dienst praktisch nebenbei und ohne eine spezielle Schulung oder Ausbildung leisten“ (Tietjens, 2001, S. 40). Eltern, Freunde, Bekannte oder Verwandte sind hier meist die Hilfeleistenden (vgl. Schulze et al., 2007). Formelle Unterstützung geschieht durch Experten wie z.B. Therapeuten oder Trai- ner (vgl. Tietjens, 2001). Im Gegensatz zu informellen Systemen, in denen die Zuwendungen meist im unmittelbaren Lebensbereich geschehen, werden die Support-Leistungen der formel- len Systeme meist im institutionellen Kontext erbracht (vgl. ebd.). Welche Systeme zur Un- terstützung in Anspruch genommen werden, hängt von gewissen „Prioritäten [...] (und) unter- schiedlichen inhaltlichen Zuschreibungen“ ab (ebd. S. 40). Brettschneider und Klimek (1998) weisen zudem darauf hin, dass die unterschiedlichen Unterstützer Partikularinteressen verfol- gen und es deshalb von enormer Bedeutung ist, die informellen und formellen Helfer zu ei- nem gemeinsamen Ziel zu verpflichten.

Wird der Social Support aus der Perspektive der Unterstützungsquelle betrachtet, so lassen sich zusätzlich von personeller und institutioneller Seite erbrachte Hilfen unterscheiden (vgl. Bona, 2001). Diese Einteilung soll nur kurz erwähnt sein, da sie Parallelen zur Vorangegan- gen aufweist.

Differenzierung nach Teilsystemen

In ihrer Untersuchung der Sportbetonten Schulen, untergliedern Brettschneider und Klimek (1998) den Social Support in verschiedene Settings. Sie unterscheiden Unterstützungsleistun- gen im Bereich der Schule, des Trainingsalltags und der Freizeit (vgl. ebd.). In diesen Teilsys- temen existieren formelle (z.B. Trainer) sowie informelle (z.B. Peergroup) Helfer, die unter- schiedliche Arten von Zuwendungen (emotional, instrumentell und informationell) erbringen.

Diese Einteilung hat den Vorteil, dass sich der Status der sozialen Unterstützung in verschie- denen Lebensbereichen gut vergleichen lässt. Als Nachteil ist die Überlagerung verschiedener Personengruppen, welche meist in mehrere Teilsysteme (wenn auch mit unterschiedlicher Gewichtung) integriert sind, zu nennen.

Differenzierung nach Situationen

Die Differenzierung von Unterstützungsleistungen nach verschiedenen Situationen geschieht mit dem Hintergrund, dass spezifische Situationen auch spezifische Unterstützungsleistungen erfordern (vgl. Bona, 2001). Die Hilfe muss an die aktuellen Bedürfnisse des Empfängers angepasst werden (vgl. ebd.). Andernfalls kann die Support-Leistung ihre Wirkung verfehlen, minimieren oder gar negativ wirken (vgl. ebd.). So sind beispielsweise emotionale Hilfeleistungen direkt nach einer Niederlage angebrachter als instrumenteller Support. Andersherum benötigt ein Nachwuchsathlet eher Hilfe instrumenteller Art, wenn er z.B. zum Trainingsort lange Wegstrecken zurückzulegen hat. Er benötigt dann weniger Ermunterung oder Wertschätzung, sondern eher jemanden, der ihn zum Training fährt.

Unterscheiden lässt sich außerdem zwischen alltagsrelevanter und krisenbezogener Unterstützung (vgl. ebd.). In Krisensituationen sind Unterstützungsleistungen anderer Art und Intensität erforderlich (vgl. Richartz, 1998). Zusätzlich haben „[d]ie Charakteristika der Orte, an denen die Unterstützungsleistung stattfindet, [...] einen großen Einfluss auf die Auswirkung“ der Zuwendung (Bona, 2001, S. 56).

Differenzierung nach Geschlecht

In der Social Support Forschung gibt es vermehrt Hinweise, dass der Erhalt und die Wirkwei- se sozialer Bezüge beim männlichen und weiblichen Geschlecht unterschiedlich sind (vgl. u.a. Bona, 2001; Tietjens, 2001; Schulz et al., 2007; Brettschneider & Heim, 2001). Es „[...] findet in der Jugendphase eine Auseinandersetzung mit Eltern und Freunden statt, die vor dem Hin- tergrund geschlechtsspezifischer Rollenverständnisse zu interpretieren ist“ (Tietjens, 2001, S. 59). So scheint beispielsweise für Mädchen die beste Freundin den gleichen Effekt zu haben, wie für Jungen das Dazugehören zu einem Freundeskreis (vgl. Tietjens, 2001).

Differenzierung nach Entwicklungsstand (aus entwicklungspsychologischer Sicht)

Aus entwicklungspsychologischer Perspektive benötigen Jugendliche (Hochleistungssportler) in den unterschiedliche Entwicklungsphasen, welche sie in ihrer Jugendzeit durchlaufen, un- terschiedliche Unterstützungsformen und Unterstützungsqualitäten (vgl. Tietjens, 2001).

Mehrere Autoren (vgl. u.a. Alfermann et al., 2002; Brettschneider & Heim, 2001; Schulze, Burrmann & Stucke, 2007) sind sich einig darüber, dass jugendliche Leistungssportler mit zunehmendem Entwicklungsstand andere Unterstützungsquellen benötigen, da die Qualitäten der bisherigen Quellen (z.B. Eltern) nicht mehr (allein) ausreichend sind, um die ambitionierten Nachwuchssportler in angebrachter Form zu unterstützen.

Zusammenfassung

Einige weitere Differenzierungsformen wurden in der Literaturrecherche entdeckt, die in die- ser Arbeit jedoch nicht aufgeführt werden7. Nestmann stellte bereits 1988 fest, dass „[ü]ber kaum einen […] Gegenstand der Sozial- und Gesundheitswissenschaften in den letzten Jahren […] mehr geforscht, diskutiert und veröffentlicht worden ist als über social support [...]“ (S. 19). Dementsprechend ist es nicht möglich, alle Untersuchungen zu diesem Themengebiet und die darin enthaltenen Differenzierungsformen in dieser Arbeit darzustellen.

Wie schon in der Gliederung dieser Arbeit ersichtlich, sollen in dieser Untersuchung die sozi- alen Unterstützungsleistungen der jugendlichen Athleten primär nach formeller und informel- ler Unterstützung differenziert werden. Der Vorteil dieser Einteilung ist, dass die Quellen so- zialer Unterstützung, auf die jugendliche Leistungssportler zurückgreifen können, übersicht- lich dargestellt sind. Außerdem lässt sich anhand dieser Differenzierung besser feststellen, welche spezifischen Unterstützungsleistungen für welche Support-Quellen maßgeblich sind. Zusätzlich werden die Hilfeleistungen sekundär auch in die anderen Differenzierungsformen aufgegliedert um die verschiedenen Zuwendungen innerhalb der Unterstützungsquelle auch unterscheiden zu können. Dies ist notwendig, da der Social Support nicht nach einem festge- legten Schema abläuft, sondern von vielen Bedeutungszusammenhängen abhängig ist.

4.3 Abhängigkeiten sozialer Unterstützung

Für den Empfang sozialer Unterstützungsleistungen existieren verschiedene Abhängigkeiten. Als Grundvoraussetzung wird der Aufbau und Erhalt sozialer Beziehungen angesehen, welche wiederum „[...] von persönlichen Dispositionen abhängig sind (Selbstwert, Introversion, ...) [...]“ (Bona, 2001, S. 56). Im Umkehrschluss haben sozialisatorische Erfahrungen, die im so- zialen Netzwerk gewonnen werden, Einfluss auf die Persönlichkeitsmerkmale der involvier- ten Person (vgl. ebd.). „Soziale Ressourcen sind u.a. abhängig von der sozialen Kompetenz und spiegeln das eigene soziale Handeln wider“ (Bona, 2001, S. 56). Was jemand aus seinem Leben macht, wird sicherlich durch soziale Einflüsse enorm geprägt, aber nicht vollständig vorher bestimmt (vgl. Bette, Schimank, Wahlig & Weber, 2002).

Bei der Betrachtung der Unterstützungsleistungen ist es außerdem wichtig, diese aus zwei Perspektiven zu betrachten - aus Sicht des Empfängers und des Gebers. Dies ist wichtig, da ein beidseitiger Austausch stattfindet (vgl. Bona, 2001). Es entstehen Kosten und Nutzen (vgl. ebd.). Ob und in welchem Ausmaß die Unterstützungsbeziehung weitergeführt wird, hängt davon ab, wie der Austausch von beiden Seiten interpretiert wird (vgl. ebd.). Sind für den Empfänger die Kosten der sozialen Zuwendung zu hoch, wird dies Auswirkungen auf das Weiterleisten seiner Hilfeleistungen haben (vgl. ebd.). Die Bezüge könnten zum Beispiel mi- nimiert, eingestellt oder verändert werden. Ähnliches gilt für den Empfänger der Support Leistung. Schätzt dieser die Zuwendung als wenig hilfreich ein, so ist er daran interessiert an- dere Unterstützungspartner zu finden, die ihn besser unterstützen (vgl. Alfemann, Würth & Saborowski, 2002).

Eine weitere Abhängigkeit sozialer Bezüge besteht zu den Bewältigungsressourcen, über die ein Individuum subjektiv verfügt. Manche personalen Bewältigungsressourcen sind erst dann aktivierbar, wenn ein ausreichendes Kontingent an sozialen Hilfeleistungen zur Verfügung steht (vgl. ebd.). Ein Beispiel soll dies illustrieren: Ist ein Fußballspieler nach einer unberech- tigten gelben Karte äußerst aufgebracht, so können beruhigende Worte und Ermahnungen der Mitspieler hilfreich für den ungehaltenen Spieler sein. Durch die emotionale oder auch infor- mationelle Hilfe seiner Mitspieler können dem Sportler die Konsequenzen seines weiteren „Meckerns“ bewusst werden. Da er nun sein Verhalten bewusst wahrnimmt, können seine personalen Bewältigungsressourcen (z.B. Selbstregulation) aktiviert und die Stresssituation angemessen verarbeitet werden.

Es existieren noch weitere Abhängigkeiten sozialer Unterstützung, die noch nicht entdeckt oder ausreichend erforscht sind. So weist Tietjens (2001) darauf hin, dass soziodemografische Faktoren im Zusammenhang mit sozialer Unterstützung bislang kaum berücksichtigt wurden. Dennoch besteht eine Abhängigkeit zwischen Bevölkerungsmerkmalen und dem Erhalt be- stimmter (z.B. sportbezogener) sozialer Bezüge. Ein Beispiel soll die Relevanz dieser Abhän- gigkeit hervorheben:

„Ein türkisches Mädchen würde auf Grund ihrer Rolle wahrscheinlich weniger sportbezogene soziale Unterstützung erhalten als ein männlicher deutscher Gymnasiast, da ihr sportbezogenes Verhalten in ihrem engen sozialen Umfeld nicht in diesem Maße akzeptiert wird und damit auch weniger unterstützt wird“ (ebd., S. 61).

Das Beispiel zeigt, dass soziodemographischen Faktoren einen wesentlichen Beitrag zur Initi- ierung oder zum außer Kraft setzen sozialer Unterstützungsmaßnahmen leisten (vgl. ebd.).

Die aufgeführten Abhängigkeiten zeigen, dass es von Bedeutung ist, die Bedingungen zu kennen, welche für das Zustandekommen sozialer Unterstützung notwendig sind. Differenzie- rungen im Erhalt sozialer Bezüge müssen berücksichtigt werden, besonders dann, wenn ana- lysiert wird, auf welche Unterstützungsleistungen und -quellen zurückgegriffen werden kann. Darüber hinaus wurde deutlich, dass sozialer Rückhalt nicht für jedes Individuum in gleichem Maße zur Verfügung steht. Es gibt limitierende und fördernde Faktoren, die den Erhalt von sozialen Hilfeleistungen moderieren. Diese liegen zum einen in der Person selbst, zum ande- ren (wie besonders im letzten Beispiel deutlich wurde) im sozialen Umfeld, in welches die Person integriert ist. Für letzteres gilt: „Unterstützung durch die soziale Umwelt […] ist nur dann wirklich hilfreich, wenn das Angebot mit den Bedürfnissen derer zusammenpaßt, denen geholfen werden soll“ (Schwarzer & Leppin, 1989 zit. n. Richartz, 1998, S. 12).

4.4 Bedeutung sozialer Unterstützung für jugendliche Leistungssportler

Bei der Frage nach der Bedeutung sozialer Unterstützung für jugendliche Leistungssportler, stellt sich zugleich die Frage nach den Anforderungen, welche diese besonders begabten Ju- gendlichen zu bewältigen haben. Scheinbar besteht ein Zusammenhang zwischen Beanspru- chung und dem Bedarf an sozialer Unterstützung. Dass jugendliche Leistungssportler Anfor- derungen zu bewältigen haben, sei hier erst einmal vorausgesetzt. Bevor genauer betrachtet wird, welchen Anforderungen die jugendlichen Athleten in ihrem Alltag gegenüber stehen, soll die eben genannte Beziehung wissenschaftlich begründet werden. Hierbei soll das tran- saktionale Stressmodell von Lazarus und Launier (1981) herangezogen werden, da sich auf Grundlage stresstheoretischer Überlegungen die Bedeutung des Social Support für die jugend- lichen Sportler herleiten lässt (zit. n. Brettschneider & Klimek, 1998).

Transaktionales Stressmodell und Social Support

Das von Lazarus und Launier (1981) entwickelte transaktionale Stressmodell stellt eine von zwei Säulen dar, an welchen sich die Notwendigkeit des Social Supports für jugendliche Leistungssportler theoriebasiert begründen lässt.

Werden an ein Individuum bestimmte Anforderungen gestellt, so findet ein subjektiver Be- wertungsprozess im Individuum selbst statt (vgl. Stoll, 2006). Zur Verfügung stehende Be- wältigungsmechanismen werden mit der Anforderung verglichen und es kommt zu einer Be- wertung (vgl. ebd.). „Zum einen bewertet die Person selbst, ob sich eine Situation für sie be- drohlich oder als Herausforderung darstellt; zum anderen schätzt sie ihre Chancen ein, aus ei- gener Kraft oder mithilfe anderer die Aufgabe lösen zu können“ (Brettschneider & Klimek 1998, S. 51 f.). Stress entsteht nach dieser Terminologie dann, wenn die persönlichen Bewäl- tigungsmechanismen zusammen mit den sozialen Supportressourcen im Bewertungsprozess als unzureichend eingeschätzt werden (vgl. Brettschneider & Klimek, 1998). Das eingeschätz- te Verhältnis zwischen den gestellten Anforderungen und den Bewältigungsressourcen ent- scheidet über das individuelle Stressempfinden (vgl. ebd.). Empfindet eine Person eine Situa- tion als belastend (Stress), so gibt es folglich zwei Ansatzpunkte, um das subjektive Stress- empfinden zu verringern (vgl. Bona, 2001; Richartz, Hoffmann & Bernardt, 2004).

Zum einen kann Einfluss auf die Anforderungen genommen werden. Diese könnten zum Bei- spiel minimiert werden, damit sich der Betroffene bei einer Neubewertung der Situation den Anforderungen gewachsen fühlt. Zum anderen kann auf die Bewältigungsressourcen einge- wirkt werden. Bekommt die Person ein höheres Maß an sozialem Rückhalt, so könnte die Si- tuation diesmal von ihr positiver bewertet werden, da sie die Bewältigungsressourcen als aus- reichend einschätzt. Kommt es jedoch zu einem chronischen Stresserleben, so sind „[k]örperliche und seelische Krankheitssymptome, aber auch Destabilisierung des Selbstbil- des bzw. Verminderung des Selbstwertgefühls [...]“ die negativen Folgereaktionen (Brett- schneider & Klimek, 1998, S. 52). Fühlen sich die jugendlichen Leistungssportler aufgrund zu hoher Anforderungen oder eines nicht ausreichenden Kontingents an Bewältigungsressourcen längerfristig unter Druck gesetzt, so kann ein Dropout die daraus resultierende Entscheidung sein (vgl. Bona, 2001). Dies ist für den Sportler selbst, aber auch für das Sportsystem ein Ver- lust, denn ein Dropout bedeutet eine „Fehlinvestition von Ressourcen“ (Elbe, Beckmann & Synmanski, 2003, S. 46).

Die jugendlichen Leistungssportler stehen vor allem Anforderungen gegenüber, welche durch das Schul- und Sportsystem bestimmt werden (vgl. Brettschneider, Klimek & Heim, 1998). Selbst gestellte Anforderungen bzw. Ziele existieren natürlich auch (vgl. Brettschneider & Klimek, 1998). Diese sind jedoch meist eng mit den von außen gestellten Anforderungen (z.B. das Ziel beim Wettkampf zu siegen oder das Abitur gut abzuschließen) verknüpft (vgl. ebd.). Da besonders im (Hoch-)Leistungssport die physischen und psychischen Anforderun- gen auf Grund des Wettkampfcharakters und des Konkurrenzkampfs durch das Kadersystem sehr hoch sind, können weniger die Anforderungen selbst gesenkt werden, um eine Stressmi- nimierung für die jungen Athleten zu erreichen. Durch institutionelle Lösungen, welche durch die EdS praktisch umgesetzt werden, sollen die Bewältigungsressourcen zur Bewerkstelligung der hohen Anforderungen erhöht werden (vgl. u.a. ebd.; Richartz & Brettschneider, 1996; Brettschneider & Klimek, 1998).

[...]


1 In der Arbeit wird bei der Darstellung von Akteuren zumeist die männliche Form gewählt, gemeint sind natürlich auch die Angehörigen des weiblichen Geschlechts.

2 Insgesamt handelte es sich um 636 Athleten, wobei den Untersuchern jedoch nur von 611 Teilnehmern Kon- taktdaten vorlagen. Der Rücklauf ihrer schriftlichen Befragung betrug insgesamt 32,6 % (vgl. Emrich et al., 2007).

3 Emrich et al. (2007) erhoben, ob der Athlet durchgängig, phasenweise oder nie eine EdS besuchte.

4 Im Verlauf der Arbeit wird noch detaillierter auf bestehende Strukturen, Merkmale und Ziele der EdS einge- gangen.

5 Inoffiziell wurden bereits im Schuljahr 2004/05 vorbereitende Maßnahmen vor dem offiziellen Projektbeginn eingeleitet.

6 Der Fachausdruck „Setting“ vereinigt in diesem Zusammenhang örtliche und zeitliche Eigenschaften und kann mit den Begriffen „Umgebung“ und „Situation“ umschrieben werden.

7 vgl. Tietjens (2001, S. 39), und Bona (2001, S. 53 ff.)

Ende der Leseprobe aus 79 Seiten

Details

Titel
Systemumstellung der Spezialschulen Sport des Landes Brandenburg
Untertitel
Formen der sozialen Unterstützung der Sportler zur Bewältigung der schulischen und sportlichen Leistungsanforderungen
Hochschule
Technische Universität Chemnitz  (Sportpädagogik/Sportpsychologie)
Note
2,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
79
Katalognummer
V181832
ISBN (eBook)
9783668123526
ISBN (Buch)
9783668123533
Dateigröße
931 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
systemumstellung, spezialschulen, sport, landes, brandenburg, formen, unterstützung, sportler, bewältigung, leistungsanforderungen
Arbeit zitieren
Thomas Baberowski (Autor:in), 2009, Systemumstellung der Spezialschulen Sport des Landes Brandenburg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/181832

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