Die Rollen der christlichen Kirchen vor und in der "Braunen Diktatur"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

23 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsangabe

I. Vorwort

II. Kirche vor 1933[1]

III. Kirche während 1933- 1939[2]
III.I Die Barmer Theologische Erklärung vom Mai 1934[3]
III.II Die Dahlemer Bekenntnissynode vom Oktober 1934[4]
III.III Päpstliches Rundschreiben „ Mit brennender Sorge“ von 1937[5]

IV. Kirche im zweiten Weltkrieg (1939- 1945)[6]

V. Kirchlicher Widerstand anhand von 3 Beispielen[7]
V.I Julius von Jan[8] ( S. 15+ 16)
V.II Clemens August Graf von Galen[9]
V.III M.J. Metzger[10]

VI. Resumee

VII. Quellenverzeichnis

I. Vorwort

In der nun folgenden Hausarbeit werde ich die wechselnden Verhältnisse zwischen den beiden großen Konfessionen auf der einen Seite und dem NS- Regime auf der anderen Seite näher darstellen. Da gerade in den letzten Jahren beide Kirchen verstärkt in die Kritik geraten sind, sich in ihrer Geschichte mit den jeweiligen Systemen nicht zu ihrem Schaden arrangiert zu haben, soll diese Hausarbeit Mut und Verzweifelung, Hoffnung und Resignation von Kirchenführern, aber auch von mutigen Normalbürgern darstellen und zeigen, dass es aus der heutigen bequemen und ungefährlichen Couch- Perspektive völlig ungerechtfertigt wäre, sich pauschal abfällig über das Verhalten der Kirchen in dieser sehr schwierigen Zeit zu äußern.

Darüber hinaus ist es mir wichtig, die Motive beider Seiten für ihr jeweiliges Verhalten zu benennen und zu erklären, denn nur so kann begriffen werden, warum seitens der Kirchen oder/und des Regimes in dieser und nicht in einer anderen Weise gehandelt wurde.

Unter III. habe ich drei Hauptereignisse herausgesucht, mit deren Hilfe man die Standpunkte der beiden großen Kirchen zu verschiedenen Zeiten gegenüber dem Regime verdeutlichen kann.

Im Punkt IV. werde ich das Verhalten der beiden Kirchen in der Phase des zweiten Weltkriegs beschreiben. Dabei sollen sowohl kirchliche Aktionen und die darauffolgenden staatlichen Reaktionen u.u. aufgezeigt werden.

Unter V. werde ich auf Menschen des kirchlichen Lebens in dieser Zeit eingehen. Ich werde ihre jeweiligen Standpunkte und die dazugehörigen Begründungen darstellen und ihre Schicksale schildern. So will ich mit dem weit verbreiteten, aber schlichtweg falschen Vorurteil aufräumen, dass es während der braunen Diktatur nur ``Radfahrer`` und Duckmäuser in Deutschland gegeben habe.

Danach werde ich abschließend unter VI. ein Resumee aus der bearbeiteten Thematik ziehen. Da dieses Thema sehr umfangreich ist, habe ich in dieser Hausarbeit nur die meines Erachtens wichtigsten Ereignisse aufgelistet. Deshalb erhebt diese Hausarbeit keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Sie soll vielmehr einen kurzen Überblick über diese spannungsgeladene und schwierige Zeit vermitteln.

II. Kirche vor 1933

Nicht erst seit Hitlers Ernennung zum Reichskanzler am 30.01.1933 durch Reichspräsident Paul von Hindenburg, ehedem Chef der Obersten Heeresleitung im Ersten Weltkrieg , sind die Kirchen mit dem NS- Regime konfrontiert worden. Bereits bei den Reichstagswahlen im September 1930 erreichte die NSDAP 107 Sitze im Reichstag[11][12]. Im Juli 1932 wurde sie mit 37,3 % aller abgegeben Wählerstimmen die stärkste politische Kraft im Reichstag.

Auf diese Entwicklung reagierten die beiden Kirchen recht unterschiedlich. Seitens der katholischen Kirche wurden in sogenannten Hirtenbriefen seit Herbst 1930 vor der NSDAP und ihren unmenschlichen Machenschaften und unchristlichen Werten gewarnt. In einer Denkschrift des Papstes („Osservatore Romano“) aus dem selben Jahr geht hervor, dass die Maßstäbe und Werte eines Katholiken mit denen der NSDAP nicht in Einklang zu bringen seien. Darüber hinaus wurde es in einer pastoralen Anweisung aus dem Jahre 1931 von bayerischen Bischöfen den NSDAP- Mitgliedern verboten, in Kolonnen oder uniformiert Gottesdienste zu besuchen. Bei Nichtbeachtung dieser Hausordnung wurde sogar mit Kirchenausschluss gedroht.

Diese auf katholischer Seite fast gänzlich ablehnende Haltung der Kirche gegenüber der Partei führt bei Hitler zur Besorgnis, denn er wusste, wie viel Einfluss die katholische Kirche durch alle Volksschichten hindurch besaß. Deshalb strebte er gezielt ein Konkordat[13] mit dem Vatikan an, um sich so bei den vielen Katholiken im Land Ansehen und Anerkennung zu erwerben. Somit hatten Regimekritiker auf katholischer Seite keine Argumentationsplattform mehr, denn wenn der Bischof von Rom dieses Regime mittels Konkordat anerkennt, kann es nicht verpönt sein, als guter Katholik dieses Regime zumindest zu dulden. Darüber hinaus gab es nach dem Konkordat des Papstes mit dem NS- Regime insgesamt vier Typen katholischer Kirchenführer, die völlig unterschiedliche Einstellungen und Erwartungen gegenüber dem neuen Regime vertraten[14]:

I. Typus: Diese Gruppe stand dem Regime sehr ablehnend gegenüber. Sie befürchteten, dass das Christentum durch die braune Ideologie bis zur Unkenntlichkeit hin verfälscht würde.
II. Typus: Dieser Teil der katholischen Kirchenführer glaubte, dass ein straff geführter Staat dem Glauben zuträglich sei. Grund: Genau wie ein autoritärer Staat, so war und ist die Gliederung der katholischen Kirche hierarchisch strukturiert. Diese Ordnung im Staat gefiel daher vielen katholischen Würdenträgern, da ihre eigene Kirche genauso organisiert war.
III. Typus: gleicht sehr dem II. Typus. Lehnte der zuvor genannte Typus die Demokratie nicht gänzlich ab, so war Typus III. der Demokratie und damit der Weimarer Republik absolut feindlich gesonnen.
IV. Typus: sah im Nationalismus das „göttliche Werkzeug“[15] gegen den gottlosen Kommunismus und stand daher dem neuen Regime offen gegenüber.

Aufgrund dieser Gliederung kann man deutlich erkennen, dass zwar im Vergleich zur protestantischen Kirche die Ablehnung gegenüber dem NS- Regime größer war, es jedoch die von katholischer Seite oft beschworene völlige Ablehnung gegenüber der braunen Diktatur so nicht gegeben hat !

Auf protestantischer Seite sah die Haltung gegenüber den immer mehr an Macht gewinnenden Nationalsozialisten anders aus. Gewohnt seit Kaisers Zeiten, als Partner einer starken Obrigkeit zu agieren, sahen sie in den Nationalsozialisten einen neuen nationalen Aufbruch. Denn genau wie die Nationalsozialisten lehnten die meisten Protestanten, gleich ob Bürger oder geistiger Würdenträger, den Parteienpluralismus und die demokratische Republik ab. Obwohl gleiche weltanschauliche Tendenzen zwischen der evangelischen Kirche und den Nationalsozialisten vorhanden waren, versuchte die Kirchenführung bis Anfang der 30-er Jahre, sich mit Sympathiebekundungen gegenüber der NSDAP zurückzuhalten. Dennoch war auffällig, dass sehr viele Pastoren Mitglieder des Stahlhelms waren. Die Mitglieder dieser Vereinigung lehnten die Demokratie ab und wünschten sich, wenn schon nicht die Rückkehr Kaiser Wilhelms II aus seinem Exil in Dorn/ Holland, wenigstens einen anderen starken Mann, der die Fesseln von Versailles[16] lösen sollte. Auch hielten viele Pastoren in regelmäßigen Abständen Feldgottesdienste. Bei diesen Anlässen wurden die Gefallenen des Ersten Weltkrieges (1914- 18) in heroisierender Art und Weise verehrt. Auch fand bei diesen Gelegenheiten eine Verherrlichung des Krieges als vaterländisches Ereignis statt.

Trotz enormer Unterschiede in der Einstellung gegenüber Hitler hatten beide Kirchen die Sorge um ihre Souveränität. Aufgrund des nicht verhehlten totalen Machtanspruchs befürchteten beide Kirchen, dass ihre Zuständigkeitsbereiche ( schulischer Unterricht, Kindergärten, Seelsorge u.Ä.) vom neuen Regime beschnitten werden könnten.

Da Hitler vor und kurz nach seiner Machtergreifung innenpolitisch noch zu schwach war, um sich auf einen Konflikt mit den Kirchen einlassen zu können, billigte er ihnen ihre bisherige Souveränität zu. Im Gegenzug verlangte er von den christlichen Parteien im Reichstag, dass sie dem Ermächtigungsgesetz zustimmen sollten, was diese auch taten. Wegen eines scheinbaren Burgfriedens hatten sich somit die Parteien selbst entmachtet, denn durch das Ermächtigungsgesetz konnte die Reichsregierung ohne Zustimmung der Parlamentarier Gesetze beschließen. Der Reichstag verkam zum „teuersten Männergesangverein der Welt“.

Anders als Hitlers anfängliche wohl kalkulierte Rücksichtnahme auf kirchliche Belange, drückte sich der Parteiideologe Alfred Rosenberg in seinem Buch „ Der Mythus des 20. Jahrhunderts“ schon frühzeitig sehr deutlich aus. Für Rosenberg war die Kirche ein Produkt einer jüdischen Apostelbestrebung und deshalb aus rassenideologischer Sicht ungeeignet, das deutsche Volk national zu stärken. Da jedoch die Mehrzahl der hohen NS- Funktionäre den Kirchen entgegenzukommen schienen, hielt man die Ausführungen Rosenbergs aus kirchlicher Sicht für irrelevant.

Wie zuvor bereits erwähnt, wurde im protestantischen Lager vor allem der Versailler Vertrag, den die ungeliebten Sozialdemokraten 1919 in Versailles unterzeichnet hatten, scharf verurteilt. Auf dem evangelischen Kirchentag 1922 wurde dieser Vertrag als die „Kriegsfortsetzung mit anderen Mitteln“ bezeichnet. Auch die sich aus diesem Vertrag ergebenden Folgen ( hohe Reparationszahlungen Deutschlands an die Siegermächte, die Abtretung wirtschaftlich wichtiger Gebiete im Osten(10 % !), die Reduzierung des Heeres auf 100.000 Mann, das Verbot schwerer Waffen wie Panzer, Geschütze, Flugzeuge und Großkampfschiffe) wurden seitens der protestantischen Kirchenführung auf das Schärfste verurteilt. Dieser nicht ganz zu Unrecht vertretenen Meinung gegenüber dem Ausmaß des Versailler Vertrages wurde der 10. Jahrestag der Vertragsunterzeichnung von der Kirche offiziell als „Trauertag“ ausgerufen.

Trotz Vorbehalten gegenüber der Rassenideologie und der sozialdarwinistischen Lehre der NSDAP traten in den 20-er Jahren immer mehr Protestanten in die Partei ein. Das später oft gebrauchte Argument, warum man einer solchen Partei beigetreten sei, um nämlich Schlimmeres durch persönliches Mitwirken verhindern zu können, will ich an dieser Stelle nicht bewerten. Bei aller Sachlichkeit klingt dies eher wie eine „faule Ausrede“ und nicht wie eine überzeugende Antwort.

Absolute Loyalität gegenüber der NSDAP und ihrer Ideologie herrschte bei den „Deutschen Christen“ (D.C.) vor. Sie entstanden Ende der 20-er Jahre in Thüringen und nannten sich bis 1932 „Thüringer Deutsche Christen“, ab 1932 nur noch „Deutsche Christen“. Diese Namensänderung zeigt den unrealistischen Anspruch dieser Gruppe, für alle deutschen Christen sprechen zu wollen. Wegen ihrer unverbrüchlichen Loyalität gegenüber Hitler wurde ihr “Führer“, der spätere Reichsbischof Müller, bei den Kirchenwahlen im Juli 1933 dank Unterstützung durch die Partei mit 70 % der Stimmen zum Reichsbischof gewählt. Dies geschah jedoch nur, weil der regulär gewählte Kandidat, v. Bodelschwingh, von Hitler als Reichsbischof wegen seiner distanzierten Haltung zum NS- Regime, nicht anerkannt wurde und daraufhin zurücktrat. So war der Weg für Müllers D.C. frei- der erste Schritt der Gleichschaltung zwischen den Protestanten und dem Regime war besiegelt.

[...]


[1] aus: Meier, Kurt: Kreuz und Hakenkreuz, die evangelische Kirche im 3. Reich; dtv- Verlag; Originalausgabe vom November 1992; hier: S. 7- 32/ Informationen zur politischen Bildung“Deutscher Widerstand 1933- 1945“; 2. Quartal 1994; hier: S. 16 f.

[2] siehe Fußnote 1 !

[3] aus: Informationen zur politischen Bildung“Deutscher Widerstand 1933- 1945“; 2. Quartal 1994; hier: S. 17

[4] siehe Fußnote 3 !

[5] aus: Informationen zur politischen Bildung“ Deutscher Widerstand 199-1945“; 2. Quartal 1994; hier: S. 18 f.

[6] aus: Meier, Kurt: dto., hier: S. 175 bis 197

[7] aus. Informationen zur politischen Bildung“Deutscher Widerstand“; hier: S. 21 ff.

[8] aus: dto., hier: S. 22 f.

[9] aus: dto., hier: S. 21

[10] aus: dto., hier: S. 19

[11] siehe Fußnote 1 !

[12] Vergleicht man die Reichstagswahl im Mai 1928: dort errang die NSDAP nur 12 Mandate (= 2,6 % der Stimmen).

[13] Konkordat zwischen der NS- Regierung (Vize- Kanzler v. Papen/ Zentrum) und Papst Pius XI im Sommer 1933

[14] aus: Heyer, Friedrich: Konfessionskunde; W. de Gruyter Lehrbuch; Berlin 1977; hier: S. 476

[15] dto., IV. Typus katholischer Würdenträger

[16] Gemeint war der 1919 in Versailles geschlossene Vertrag zwischen den Siegermächten und Deutschland, der aufgrund des Artikels 231(Alleinschuldfrage) Deutschland mit Reparationszahlungen und diversen Souveränitätsbeschränkungen belastete und von der Mehrzahl der Deutschen gleich welcher politischen Auffassung als ungerecht und willkürlich angesehen wurde.

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Details

Titel
Die Rollen der christlichen Kirchen vor und in der "Braunen Diktatur"
Hochschule
Universität Siegen  (Evangelische Theologie)
Veranstaltung
Kirchengeschichte des 20. Jahrhunderts
Note
2
Autor
Jahr
2003
Seiten
23
Katalognummer
V18120
ISBN (eBook)
9783638225304
Dateigröße
530 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rollen, Kirchen, Braunen, Diktatur, Kirchengeschichte, Jahrhunderts
Arbeit zitieren
Georg Thielmann (Autor:in), 2003, Die Rollen der christlichen Kirchen vor und in der "Braunen Diktatur", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18120

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