Spanien, der Staat der autonomen Gemeinschaften


Seminararbeit, 2002

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Methodische Betrachtungsweisen
2.1 Die institutionell- funktionalistische und die verfassungsrechtliche Betrachtungsweise
2.2 Die soziologische Betrachtungsweise
2.3 Politikwissenschaftliche Kriterien des Föderalismus

3. Spanien ein föderaler Staat?
3.1 Ein föderalistischer Staat besteht aus mehreren Gliedstaaten, die über ein territoriales Gebiet verfügen
3.2 Es besteht eine rechtliche Garantie der Gliedstaaten
3.3 Die Gliedstaaten müssen mit den drei Gewalten ausgestattet sein
3.4 Die Gliedstaaten haben ausschließliche autonome Kompetenzen und verfügen über finanzielle Mittel um diese auszuüben. Es existiert ein Schiedsgericht, welches beide Ebenen bei Streitigkeiten anrufen können
3.4 Mitwirkung der Glieder an der Willensbildung der zentralen Ebene
3.5 Historische, kulturelle oder andere Interessenszusammenschlüsse der Gliedstaaten
3.6 Regionales politisches Bewusstsein und regionale Parteien der Gliedstaaten
3.7 Identifizierung der Bevölkerung mit dem Zentralstaat

4. Schlussbetrachtung

5. Literaturliste

1 Einleitung

„Der Staat der autonomen Gemeinschaften in Spanien“, so lautet der Titel des Buches von Dieter Nohlen und Josè Juan Gonzáles Encivar. Was verbirgt sich hinter einem Staat der autonomen Gemeinschaften? Sind die autonomen Gemeinschaften gleichzusetzen mit Gliedstaaten eines föderalstaatlich organisierten Systems, oder haben wir es hier nur mit Zugeständnissen des spanischen Zentralstaates zu tun?

Für das Erkenntnisinteresse des Proseminars „Europas Staatsstrukturen im Wandel“ scheint mir diese Frage bspw. im Hinblick auf die Europäische Union von zentraler Bedeutung. Gliedstaaten eines föderalen Systems haben evtl. aufgrund ihrer relativ starken nationalen Stellung Nachteile bei der Berücksichtigung Ihrer Interessen in einer europäischen Gemeinschaft.[1] Des Weiteren ist zu Beobachten das Föderalstaaten sich für ein föderalstaatliches System der Europäischen Union aussprechen. Zentralstaaten wie Frankreich hingen fürchten um Ihre Kompetenzen und plädieren für eine Konföderation.[2] Festzuhalten bleibt, dass sich bei einer zunehmenden Europäisierung für einen Föderalstaat andere Problemstellungen ergeben als für einen Zentralstaat.

Wie verhält es sich also in Spanien? Für die Beantwortung dieser Frage scheint die wissenschaftliche Sichtweise aus der man Spanien betrachtet, entscheidend zu sein. Drei Sichtweisen werden in dieser Arbeit dargelegt und näher behandelt. Es werden zum einen die verfassungsrechtliche- institutionelle und die soziologische Sicht dargestellt. Beide sind aufgrund ihrer Einseitigkeit für eine politikwissenschaftliche Analyse nicht geeignet.

Zum anderen wird die politikwissenschaftliche Sichtweise dargelegt. Diese bindet zwar soziologische und verfassungsrechtliche Fragen in die Analyse ein, die alleinigen Entscheidungskriterien sind diese jedoch nicht.

Vielmehr werden Aspekte wie die politische Kultur sowie die wirtschaftlichen und soziokulturellen Gegebenheiten stärker berücksichtigt. Diese methodischen Kriterien dienen im weiteren Verlauf für die Analyse der Strukturen des spanischen Staates. Hier werde ich zunächst auf die Institutionen und ihre verfassungsrechtlichen Kompetenzen eingehen, um anschließend die soziokulturellen und die historischen Gesichtspunkte aufzuzeigen. Die Analyse der Parteien schließt den dritten Teil dieser Arbeit ab.

Reine Staatstheoretiker werden mir in der Schlussbetrachtung widersprechen, denn ich werde zeigen, dass man aus politikwissenschaftlicher Sicht, Spanien durchaus zu den Föderalstaaten Europas zählen kann. Aufgrund des begrenzten Umfangs können hier nicht alle Aspekte beleuchtet werden. Dennoch werden in dieser Arbeit entscheidende Kriterien aufgezeigt, die ggf. für weiterführende Arbeiten als Grundlage benutzt werden können. Die Literaturauswahl für diese Arbeit setzt sich sowohl aus Quellentexten wie der Verfassung Spaniens, als auch aus Sekundärliteratur deutscher und spanische Autoren sowie Lexika zusammen.

2 Methodische Betrachtungsweisen

Der Föderalismus hat für einen Staat zwei entscheidende Funktionen. Erstens soll eine gewisse Machtaufteilung gegenüber dem Zentralstaat stattfinden und zweitens soll eine relativ heteroge Gesellschaft in einem homogenen Staat integriert werden.[3] Diese Funktionen haben je nach Betrachtungswinkel unterschiedliche Schwerpunkte.

2.1 Die staatstheoretische Betrachtungsweise

Aus rechtlicher Sicht kann man den Begriff Föderalismus nicht definieren. Die Begriffsklärung bleibe Sache des Politischen.[4] Aufgrund dessen beschränken sich Staatstheoretiker auf die Analyse des Bundesstaates, wenn sie von Föderalismus sprechen.

Die staatstheoretische Betrachtungsweise untergliedert sich in zwei Dimensionen, die institutionell- funktionalistische und die verfassungsrechtliche. Diese Ansätze konzentrieren sich auf die Machtaufteilung zwischen Glied- und Zentralstaat. Die rechtlichen Kriterien und deren Priorität sind umstritten. Je nach Rechtsauffassung werden die folgenden Eigenschaften aufgeführt bzw. gewichtet:[5]

- Der Staat muss in territoriale Einheiten unterteilt werden.
- Diese Gliedstaaten sollten ein hohes Maß an Autonomie aufweisen. Legislative, Exekutive und Judikative müssen verfassungsrechtlich garantiert sein.
- Die Gliedstaaten müssen Einfluss auf die Politik des Zentralstaates ausüben können. Dies kann etwa durch eine zweite Kammer im Parlament geschehen, die sich aus Ländervertretern zusammensetzt.
- Es muss eine Art Vermittlungsausschuss vorhanden sein, um Konflikte zwischen dem Zentralstaat und den Gliedstaaten aushandeln zu können.
- Sollte eine Konfliktlösung nicht in o.g. Vermittlungsgremium möglich sein, so bedarf es einer verfassungsrechtlich garantierten Gerichtsbarkeit, die als Schiedsrichter verbindliche Entscheidungen treffen kann.
- Häufig wird eine eigene Verfassung (pouvoir constituant) der Gliedstaaten gefordert.[6]
- Die Gliedstaaten sollten gleichberechtigt sein.

Dieser methodischen Betrachtungsweise steht die soziologisch philosophische Sichtweise gegenüber.

2.2 Die soziologische Betrachtungsweise

Im Gegensatz zum verfassungsrechtlichen Ansatz hat aus dieser Sicht der Föderalismus die Aufgabe, „eine gewisse Einheit mit einer gewissen Vielfältigkeit zu verbinden“.[7]

Im Mittelpunkt stehen nicht verfassungsrechtliche und institutionelle Fragen, vielmehr beschäftigt sich die soziologische Betrachtungsweise mit dem gesellschaftlichen Ordnungsmodell.[8] Bernd Reissert unterteilt diese Sichtweise in zwei Dimensionen, die soziologische- behavioristisch und die sozialphilosophische, deren Kriterien wie folgt zusammengefasst werden können:

- Existenz von autonomen, dezentralen und interaktiven Einheiten, die sich aufgrund von ethischen, religiösen, wirtschaftlichen und oder historischen Gegebenheiten gebildet haben und unterscheiden.
- Geprägt von der katholischen Soziallehre werden gesellschaftliche Aufgaben nach dem Subsidiaritätsprinzip erfüllt.

2.3 Politikwissenschaftliche Kriterien des Föderalismus

Sowohl die staatstheoretische Sichtweise, als auch die soziologische Betrachtung von Föderalismus sind für die heutige Analyse zu einseitig. Betrachtet man bspw. die Bundesrepublik Deutschland unter soziologischen Gesichtspunkten, so könnte die gesellschaftliche Homogenität den Föderalismus nicht widerspiegeln.[9]

Die rechtliche Sichtweise stößt bei den unterschiedlichen Begriffen von Bundesstaat an seine Grenzen. So wird kaum jemand behaupten können, der Bundesstaatsbegriff Art. 20 GG bedeute dasselbe, wie in Art. 2 der österreichischen Verfassung oder gar wie das Bundesstaatsprinzip in den Vereinigten Staaten von Amerika.[10]

Der heutige Föderalismusbergriff sollte sich aus politikwissenschaftlicher Sicht aus beiden Elementen zusammensetzen.

Der politikwissenschaftliche Begriff von Föderalismus ist eng verbunden mit dem des Pluralismus.[11] Pluralismus ist im Allgemeinen definiert durch eigenständige Gruppen, deren verschiedenen Interessen in einem Verband vertreten werden. Diese Interessenvertretungen sind meist organisiert und wirken an dem Verbandswillen mit. Das Ringen um Einfluss erfolgt unter anerkannten Regeln.[12] Im Mittelpunkt der Pluralismustheorie steht dabei der Willensbildungsprozess im Hinblick auf den staatlichen Bereich.

Diese Gruppen oder Verbände können sich mit beliebiger Zielsetzung zusammenstellen. So können sie sich aufgrund von ethischen, beruflichen, religiösen, oder geographischen Interessen begründen. Voraussetzung ist allerdings eine gewisse Autonomie und eine Dauerhaftigkeit der zusammengesetzten Gruppen.[13]

[...]


[1] Vgl. Wolfgang Clement, in: Hesse, Joachim Jens/ Renzsch Wolfgang Föderalstaatliche Entwicklung in Europa Nomos Verlag, Baden- Baden, 1991 S.22 f.

[2] Exemplarisch sind die Europa- Reden von Jochka Fischer Mai 2000 und die von Lionel Jospin im Mai 2001. Fischer spricht sich für ein föderales Europa aus, Jospin hingegen hält ein Staatenbund für angebracht. Vgl. Auswärtiges Amt online Zukunftsdebatten. http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/eu_politik/aktuelles/zukunft/debatte_html Stand 22.02.2002

[3] Vgl. Dieter Nohlen, Lexikon der Politik, Band 3 Die westlichen Länder, Verlag C.H. Beck München 1992, S. 95ff.

[4] Roman Herzog, Art. 20 Abs. 1 Maunz- Düring, Grundgesetz Kommentar, Beck Verlag, München 2001

[5] Hermann- Josef Blanke, Föderalismus und Integrationsgewalt: die Bundesrepublik Deutschland, Spanien, Italien und Belgien als dezentralisierte Staaten in der EG, Berlin Duncker und Humblot, 1991 S.361

[6] Vgl. Herbert Bethge Staatslexikon „Recht, Wirtschaft, Gesellschaft“ Band 1, Freiburg 1985 Sp. 997

[7] Friedrich, D.J. Trend of Federalism in Theorie and Practise, 1968, in Dieter Nohlen, Lexikon der Politik, Band 3 Die westlichen Länder, Verlag C.H. Beck München 1992, S. 98.

[8] Vgl. Livingston, William S. Federalism and Constitutional Change, Clarendon Press Oxford 1956, sowie Ernst Deuerlein, Föderalismus. Die historischen und philosophischen Grundlagen des föderativen Prinzips, Bonn 1972.

[9] Vgl. Rainer- Olaf- Schutze in Dieter Nohlen und José Juan Gonzáles Encinar, Der Staat der autonomen Gemeinschaften in Spanien, Leske + Budrich, Opladen, 1992, S.203.

[10] Vgl. Tobias Heinemann, Der Regionalismus zwischen innerstaatlicher Entwicklung und europäischer Beteiligung. Eine rechtsvergleichende Untersuchung. Wissenschaftlicher Verlag Berlin, 2001, S.28

[11] Vgl. Max Frenkel, Föderalismus und Bundesstaat, Band 1 Föderalismus, Peter Lang AG, Bern 1984, Abs. 195 ff.

[12] Ebdn. Abs. 202 ff.

[13] Ebd. Abs. 204 ff.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Spanien, der Staat der autonomen Gemeinschaften
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Otto-Suhr-Institut)
Note
2,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
22
Katalognummer
V18067
ISBN (eBook)
9783638224871
ISBN (Buch)
9783638645454
Dateigröße
514 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Spanien, Staat, Gemeinschaften
Arbeit zitieren
Joachim Bühler (Autor:in), 2002, Spanien, der Staat der autonomen Gemeinschaften, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18067

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