Zeitgenössische (auto)biographische Literatur deutscher Autoren türkischer Herkunft im Kontext von Integration und Parallelgesellschaften


Vordiplomarbeit, 2011

60 Seiten, Note: mention très bien


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Einführung in die Thematik
2.1. Kurze Geschichte der türkischen Einwanderung in Deutschland
2.2. Die bisherige Literatur deutsch-türkischer Autoren
2.3. Integration, Multikulturalität, Migration im Spiegel aktueller Debatten in der deutschen Öffentlichkeit

3. Textkorpus
3.1. Vorstellung der Autoren: Biografischer Hintergrund und öffentliches Engagement
3.1.1. Feridun Zaimoglu
3.1.2. Güner Yasemin Balci
3.1.3. Cem Gülay
3.2. Abschaum von Feridun Zaimoglu (1997)
3.2.1. „Die wahre Geschichte von Ertan Ongun“
3.2.2. Authentische Stories „behutsam eingerichtet“
3.3. Arabboy von Güner Yasemin Balci (2008)
3.3.1. „Die Geschichte von Rachid und seinen Freunden“
3.3.2. Autobiografischer Stoff als Romanbasis
3.4. Türken-Sam von Cem Gülay (2009)
3.4.1. „Die Geschichte von Türken-Sam“
3.4.2. Ein journalistischer Schreibstil im Dienste sozio-politischer Kritik

4. Thematische Textanalyse
4.1. (Gescheiterte) Integration, Perspektivlosigkeit und mögliche „Auswege“
4.2. Das Leben in Parallelgesellschaften
4.3. Psychologisches Portrait der Protagonisten

5. Rezeption
5.1. Legitimität trotz/durch Migranten-Identität und das Gewicht des Paratextes
5.2. Eingesetzte Mittel, angestrebte Wirkung und Zielgruppen

6. Definitionsversuch

7. Schlussbetrachtung und Forschungsperspektiven

Bibliographie und Anhang

1. Einleitung

Auf die Frage, warum die deutsch-türkischen Geschichten in Literatur, wie auch im Film zur Zeit so äußerst beliebt seien, antwortete der deutsche Germanist Dr. Michael Hofmann, dass dies „sicherlich nicht deshalb [der Fall sei], weil die Deutschen immer noch das Gefühl haben, sie müssten diese türkischen Texte oder Filme anschauen, um eine Schuld zu büßen, weil sie die Türken schlecht behandeln.“ Er erläutert die Rezeptionsgeschichte wie folgt:

Es gab ein erste Phase der deutsch-türkischen Literatur, die man noch als Gastarbeiterliteratur bezeichnet hat, wo es eigentlich darum ging, nur die negative Behandlung der Ausländer in Deutschland darzustellen. Man hat von einer Art Sozialarbeiterattitüde der deutschen Leser gesprochen. Das existiert so nicht mehr. Heute interessiert uns an der deutsch-türkischen Literatur und dem Kino, dass wir einen ganz ungewohnten Blick auf unsere Realität bekommen.[1]

Vor allem dieser letzte Satz, scheint die folgende Arbeit passend einzuleiten. Hier soll es darum gehen, einerseits diese sehr aktuelle, „deutsch-türkische Literatur“, zu benennen, zu charakterisieren. Dies soll anhand der Analyse dreier Bücher versucht werden. Drei Autorennamen, die die deutsche Kultur-und vor allem auch Medienlandschaft in den letzten Jahren nicht unbeeindruckt gelassen, und öfter auch einmal für Polemiken gesorgt haben. Drei Bücher die sich in ihrer Originalaufmachung stark ähneln, mit ihrem schwarzen, tristen, fast Kälte und Wut kommunizierenden Einband[2]. Drei Bücher, deren Titel und Klappentext sich in dem Wunsch Authentizität und Wahrhaftigkeit zu vermitteln stark ähneln: „Abschaum-die wahre Geschichte von Ertan Ongun“[3], „Arabboy-eine Jugend in Deutschland -ein intensiver, harter Bericht aus der oft zitierten, aber bislang doch unbekannten Parallelgesellschaft, die für viele Jugendliche in Deutschland die bittere Realität ist.“[4], „Türken-Sam-eine deutsche Gangsterkarriere- der erste biografische Bericht aus der Lebenswelt der jungen männlichen Migranten in Deutschland.“[5]. Und nicht zuletzt der Ausgangspunkt, nämlich autobiografisches Material und der soziale Kontext, der allen drei -männlichen- Protagonisten anzuhaften scheint, bilden aus diesen drei Büchern ein eher einheitliches und kohärentes Textkorpus. Die Auswahl der Texte soll eine Antwort auf die Frage ermöglichen, ob man tatsächlich von einer Tendenz, einem sehr homogenen Phänomen sprechen kann. In den Medien und der Literaturkritik werden ähnliche (literarische) Texte meist in dieselble Schublade „Migrantenliteratur“ und „Belletristik“ gesteckt, mit der Begründung, dass dem Leser immer wieder dieselben Geschichten dargelegt würden, und, dass diese Autoren eher als Sozialarbeiter, oder Soziologen vorgestellt werden, um ihnen eine gewisse literarische Relevanz abzusprechen. Inwiefern ähneln sich diese drei Bücher, in ihrer Herangehensweise, ihrem Stoff, ihrer Verarbeitung, in den Zielen die sie anstreben, und welche Unterschiede können wir festmachen, beziehungsweise welche Merkmale können uns zu einer möglichen Definition und Charakterisierung dieses sehr aktuellen Phänomens führen? Diese Arbeit bietet einen Herangehensversuch an diesen Stoff an, einen globalen Überblick, und nicht zuletzt eine erste Grundlage für weitere ausführlichere und weiter ausgreifende spätere Forschungen zum Thema. Um einen Zugang zu diesen Werken zu ermöglichen, soll vorerst dargestellt werden in welchem politischen und sozialem Umfeld, „welchem Deutschland“ diese Werke entstehen und erscheinen und in welche historische und literarische Kontinuität sie sich einreihen. Anschließend werden die drei Autoren, dann die ausgewählten Werke getrennt voneinander vorgestellt, und die Herangehensweise sowie der Stil der Autoren näher erkundet. Daraufhin soll eine thematische Analyse vorgenommen werden, die alle drei Bücher unter Berücksichtigung gewisser, in allen drei Werken auftretender Themen vergleicht und sich näher mit den Protagonisten beschäftigt. In einem weiteren Punkt werden die Werke in Hinsicht auf ihre Rezeption wie auch die Absichten der Autoren analysiert. Am Ende der Arbeit soll schließlich versucht werden eine Definition und Zusammenfassung über dieses aktuelle Phänomen abzugeben.

2. Kurze Einführung in die Thematik

2.1.Historische Einleitung

Der französischen Soziologin Isabelle Rigoni zufolge, kann man der türkischen Immigration, vor allem in Deutschland, einen fortlaufenden, dynamischen, sowie zeitgenössichen Charakter zuschreiben.[6]

Im Jahre 1961 wurden im Rahmen des Anwerbeabkommens zwischen der BRD und der Türkei die ersten türkischen Arbeitskräfte in die Bundesrepublik geholt. Verschiedene Abkommen wurden außerdem zu Anfang der 60er Jahre zwischen deutschen und türkischen Unternehmen getroffen. Und auch das Assoziierungsabkommen -EWG-Türkei (Ankara-Abkommen) von 1963 sollte das Einwandern türkischer Arbeitskräfte in die Bundesrepublik einleiten und erleichtern.[7] Zuvor waren im Übrigen bereits Gastarbeiter aus Italien, Spanien und Griechenland angeworben wurden, und im Laufe der 60er Jahre kamen auch marokkanische, portugiesische, tunesische und jugoslawische Gastarbeiter nach Deutschland.[8]

Vorerst war für die türkischen Gastarbeiter in diesem Zusammenhang nie davon die Rede für längere Zeit, oder gar für immer in der BRD zu bleiben. Zumal es zuerst ausschließlich die jungen Männer und Familienväter waren, die weit weg von der Familie auf deutschem Boden ihr Geld verdienten, um es sogleich in die Heimat, zu ihrer Familie zu schicken. Ab dem Jahre 1973 wurden, vor allem auf Grund der Ölkrise und der damit zusammenhängenden Ölpreiserhöhung, keine neuen Arbeiter mehr angeworben. Man hatte Angst, dass eine hohe Arbeitslosigkeitsrate unter den Gastarbeitern auftreten, und dies zu teuer für das Sozialversicherungssystem werden könnte.[9] Und die Grenzen wurden Anfangs der 70er Jahre allmählich geschlossen. Dies stoppte aber nicht wirklich die Einwanderung, zumal 1974 das Familienzusammenführungsgesetz in Kraft trat, welches ermöglichte Kinder (unter 17 Jahren) (und Frauen) aus der Türkei nachzuhohlen. Ausweisfälschungen, um das Alter der Kinder herunterzusetzen, waren keine Ausnahme. Oft waren es also die älteren Kinder die zu diesem Zeitpunkt nachgehohlt wurden. Da sich die Eltern ja als Gastarbeiter seit Jahren in Deutschland befanden, wurden viele Kinder bereits dort geboren. Mittlerweile sind wir bereits bei der vierten Generation angelangt. Jedoch muss man wohl zu den verschiedenen Generationen einige Verdeutlichungen angeben. Es gab im Grunde vor allem zwei größere Wellen von Gastarbeitern die sich in Deutschland ansiedelten. Bei den ersten handelte es sich noch um wahre Facharbeiter oder Männer, die bereits etwas in der Türkei gelernt hatten, und nun zu Facharbeitern in deutschen Betrieben ausgebildet wurden. Die Menschen brachten oft bereits gewisse Kompetenzen oder fachliche Fähigkeiten mit und wurden dementsprechend in Deutschland in großen Betrieben eingestellt und gefördert. Dann wurden jedoch mit der Zeit immer kostengeringere Arbeitskräfte aus der Türkei geholt. Oft kamen diese Erwachsenen aus sehr ärmlichen, bäuerlichen Verhältnissen, aus dem tiefsten Anatolien. Diese Leute waren bereit in Deutschland große Opfer zu bringen, und für wenig Geld viele Stunden am Tag oft hart zu arbeiten. Repräsentativ für diese Arbeiter ist gewiss Günther Wallraffs Buch Ganz Unten (1985), in welchem die schlechten und oft auch erniedrigenden Arbeitsverhältnisse dieser Art Gastarbeiter recherchiert wurden[10]. Die Kinder der ersten Arbeiterwellen wurden zumeist bereits in Deutschland geboren, und haben nicht selten eine quasi deutsche Erziehung erfahren, sind unter Deutschen aufgewachsen. Die Kinder der später angeworbenen Arbeiter, die oft nur noch Billigkräfte darstellten, waren oft

Nachgezogene, die erst im Jugendalter nach Deutschland kamen, und Jahre lang weit weg von den Eltern von anderen Familienangehörigen in der Türkei aufgezogen wurden, und keinen wirklichen Bezug zu den Eltern aubauen konnten[11]. Diese Präzisionen sind wichtig, da sich beide zweiten Generationen sozusagen oft nicht gleich entwickelten. Im übrigen stellen wir fest, dass die zweite Generation der späteren Gastarbeiter selbst sehr früh eigene Kinder bekommen, die nicht selten gar kein Deutsch sprechen und vor allem in der eigenen Kultur aufgewachsen sind und anachronistische, traditionelle Modelle aus dieser in die heutige Zeit herüberretten. Diese dritte Generation sind die heutigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die manchmal selbst schon wieder Kinder haben (deshalb können wir bereits von der vierten Generation sprechen). Die Nachkommen der Kinder der frühen Gastarbeiter, sind eher noch jung oder noch „ungeboren“[12], denn oft, und so verhält es sich auch für unsere drei Autoren, gründen diese Erwachsenen erst spät Familien.

1983 ermöglichte das Rückförderungsgesetz den türkischstämmigen Familien in Deutschland mit Hilfe finanzieller Unterstützungen seitens der BRD unter anderem in ihre Heimat zurückzukehren.[13] Nur wenige Familien jedoch nahmen dies in Anspruch. Seit 2005 hat diese Zahl jedoch leicht zugenommen. Seit diesem Zeitpunkt wird im übrigen durch das Zuwanderungsgesetz die Migrationspolitik der Bundesrepublik „von der arbeitsmarktorientierten, über die humanitär begründete Zuwanderung bis hin zu einer Integrationspolitik durch den Bund geregelt.“[14] Im Jahr 2000 wurde die Aufenthaltsdauer die einen Einbürgerungsanspruch ermöglicht von fünfzehn auf acht Jahre gesenkt. Parallel wird seit diesem Zeitpunkt von den Ausländern die Anspruch auf die deutsche Staatsbürgerschaft erheben, verlangt, gewisse Deutschkenntnisse vorzuweisen und sich zu den Werten und Prinzipien des deutschen Grundgesetzes zu bekennen.[15] Heute leben rund 3 Millionen Menschen in Deutschland die ihre Wurzeln in der Türkei haben, das sind rund 30% der in Deutschland lebenden 7 Millionen Ausländern. Zu denen zählen in der Bundesrepublik vor allem auch italienisch-, polnisch-, griechisch-, kroatisch- und russisch­stämmige Einwohner.(Statistik vom 31. Dezember 2009)[16]

2.2.Die bisherige Literatur deutsch-türkischer Autoren

Bereits Anfang der 70er Jahre entstanden die ersten Texte in Deutschland lebender, türkischstämmiger Autoren. In diesen wurde vor allem über die Arbeitswelt und den Alltag der Gastarbeiter refklektiert. Oft kam es hier noch vor, dass der Betroffene und der Beobachtende, also Schreibende, ein und dieselbe Person waren. So zum Beispiel BekirYildiz[17] und Fethi Savasci[18], die beide parallel zu ihrer Beschäftigung in der Industriebranche als Gastarbeiter, auf sehr subjektive Art und Weise, ein Dokument und eine Berichterstattung über ihre eigenen Erfahrungen, ihren Bezug (wie auch Bezugslosigkeit) zu Deutschland und zur fernen Heimat, darlegten. Aber auch Schriftsteller (Yüksel Pazarkaya, Aras Ören, Güney Dal zum Beispiel), beschäftigten sich von Anfang an mit dem Stoff der Gastarbeiter, und sahen in ihrer Tätigkeit nicht zuletzt auch eine Art Vermittlerrolle zwischen der deutschen Mehrheitsgesellschaft und den türkischen Gastarbeitern. Oft wurden diese ersten Publikationen noch in türkischer Muttersprache verfasst, und schließlich übersetzt. Diese Autoren befanden sich zu diesem Zeitpunkt noch in einem ihnen völlig fremden Land, und die deutsche Sprache war eine Fremdsprache. Man blickte auf dieses „Fremde“ herab, manchmal auf negative Art und Weise (Yildiz) manchmal mit Neugier. Vor allem aber beschrieben diese Autoren den anatolischen Bauern in dieser neuen, modernen deutschen Industriegesellschaft. Die Distanz zum deutschen, und dieses Leben zwischen zwei sich völlig fremden Welten waren in diesen Publikationen oft ausschlaggebend. Die Literatur türkischstämmiger Autoren war also von Anfang an eine realitätsbezogene und zeitgenössiche Literatur, in der man sich mit der eigenen Realität aktuell auseinandersetzte. Diese eher geschlossene Welt der anatolischen Arbeiter in Deutschland, zogen auch deutsche Autoren, wie den Schriftsteller Heinrich Böll und Journalisten Günter Wallraff an, die sich vor allem mit der Arbeiterwelt, und ihren Bedingungen beschäftigten. Letzter beschreibt in seinem Buch Ganz unten wie er als Türke verkleidet unterschiedliche Stellen auf dem deutschen Arbeitsmarkt annimmt, und Misssstände und Diskriminierung erfährt.[19] Die türkischen Arbeiter bildeten eine Art Randgesellschaft, die man nun neugierig erkundete. In den

80er Jahren schließlich waren es vor allem relativ junge Autoren, oft bereits in Deutschland geboren, oder in Deutschland aufgewachsen und sozialisiert, die versuchten, mit Hilfe der Literatur den Weg zur eigenen Identität zu finden. Das ständige, wenn auch nicht physische aber ebenfalls mentale „Unterwegssein“ zwischen zwei Welten, zwei Kulturen spielte in der Literatur der 80er Jahre eine wesentliche Rolle. Eine Autorin wie Alev Tekinay[20] scheint diese Problematiken in ihren Gedichten sehr passend zu artikulieren. Die Lyrik schien das ideale Genre für diese Autoren, um ihre innere Zerissenheit und Heimatlosigkeit zum Ausdruck zu bringen. Der deutsch-türkische Literaturwissenschaftler Sargut Sölcun spricht von einer „bilderreichen Verbindung von Realitätbezogenheit und Sensibilität“[21]. In den 90er Jahren wählen immer mehr türkischstämmige Autoren die Form der Prosa und schreiben über indivudelle Schicksale, die nicht zuletzt auch Bezug zur deutschen Wiedervereinigung und dem neuen Leben in einem vereinten Deutschland nehmen. Dieses Thema wurde auch noch Anfang des 21Jahrhunderts aufgegriffen, so zum Beispiel in Yade Karas Roman Selam Berlin(2003)[22]. Die Geschichten, die immer individueller werden, stellten nun ganz persönliche Lebensläufe dar, die sich nicht mehr wirklich verallgemeinern lassen mochten und sollten, und auch nur sehr selten autobiographisch sind.

Heute gibt es eine neue Wage literarischer Erscheinung, die sich auf eher komische und unbeschwerte Art und Weise vor allem mit dem Thema Multikulturalität beschäftigen. Hier können zum Beispiel die Bücher von der Journalistin und Schriftstellerin Dilek Güngör[23] oder auch die Biographie der Jugendlichen Melda Akbas[24] zitiert werden.

2.3.Integration, Multikulturalität. Migration im Spiegel aktueller Debatten in der deutschen Öffentlichkeit

Hier soll die Frage gestellt werden in welchem politischen und sozialem Umfeld diese Bücher in der deutschen Öffentlichkeit erscheinen. In Frankreich sprach man in den letzten Monaten von der nationalen Identität. Und in Deutschland ist die Debatte um die deutsche Leitkultur eine vergleichbare. Es scheint sich hier jedoch immer wieder vor allem verstärkt um die Anwesenheit türkisch-oder arabischstämmiger, muslimischer Einwohner in Bezug auf die deutsche (beziehungsweise französische) Gesellschaft zu handeln. Und die Debatte um den Islam in Deutschland ist in diesem Kontext stets präsent und problematisch. Der Bundespräsident hat in diesem Sinne seine Ansprache am 3.Oktober 2010 zum 20 Jahrestag der Wiedervereinigung hauptsächlich der Integration, und wiederum dem Islam gewidmet. Seine Worte,der Islam gehört zu Deutschland [25], haben daraufhin eine sehr rege Polemik in der deutschen Öffentlichkeit hervorgerufen. Mehrere Abendsendungen des öffentlichen deutschen Fernsehens haben sich, daraufhin mit dem Thema aufs Neue beschäftigt und auch die Bevölkerung wurde öfters zum Thema befragt. „Gehört der Islam zu Deutschland?“ fragt zum Beispiel die Moderatorin und Journalistin Sandra Maischberger Straßenpassenten.[26] Die befragten deutschen Staatsbürger antworten auf diese Frage zum überwiegenden Teil mit einer klaren Ablehnung und einige sprechen in Hinsicht auf die türkischstämmigen deutschen Einwohner, die nun seit vier Generationen in Deutschland Fuß gefasst haben, noch immer von Gastarbeitern. Die Tendenz der letzten Monate oder sogar Jahre hat gezeigt, dass die Situation sich verschlechtert und, dass die Gesellschaft regelrecht auseinanderdriftet25. Jede der beiden Seiten gewinnt außerdem an Selbstbewusstsein und scheut nicht mehr davor zurück, sich gegen den „anderen“ öffentlich auszusprechen, diesen offen zu kritisieren, Ablehnung zu artikulieren. Auf der einen Seite die türkischstämmigen Migranten, größtenteils in Deutschland geboren und auf der anderen „der deutsche Bürger“, oder im schlimmsten Fall der Ausländerfeind, oder Skinhead, denn seit den 90er Jahren beobachtet man in Deutschland, vor allem auch in den neuen Bundesländern, wo man auf Grund der ökonomischen Schwierigkeiten, nicht viele Ausländer vorfindet, organisierte rechtsradikale Gruppen deren Diskriminierung von Ausländern zu tödlichen Anschlägen führen kann. Fährt man während der Wahlkampagne durch die Oberlausitzer Gegend (Sachsen), muss man erkennen, dass die Landschaft mit ausländerfeindlichen Wahlplakaten der NPD versehrt ist.[27] Geschichten wo ein dunkelhäutiger, türkischer oder arabischer Bürger von Skinheadhorden niedergeschlagen wird gibt es bereits zu genüge.

Es gibt aber auch wieder, wie dies schon einmal in den sechziger Jahren der Fall war, Schulklassen in denen türkisch-und arabische Kinder und Jugendliche, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, kein richtiges Deutsch mehr sprechen, (wobei hier bemerkt werden sollte, dass nicht die türkischen, sondern italienischstämmigen Einwohner die größten linguistischen und schulischen Schwierigkeiten aufweisen[28], dieses Thema jedoch seltener in der deutschen

Öffentlichkeit angesprochen wird.). Sie wachsen in einem geschlossenen Kulturkreis auf. Oft ist von Integrationsverweigerung die Rede, darauf deutet sogar der türkische Europaminister Bagis hin, wenn er die Türken (und türkischstämmigen) in Deutschland zu mehr Anpassung und Integration auffordert.[29] Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat festgestellt: „Multikulti ist absolut gescheitert“.[30] [31] Merkel sieht die Schuld dafür jedoch nicht nur bei den Migranten selbst sondern ebenfalls bei der deutschen Politik die die Migranten massiver „fördern“ und „fordern “ sollte. Viel radikalere Ansichten drückt der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer in dieser langwehrigen Integrationsdebatte aus. Ihm zufolge sollte man vorerst die Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen stoppen. Deutsche Leitkultur, ist seiner Meinung nach auf christlicher Kultur und dem deutschen Grundgesetz anstatt Multikulti aufgebaut. Seehofer zufolge ist ein Nebeneinanderleben nicht möglich. Lediglich das Zusammenleben unter dem Leitfaden der deutschen Leitkultur zieht er als mögliches Erfolgsmodell einer Gesellschaft in Erwägung.16 Die Zuspitzung der Debatte fand schließlich vor einigen Monaten durch Thilo Sarrazins Buch Deutschland schafft sich ab-wie wir unser Land aufs Spiel setzen(2010)31 statt. Die Zuwanderung aus muslimischen Kulturkreisen sei Schuld daran, dass Deutschland immer „kleiner und dümmer“ würde. Er spricht sogar von einer realen Tendenz zur Bildung von Parallelgesellschaften im Bezug auf die muslimischen Bürger in Deutschland, die vor allem die Vorteile des Sozialstaates in Anspruch nehmen und ausnehmen würden anstatt die Chancen der Bildungsmöglichkeit zu nutzen. Aber auch auf der anderen Seite schirmt sich die türkisch-muslimische Unterschicht (wie sie Sarrazin nennt) immer mehr von der deutschen Allgemeingesellschaft ab. Viele Schulen werden zu 90% von ausländischstämmigen (arabisch und türkischen vor allem) Schülern besucht (wie dies in Neukölln zum Beispiel oft der Fall ist), und die wenigen deutschen Schüler werden zur Minderheit, schlimmer noch, sie werden ausgegrenzt oder zum Opfer gemacht, und deutsche Eltern, aber auch ausländische aus höheren sozialen Schichten, ziehen es vor ihre Kinder auf andere Schulen zu schicken. Die Parallelgesellschaften entstehen somit bereits schon im Klassenzimmer. Türkische nationalistische Gruppierungen, wie die „grauen Wölfe“[32] in Nordrhein Westpfalen zum Beispiel lehnen jegliche

Integration ab und predigen auf sehr gefährliche Art und Weise, einen türkischen Patriotismus auf deutschem Boden. Nährstoff für derartige radikale Ideologien, wie auch einen islamistischen Fundamentalismus und Radikalismus, gibt es unter den türkisch-und arabischstämmigen sozial schwachen Einwohnern zu genüge, auch in Schulen mit hohem Migrantenanteil. Die Armut vor allem, und die damit oft zusammenhängende Perspektivlosigkeit und eine schwache Bildung, treiben immer mehr Jugendliche in den Bann solcher integrationsverweigernder Organisationen, oder in das Netz von Gewalt oder Beschaffungskriminalität. „Während jeder vierte deutsche Schüler die Schullaufbahn mit dem Abitur abschließt, gilt dies nur für jeden zehnten ausländischen Jugendlichen. (Statistiken der Bundeszentrale für politische Bildung Schuljahr 2003/04)“.[33] Heute leben dem Spiegel zufolge rund 2,5 Millionen bis 3 Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln in Deutschland.[34] Es soll an dieser Stelle betont werden, dass nicht der Eindruck entstehen darf, dass die hier angeführten Misssstände im Hinblick auf die Deutschtürken die gesamte türkischstämmige Diaspora in Deutschland betrifft und beschreibt. In dieser Arbeit konzentrieren wir uns lediglich auf eine marginalisierte Randgesellschaft Deutschlands, die jedoch keineswegs repräsentativ für alle türkisch-muslimischen oder gar ausländischen Einwohner ist.

3. Textkorpus

3.1. Vorstellung der Autoren: Biografischer Hintergrund und öffentliches Engagement

3.1.1. Feridun Zaimoglu

Feridun Zaimoglu kam am 4.Dezember 1964 in Bolu, einer Kleinstadt in der gleichnamigen Provinz Bolu im Nordosten der Türkei zur Welt. Der Vater war bereits 1963 im Rahmen der ersten Gastarbeitermigrationen nach Deutschland gekommen, und hatte dort eine Stelle bei der BASF gefunden. Erst zweieinhalb Jahre später, 1965, fand die Familienzusammenführung statt, Feridun Zaimoglu war damals gerade einmal sieben Monate alt. Seine ersten Lebensjahre verbrachte er mit seinen Eltern und seiner zwei Jahre jüngeren Schwester in Berlin in einem nach Geschlechtern getrennten Gastarbeiterheim. Die Mutter, tschetschenischer Herkunft, fand eine Beschäftigung als Putzfrau in einem ähnlichen Gastarbeiterheim. Wie sein Vater war auch die Mutter in eher armen Verhältnissen aufgewachsen, hatte jedoch bereits als junges Mädchen sehr viel Ehrgeiz und Stärke bewiesen und es als Mädchen in der Türkei bis zu einem Wirtschaftsgymnasialabschluss gebracht. Auch Feriduns Vater, der BASF-Gastarbeiter schaffte es später zum Übersetzungsjournalisten. Natürlich wollten die Eltern, die Feridun und seine jüngere Schwester streng osmanisch erzogen und sich zum Beispiel von ihnen siezen ließen, dass diese es einmal weit bringen. Ihnen zuliebe, wie Zaimoglu es immer wieder in verschiedenen Interviews betont, hat er dann in Kiel, nachdem er als Klassenbester in München das Abitur abgeschlossen hatte, angefangen Medizin und schließlich nebenbei Kunst zu studieren. Beides hat er dann nach einigen Semestern abgebrochen. Seitdem lebt er in Kiel, „seiner Stadt“ wie er gern betont. Dort fühlt er sich wohl, dort findet er Inspiration. Und dort begann er vor nun 17 Jahren auch zu schreiben. Die Lust zum Schreiben war bereits lange Jahre in ihm gereift, die Liebe zu Büchern hatte er früh gewonnen, erst mit den berühmten Groschenheften, dann Dank Psychothriller- und Kriminalromanen. Und der Auslöser zum ersten großen Werk, so Zaimoglu war dann eine gewisse Wut, die er immer stärker in sich spürte, wenn er um sich blickte und die Missstände in der Situation der türkischstämmigen Menschen in Deutschland wahrnahm. Deshalb, um seinem Schreibtrieb Nahrung geben zu können, bediente er sich authentischer Geschichten junger Einwanderernachkommen und schrieb diese auf. Er gibt diesen Menschen auch einen Namen: „Kanakstas“ und bezeichnet sich schließlich nach der Erscheinung seines ersten Buches Kanaksprak (1995) und seinem ersten in Koproduktion erarbeiteten Film Deutschland im Winter - Kanakistan (1997) selbst als „educated Kanaksta“[35] [36]. Für diesen Kurzfilm erlangte Zaimoglu seine erste relevante Auszeichnung, den Civis-Medienpreis für Integration. Doch die eigentliche öffentliche Anerkennung kam erst später. 2002 krönte man ihn mit dem Friedrich-Hebbel-Preis, und für seine Erzählung Häute aus dem Buch Zwölf Gramm Glück(2005) zeichnete ihn die Jury des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbes mit dem Jury-Preis aus. 2006 wurde er dann als, wohlbemerkt „einer der wichtigsten jüngeren deutschsprachigen Autoren der Gegenwart“ mit dem Kunstpreis des Landes Schlesweg-Holstein ausgezeichnet. Immer wieder kam es in den Fernsehsendungen und Talkshows, zu denen Zaimoglu eingeladen war, zu polemischen Auseinandersetzungen, Beleidigungen und Unstimmigkeiten im Gespräch mit den anderen Gästen, und auch das Publikum stand nicht immer hinter ihm. Vielen war diese neue, wüste Sprache, in der er schrieb, zu hart, unanständig oder sogar menschenverachtend. Immer wieder musste er sich rechtfertigen, und er, den die Polemik schon immer reizte, ließ sich dann auch von seinen Figuren und deren Geschichten sozusagen mitreißen und setzte sich für diese ein, bis aus ihm ein echter Kanaksta wurde. Seine langen Haare, sein leichter „Gangstalook“ und die eher raue Sprache machten ihn zum Sprachrohr und zur Identifikationsfigur für eine ganze Generation. Seine „Kanaksprak“ fand man auch im zweiten Buch Abschaum (1997) wieder, und erneut war die Polemik um ihn sehr intensiv. Heute nimmt Zaimoglu seine jungen Schriftstellerjahre betreffend eine eher distanzierte Haltung ein, und schmunzelt auch gern einmal darüber. Von dem ehemaligen Look ist nichts mehr übrig, die Sprache ist auch sanfter geworden, und seine letzten Werke, die Liebesromane Liebesbrand (2008) oder Hinterland (2009) scheinen seine Verwandlung oder, besser gesagt, seine Entwicklung zu besiegeln. Er zögert nicht, sich als modernen Romantiker auszugeben, und wenn er auch zehn Jahre zuvor noch die schwarze Wirklichkeit seiner „Kanaksta“ in wüster Sprache wiedergab, so versucht er heute eher die manchmal graue Wirklichkeit etwas zu transformieren und zu verschönern. Feridun Zaimoglu ist mittlerweile zu einem anerkannten Schriftsteller aufgestiegen. Und es spielt, wie er es in einem Interview bei Arte mitteilt, mittlerweile auch keine Rolle mehr, ob er Deutscher, Türke oder Deutschtürke ist[37]. Als Türke bezeichnet zu werden macht ihn immer wieder etwas wütend, denn er sieht sich als deutschen Autoren mit türkischen Eltern an. Seine Wurzeln pflegt er dennoch, auch seine Kultur und seinen Bezug zur Religion. Man lädt ihn nun auch zu Lesungen in Buchhandlungen ein, was nicht immer der Fall war, denn seine ersten Bücher, in denen er in seiner aussagekräftigen, gewaltvollen Kanaksprak jungen Menschen eine Möglichkeit gab zu existieren, stellte er damals, oft ohne Honorar, in Jugendzentren, Schulen, sogar Billardbars und nicht zuletzt auf sogenannten „Kümmelpartys“ vor. Zaimoglu musste sich seine literarische Relevanz, um die es ihm, wie er es immer wieder äußert, von Anfang an eigentlich ging, hart erarbeiten, erreden und erschreiben. Das im Rahmen dieser Arbeit untersuchte Buch Zaimoglus ist seine zweite Veröffentlichung Abschaum, welches also in die Periode fällt, in der er noch als „Malcom X der Türken“ oder „Rudi Dutschke der Deutschländer“ bezeichnet wurde. In einer Periode, als er in den Interviews und Fernsehsendungen mehr über seine Herkunft, über soziale und politische Hintergründe als über seine Literatur reden sollte, die, wenn damals von den Beteiligten überhaupt als Literatur anerkannt, ständig von ihm rechtfertigt und verteidigt werden musste. Inzwischen geht es in der öffentlichen Rezeption vor allem um die Literatur, seinen literarischen Stil, der sich auch verändert hat, und Zaimoglu stellt sich auch nicht mehr als „Kanaksta“ vor, sondern versucht perfekt einen Nachfolger der deutschen Romantik zu inkarnieren. Dennoch, auch wenn ihm gewisse Dinge heutzutage peinlich sind, und er - wie er es öfter in Interviews betont - an Reife und Abstand gewonnen hat[38], verleugnet er diese erste Zeit des Schreibens, in die also auch Abschaum fällt, keineswegs. Seine politischen Ideen haben sich auch nicht wirklich verändert, und er antwortet auch heute noch auf sehr enthusiastische, direkte Art und Weise auf Fragen, die die türkische Diaspora oder die Deutsch-Türken betreffen. Relevant für seine Teilnahme an öffentlichen Debatten und den Wunsch an Lösungsansätzen zum Thema Integration ist zum Beispiel seine Teilnahme an der ersten deutschen Islamkonferenz, welche vom Bundesinnenministerium für den Dialog mit den muslimischen Einwohnern Deutschlands eingeführt worden war. Inzwischen nimmt Zaimoglu an dieser Konferenz nicht mehr teil, denn er bemängelt und bedauert, dass keine „junge, selbstbewusste, gläubige Muslimin [zu diesen Treffen]eingeladen wird“ und somit Stellung zum Thema ergreifen könnte.[39]

3.1.2. Güner Yasemin Baici

Balcis Eltern sind kurdisch-alevitischer (genau genommen der „Zaza“-Kultur angehörenden) Herkunft und stammen aus einem kleinen ostanatolischen Dorf. Sie sind, wie auch Zaimoglus und Gülays Eltern, im Rahmen der ersten Gastarbeitergenerationen nach Deutschland gekommen. Der Vater war wie in den meisten Fällen damals, vorausgegangen, und die Mutter folgte ein Jahr später mit Güner Balcis größerer Schwester. Ihre zwei größeren Brüder kamen dann bereits auf deutschem Boden zur Welt. Erst in Bayern als Fabrik-Gastarbeiter tätig, zogen die Eltern schließlich nach Berlin Neukölln, in eine sehr einfach gehaltene Gartenlaube. Und dort kam im Jahre 1975, also mehr als 10 Jahre nach der Einwanderung, auch Güner zur Welt. Der Vater übte den Beruf eines Krankenwagenfahrers aus und die Mutter war Raumpflegerin. An die Rückkehr in die Türkei wurde zum Zeitpunkt von Güners Geburt in der Familie bereits nicht mehr gedacht. Man hatte, trotz ab und zu auftretender Sehnsucht an die alte Heimat, das Gefühl in Deutschland „angekommen“ zu sein[40] [41]. Die Kinder wurden sehr liberal, fast nach westlichem, zumindest deutschem Vorbild erzogen, sprachen zu Hause deutsch und der Vater verlangte von ihnen, dass sie den Kontakt zu den Deutschen pflegen und mit ihnen zusammen leben. Ende der siebziger Jahre zog die Familie dann in das Berlin-Neuköllner Rollbergviertel, welches Anfangs noch ein eher ruhiges, unauffälliges Viertel mit oft neuen Wohnungen war, sich binnen weniger Jahre jedoch zum sozialen Brennpunkt und zur Problemgegend entwickelt hat. Heute trifft man dort nur noch sehr wenige deutsche Bewohner an. Güner Balcis Vater schickte seine Kinder in einen katholischen Kindergarten. In der Schule war Güner vorersts nicht die Beste, die Noten auf dem Gymnasium waren dann mehr als mangelhaft, sie wurde auf die Realschule versetzt. Dort kämpfte sie aber, denn sie wollte ihrer Schwester nachstreben, die das Abitur bereits absolviert hatte. Sie setzte alles auf eine Karte und schaffte es, dank ihres Ehrgeizes und Durchsetzungsvermögens, schließlich wieder auf das Gymnasium, diesmal im Berliner Wedding, wo sie dann auch ihr Abitur abgelegt hat. Danach studierte sie, vorerst Religionswissenschaften, da sie sich immer sehr für dieses Thema interessiert hat, schließlich belegte sie auch verschiedene Studiengänge in Philosophie, Psychologie und entschied sich dann für ein Literatur- und Erziehungswissenschaftsstudium. Nebenbei arbeitete Güner unter anderem in Jugendzentren des Rollbergviertels und für ein soziales Projekt gegen Gewalt und Kriminalität. Sie war dort vor allem mit arabischen Jugendlichen tätig, die auch ihre Bücher inspirierten und prägen. Als für Güner der Zeitpunkt gekommen war, ihre Magisterarbeit zu schreiben, entschied sie das Studium abzubrechen. Sie wollte nichts Theoretisches verfassen. Sie sehnte sich nach Konkretem und dachte sich, wenn sie schon 150 Seiten schreiben sollte, dann doch lieber in Form eines Buches. Und so entstand dann Arabboy (2008), ihr Debütroman, der hier untersucht werden soll. All ihre Erfahrungen aus ihrem bisherigen Leben und ihr Erlebtes aus den Jugendeinrichtungen sollte ihrer Absicht nach in dieses Buch einfließen. Güner ist heute noch für den Jugendtreff „Madonna“ in Berlin Neukölln mittätig, wenn auch nur hinter den Kulissen, und nicht mehr als Sozialarbeitererin. Sie ist seit zwei Jahren Journalistin für die Zeit und den Spiegel sowie Redakteurin und Reporterin für das ZDF-Fernsehen. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht die Leute aufzuklären und Wahrheiten ans Licht zu bringen, auch wenn ihr dies immer wieder Streitigkeiten und Drohungen aus ihrem eigenen Kulturkreis einbringt, den sie oft kritisch darstellt und verurteilt. In ihrem letzten Kurzfilm Kampf im Klassenzimmer[42] deckt sie die Diskrimierung deutscher Mitschüler seitens der Araber und Türken auf, und in einer anderen ZDF-Reportage recherchiert sie über türkische Nationalisten in Deutschland[43].

[...]


[1] STRUPEIT N., „Deutsch-türkische Literatur“ Gespräch mit Prof. Dr. Michael Hofmann, ARTE, 2005, 17/06/11, http://www.arte.tv/de/8n486,CmC=811240.html.

[2] Vgl.: Abbildung der Buchtitel im Anhang.

[3] ZAIMOGLU Feridun, Abschaum-die wahre Geschichte von Ertan Ongun, ROTBUCH, Hamburg, 2003(fünfte Auflage), Erstauflage:1997.

[4] BALCI Güner Yasemin, Arabboy-eine Jugend in Deutschland oder das kurze Leben des RachidA., S.FISCHER, Frankfurt am Main, 2008.

[5] GÜLAY Cem, Helmut Kuhn (Coautor), Türken-Sam, Eine deutsche Gangsterkarriere, dtv premium, München, 2010 (aktualisierte Ausgabe), Originalausgabe: 2009.

[6] RIGONI Isabelle, „Migrants de Turquie : un demi-siècle de présence en Europe occidentale“ ,Outre-Terre, 2005/1 no 10, S. 325-337 Originalzitat (französisch): „L’immigration de Turquie revêt donc un caractère continu, dynamique et contemporain.“.

[7] REISSLANDT, Carlin: „Von der Gastarbeiter-Anwerbung zum Zuwanderungsgesetz“, 2005, Bundeszentrale für politische Bildung, 17/06/11, http://www.bpb.de/themen/6XDUPY,0,0,Von_der_GastarbeiterAnwerbung_zum_Zuwanderungsgesetz.html.

[8] WIKIPEDIA, „Gastarbeiter“, 17/06/11, http://de.wikipedia.org/wiki/Gastarbeiter.

[9] DGDB, „Dokumente-die Herausforderungen der Immigration, der Anwerbestopp nach der Ölkrise“, 17/06/11, http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/sub_document.cfm?document_id=848&language=german.

[10] WALLRAFF Günter, Ganz unten, Kiepenheuer & Witsch, Köln, Erstauflage 1985.

[11] Vgl.: GÜLAY Cem, Türken-Sam, dtv premium, Hamburg, 2009, S. 81.

[12] Vgl.: Cem Gülay, ibid., S. 38.

[13] DENECKEAnnette, KERN Snjezana, Beratung in multikuturellen Kontexten, 2006 , 17/06/2011(pdf-Datei zum Herunterladen:http://www.efhdarmstadt.de/fuw/download/sysbertexte/11_Beratung_in_multikulturellen_Kontexten1.pdf ).

[14] REISSLANDT, Carlin: „Von der Gastarbeiter-Anwerbung zum Zuwanderungsgesetz“, 2005, Bundeszentrale für politische Bildung, 17/06/11, http://www.bpb.de/themen/6XDUPY,0,0,Von_der_GastarbeiterAnwerbung_zum_Zuwanderungsgesetz.html.

[15] STAHL Silvester, „Deutschland: Anstieg der Einbürgerungen im Jahr 2000“, Migration-Info.de, Januar 2002, 17/06/11, http://www.migration-info.de/mub_artikel.php?Id=020102.

[16] Statista, „Anzahl der Ausländer in Deutschland nach Herkunftsland“, Stand 31.Dezember 2009, 17/06/11, http://de.statista.com/statistik/daten/studie/1221/umfrage/anzahl-der-auslaender-in-deutschland-nach-herkunftsland/.

[17] YILDIZ Bekir, Türkler Almanyada (dt.: Die Türken in Deutschland ), Istanbul, 1966 Topkapi-Harran einfach, Erzählung. Übersetzt von Gisela Kraft, Harran Verlag, 1983.

[18] Fethi Savasci, Bei laufenden Maschinen : Erzählungen ; dt./türk. = Makinalar Çaliçirken / Fethi Savaççi. Aus d. Türk. von Helga Dagyeli-Bohne, Frankfurt a.M., 1. Aufl. 1983.

[19] WALLRAFF Günther, Ganz unten, Kiepenheuer & Witsch; Köln, Auflage: Erw. Neuaufl. (1992) Erstauflage: 1985. Ausschnitt aus dem Vorwort S.7: „Sicher, ich war nicht wirklich ein Türke. Aber man muss sich verkleiden, um die Gesellschaft zu demaskieren, muss täuschen und sich verstellen, um die Wahrheit herauszufinden.
Ich weiß immer noch nicht, wie ein Ausländer die täglichen Demütigungen, die Feindseligkeiten und den Hass verarbeitet. Aber ich weiß jetzt, was er zu ertragen hat und wie weit die Menschenverachtung in diesem Land gehen kann.
Ein Stück Apartheid findet mitten unter uns statt - in unserer „Demokratie“.
Die Erlebnisse haben alle meine Erwartungen übertroffen. In negativer Hinsicht. Ich habe mitten in der Bundesrepublik Zustände erlebt, wie sie eigentlich sonst nur in den Geschichtsbüchern über das 19. Jahrhundert beschrieben werden.“

[20] TEKINAY Alev, Die Deutschprüfung-Erzählungen, Brandes und Apsel, Frankfurt am Main, Erstauflage: 1989.

[21] CHIELLINO Carmile (Hrsg.), Interkulturelle Literatur in Deutschland, Verlag J.B.Metzler, Stuttgart, 2000, S.

[22] KARA Yade, Selam Berlin, Diogenes, Zürich, 2003.

[23] GÜNGÖR Dilek, Ganz schön deutsch-meine türkische Familie und ich, PIPER, München, 2007 idem , Unter uns, Edition Ebersbach, 2004.

[24] AKBAS Melda, So wie ich will-mein Leben zwischen Moschee und Minirock, Bertelsmann Verlag, München, 2010.

[25] Online Focus, „Der Islam gehört zu Deutschland“, Oktober 2010, 17/06/11, http://www.focus.de/pohtik/deutschland/20-jahre-wende/christian-wullF-der-islam-gehoert-zu- deutschland_aid_558481.html.

[26] Menschen bei Maischberger, „Gehört der Islam zu Deutschland“, 2010, 17/06/11, http://mediathek.daserste.de/sendungen_a-z/311210_menschen-bei-maischberger/5597326_schleier-und-scharia—geh- rt-der-islam-zu-deutschla.

[27] NPD Sachsen, Wahlplakate: „Arbeit für Deutsche“, „Gute Heimreise“(türkische Frauen abgebildet), „der Osten wählt deutsch“, „Touristen willkommen, Asylbetrüger raus“.

[28] BOLDT Gregor, „Italienische Schüler sind am schlechtesten“, der Westen, September 2010, 17/06/2011, http://www.derwesten.de/nachrichten/Italienische-Schueler-sind-am-schlechtesten-id3685063.html.

[29] Online Focus, „türkischer Europaminister appelliert zur Anpassung“, Oktober 2010, 17/06/2011, http://www.focus.de/politik/weitere-meldungen/integration-tuerkischer-europaminister-appelliert-zur- anpassung_aid_561410.html.

[30] Spiegel Online, „Einwanderungspolitik in Deutschland-Merkel erklärt Multikulti für gescheitert, Oktober 2010, 17/06/11, http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,723532,00.html.

[31] SARRAZIN Thilo, Deutschland schafft sich ab-wie wir unser Land aufs Spiel setzen, Deutsche Verlags Anstalt, München, 2010.

[32] Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland, rechtsradikale, nationalitisch- und antisemtischorientiere Gruppierung, die einen türkischen Patriotismus in Deutschland promoviert und den deutschen Flügel der türkischen Partei der Nationalistischen Bewegung ist. Nähere Definition: http://de.wikipedia.org/wiki/Graue_W%C3%B6lfe.

[33] Bundeszentrale für politische Bildung, Migration, Bildergalerie, 17/06/11, http://www.bpb.de/themen/8T2L6ZAMigration.html.

[34] Der Spiegel online, „Türken in Deutschland“, 17/06/11, http://www.spiegel.de/thema/tuerken_in_deutschland/.

[35] Vgl.: GÜVERCIN Eren, Grenzgängerbeatz', Feridun Zaimoglu), 17/06/11,http://erenguevercin.wordpress.com/interviews/.
EBBINGHAUS Uwe, „Das Internet ist für mich völlig ungeeignet“Interview mit Feridun Zaimoglu, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2000, 17/06/11, http://www.faz.net/artikel/C30833/im-gespraech-feridun-zaimoglu-das- internet-ist-fuer-mich-voenig-ungeeignet-30081193.html.
Buchhandlung LUDWIG, Hauptbahnhof Köln, Lesung und Gespräch mit Feridun Zaimoglu, 2010, 17/06/11, http://www.youtube.com/watch?v=Ey4xVAGhGHo.
WEDMANN Thomas, 3Sat Bericht„Portraitvorstellung von Feridun Zaimoglu, 2008, 17/06/11, http://www.youtube.com/watch?v=h56xPN6hjMo.
N3 Talkshow 3nach9, mit Feridun Zaimoglu, 2008, 17/06/11, http://www.youtube.com/watch?v=wrV7adgbcMc.
Übersetzerwerkstatt mit Feridun Zaimoglu, 2007, 17/06/11, http://www.youtube.com/watch?v=_BSXrWMYRz8.
WICKERT Ulrich, im Gespräch mit Feridun Zaimoglu, 2008,17/06/11, http://www.youtube.com/watch? v=mnc0nXtpxfg.
THADEUSZ Jörg, Interview mit Feridun Zaimoglu, 2008, 17/06/11; http://www.youtube.com/watch?v=j2Od5yniz4c.
litcolony.de (offline seit Ende 2008), durchlesene Nächte mit Feridun Zaimoglu, 17/06/11 http://www.youtube.com/watch?v=ou8pCEm4QG8.
BIOLECK Alfred, Boulevard Bio MDR, Gespräch mit Feridun Zaimoglu, 2008, 17/06/11, http://www.youtube.com/watch?v=AfewEpvyATQ.

[36] N3 Talkshow 3nach9, mit Feridun Zaimoglu, 2008, 17/06/11, http://www.youtube.com/watch?v=wrV7adgbcMc.

[37] Rohwolt Theater Verlag, „Feridun Zaimoglu“, 17/06/11, http://www.rowohlt- theaterverlag.de/autor/Feridun_Zaimoglu.72078.html, http://de.wikipedia.org/wiki/Feridun_Zaimoglu.

[38] Lesung und Gespräch mit Feridun Zaimoglu, Februar 2010, Buchhandlung LUDWIG. Hauptbahnhof Köln, 17/06/11, http://www.youtube.com/watch?v=Ey4xVAGhGHo.

[39] Islamische Zeitung, „Wünsche mir größeres Selbstbewusstsein der Moslems" Interview mit Feridun Zaimoglu“ 17/06/11, http://www.islamische-zeitung.de/?id=8669.

[40] BALCI Güner, Arabboy, S.FISCHER, Frankfurt am Main, 2008.
Küchenradio mit Güner Balci, 2010, 17/06/11, http://www.kuechenradio.org/wp/?p=394.
Schooltalks mit Güner Balci, 2008, 17/06/11, http://www.youtube.com/watch?v=CXOZQLTgbis.
BALCI Güner, „Inländerdiskriminierung“, ZDF Panorama die Reporter, 2010, 17/06/11, http://www.dailymotion.com/video/xc3scv_inlanderdiskriminierung-in-berlin_news.
MAISCHBERGER Sandra, „Gehört der Islam zu Deutschland „, Menschen bei Maischberger mit Güner Balci, 2010, 17/06/11, http://www.youtube.com/watch?v=wgAboEp0umo.
litcolony.de (offline seit Ende 2008), Werkstattgespräch mit Güner Balci, 17/06/11, http://www.youtube.com/watch? v=LWXzl_nLU 6Y

[41] Küchenradio, Interview mit Güner Balci zum Herunterladen: http://www.podcast.at/episoden/kr215-g%C3%BCner- balci-9369173.html.

[42] ARD TV-Reportage einer 10.Klasse in Essen, Autor: BALCI Güner Yasemin, Erstausstrahlung Juli 2010, Video: http://www.youtube.com/watch?v=Gprze67PeA4 (17/07/11).

[43] ZDF Frontal 21, „Nationalisten leugnen Völkermord“ (Fernsehreportage), Autorin: BALCI Güner Yasemin, 2006.

Ende der Leseprobe aus 60 Seiten

Details

Titel
Zeitgenössische (auto)biographische Literatur deutscher Autoren türkischer Herkunft im Kontext von Integration und Parallelgesellschaften
Hochschule
Université Stendhal Grenoble 3
Veranstaltung
Littérature et Civilisation germanique
Note
mention très bien
Autor
Jahr
2011
Seiten
60
Katalognummer
V181369
ISBN (eBook)
9783656046677
ISBN (Buch)
9783656072966
Dateigröße
818 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
zeitgenössische, literatur, autoren, herkunft, kontext, integration, parallelgesellschaften
Arbeit zitieren
Livia Chohra (Autor:in), 2011, Zeitgenössische (auto)biographische Literatur deutscher Autoren türkischer Herkunft im Kontext von Integration und Parallelgesellschaften, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/181369

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Zeitgenössische (auto)biographische Literatur deutscher Autoren türkischer Herkunft im Kontext von Integration und Parallelgesellschaften



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden