Das Augsburger Interim des Jahres 1548, seine Vorgeschichte und seine Nachwirkungen


Seminararbeit, 2006

25 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Einleitung

Der Zeitabschnitt von 1546- 1552 markiert die entscheidenden Jahre des reichspolitischen Engagements von Kaiser Karl V. (1519- 1556). Auf dem Regensburger Reichstag des Jahres 1546 unternahm er die letzten und entscheidenden diplomatischen Vorbereitungen für die Durchführung des sog. “ Ketzerkrieges”. Sein militärischer Triumph über den Schmalkaldischen Bund bzw. dessen Führer im Folgejahr bestärkte ihn in seiner Entschlossenheit, sowohl die seit drei Dekaden schwelende und ungelöste Religionsfrage im katholischen als auch die Auseinandersetzung um die Reichsverfassung im monarchischen Sinne zu lösen.

Der Passauer Vertrag allerdings, der vom Kaiser widerwillig im August 1552 ratifiziert wurde, signalisierte nicht nur das faktische Ende des Interims, sondern auch das Scheitern der politischen Zielsetzungen des Kaisers.

In dieser Hausarbeit werde ich mich bemühen, wie schon oben angedeutet, diese entscheidenden Jahre kaiserlicher Reichspolitik darzustellen. Inhaltlich gehe ich dabei folgendermaßen vor:

- Beschreibung der politisch- diplomatischen Aspekte des Schmalkaldischen Krieg- es und seine Auswirkungen
- Darstellung der Genese des Augsburger Interims und Überblick über die Implementierung der kaiserlichen “Zwischenreligion” anhand der Beispiele Kur- sachsens, Kurbrandenburgs und der oberdeutschen Städte
- Untersuchung der Entstehung und Erfolg der sog. “Formula reformationis”, der kaiserlichen Reformanordnung für die katholische Reichskirche vom 14. Juni 1548 mit dem Ziel der Abstellung kircheninterner Mißbräuche und der verbessert-en Erfüllung seelsorgerischer Verpflichtungen durch die Geistlichen
- Beleuchtung der Gründe für die Formierung des evangelisch- fürstlichen Wider- standes gegen den Kaiser sowie Ausgang der sog. “Fürstenverschwörung”.

Der Schmalkaldische Krieg

Das primäre Ziel der kaiserlichen Religionspolitik bestand in der Überwindung der konfessionellen Spaltung. Diese Zielsetzung diktierte ihm nicht nur sein Selbst- verständnis als Wahrer und Beschützer der wahren und damit der Katholischen Kirche, sondern auch handfeste Herrschaftsinteressen. Die dezidierte Katholizität des Kaisers, die gleichwohl eine durch Tradition begründete Verpflichtung und weniger eine Papsthörigkeit darstellte1, bedeutete aber, dass er unter der Wiederherstellung der religiösen Einheit die Rückkehr der Evangelischen in den Schoß der römisch- apostolischen Kirche verstand.

Eine Gemengelage unterschiedlicher Motive und Überlegungen des Kaisers verhinderten allerdings ein rasches Einschreiten gegen die Protestanten. Zum einen die humanistische Erziehung des Monarchen Karl, der die Hoffnung einer friedlichen Überwindung des religiösen Schismas mittels eines allgemeinen christlichen Konzils oder durch Religionsgespräche beider Konfessionen bis in die 40 er- Jahre des 16. Jahrhunderts nicht aufgab. Aus diesem Grunde ließ er immer wieder Gespräche der führenden Theologen beider konfessioneller Richtungen veranstalten, wie die Religionsgespräche zu Hagenau, Worms und Regensburg in den Jahren 1540/1541 verdeutlichen.

Auf der anderen Seite die europäischen Verpflichtungen des Hauses Habsburg zur Verteidigung der riesigen Ländermasse der Dynastie, die den Kaiser immer wieder zu Zugeständnissen an die Protestanten zwang, da er nur mit Hilfe der Reichsstände, einschließlich der evangelischen, die Ausgaben für den Dauerkonflikt mit Frankreich und den im Südosten Europas expandierenden Osmanen bestreiten konnte.2 In diesem Kontext müssen auch die zeitlich befristeten Sicherheitsgarantien gegenüber den Evangelischen betrachtet werden, wie sie sich im “Nürnberger” und “Frankfurter Anstand” der Jahre 1532 und 1539 niederschlugen. Die Bedeutung des Regensburger Reichstages von 1546 für den Kaiser lag daher sowohl darin, dass er die Sinnlosigkeit weiterer Religionsgespräche erkannte, als auch der Rücksichtnahme auf die Protestanten aufgrund außenpolitischer Zwänge enthoben war.

Die veränderten europäischen Rahmenbedingungen ermöglichten es infolgedessen dem Kaiser zum entscheidenden Schlag gegen die Protestanten auszuholen und den Schmalkaldischen Krieg des Jahres 1546, der “der erste Religionskrieg im Reich”3 war, zu entfachen. Der Geheimvertrag von Meudon (19. September 1544), den er im Anschluss an den vierten Krieg mit Frankreich abschloss, verpflichtete beide Vertragspartner zur Zusammenführung der Kräfte, um “in erster Linie den Dienst an Gott und die Wiederherstellung unseres heiligen Glaubens und der Religion”4 in den Vordergrund gemeinsamer Anstrengungen zu rücken. Darüber hinaus fand sich der französische König Franz I. (1515- 1547) bereit, in das einzuberufende allgemeine christliche Konzil französische Kardinäle zu entsenden und den Kaiser bei seiner gegen die Protestanten gerichteten Politik zu unterstützen. Damit unterband Karl V. eine effektive politisch- militärische Hilfeleistung der Valois für die Evangelischen im Falle des Konflikts mit dem Kaiser.

Das zweite Motiv, das den Kaiser in der Militanz gegen die Protestanten bestärkte, war ein bereits 1545 an ihn ergangenes päpstliches Angebot, ihm im Falle einer militärischen Konfrontation mit den Evangelischen finanzielle und auch militärische Unterstützung zukommen zu lassen. Der päpstliche Nuntius Alessandro eröffnete dem Kaiser, dass “Ketzerkrieg” und Konzil, das tatsächlich am 13. Dezember 1545 zu Trient eröffnet wurde, parallel angegangen werden könnten. Die Befürchtungen des Kaisers allerdings, unzureichend für den bevorstehenden Krieg gerüstet zu sein und der in der Tat eklatante Mangel an verläßlichen Bündnispartnern innerhalb des Reich- es sowie die zu frühe Proklamation des “Ketzerkrieges” duch Papst Julius III. (1534- 1549) verschoben den Ausbruch der Feindseligkeiten auf das nächste Jahr.5 Da die päpstlich- kaiserlichen Bündnisverhandlungen bereits im Jahre 1545 begonnen worden waren, gelangten sie während des Regensburger Reichstages, der am 5. Juni 1546 eröffnet worden war, relativ schnell zu einem Abschluss. Der entsprechende Vertragsentwurf, der vom Kaiser am 6. Juni paraphiert worden war, wurde auch vom Papst am 26. Juni ratifiziert6. Allerdings begrenzte der Pontifex die Vertragsdauer wie in der Offerte des Vorjahres auf vier Monate, um eine allzu weitgehende Stärkung der kaiserlichen Macht zu unterbinden. Die Konzentration des Kaisers auf die Protestant- en würde, so die päpstlichen Spekulationen, zu einer Eliminierung des kaiserlichen Einflusses auf das Trienter Konzil führen.7

Zudem gelang es dem Kaiser unmittelbar nach Eröffnung des Reichstages das katholische Herzogtum Bayern für seine antiprotestantischen Pläne zu gewinnen, mit dem bereits am 7. Juni ein Bündnis zustande kam. Der bayrische Kanzler Leonhard von Eck unterschrieb im Namen seines herzoglichen Herrn Wilhelm IV. von Bayern (1511- 1550) das Abkommen, das die Wittelsbacher zwar nicht zur militärischen Unterstützung des Kaisers verpflichtete, wohl aber zur Bereitstellung von Sammel- plätzen, Verpflegung und Munition sowie als Aufmarschgebiet der kaiserlichen Truppen bei gleichzeitig nach außen demonstrierter militärischer Neutralität.8 Eine Kombination genuin politischer Interessen und eines überzeugten Katholizismus des Herzogs mündeten in das Arrangement mit den bisher als Rivalen um reichspolitische Macht bekämpften Habsburgern. Die bayrischen Wittelsbacher hofften nämlich auf die militärische Unterwerfung ihrer kurpfälzischen Vettern, was zu einer Übertragung der Kurwürde auf Bayern geführt hätte.9

Für den späteren militärischen Sieg des Kaisers von noch grösserer Bedeutung sollte sich allerdings das Zustandekommen einer politischen Einigung mit den albertinisch- en Wettinern unter Herzog Moritz von Sachsen (1541- 1553) erweisen.10 Auch hier begegnet uns eine analoge Konstellation wie im Falle der Wittelsbacher. Seit der

Leipziger Teilung des Jahres 1485 befand sich der ernestinische Zweig der Wettiner im Besitz der Kurwürde. Dementsprechend richtete sich der Ehrgeiz der Albertiner auf die Erringung der Kurwürde, um mit Hilfe dieses Instrumentes, nämlich dem Recht der Wahl des römisch- deutschen Königs, ihre reichspolitische Macht zu erhöhen. Dieses Streben, wie auch die Anstrengungen Moritz von Sachsens, die Bistümer Halberstadt und Magdeburg unter seine Kontrolle zu bringen und sich die Einnahmen der Kirchengüter zu sichern, bewogen ihn am 19. Juni 1546, ein entsprechendes Abkommen mit dem Kaiser einzugehen. Der Vertrag, der sog. “Begnadigungsbrief” enthielt allerdings keine kaiserliche Zusage, dem Herzog die Kurwürde zu übertragen, was das Scheitern der Strategie des Herzogs anzeigte, “sich schon seine Neutralität im Kriege teuer bezahlen zu lassen”11.

Moritz von Sachsen war nicht der einzige evangelische Fürst, der sich dem Kaiser anschloß. Hans (Johann I.) von Brandenburg- Küstrin (1535- 1571) distanzierte sich vom Schmalkaldischen Bund und sah in den Führern der Schmalkaldener, Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen (1532- 1554) und Landgraf Philipp von Hessen (1518-1567)12 Landfriedensbrecher. Insbesondere gegenüber dem Landgrafen entwickelte er eine persönliche Animosität, da dieser für die Gefangennahme seines Schwiegervaters, Heinrich des Jüngeren von Braunschweig- Wolfenbüttel (1514- 1568) verantwortlich war, als dieser 1545 versuchte, sein 1542 durch eine Militär- intervention des Schmalkaldischen Bundes verlorengegangenes Herzogtum zurück- zugewinnen13. Trotz des später vehement vorgetragenen Widerstandes gegen das “Augsburger Interim” ließ sich der Protestant Hans von Küstrin für die kaiserlichen Ziele vereinnahmen. Am 18. Juni paraphierten sowohl der Markgraf von Brandenburg- Küstrin als auch der Markgraf von Brandenburg- Kulmbach, Albrecht Alcibiades (1541- 1553) ihre Dienstverträge mit dem Kaiser.

Nachdem der Kaiser die diplomatisch- politischen Prämissen für den Krieg schuf, löste er am 20. Juli 1546 den Konflikt aus. Allerdings etikettierte er den faktischen “Ketzerkrieg” als Exekution der gegen die Häupter des Schmalkaldischen Bundes, Johann Friedrich I. von Sachsen und Philipp von Hessen, ergangenen Reichsacht wegen ihres widerrechtlichen Einfalls in das Herzogtum Braunschweig- Wolfenbüttel im Jahre 1542. Die Tarnung des Krieges als Reichsexekution, die sich gegen “ungehorsame Fürsten”14, gegen Friedensbrecher richtete, resultierte allerdings nicht nur aus der Rücksichtnahme des Kaisers gegenüber seinen protestantischen Verbündeten, sondern verfolgte noch ein anderes Ziel. Der Monarch beabsichtigte, die innerhalb des Schmalkaldischen Bundes ohnehin schon bestehenden Divergenzen noch weiter zu vertiefen, um hierdurch eine einheitliche Mobilisierung der Evangelischen gegen seine Politik zu unterbinden und zugleich eine Trennung der schmalkadischen Städte von den Fürsten zu bewirken.15

[...]


1 Siehe hierzu Kohler, Alfred: Karl V. 1500- 1558- Eine Biographie, München, 1998 und die dabei auf S. 154 zitierte eigenhändige und in französischer Sprache redigierte Erklärung des Kaisers auf die Weigerung Luthers hin, auf dem Wormser Reichstag 1521 seine Lehren zu widerrufen.

2 Das Weltreich, das der Kaiser ererbte das und neben Spanien und dem Kolonialimperium der Spanier in Lateinamerika auch das Hl. Römische Reich, italienische Besitzungen und die 17 niederländischen Provinzen, also die heutigen Staaten Holland, Belgien und grosse Teile Nordostfrankreichs umfasste, mußte sich ständiger französische Angriffe erwehren. Frankreich strebte danach, sich aus der Umklammerung seitens habsburgischer Gebiete zu befreien und den Sturz der Habsburgerhegemonie in Europa herbeizuführen. Insgesamt kam es in der Regierungszeit des Kaisers zu insgesamt 5 Kriegen mit Frankreich (1521- 1526, 1526- 1529, 1536- 1538, 1542- 1544, 1552- 1559), wobei der letzte Konflikt nach der Abdankung des Kaisers 1555/1556 erst von seinem Sohn Philipp II. (1556- 1598), seinem Nachfolger in Spanien, den Niederlanden, den italienischen und den Überseeterritorien am 3. April 1559 im Frieden zu Cateau- Cambrésis im Sinne des «Status quo» und damit der Aufrechterhaltung der habsburgischen Vorherrschaft beendet werden konnte. Siehe hierzu Kohler, Alfred: Das Reich im Kampf um die Hegemonie in Europa 1521- 1648, Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Band 6, München 1990 und Zeeden, Ernst- Walter: Weltbild Geschichte Europas, 1556- 1648, Hegemonialkriege und Glaubenskämpfe, Berlin, 1998, S. 26.

3 Klueting, Harm: Das konfessionelle Zeitalter 1525- 1648, Stuttgart, 1989, S. 131

4 Zitiert in Kohler, Alfred: Karl V. 1500- 1558- Eine Biographie, München, 1998, S. 293

5 Ebenda, S. 297

6 Brandi, Karl: Kaiser Karl V., München, 1937/1959, S. 454

7 Ebenda, S. 465

8 Ebenda, S. 454

9 Ebenda, S. 467.

10 Klueting, Harm: Das konfessionelle Zeitalter 1525- 1648, Stuttgart, 1989, S. 139

11 Rabe, Horst: Reich und Glaubensspaltung- Deutschland 1500- 1600, München, 1989, S. 261

12 Die in Klammern angegebenen Zahlen beziehen sich auf die Regierungszeit.

13 Brandi, Karl: Reformation und Gegenreformation, Frankfurt am Main, 1979, S. 239

14 Als die evangelischen Reichsstände am 16. Juni 1546 beim Kaiser anfragen ließen, gegen wen sich die offensichtlichen Rüstungen richteten, gab dieser zur Antwort: gegen «ungehorsame Fürsten», siehe hierzu Kirchner, Hubert: Reformationsgeschichte von 1532- 1555/1556: Festigung der Reformation, Calvin, Katholische Reformation und Konzil von Trient, Berlin, 1988

15 Siehe hierzu den am 9. Juni 1546 redigierten Brief an seine Schwester Maria, Statthalterin der Niederlande. Zitiert in Brandi, Karl: Kaiser Karl V., München, 1937/1959, S. 456/457

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Das Augsburger Interim des Jahres 1548, seine Vorgeschichte und seine Nachwirkungen
Hochschule
Universität zu Köln  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Hauptseminar
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
25
Katalognummer
V181532
ISBN (eBook)
9783656047100
ISBN (Buch)
9783656047407
Dateigröße
487 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit zeigt sehr gute Kenntnisse der Einzelheiten und der Zusammenhänge.
Schlagworte
Konfessionelles Zeitalter- Augsburger Interim- Kaiser Karl V. (1519- 1556)
Arbeit zitieren
Magister Artium Suad Zumberi (Autor:in), 2006, Das Augsburger Interim des Jahres 1548, seine Vorgeschichte und seine Nachwirkungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/181532

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