Warum wählen Arbeiter überdurchschnittlich häufig rechtsextreme Parteien?

Eine vergleichende Analyse


Hausarbeit, 2011

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretische Grundlagen
2.1 Verwendete Begriffe
2.1.1 Arbeiterklasse
2.1.2 Rechtsextreme Partei
2.2 Erklärungsansatz und Hypothesen

3 Datenbasis und Operationalisierung
3.1 Operationalisierung der Klassenzugehörigkeit
3.2 Operationalisierung der wahrgenommenen Prekarität
3.3 Operationalisierung der wahrgenommenen Konkurrenz
3.4 Operationalisierung der Wahl einer rechtsextremen Partei

4 Fallauswahl

5 Deskriptive Befunde und Datenanalyse
5.1 Deskriptive Befunde
5.2 Analyse
5.2.1 Methode
5.2.2 Ergebnisse

6 Fazit

7 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die westlichen Parteiensysteme haben sich seit den 1970er Jahren gewandelt. Sprachen Seymour M. Lipset und Stein Rokkan Ende der 1960er Jahre noch von einem ‚Einfrieren‘ der Parteiensysteme, das sie daran festmachten, dass die Cleavages die Konflikte der 1920er Jahre widerspiegelten (vgl. Lipset/Rokkan 1967), konnte davon bereits ein Jahrzehnt später kaum noch die Rede sein. Im Zuge des von Oskar Niedermayer (2003) bestätigten Auftretens der neuen Konfliktlinie grün libertär/ethnozentristisch autoritär sind neue Parteien entstanden, die auch zügig Erfolge erzielen konnten: ‚Grüne‘ und die ‚Neue Rechte‘. Bei den letzten nationalen Parlamentswahlen waren in zehn der siebzehn Länder Westeuropas1 rechtsextreme Parteien erfolgreicher als grüne Parteien (Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Schweiz)2. Auffällig an den neuen rechtsextremen Parteien ist ihr überdurchschnittlich großer Erfolg bei Arbeitern. Diese wählen häufiger rechtsextreme Parteien als Mitglieder anderer Klassen. In meiner Hausarbeit möchte ich diesem Phänomen nachgehen. Meine Fragestellung lautet also: Warum wählen Mitglieder der Arbeiterklasse häufiger rechtsextreme Parteien als Mitglieder anderer Klassen?

In der Forschung hat diese Frage bereits einige Aufmerksamkeit erhalten, was zu verschiedenen Erklärungsansätzen geführt hat (vgl. Falter 1994, Jaschke 2001, Stöss 2006, Scheuregger/Spier 2007, Oesch 2008, Spier 2010). Da die Erfolge der neuen rechtsextremen Parteien seit ihrem Bestehen kontinuierlich (wenn auch mit periodischen Einbrüchen) zugenommenen haben (Stöss 2006: 549 und eigene aktuelle Berechnungen), weisen Untersuchungen zu diesem Thema eine hohe Relevanz auf. Nur wenn die Motive für die Wahlentscheidung der Arbeiter bekannt sind, kann man darauf reagieren und somit weitere Erfolge rechtsextremer Parteien verhindern.

Ich erhebe nicht den Anspruch, eine umfassende Erklärung für das Wahl verhalten der Arbeiter zu finden, sondern werde Hypothesen testen, die sich lediglich auf die vermutete stärker wahrgenommene ökonomische Prekarität der Arbeiter beziehen. Die Untersuchung ist wie folgt aufgebaut: Im 2. Kapitel gebe ich einen Überblick über die verwendeten Begriffe und stelle den von mir genutzten Erklärungsansatz ausführlich vor. Auch die Hypothesen und Variablen werden hier erläutert. Kapitel 3 befasst sich mit der Datenbasis und der Operationalisierung der Variablen. In Kapitel 4 erläutere ich kurz meine Fallauswahl und nenne die rechtsextremen Parteien der untersuchten Länder. Das 5. Kapitel ist der Darstellung der deskriptiven Befunde und der anschließenden Analyse der Daten gewidmet. Schließlich findet sich in Kapitel 6 das Fazit.

2 Theoretische Grundlagen

2.1 Verwendete Begriffe

2.1.1 Arbeiterklasse

Um den Begriff der Arbeiterklasse erläutern zu können, muss ich zunächst auf das hier verwendete Klassenkonzept selbst eingehen. Zur Wahl stehen die Klassen konzepte von Karl Marx sowie von Max Weber; diese prägen die wissenschaftliche Diskussion über soziale Klassen bis heute. Ich habe mich gegen das Marx‘sche Konzept entschieden, da Marx lediglich von den Klassen Bourgeoisie (Bürgertum) und Proletariat (Arbeiterschaft) ausgeht, für die vorliegende Untersuchung aber eine genauere Differenzierung der Klassenzugehörigkeit zweckmäßig erscheint.

Nach Weber lassen sich Personengruppen verschiedenen Klassenlagen zuordnen. Unter der Klassenlage versteht Weber „die typische Chance 1. der Güterversorgung, 2. der äußeren Lebensstellung, 3. des inneren Lebensschicksals [ ], welche aus Maß und Art der Verfügungsgewalt (oder des Fehlens solcher) über Güter oder Leistungsqualifikationen und aus der gegebenen Art ihrer Verwertbarkeit für die Erzielung von Einkommen oder Einkünften innerhalb einer gegebenen Wirtschaftsordnung folgt“ (Weber 1972: 177).

Als Klasse soll wiederum „jede in einer gleichen Klassenlage befindliche Gruppe von Menschen“ (ebd.) bezeichnet werden. Doch Weber geht noch weiter und unterscheidet Besitzklasse , Erwerbsklasse und soziale Klasse . Von Interesse ist für die vorliegende Untersuchung die Erwerbsklasse , da hier die „Chancen der Marktverwertung von Gütern oder Leistungen [z.B. Arbeitskraft; Anm. d. Verf.] die Klassenlage primär bestimmen“ (ebd.).

Unter Arbeiterklasse verstehe ich die Bevölkerungsgruppe, die berufliche Tätig keiten ausübt, welche nur einen geringen Grad an Bildung voraussetzen und durch Routine gekennzeichnet sind. Da solche Tätigkeiten mit einem eher geringen Ein kommen einhergehen, was wiederum zu einer schlechteren sozialen Lage und ver schlechterten Lebenschancen führt, kann auf eine Eingrenzung nach diesen Kriterien hier verzichtet werden.

2.1.2 Rechtsextreme Partei

Die Bezeichnung der Parteien, die am äußeren rechten Rand des politischen Spektrums einzuordnen sind, wird innerhalb der Politikwissenschaft kontrovers diskutiert: rechtsextreme Partei , rechtsradikale Partei , rechtspopulistische Partei , far right party , right wing party , extreme right party ; dies sind nur einige der in der deutsch und englischsprachigen Literatur am häufigsten verwendeten Begriffe. Doch mit all diesen Begriffen ist meist ein und dieselbe Art von Partei gemeint. Stöss verweist auf vier Merkmale, die allen modernen von ihm als rechtsextrem bezeichneten Parteien gemeinsam sind:

„[1.] Nationalismus, der nicht auf Großmachtbestrebungen oder Expansionismus zielt, sondern auf nationale Identität [ ] [2.] Neorassistische oder wenigstens doch fremdenfeindliche Haltungen [ ] [3.] Wohlstandschauvinismus [ ] [4.] autoritäre [ ] Politik“ (Stöss 2006: 526)

Parteien, die diese Merkmale aufweisen, werden auch von mir im Folgenden als rechtsextreme Parteien bezeichnet. Den im deutschsprachigen Raum ebenfalls häufig zu findenden Begriff rechtspopulistische Partei verwende ich nicht, da Rechts populismus eher den Politikstil rechtsextremer Parteien bezeichnet, als eine eigen ständige Art von Partei (vgl. z.B. Beyme 2010). Alternativ könnte auch der Begriff rechtsradikale Partei Verwendung finden; da dieser Begriff aber zumindest in der wissenschaftlichen Literatur weitgehend synonym zum Begriff rechtsextreme Partei verwendet wird und letzterer in der Literatur häufiger vorzufinden ist, werde ich ebenfalls auf diesen Begriff zurückgreifen.

2.2 Erklärungsansatz und Hypothesen

Es gilt als gesichert, dass rechtsextreme Parteien überdurchschnittlich häufig von Arbeitern gewählt werden (vgl. Spier 2010; Scheuregger/Spier 2010; Stöss 2008; Inglehart 1998). Die Erklärungsansätze sind jedoch weniger eindeutig.

Daniel Scheuregger und Tim Spier erklären in ihrem Aufsatz die Wahl rechts extremer Parteien innerhalb der Arbeiterklasse mithilfe autoritärer psychischer Dispositionen und autoritärer Einstellungen der Mitglieder dieser Klasse (vgl. Scheuregger/Spier 2007). Dabei stützen sie sich auf die These Seymour Martin Lipsets, dass Arbeiter autoritärer seien als andere Gruppen (vgl. Lipset 1959).

Scheuregger und Spier kommen zu dem Ergebnis, dass „sich die überdurchschnittliche Wahl solcher [rechtsextremer; Anm. d. Verf.] Parteien in der Arbeiterklasse zumindest partiell über deren Autoritarismus vermittelt“ (Scheuregger/Spier 2007: 59), wobei in besonderem Maße die autoritären psychischen Dispositionen als für die Wahlentscheidung ausschlaggebend angesehen werden können. (vgl. Scheuregger/Spier: 77) Im Anschluss verweisen sie aber darauf, dass die autoritären Einstellungen und psychischen Dispositionen allein den Erfolg rechtsextremer Parteien innerhalb der Arbeiterklasse nicht erklären können (vgl. a.a.O.: 77 f.).

Bereits fast zwanzig Jahre zuvor wies Ronald Inglehart darauf hin, dass „die neue Rechte Unterstützung bei den finanziell ungesicherten Segmenten der Arbeiterklasse findet“ (Inglehart 1989: 332). Damit ist ein meines Erachtens wichtiger Erklärungsfaktor angesprochen: die prekäre ökonomische Lage von Teilen der Arbeiterklasse. Mein Argument lautet, dass diese prekäre ökonomische Lage der Arbeiter für deren Wahl rechtsextremer Parteien mitentscheidend ist. Nehmen sie war, dass ihr Arbeitsplatz und damit ihre finanzielle Lage bedroht ist, verspüren Arbeiter in höherem Maße als andere Gruppen auf dem Arbeitsmarkt einen Konkurrenzdruck durch Immigranten, da diese meist gerade die Tätigkeiten ausüben, die zum Spektrum der ‚Arbeitertätigkeiten‘ zählen. Die einheimischen Arbeiter glauben dann häufig, dass ‚die Ausländer‘ ihnen ‚die Jobs wegnehmen‘ bzw. die Löhne sinken, weil sie für weniger Geld arbeiten. Rechtsextreme Parteien sind die einzigen Parteien, die die Immigration rigoros stoppen wollen und bilden so einen Anlaufpunkt für diese Arbeiter.

Auch Spier (2010) verwendet eine allgemeinere Form dieses Ansatzes; er testet die These, dass Arbeiter häufiger rechtsextreme Parteien wählen, weil sie zu den Modernisierungsverlierern zählen. Er fasst die Grundaussage der Modernisierungs verlierer Theorie kurz und bündig zusammen: „Gesellschaftliche Modernisierungs prozesse [ ] bringen Gewinner und Verlierer hervor [ ], letztere weisen wiederum eine erhöhte Wahrscheinlichkeit auf, rechtsradikale Parteien und Bewegungen zu unterstützen“ (Spier 2010: 56). Die Theorie beschränkt sich jedoch nicht auf die öko nomischen Faktoren, sondern bezieht sich auch beispielsweise auf psychologische Aspekte. Der in meiner Untersuchung verwendete Ansatz ist dagegen spezifisch auf die ökonomischen Faktoren ausgerichtet. Soll nun anhand dieses theoretischen Ansatzes die überdurchschnittlich häufige Wahl rechtsextremer Parteien durch Arbeiter erklärt werden, muss zunächst eine grundlegende Hypothese formuliert werden, welche die Verbindung zwischen wahrgenommener Prekarität und wahr genommener Konkurrenz herstellt:

H1: Je stärker die subjektiv wahrgenommene Prekarität derökonomischen Lage einer Person ist, desto höher ist bei dieser Person das Ausma ß der wahrgenommenen Konkurrenz zu Immigranten auf dem Arbeitsmarkt.

Außerdem muss eine Hypothese formuliert werden, die den Zusammenhang zwischen wahrgenommener Konkurrenz und der Wahl einer rechtsextremen Partei herleitet:

H2: Je höher eine Person die Konkurrenz zu Immigranten auf dem Arbeitsmarkt einschätzt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Person eine rechtsextreme Partei wählt.

Diese beiden Hypothesen stellen allgemeine Zusammenhänge her, die mithilfe der folgenden Hypothesen für die Arbeiterklasse spezifiziert werden müssen:

H3: Arbeiter haben eher das Gefühl, sich in einer prekärenökonomischen Lage zu befinden als Mitglieder anderer Klassen.

H4: Arbeiter haben eher als Mitglieder anderer Klassen das Gefühl, mit Immigranten auf dem Arbeitsmarkt in Konkurrenz zu stehen.

Aus diesen Hypothesen ergibt sich schließlich:

H5: Arbeiter wählen eher rechtsextreme Parteien als Mitglieder anderer Klassen, da sie eher das Gefühl haben, sich in einer prekärenökonomischen Lage zu befinden und dadurch die wahrgenommene Konkurrenz zu Immigranten auf dem Arbeitsmarkt ausgeprägter ist.

[...]


1 EU 15 einschließlich Norwegens und der Schweiz.

2 Quelle: Eigene Berechnung auf Basis der Daten unter http://www.parties and elections.de/ (abgerufen am 22.07.2011)

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Warum wählen Arbeiter überdurchschnittlich häufig rechtsextreme Parteien?
Untertitel
Eine vergleichende Analyse
Hochschule
FernUniversität Hagen
Veranstaltung
Demokratie und Regieren im Vergleich
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
19
Katalognummer
V180379
ISBN (eBook)
9783656030096
ISBN (Buch)
9783656030485
Dateigröße
516 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
rechtsextremismus, vergleich, arbeiter, klasse, schicht
Arbeit zitieren
Florian Wollenschein (Autor:in), 2011, Warum wählen Arbeiter überdurchschnittlich häufig rechtsextreme Parteien?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/180379

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