Der politische Dokumentarfilm als postmodernes Guerilla-Marketing: Michael Moores "Roger & Me"


Hausarbeit, 2003

23 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

0. Einführung

1. Theoretischer Teil
1.1. Modi des Dokumentarfilms
1.2. Thesen zum Dokumentarfilm Michael Moores
1.3. Politische Bewegungen im Medienzeitalter
1.4. Von Che Guevara zum Guerilla-Marketing

2. Empirischer Teil
2.1. Story, Plot, Dramaturgie
2.1.1. Erzählweise
2.1.2. Exposition
2.1.3. Erster Paradigmenwechsel
2.1.4. Konfrontation
2.1.5. Zweiter Paradigmenwechsel
2.1.6. Auflösung

3. Analytischer Teil
3.1. Figuren, Rollen, Funktionen
3.1.1. Konstruktion des Helden
3.1.2. Humor
3.1.3. Parodie und Selbstironie
3.1.4. Moores Antipoden
3.2. Filmische Mittel
3.2.1. Kamera
3.2.2. fiktionale Elemente
3.2.3. Tiermetapher
3.2.4. Filmmusik
3.2.5. Parallelmontagen

4. Bibliographie

0. Einführung

Spätestens seit dem von ihm provozierten Eklat auf der Oskarverleihung 2003 ist Michael Moore einer breiten Medienöffentlichkeit bekannt. Dies gilt umso mehr, als dass von seinem Status als erfolgreichem Filmemacher und Bestsellerautor zwar auf einen großen, aber, zumindest in den USA, nicht zwingend auf einen breiten Bekanntheitsgrad zu schließen ist.

Als ein „Land aus Inseln der Gleichheit und Happiness“ charakterisierte schon Wolf Wagner das sprichwörtlich pluralistische Amerika, in dessen urbanen Räumen nicht nur Schwarzen-Ghettos und Chinatowns gedeihen, sondern auch Siedlungen der weißen Mittelklasse, in denen Gleiche unter Gleichen leben und jeglicher Auseinandersetzung mit kultureller, sozialer und politischer Unterschiedlichkeit zeitlebens entrückt bleiben: Provinzialismus als Alltagsideologie (vgl. W. Wagner im Leviathan 1/1977).

So kommt es, dass in einem Land, das das Recht auf happiness in seiner Verfassung festgeschrieben hat, eine Öffentlichkeit existiert, deren Konsumenten von Meldungen über Antikriegsdemonstrationen, diplomatische Affronts oder Zweifel an der Integrität ihres Präsidenten weitgehend verschont bleiben – zumindest solange wie niemand es wagt, in deren heile Welt des Hedonismus einzubrechen. Wer sich eines kulturelle und soziale Grenzen überschreitenden, also eigentlich der Integration und Identitätsstiftung dienenden Rituals wie der Oskarverleihung bedient, um politische Botschaften zu verkünden, die dem common sense der Glückseligen zuwiderlaufen, gehört von der Bühne gepfiffen und als unpatriotisch beschimpft.

Dem amerikanischen Humor wird eine Tendenz zum Infantilen nachgesagt. Der Slapstick etwa Mack Sennets Knockabout -Farcen oder Harold Lloyds Screwball Comedys ließ seine Zuschauer eine komische Katharsis durchleben, ermöglichte ihnen, um mit Freud zu sprechen, eine Abfuhr von Affekten – und untergrub damit zugleich das kritische, anarchische und innovative Potential des Genres (zur amerikanischen Filmfarce vgl. A. Nowak, 1991).

Hans Ulrich Gumbrecht macht als eine der wirkungsmächtigsten Modi des amerikanischen Humors das Bonanza -Lachen aus, ein zwischen (scheinbarer) Ungezwungenheit und (tatsächlicher) Aufgezwungenheit oszillierendes Kollektivgrinsen, das als c liff hanger mancher Fernsehserien dient (vgl. H. U. Gumbrecht im Merkur, September/Oktober 2002). Als konsensfähige Zielscheibe politischer Satire scheint hingegen allenfalls die political correctness linker Gutmenschen geeignet, wie es der antijüdische Ressentiments reproduzierende (jüdische) Radiosprecher Howard Stern oder die Zeichentrickserie Southpark in Vollendung zelebrieren.

Das Phänomen Michael Moores ist ein vielschichtiges: Es führt von der urzeitlichen Figur des Tricksters, des Grenzgängers und gesellschaftlichen Außenseiters, über literarische Verkörperungen des Scheiterns wie Don Quijote zur Pionierzeit des Dokumentarfilms, deren schillerndster und einflussreichster Vertreter John Grierson einst subversives politisches Potential in der Regenbogenpresse wähnte. Vom Freiheitskämpfer Che Guevara gelangen wir schließlich zu einer Anthropologie der politischen Bewegungen im Zeitalter der Medien.

Wodurch zeichnen sich der Humor und politische Aktionismus eines Michael Moore aus? Worin liegt seine Sonderstellung in der amerikanischen Medienöffentlichkeit begründet, in einem Land, von dem der Politaktivist und Satiriker selbst sagt, die politische Satire sei dort „praktisch tot“? Diesen Fragen soll im folgenden anhand einer Analyse von Moores „Roger & Me“ (USA 1989) nachgegangen werden.

1. Theoretischer Teil

1.1. Modi des Dokumentarfilms (nach B. Nichols)

Die Hauptfunktion des Dokumentarfilms, so lautet Nichols vielzitierter Ausspruch, sei die Ausübung von Macht, um die Welt zu verändern (Zitat und Dokumentarfilmmodi vgl. B. Nichols, 1991). Dieses Ziel von Dokumentarfilmern aller Epochen ist historisch verbürgt. Allein die Wahl ihrer Mittel war zahlreichen Veränderungen unterworfen.

Während der expositorische, didaktische Dokumentarfilm zwischen den Weltkriegen, als deren erster Vertreter J. Grierson gilt (zu Grierson vgl. T. Peters, 1997), an exotischen Schauplätzen noch idealisierte Gegenbilder zur westlichen Zivilisation entwarf, war die in einer scheinbar neutralen Beobachterposition verweilende Kamera eines J. Marshall auf die Innenwelt amerikanischer Institutionen gerichtet. Während J. Rouch seit den 50er Jahren das Konzept einer Interaktion zwischen Filmemacher und Gefilmten verfolgte, relativierte die nachfolgende Generation von Dokumentaristen die unausweichliche Subjektivität ihres filmischen Schaffens durch eines Modus permanenter Selbstreflexivität.

In den 80er Jahren kulminierte die alle Zeiten überdauernde Debatte um die Authentizität des Gefilmten und die Grenzbereiche zwischen Fiktion und Wirklichkeit in eine Epoche des performativen Essayfilms und Dokudramas. Michael Moores „Roger & Me“ realisiert eine Vermischung von Stilmitteln unterschiedlichster Modi: eine „voice of god“-Stimme aus dem expositorischen Modus, einen interaktiven Eingriff des Filmemachers in die Wirklichkeit, autobiographische und autoironische Elemente der Selbstreflexivität sowie, nicht immer als solche identifizierbare, fiktionale Sequenzen wie sie für den Essayfilm kennzeichnend sind.

Eine dergestalt undogmatische Gemengelange der Stile hat es zwar zu allen Zeiten gegeben, wird aber insbesondere charakteristisch für den Dokumentarfilm der 90er Jahre.

1.2. Thesen zum Dokumentarfilm Michael Moores

1. Der Dokumentarfilm wird primär verstanden als Mittel zur sozialen und politischen Intervention.
2. Vorherrschendes Ziel ist die Veränderung von Bewusstsein und gesellschaftlicher Wirklichkeit.
3. Die konkrete Benennung von Problematiken und deren Urhebern bietet Orientierungspunkte in einer von postmoderner Entfremdung geprägten Welt.

Postmoderne wird hier verstanden als das Zusammenbrechen eines einheitlichen Weltbildes, den Verlust einer kohärenten ethnisch-moralischen Grundlage, eines tragfähigen Glaubenssystems und damit einhergehend einer Legitimation von Gesellschaft. Die Epoche ist gekennzeichnet durch die Auflösung von Klassenstrukturen, Entideologisierung, die Hinwendung zur Massen- und Konsumgesellschaft und unter dem Begriff des Hedonismus subsumierte Formen der Vergötzung des Selbst, der Gier nach Luxus und der primären Orientierung an der eigenen Bedürfnisbefriedigung. An die Stelle transzendentaler Ethik tritt eine ästhetische Rechtfertigung von Leben. Kritiker der Postmoderne beklagen u.a. eine Tendenz zur Entfremdung, eine Zerstörung des Sozialen, Orientierungs- und Realitätsverlust (zur Theorie der Postmoderne vgl. D. Bell, 1979).

In diesem Zusammenhang wird die dramatische Inszenierung des Dokumentarfilmers Michael Moore interessant, die Art und Weise, in der er Konflikt konstruiert. Diese ist gekennzeichnet durch:

[...]

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Details

Titel
Der politische Dokumentarfilm als postmodernes Guerilla-Marketing: Michael Moores "Roger & Me"
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Theaterwissenschaft und Kulturelle Kommunikation)
Note
1,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
23
Katalognummer
V18127
ISBN (eBook)
9783638225359
ISBN (Buch)
9783638681766
Dateigröße
493 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schriftliche Ausarbeitung meines Skripts zur mündlichen Prüfung, Literaturnachweis im Anhang Hinweis für den Webmaster: Überarbeitete Fassung meiner Einsendung vom 17.10.03
Schlagworte
Dokumentarfilm, Guerilla-Marketing, Michael, Moores, Roger
Arbeit zitieren
Clemens Grün (Autor:in), 2003, Der politische Dokumentarfilm als postmodernes Guerilla-Marketing: Michael Moores "Roger & Me", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18127

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