Objektive Bestimmung der äußeren Wirbelsäulenkurvatur in der Sagittalebene bei Patienten mit Bandscheibenprolaps in der Lendenwirbelsäule


Diplomarbeit, 2002

107 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Problemstellung

3 Zielstellung

4 Theoretische Vorbetrachtungen
4.1 Die Form der Wirbelsäule
4.2 Anatomische und funktionelle Grundlagen
4.2.1 Wirbel & Wirbelkörper
4.2.2 Die Zwischenwirbelscheibe
4.2.3 Die Wirbelgelenke
4.2.4 Die Bandsysteme
4.2.5 Die haltungsbeeinflussende Muskulatur
4.2.6 Neuronale Versorgung
4.2.7 Funktionelle Einteilung der Wirbelsäule
4.3 Biomechanik
4.4 Pathomechanismen
4.4.1 Funktionelle Ursachen der Wirbelsäulen-Degeneration
4.4.2 Diskusprotrusion und Diskusprolaps
4.4.3 Spinalkanalstenose
4.4.4 Spondylolisthesis

5 Methodik
5.1 Probanden
5.2 Untersuchungsablauf
5.3 Statistik
5.3.1 Deskriptive Statistik
5.3.2 Analytische Statistik
5.3.2.1 Korrelationen
5.3.2.2 Mittelwertvergleiche

6 Ergebnisse
6.1 Deskriptive Statistik
6.1.1 Habituelle Haltung
6.1.2 Korrigierte Haltung
6.2 Analytische Statistik
6.3 Korrelationen
6.3.1 Korrelationen zwischen Kurvatur-Indices bei habitueller Haltung
6.3.2 Korrelationen zwischen Kurvatur-Indices bei korrigierter Haltung
6.3.3 Korrelationen zwischen Statik-Indices bei habitueller Haltung
6.3.4 Korrelationen zwischen Statik-Indices bei korrigierter Haltung
6.3.5 Korrelationen zwischen Kurvatur- und Statik-Indices bei habitueller Haltung
6.3.6 Korrelationen zwischen Kurvatur- und Statik-Indices bei korrigierter Haltung

7 Diskussion und Schlussfolgerungen
7.1 Die Kurvaturparameter
7.2 Die Kraftmomente
7.3 Korrelationen
7.4 Schlussfolgerungen und Ausblick

8 Literatur

Anhang

1 Einleitung

Nach LARSEN [9,10] besitzen die Wirbelsäulen von Säuglingen eine dreidimensionale umfassende Beweglichkeit. Aus der vollkyphotischen Haltung entwickeln sie mit wachsender Muskelkraft die Fähigkeit, sich gegen die Schwerkraft gerade aufzurichten. Im Kindesalter werden die physiologischen Krümmungen durch Stand und Gang funktionell entwickelt. Die erwähnte Bewegungsfähigkeit der Wirbelsäule ist nach wie vor vorhanden. Das ältere Kleinkind verliert aufgrund von Haltungsstereotypen zunehmend diese Fähigkeit. Die funktionellen Krümmungen festigen sich strukturell. Bandscheiben und Wirbelkörper werden einseitig belastet und schließlich deformiert.

Beim Erwachsenen verschwinden die Fähigkeiten der Becken- und Kopfaufrichtung vielfach und die vorhandenen Krümmungen verstärken sich [10]. „Statische Wirbelsäulendeformitäten sind – auf einen einfachen Nenner gebracht – die Folge der unvollkommenen Auseinandersetzung des Menschen mit der Schwerkraft“ ([10] In: Krankengymnastik 50. Jg. (1998) Nr. 5, 827).

Eine Anzahl von Wirbelsäulenstörungen sind auf gestörte strukturelle und statische Verhältnisse zurückzuführen. Nach LARSEN stehen die Funktion und Struktur in einer Wechselbeziehung – die Funktion formt die Struktur, während diese, optimiert, die Funktion verbessert. Mit der zunehmenden Industrialisierung und Technologisierung und damit verbundener einseitiger Belastung wird die motorische Gesamtkoordination zu wenig gefordert.

2 Problemstellung

Die Beurteilung von konturmetrischen und statischen Merkmalen der Wirbelsäule findet in der Regel durch einen Arzt und/oder Physiotherapeuten statt. Die Einschätzung von Form- und Statikmerkmalen der Wirbelsäule beruht demnach auf subjektiven Erkenntnissen. Der Patient hat wenig Zugang, da er häufig mit Fachbegriffen konfrontiert wird und sich mit der gestellten Diagnose somit passiv zufrieden gibt. Ein eventueller Arzt- bzw. Therapeutenwechsel und damit mögliche abweichende Analysen verwirren zusätzlich.

Auf vorher existierende Form- und Statikprobleme bei bandscheibenbedingten Erkrankungen kann nur vermutend eingegangen werden, da die Wirbelsäule des Patienten erst analysiert wird, wenn die Beschwerden bereits hervortreten.

Weiterhin sind Einteilungen und Schemata verbreitet, die die Vielzahl existierender Typen nicht abdecken. Ein Beispiel sei die Einteilung nach STAFFEL (zit. nach [17]), nach der in Normal-, Flach-, Rund- und Hohlrücken unterteilt wird.

Um Veränderungen der Wirbelsäulenstruktur frühzeitig zu erkennen und ihre eventuelle Progredienz nachzuweisen, sind Messverfahren notwendig. An diese werden folgende Anforderungen gestellt: Reproduzierbarkeit, Vergleichbarkeit und Objektivierbarkeit der Messungen. Der letzte Punkt scheint besonders wichtig, da die Form und Statik der Wirbelsäule häufig unterschiedlich bewertet wird, woraus Kontroversen resultieren [17]. Weiterhin sollte bei präventiver Untersuchung weitestgehend auf Strahlungsbelastung verzichtet werden [17]. Der Einsatz von evaluierten Wirbelsäulenkonturometrieverfahren liegt demnach nahe.

3 Zielstellung

In der folgenden Untersuchung mit dem nicht-invasiven Wirbelsäulenkonturometrieverfahren ORTHOTRONIC-TRIFLEXOMETRIE werden nach dem Vorbild von SCHMIDT [17] Parameter der Wirbelsäulenkontur im Stand erhoben.

Es sollen form- und statikbedingte Ursachen, die für Bandscheibenprolaps u.a. bandscheibenbedingte Wirbelsäulenprobleme im Lendenbereich möglicherweise mitverantwortlich sind, abgeleitet werden. Aus der Datenauswertung sollen Referenzen bestimmt werden, die sich u.U. als typisch für Bandscheibenpatienten erweisen. Die gewonnenen Erkenntnisse werden in einer Datenbank gesammelt und stehen dann nachfolgenden Untersuchungen zur Verfügung.

4 Theoretische Vorbetrachtungen

4.1 Die Form der Wirbelsäule

Im Zuge der evolutionären Aufrichtung bildet sich aus einer ursprünglich vollkyphosierten Wirbelsäule die Lordose im Lendenbereich. Je nach sagittaler Ausrichtung des Beckens erfolgt die davon abhängige individuelle Ausprägung der Lordose [9].

Infolgedessen sind in der Sagittalebene von kaudal nach kranial vier typische Krümmungen zu erkennen: die durch knöcherne Verbindung der Kreuzbeinwirbel starre Sakralkyphose mit nach dorsal konvexer Form, die Lendenlordose mit nach dorsal gerichteter Konkavität, die Brustkyphose mit nach dorsal konvexer Ausrichtung und die nach ventral geformte Halslordose [8].

Einige Krümmungsmerkmale der menschlichen Wirbelsäule sind in folgender Tabelle genannt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

aus LARSEN, CH.: Die S-Form der Wirbelsäule 1997, Tab.3, 20.

4.2 Anatomische und funktionelle Grundlagen

Nach BRUEGER (zit. nach [8]) erfolgt die Unterteilung der Wirbelsäule in einen ventralen und einen dorsalen Pfeiler. Der vordere Pfeiler mit vorwiegend statischer Funktion wird von den Wirbelkörpern und den Bandscheiben gebildet. Dem hinteren Pfeiler aus Gelenkfortsätzen kommt eine mehr dynamische Funktion im Sinne einer Bewegungsführung zu.

Die Wirbelkörper stehen in der nach SCHMORL (zit. nach [8]) vorgenommenen Einteilung für das passive Segment. Das bewegende Segment setzt sich aus Discus intervertebralis, Foramen intervertebrale, den Wirbelgelenken sowie Ligamentum flavum und Ligamentum interspinale zusammen. Als einzelne Bewegungsrichtungen der Wirbelsäule können die Flexion, Extension, Lateralflexion sowie Rotation angegeben werden. Die Bewegungsausmaße sind von der Form der Wirbelkörper, der Dornfortsatz- und Facettenausrichtung abhängig (Abb.2). Die Gelenkfortsätze der Halswirbelsäule sind in der Frontalebene 45° absteigend, die der Brustwirbelsäule am hinteren Wirbelloch frontal gegenüberstehend angeordnet. Somit sind Seitneigung und Rotation in beiden Abschnitten ähnlich gut ausführbar. Die Flexions- und Extensionsbewegung sind jedoch durch den Brustkorb bzw. die Lage der Dornfortsätze eingeschränkt. Die sagittale Ausrichtung der Gelenkfortsätze der Lendenwirbelsäule gestattet in verriegelter Stellung keine übermäßige Rotation, da sich der Drehpunkt nicht im Zentrum sondern am ventralen Rand der Bandscheibe befindet. Seitneigung und Streckung sind relativ frei möglich (Abb.3). Die Flexion wird durch den höheren ventralen Rand der Wirbelkörper beeinträchtigt [12]. Die Lordose wird sozusagen durch die knöchernen Anteile vorgeformt.

In der Sagittalebene besitzt die Lendenwirbelsäule ein Bewegungsausmaß nach ventral von etwa 60°, nach dorsal zirka 35°. Gekoppelt mit der Brustwirbelsäule werden annähernd 105° bzw. 60° erreicht. Mit der Halswirbelsäule sind ungefähr 40° Neigung nach ventral und etwa 75° nach dorsal möglich.

Die Lateralflexion beträgt in der Lenden- und Brustwirbelsäule jeweils um die 20°, in der Halswirbelsäule 35°-40°. Die Rotationsfähigkeit nimmt nach kranial zu. Im lumbalen Abschnitt beträgt sie lediglich 5°, während sie im thorakalen Bereich bei ca. 35° liegt und in der Halswirbelsäule mit 45° bis 50° am höchsten ist.

4.2.1 Wirbel & Wirbelkörper

Ein Wirbel setzt sich grundsätzlich aus Körper, Bogen und einem an diesem befindlichen Dornfortsatz, Quer- und Gelenkfortsätzen zusammen. Letztere teilen den Bogen in einen vorderen (Pediculus) und hinteren Abschnitt (Lamina). Weiterhin enthalten vollständige Wirbel auf Höhe der Gelenkfortsätze beidseitig Querfortsätze.

Der Wirbelkörper, auch Corpus vertebrae, bildet das größte Element des Wirbels. Er hat eine zylindrische mehr breite als hohe Form. Die Grund- und Deckplatte bilden kaudal bzw. kranial den Abschluss des Wirbelkörpers. Zwischen ober-/ unterhalb liegender knöcherner Randleiste dieser Platten und Wirbelkörper befindet sich eine Knorpelschicht. Während der Adoleszenz verwachsen diese Randleisten mit dem Wirbelkörper [8], [11].

4.2.2 Die Zwischenwirbelscheibe

Der Discus intervertebralis bildet die Verbindung zweier Wirbelkörper. Die grobe Einteilung der Zwischenwirbelscheibe erfolgt in den äußeren Faserring (Annulus fibrosus) und den innenliegenden Kern (Nucleus pulposus). Die Zusammensetzung des kollagenen Faserringes aus Chondroblasten/ -zyten, Fibroblasten/ -zyten und fibroblastenähnlichen Zellen, dazu den Proteoglykanen der Matrix, ändert sich von außen nach innen. Ferner offenbaren die Schichten neben dem unterschiedlichen Verhältnis der genannten Bestandteile einen sich ändernden Faserverlauf. Im äußeren Bereich sind die Fasern vertikal und zirkulär ausgerichtet, während zur Mitte hin eine schräg bis horizontale Faserverlaufsrichtung vorherrscht. Der Verlauf spiegelt die Richtung der jeweiligen Faserbelastung wider. Die horizontal ausgerichteten Fibrillen setzen sich Kompressionsbelastungen entgegen, während bei Flexions-, Extensions- und Seitneigung die vertikalen Fasern der bewegungsabgewandten Seite gestrafft werden.

Die schräg sich kreuzenden Fasern nehmen Rotationsbewegungen auf [8], [11]. Über die längsverlaufenden Ligamente (Ligg. longitudinale anterius und posterius) werden die äußeren Schichten versorgt. Der für die Faser- und Matrixsynthetisierung nötige Sauerstoff gelangt somit in diesen Bereich.

Zur Ernährung gelangt im Erwachsenenalter lediglich in Wasser gebundene Glukose durch die Poren der Deckplatten in die Bandscheiben. Bei Druckbelastung wird Flüssigkeit in die Deckplatten gepresst, während bei Ent- oder gar Zugbelastung die Nährstofflösung durch das hohe Wasserbindungsvermögen in die Bandscheibe gelangt (Abb.4). Dieser Wechsel von Hydratation und Dehydratation stellt die Grundlage der Bandscheibenernährung dar [8,11].

Der zu 88% aus Wasser bestehende zentral gelegene Nucleus pulposus ist gefäß- und nervenfrei. Er hat eine annähernd kugelige Form und steht kranial und kaudal mit den Körperendflächen in Kontakt. Wegen dieses Gefüges spricht KAPANDJI von „kugellagerähnlichen Eigenschaften“, da sich die Wirbelkörper gegeneinander sowohl nach ventral, dorsal und lateral kippen als auch axial und translatorisch verschieben lassen. Die Einzelbewegung hat ein relativ geringes Bewegungsausmaß, welches jedoch durch die Summation der Bewegungen wesentlich erhöht wird.

Der Nucleus steht durch die Hydrophilie unter Druck. Dieser richtet sich gegen die ihn seitlich umringenden Fasern des Annulus. Diese halten den unter Druck stehenden Kern wiederum unter Zug. Dieses Gefüge ergibt eine funktionelle Eintracht [7]. Wird

Durch den Kontakt mit den Wirbelkörperendflächen wirken sich ebenfalls Be- und Entlastung auf den Wassergehalt des Kerns aus. Dekompression ermöglicht die Wasserbindung des Kerns; die Höhe der Zwischenwirbelscheibe nimmt physiologisch zu.

Die straffende Funktion der Bänder versagt bei Turgorverlust bzw. Sinterung der Bandscheibe da sie nicht unter der nötigen Vorspannung stehen. Durch die fehlende Sicherung entwickelt sich im betroffenen Segment eine Hypermobilität oder sogar Instabilität [11]. Bei einer dynamischen Instabilität wird der Wirbel kurzfristig beschleunigt; das Segment zeigt geringe unangemessene Bewegungen (ADAMS zit. nach [14]).

Bei übermäßiger Lendenlordose sind die dorsalen Anteile des Faserringes gezwungen, vertikalen Druck aufzunehmen. Eine Kraftumwandlung ist ihnen nicht möglich. Sie werden chronisch komprimiert, überlastet; die Struktur wird zunehmend spröde und rissig [7].

4.2.3 Die Wirbelgelenke

Das Wirbelgelenk (1) bildet nach KAPANDJI [8] den Drehpunkt für ein zweiseitiges Hebelsystem, welches axialen Druck sowohl passiv als auch aktiv aufnimmt und weiterleitet. Die direkte passive Aufnahme (Abb.5) erfolgt durch den Discus intervertebrales (2). Die tiefe autochthone Rückenmuskulatur (3) – auf der anderen Seite des Drehpunktes - reagiert durch Kontraktion aktiv auf achsengerichtete Kompression auf die Wirbelkörper [8]. Auf dieses funktionelle Zusammenspiel wird im Kapitel Biomechanik näher eingegangen.

Zur überwiegend statischen Druckaufnahme dienen nach LASER [11] die frontalen, medialen Gelenkanteile der Wirbelgelenke. Rotationsbewegungen werden durch den hinteren sagittal stehenden Teil abgefangen. Nach funktioneller Beschreibung von HEEL [7] und LARSEN [9] wird jedoch deutlich, dass sich die Gelenkfortsätze der LWS aufgrund ihrer sagittalen Ausrichtung und Form für Stützaufgaben nicht eignen. Der inferiore Gelenkfortsatz würde sich bei Gewichtsübernahme in den kaudalen Wirbelbogen „bohren“; mit voraussichtlichem degenerativen und osteophytischen Reaktionen als Folge.

Die Wirbelgelenke mit ihren Propriozeptoren verfügen über einen bedeutenden Anteil am Erhalt des statiko-dynamischen Gleichgewichts. Die sowohl schnell als auch langsam adaptierenden Rezeptoren reagieren hauptsächlich auf Dehnungsreize. Letztere senden in Gelenks-Neutralstellung gleichfrequente Signale an höhere Schaltzentren. Bei Abweichung von dieser Haltung, also einer Winkelveränderung, ändert sich die Übermittlungsfrequenz zum Schaltzentrum im Rückenmark. Die schnell adaptierenden Rezeptoren senden ihre sensiblen Reize ausschließlich während einer Bewegung mit der ihrer Geschwindigkeit entsprechenden Frequenz.

Der zusätzliche Einfluss von nozizeptiven und auch psychischen Afferenzen bestimmt Haltung und Position der Wirbelsäule mit [11]. LASER spricht in diesem Zusammenhang von einer Vermaschung, die „eine Schaltung verschiedener motorischer und sympathischer Bahnen...“ beinhaltet und „...sich aus dieser Konstellation Einflüsse auf den Muskeltonus des Rumpfes, aber auch anderer Etagen ergeben“ (LASER 1994, 28). Je nach Stellung der Wirbelgelenke werden Reize auf die Muskulatur gesetzt, die der – wenn nötig - Haltungskorrektur dienen.

4.2.4 Die Bandsysteme

Die 24 agilen Segmente stehen durch Bandsysteme untereinander in Verbindung. Neben der sicheren segmentalen Verbindung schützen die Bänder aus überwiegend nicht dehnbaren kollagenen Fasern vor Überlastungserscheinungen. Sie sind durch Spannungszunahme am Ende einer Bewegung in der Lage, Belastungsspitzen aufzunehmen.

Der vordere Pfeiler wird durch das vordere (Lig. longitudinale anterius) und das hintere (Lig. longitudinale posterius) Längsband geführt und passiv stabilisiert. Das vordere Längsband von der Schädelbasis bis zum Sakrum verbindet die Wirbelkörper miteinander, wogegen das hintere über diese hinwegzieht und an den Bandscheiben bzw. oberen Rändern der Wirbelkörper inseriert. Die schräg abwärts verlaufenden Fasern des Ligamentum interspinale verhindern ein Dorsalgleiten des oberhalb liegenden Wirbels. Das Ligamentum supraspinale als dorsale Fortsetzung des Ligamentum interspinale ist im Lendenbereich nur schwach ausgebildet. Indessen existiert im genannten Bereich das kräftige Ligamentum flavum, das die hinteren Teile der Wirbelbögen zweier übereinander stehender Wirbel zusammenhält. Eine analoge Aufgabe übernehmen die Ligamenta intertransversariae , die an den Rippenfortsätzen der Lendenwirbel inserieren.

Das genannte Bandsystem und die faserverstärkte Kapsel sichern durch die Verbindung der Wirbelkörper den umfassenden Wirbelsäulenabschnitt [8].

Die Gelenkkapseln verstärkenden Bandzüge sind mit der flächenhaften Sehne der Lumbalregion direkt verbunden. Dies führt bei Aktivierung der autochthonen Rückenmuskeln zur Stabilisierung im Sinne eines Schutzgürtels [11].

4.2.5 Die haltungsbeeinflussende Muskulatur

Die Muskulatur hat zwei verschiedene Arbeiten zu verrichten: die primäre Bewegungseinleitung, die Erhaltung der Körperbalance und die Sicherung der Gelenke (KLEIN-VOGELBACH 1990, zit. nach [6]). Nach LEWIT besteht die Hauptaufgabe der Antagonisten des Rumpfes und der unteren Extremitäten in der Stabilisierung der aufrechten Haltung durch Koaktivation. Wie PANJABI (zit. nach [13]) nach Untersuchungen am anatomischen Präparat schlussfolgerte, unterstützen ausschließlich die tiefen, monosegmentalen Muskeln die Stabilisation der Wirbelsäule.

LEWIT ist der Meinung, dass ventral die Bauchhöhle inklusive M. transversus abdominis, Beckenboden und Zwerchfell für die Stabilisierung verantwortlich ist, da nur die Festigkeit aller beteiligten Wände die Garantie dafür geben.

BERGMARK (1989) (zit. nach [6]) gliedert in ein globales und lokales System. Die langen, kräftigen Muskeln des globalen Systems inserieren an Becken und Brustkorb; dazu zählen die Gruppe des M. erector spinae, der M. rectus abdominis und die Mm. abdomini obliqui. Sie geben vorwiegend die Kraft für die Primärbewegung und realisieren das Körpergleichgewicht. Die kurzen lokalen Muskeln sind autochthon - M. multifidus und M. transversus abdominis. Sie sind unter den globalen gelegen und ziehen über einzelne Lumbalsegmente. Ihre Aufgabe liegt in der Verstärkung der intersegmentalen Stabilität.

Der stabilisierende Faktor von M. multifidus und M. transversus abdominis wird von CRISCO und PANJABI (1991); WILKE et. al. (1995) u.a. (zit. nach [6]) bestätigt.

Die Atmung unter Beteiligung des Zwerchfells mit ihrem fazilitierenden bzw. hemmenden Effekt auf die Rumpfmuskulatur pausiert kurzzeitig für den Erhalt der Körperstatik [13]. Das bedeutet, die Atmungsfunktion wird für einen kurzfristigen erhöhten Krafteinsatz herabgesetzt.

Die Muskeln, die unter dem Erector spinae zusammengefasst sind, werden auch als autochthone Rückenmuskulatur angegeben. Es bedeutet, dass die darunter aufgeführten Muskeln von den Rami dorsales der Spinalnerven innerviert werden.

Der mediale Komplex des M. erector spinae entfaltet sich beidseitig zwischen den Laminae und den Enden der Dorn- und Querfortsätze entlang. Er wird im Brust- und Lendenbereich von der Fascia thoracolumbalis umhüllt und zusammengehalten. Nach PLATZER [15] erfolgt eine Unterscheidung in den lateral oberflächlichen und den medial tiefen Trakt. Beiden gemeinsam ist das Vorhandensein eines „Geradsystems“ und eines „Schrägsystems“. Das Geradsystem wird von Muskelzügen gebildet, die vertikal zwischen den Dornfortsätzen (interspinal) und den Querfortsätzen (intertransversal) verlaufen. Der laterale Trakt enthält intertransversale und spinotransversale Muskelzüge. Zum transversalen System gehören der M. longissimus und der M. iliocostalis. Der M. longissimus bedeckt den medialen Trakt des M. erector spinae seitlich und reicht demzufolge über die Querfortsätze hinaus. Nach lateral fügt sich der umfängliche M. iliocostalis an. Die Aufgabe der Aufrichtung des Körpers ist beiden Muskeln gleich.

Dem Spinotransversalsystem werden der M. splenius cervicis und der M. splenius capitis zugeordnet. Ihre Funktion besteht einseitig in der Drehung und Neigung des Kopfes zur gleichen Seite. Beidseitig aktiviert verstärken sie die Halslordose [12].

Der mediale Trakt schließt im Geradsystem die Mm. interspinalis, die Mm. intertransversarii sowie den M. spinales ein. Bei doppelseitiger Innervation fungieren alle als Wirbelsäulenstrecker. Einseitig beugen sie die Wirbelsäule in der Frontalebene. Zum Schrägsystem werden die Mm. rotatores, die Mm. multifidi und der ihnen seitlich aufliegende M. semispinalis gezählt. Die genannten Muskeln drehen segmental, wenn sie monolateral innerviert sind. Bilateral innerviert, strecken sie das Segment. Der M. multifidus kontrolliert direkt die Länge, Tiefe und Kompression der Lordose und hat dazu Einfluss auf deren Stabilität [6]. Ferner sichert er nach VLEEMING et al. (zit. nach [6]) den lumbosakralen Übergang und das Iliosakralgelenk. Wie HIDES et al. (zit. nach [6]) feststellten, neigt der M. multifidus als tiefster und medialster Rückenstrecker bei Rückenschmerzsymptomen zur Atrophie auf gleicher Höhe und Seite der Beschwerden. Ein spezielles Aufbauprogramm für diesen Muskel verhindert langfristig ein Wiedererscheinen der Rückenschmerzen bzw. begrenzt deren Ausmaße (HIDES et al.,1996; zit. nach [6]).

Der M. serratus posterior inferior formt die mittlere Schicht. Er steht im lumbalen Abschnitt mit nächstgenanntem in Verbindung. Die äußere Schicht der Lendenregion bildet ausschließlich der M. latissimus dorsi, welcher sich von der Fascia thoracolumbalis von den Dornfortsätzen ausgehend über den hinteren Lendenbereich erstreckt.

Durch ihre tiefen Ansätze sind die Muskeln in der Lage, die Brust- und Lendenwirbelsäule in die Extension zu bewegen. Die Lendenwirbelsäule wird dabei jedoch nicht im Sinne einer Aufrichtung gestreckt, sondern ihre Lordose ähnlich einem Bogen intensiviert [8].

Laut BOGDUK üben die gesamten Rückenstrecker während der aufrechten Haltung „... eine immens große Kompression auf alle lumbalen Segmente ...“ (LASER 1994, 12) aus. Während zwischen L1 und L4 ein Gleiten nach ventral ausgelöst wird, findet diese tendenzielle Verschiebung bei L5 nach dorsal statt (BOGDUK zit. nach [11]).

Die beiden folgenden tiefen Muskeln haben eine ventro-laterale Dimension. Der M. psoas major setzt an den Wirbelkörpern des 1.-4. Lenden- und 12. Brustwirbels sowie den Rippenfortsätzen der Lendenwirbelsäule an. Aufgrund der Lage agiert er hauptsächlich als Hüftbeuger, akzentuiert indessen zugleich die Lordosierung der Lendenwirbelsäule. Der M. quadratus lumborum zwischen 12. Rippe, den Rippenforsätzen des 1.-4. Lendenwirbels und dem Beckenkamm ist an der Seitneigung und Stabilität der Wirbelsäule beteiligt.

Die Muskelbäuche des M. rectus abdominis erstrecken sich in der Frontalebene von 5.-7. Rippe und dem Schwertfortsatz des Brustbeins abwärts zur Symphyse und zum Schambein.

Eine Kräftigung des M. rectus abdominis unterstützt nicht die Stabilität der Wirbelsäule (WOHLFAHRT und JULL 1993, zit. nach [13]). Die seitliche Bauchwand wird innen durch den M. transversus abdominis, mittig durch den M. obliquus internus abdominis und äußerlich durch den M. obliquus externus abdominis gebildet. Der M. transversus arbeitet bei der Bauchpresse und der Ausatmung, indem das Zwerchfell nach oben bewegt wird. Die Mm. obliquii einer Seite wirken bei der Seitneigung als Synergisten und bei der Rotation als Antagonisten [15]. Der M. transversus abdominis als tiefster und schwächster Muskel umfasst korsettartig den Bauch und ist mit der Fascia thoracolumbales verbunden (LACOTE et. al., 1987; zit. nach [6]). Der Muskel gesunder Personen springt bei sämtlichen Bewegungen des Schultergürtels als erster vor den schulterbewegenden Muskeln an. Seine Kontraktion und somit stabilisierende Wirkung bleibt bei Patienten mit chronischen Wirbelsäulenschmerzen aus (HODGES, RICHARDSON und JULL 1996, zit. nach [6], [13]). Die experimentellen Ergebnisse führen zu der Annahme, dass die gesunde Wirbelsäule auf die kommende Belastung durch den M. transversus abdominis `eingestimmt´ wird. Dagegen findet bei Patienten mit Rückenschmerzen die Vorbereitung nicht statt, da der Muskel verspätet oder z.T. erst nach Armbewegung kontrahiert (HODGES und RICHARDSON, 1996; zit. nach [6]).

Ein entscheidender Faktor für die Entstehung von muskulären Dysbalancen sind nach BRÜGGER (zit. nach [11]) Fehlbelastungen der arthromuskulären Strukturen. Die beteiligte Muskulatur wird propriozeptiv beeinflusst. Somit erfolgt in Abhängigkeit der Gelenkstellung je nach Funktion eine Aktivierung oder Hemmung. Voraussetzung für die Beseitigung der Muskeldysbalance ist deshalb die Herstellung der ursprünglichen Position und Funktion des Gelenks. Die Probleme von muskulären Dysbalancen offenbaren sich bei natürlichen Bewegungsabläufen, wie dem Gehen. Das durch verkürzte Hüftbeuger und Rückenstrecker sowie schwache Bauch- und Gesäßmuskulatur gekippte Becken (Abb.6) geht mit einer Hyperlordose der Lendenwirbelsäule einher. Das Hüftgelenk wird ohne nennenswerte Abduktion und Extension unphysiologisch belastet. Der auf die LWS übergegangene Bewegungsspielraum ist erhöht, die Facettengelenke werden zunehmend belastet [11].

Nach LEWIT spielen Triggerpunkte bei der Haltungsrealisation eine entscheidende Rolle. In den tiefen Muskeln verhindern sie schnell koordinierte Reaktionen, die für die bipedale Haltung erforderlich sind. Die statische Ausgleichfunktion muss somit durch die oberflächlichen Muskeln kompensiert werden, was wiederum die Entstehung von Triggerpunkten, Blockierungen u.ä. nach sich zieht.

4.2.6 Neuronale Versorgung

Der Ramus meningeus zweigt nach Austritt der Spinalnerven aus dem Foramen intervertebrale ab und verläuft dann erst wieder zurück in den Wirbelkanal. Er versorgt die schmerzanfälligen Strukturen, wie hinteres Längsband, Knochenhaut, Wirbelgelenkkapseln, die Dura mit sensiblen und sympathischen Fasern und den dorsalen Anulus. Die neuronale Versorgung der Bandscheibe erfolgt ausschließlich im hinteren seitlich-äußeren Drittel. Die Versorgung wird durch die Fasern des Nervus sinuvertebralis des selbigen bzw. ober- und unterhalb liegenden Segmentes übernommen (CAVANAUGH zit. nach [1]).

Nach Abzweigung des Ramus meningeus teilt sich der Spinalnerv in den größeren vorderen und den kleineren hinteren Ast. Der vordere Ast versorgt die ventrale Körperregion und die Extremitäten sensibel, motorisch und sympathisch. Der hintere Ast übernimmt die Versorgung der Haut und der Muskulatur des dorsalen Körperareals. Er verzweigt sich weiter in die äußeren Teile der Gelenkfacette und ihre Kapsel.

Durch Irritation diverser Anteile des Spinalnerven einzeln oder gekoppelt präsentiert sich die Problematik dementsprechend vielseitig. Ist der vordere Teil betroffen, beschreibt der Patient seinen Schmerz ausstrahlend im Bereich des Dermatoms, und/oder es existiert eine Empfindungsstörung in dem Segment entsprechenden Dermatom. Erfolgt hauptsächlich eine Kompression des hinteren Astes, äußert sich der Schmerz im Bereich der Rückenmuskulatur und Facettengelenke, und/oder es treten Sensibilitätsstörungen in den übereinstimmenden dorsalen Hautgebieten auf.

Bei einem Prolaps bzw. einer Protrusion wird der Spinalnerv meist vor Abzweigung der einzelnen Äste gestört, was dann eine Mischung der genannten Symptome zur Folge hat [11].

[...]

Ende der Leseprobe aus 107 Seiten

Details

Titel
Objektive Bestimmung der äußeren Wirbelsäulenkurvatur in der Sagittalebene bei Patienten mit Bandscheibenprolaps in der Lendenwirbelsäule
Hochschule
Universität Potsdam  (Sportwissenschaft)
Note
1,7
Autor
Jahr
2002
Seiten
107
Katalognummer
V18088
ISBN (eBook)
9783638225038
Dateigröße
688 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die vorliegende Arbeit zeigt die Ergebnisse eigens durchgeführter Messungen mit dem Triflexometer - einem nicht-invasivem Wirbelsäulenvermessungsgerät auf. Die Bilder im allgemeinen Teil wurden aufgrund des hohen Speicherplatzes entfernt. Die Downloaddatei enthält zusätzlich eine xls-Datei. Zum Öffnen dieser Datei ist das Programm MS Excel oder der MS Excel Reader erforderlich.
Schlagworte
Objektive, Bestimmung, Wirbelsäulenkurvatur, Sagittalebene, Patienten, Bandscheibenprolaps, Lendenwirbelsäule
Arbeit zitieren
Oliver Hartelt (Autor:in), 2002, Objektive Bestimmung der äußeren Wirbelsäulenkurvatur in der Sagittalebene bei Patienten mit Bandscheibenprolaps in der Lendenwirbelsäule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18088

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