Der Umgang mit Nietzsche


Hausarbeit (Hauptseminar), 1997

14 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhalt

I) Einleitung

II) Nietzsche und der Nationalsozialismus
1. Die Rezeption Nietzsches im dritten Reich
2. Stellungnahmen zu Nietzsche und dem Nationalsozialismus nach

III) Die Gefahr der Philosophie Nietzsches am Beispiel des populär-philosophischen „Werkes“ „Nietzsche in 90 Minuten“

IV) Schlußwort

I) Einleitung

In meiner Hausarbeit möchte ich das Verhältnis zwischen Nietzsche und dem Nationalsozialismus erarbeiten und die Mißverständnisse aufzeigen, die zu einer Nazifizierung des Philosophen führten. Als Teil meiner Arbeit wähle ich noch die Interpretation eines populär-philosophischen Werkes, um aufzuzeigen, daß die Mißdeutungen Nietzsches auch heute noch eher in einem Verschulden der mangelhaften und fahrlässigen Rezeption als in der Mehrdeutigkeit seinen Schriften selbst zu finden ist.

II) Nietzsche und der Nationalsozialismus

1. Die Rezeption Nietzsches im dritten Reich

Im nationalsozialistischen Deutschland gab es unterschiedliche Strömungen, die sich mit Nietzsche „auseinandersetzten“. Auf der einen Seite standen die Befürworter seiner Philoso­phie, die in Nietzsches Schriften Ansätze für Faschismus, Antisemitismus und Legitimation der Gewalt des Stärkeren sahen. Auf der anderen Seite standen aber auch faschistische Kriti­ker seiner Philosophie, die diese nicht in Einklang mit der „Philosophie“ des Nationalsozia­lismus sahen. Das weit verbreitete Vorurteil, daß Nietzsche ein Modephilosoph des dritten Reiches war, ist also nur sehr schwer haltbar und schon gar nicht beweisbar, da selbst unter den Nationalsozialisten keine Übereinstimmung in der Nietzsche Rezeption bestand.

Unter den Befürwortern Nietzsches, die versuchten den Philosophen an das dritte Reich an­zunähern und mit ihm einen akzeptablen Denker der nationalsozialistischen Idee zu präsentie­ren[1] befanden sich Bäumler, Oehler und Härtle.

Bäumler entdeckte als erster die Verwendbarkeit der Philosophie Nietzsches für das Regime, und deutete dessen Schriften in für den Nationalsozialismus verwendbare Mythen um. Oeh­ler, der versuchte Nietzsche und den Nationalsozialismus zu parallelisieren, befand sich mit seinen Schriften unter einem kritikwürdigem Niveau. Am deutlichsten wird dies bei Oehlers These, daß Nietzsche und Wagner keine Gegensätze mehr seien. Oehler „schloß“ dies aus der Tatsache, daß Hitler an einem Tag sowohl im Nietzsche Archiv in Weimar, als auch bei der Eröffnung der Bayreuther-Festspiele war. Was hier durch Oehler geschieht, ist meiner Mei­nung nach eine Ebenenverschiebung. Oehler geht nicht mehr von den Anschauungen Nietzsches und Wagners aus, sondern nur noch von den Vorlieben Hitlers. Dies ist eine enorme Über­schätzung des Kunstkonsumenten. Tatsachen, wie die, daß sich Nietzsche und Wagner nach anfänglicher geistiger Zuneigung zerstritten und nie mehr zueinander fanden werden schlicht auf Grund von Zuneigungen eines Kunstkonsumenten umgedeutet. Zudem zeigt es, daß es Oehler allein um die Verwendbarkeit beider Denker und Künstler ging, nicht aber um deren inhaltliche Aussagen. Er versuchte jeweils die Elemente die auf beiden Seiten den Nationalsozialismus befürworten könnten, herauszuziehen, um diese „Zitate“ dann als „Freunde“ zusammenzufügen.[2]

Es gab aber wie schon erwähnt auch andere Stimmen im dritten Reich, die sich gegen Nietz­sche aussprachen. Unter ihnen befand sich unter anderen Westernhagen, der in Nietzsche einen Prosemiten sah. „In diesem Waffengang zwischen Judentum und Deutschtum stand Nietzsche in den Reihen des Judentums ... mit Herz und Kopf ... er hat den jüdischen Geist über den deutschen Geist gestellt.“[3] und Steding, der in seinem Buch „Das Reich und die Krankheit der europäischen Kultur“ Nietzsche als Staats- und Reichsfeind bezeichnete. Doch beide nationalsozialistischen Entnazifizierer Nietzsches kamen anscheinend zu spät. Denn das Gesamtbild Nietzsches, das durch Bäumler erfolgreich propagiert wurde, war schon derma­ßen gefestigt, daß es durch die Schrift Westernhagens nicht mehr ins Wanken geraten konnte. Und auch Stedings Ablehnung gegenüber Nietzsche wurde durch seinen Gönner Walter Frank, dem Leiter des Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschland weitgehend neu­tralisiert.[4]

Neben den beiden Strömungen, die ich eben beschrieben habe, gab es noch eine dritte Mei­nung, die vor allem von Härtle vertreten wurde. Der Nationalsozialist sah die Verbindung zwischen der nationalsozialistischen Gegenwart und dem Philosophen sehr differenziert. Er versuchte in seinem Buch „Nietzsche und der Nationalsozialismus“, „Nietzsches politische Gedankenwelt und den Nationalsozialismus scharf abzugrenzen, Verwandtschaft und Gegen­satz klarzustellen“[5] Dabei sah er vor allem in der „Judenfrage“ die Ambivalenz der Philoso­phie. Nietzsche entferne sich bei dieser „Frage“ vom Nationalsozialismus, zeige sich aber, so Härtle, in seinen übrigen politischen Ansätzen als der größte Feind des Judentums. Trotz seines Versuches, Nietzsches Gegensätze zum Nationalsozialismus aufzuzeigen, unterläßt es aber auch Härtle nicht, Nietzsches Philosophie der Weltanschauung des dritten Reiches so weit es geht anzupassen.

Ich fasse noch einmal zusammen. Im dritten Reich gab es drei Strömungen.

[...]


[1] Interessant ist anzumerken, daß auch schon Platons Philosophie mißbraucht wurde, um die Macht einer Bewegung zu vergrößern. Damals waren es die Vertreter des Christentums, die durch ihre Interpretation der platonischen Philosophie versuchten, einen großen Denker auf ihre Seite zu ziehen und somit auch die Intellektuellen mit ihrer Bewegung anzusprechen.

[2] Hitler selbst erwähnte in seiner Schrift „Mein Kampf“ Nietzsche nicht ein einziges mal. Auch seine Reden, in denen er nur unbedeutende Zitate Nietzsches verwendete, lassen keinen Rückschluß auf sein Verhältnis zu Nietzsche zu.

[3] Sung-Hyun Jang „Nietzsche-Rezeption im Lichte des Faschismus: Thomas Mann und Menno ter Braak“ / Olms-Weidemann 1994 / Seite 64

[4] Es liegt nicht fern, die Hypothese aufzustellen, daß das Nietzsche Bild im dritten Reich anders hätte aussehen können, wenn nicht Bäumler zuerst auf die Verwendbarkeit der Schriften Nietzsches gestoßen wäre, sondern Westernhagen oder Steding auf deren Gefahr für das Regime. Darin zeigt sich auch zum wiederholten male, die Beliebigkeit, mit der zu dieser Zeit mit Nietzsches Schriften umgegangen wurde.

[5] Sung-Hyun Jang „Nietzsche-Rezeption im Lichte des Faschismus: Thomas Mann und Menno ter Braak“ / Olms-Weidemann 1994 / Seite 63

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Der Umgang mit Nietzsche
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Germanistische Fakultät)
Veranstaltung
Hauptseminar Nietzsche und der Expressionismus
Note
1
Autor
Jahr
1997
Seiten
14
Katalognummer
V1810
ISBN (eBook)
9783638111126
Dateigröße
492 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit wurde im Fachbereich Neuere Philologien als Hauptseminar-Hausarbeit abgegeben und von Frau Dr. O. als Sehr gut befunden.
Schlagworte
Nietzsche Nationalsozialismus Antisemitismus
Arbeit zitieren
Soeren Neuperti (Autor:in), 1997, Der Umgang mit Nietzsche, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1810

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