Der Meisterbrief - Hoffnung oder Hemmnis des deutschen Handwerks

Eine kritische Würdigung


Diplomarbeit, 2004

151 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Ziel der Arbeit
1.2 Abgrenzung des Handwerksbegriffes

2 Theoretische, rechtliche und inhaltliche Grundlagen
2.1 Historie
2.2 Organisation des Handwerks
2.3 Die Handwerksordnung
2.3.1 Aufbau und Inhalt
2.3.2 Die Handwerksrolle
2.4 Die Meisterprüfung
2.4.1 Zulassungsvoraussetzungen
2.4.2 Aufbau und Inhalt der Meisterprüfung
2.5 Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Handwerks

3 Heutige Rahmenbedingungen des Handwerks
3.1 Globalisierung
3.2 Handwerk in Europa
3.3 Die EU-Osterweiterung
3.4 Schattenwirtschaft und Schwarzarbeit
3.5 Deregulierung in Deutschland
3.6 Der industrielle Sektor
3.7 Finanzsituation in Deutschland
3.8 Zusammenfassende Beurteilung

4 Die retrospektive Betrachtung der Reformanbahnung der Handwerksordnung
4.1 Entstehung der aktuellen Diskussion
4.2 Die Kontrahenten der Diskussion
4.3 Die Argumente im Überblick
4.4 Argumente pro großen Meisterbrief
4.4.1 Sicherung der Qualifikation
4.4.2 AusbilderHandwerk
4.4.3 Verbraucherschutz und Qualitätssicherung
4.4.4 Förderung der Wettbewerbsintensität
4.4.5 Vorbild für Europa
4.5 Argumente contra Meisterbrief
4.5.1 Meisterbrief verstößt gegen die Verfassung
4.5.1.1Die Berufsfreiheit
4.5.1.2lnländerdiskriminierung und Niederlassungsfreiheit
4.5.2 Der Kostenfaktor
4.6 Zusammenfassende Beurteilung der Diskussion

5 Die Novellierung der Handwerksordnung
5.1 Die„großeNovelle“
5.1.1 Aufhebung des Inhaberprinzips
5.1.2 Die Altgesellenregelung
5.1.3 Erneuerung derAusbildungsregelung
5.1.4 Kammerbeitragsbefreiung
5.1.5 Die „kleine“ Novelle
5.2 Mögliche wirtschaftliche und bildungspolitische Auswirkungen der Reform
5.2.1 Angebot und Nachfrage
5.2.2 Preise
5.2.3 Ausbildungsleistung
5.2.4 Meisterprüfung

6 Fazit

Literaturverzeichnis

Gesetzesverzeichnisse und Verordnungen

Internet-Adressen

Anhang XV

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Ausprägungsformen des Handwerks in der Handwerksordnung

Abb. 2: Organigram der heutigen Handwerksorganisation

Abb. 3: Anteil der Handwerksunternehmen an der Gesamtzahl der Unternehmen in Deutschland

Abb. 4: Anzahl der Auszubildenden im Handwerk im Verhältnis zur Gesamtzahl aller Auszubildenden in Deutschland

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Das Handwerk in Europa

Tabelle 2: Differenzen zwischen Deutschland und den „neuen“ EU-Beitrittsländern

Tabelle 3: Pro- und Contra- Argumente der Diskussion

Tabelle 4: Wichtige interne Einflussfaktoren auf den Unternehmenserfolg

Tabelle 5: Überblick über die Änderungen und Neuerungen in der

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Globalisierung und ein rascher technischer Wandel kennzeichnen heute Wirtschaftsländer weltweit. Diese Entwicklung wird in den nächsten Jahren noch beschleunigt werden und den Wettbewerbsdruck untereinander verstärken. Der rasche technische Fortschritt beein­flusst die Wirtschaft weltweit, aber nicht nur positiv. Ständig besteht die Notwendigkeit einer Adaption an sich immer schneller ändernde Rahmenbedingungen.

Der Begriff der Flexibilität hat somit in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen und ist nicht mehr nur ein Kann, sondern ein Muss für jeden Wirtschaftsbereich. Nur wenn eine Branche die Möglichkeit hat, sich permanent anpassen zu können, hat sie eine Chance, in dieser Zeit am Markt zu bestehen.

Starre Institutionen und Gesetze erschweren häufig die erforderliche Adaptionsfähigkeit oder machen sie schlichtweg unmöglich. Diese Tatsache wird aber meistens erst wahrge­nommen, wenn deutliche Wohlfahrtseinbußen spürbar werden.

So ist es auch nicht verwunderlich, dass in Zeiten einer gesamtwirtschaftlichen Krise, von der in unseren Tagen wieder offen gesprochen wird, intensive Ursachenforschung betrie­ben wird. Regelmäßig melden sich in einer solchen Phase Experten zu Wort, die die vor­herrschenden Regulierungen des Staates dafür verantwortlich machen. Diese hindern ein Wirtschaftssystem daran, sich selber zu regulieren, Krisen zu bewältigen und so die Ge­samtwohlfahrt wieder zu maximieren.

Aus diesen Aussagen lässt sich auch der Umkehrschluss ableiten. Kann sich die Wirt­schaft eines Staates nicht mehr selber regulieren bzw. scheint die Wirtschaft zu „lahmen“, dann müssen die Eingriffe in den natürlichen Wirtschaftskreislaufzu massiv sein. Deregu­lierung ist dann das Schlagwort und jede große und starr wirkende Institution wird hinter­fragt und auf ihren Sinn und ihre Zeitmäßigkeit hin geprüft. Organisationen, die auch noch einen Pflichtmitgliedsbeitrag erheben, geraten besonders schnell unter Beschuss. Dabei fällt erst einmal nicht ins Gewicht, welche Leistungen von diesen Einrichtungen erbracht werden.

Eine Institution, die schon oft für eine bestehende wirtschaftliche Krise, wie es aktuell der Fall ist, verantwortlich gemacht wurde, ist die deutsche Handwerksorganisation und mit ihr das Gesetz zur Ordnung des Handwerks (HwO). Sie entspricht auf den ersten Blick einer die Volkswirtschaft „behindernden“ Institution und ist deshalb in der letzten Zeit erneut heftiger Kritik ausgesetzt.

1.1 Problemstellung und Ziel der Arbeit

Die negative gesamtwirtschaftliche Bilanz der letzten Jahre war verantwortlich für die er­neuten heftigen Diskussionen um die HwO.

Neuen Zündstoff erhielt die Debatte Mitte des Jahres 2003 mit der Vorlage eines Entwurfs zur Lockerung der HwO durch das Bundeskabinett am 28. Mai. Dieser Gesetzesentwurf war Grundlage der nun immer hitziger werdenden Gespräche im Bundestag. Nach Einbe­ziehung des Vermittlungsausschusses am 28.November 2003 wurde die Diskussion sach­licher. Am 19.12.2003 beschlossen Bundestag und Bundesrat die Handwerksnovelle 2003, die am 01.Januar 2004 planmäßig in Kraft getreten ist.

Um die Debatte und die aus ihr resultierenden Entscheidungen hintergründig erfassen zu können, möchte diese Arbeit zu Beginn neben der geschichtlichen und organisationellen Entwicklung des Handwerks auch die Bedeutung dieses Wirtschaftszweiges für Deutsch­land verdeutlichen.

Die heutigen Rahmenbedingungen und die gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen, bezo­gen auf das Handwerk, stehen im Mittelpunkt des zweiten Kapitels.

Zentrales Ziel der vorliegenden Arbeit wird es sein, die Diskussion bis zum Beschluss der neuen HwO, die am 01.01.2004 in Kraft trat, chronologisch und inhaltlich aufzuzeigen. Neben einer retrospektiven Betrachtung der einzelnen Entwicklungsschritte wird diese Arbeit versuchen, die Auswirkungen der Novellierung zu erfassen und einen prognosti­schen Ausblick zu geben.

Aufgrund des großen Umfanges des Themengebiets sollen in den einzelnen Punkten der Arbeit nur solche Tatbestände behandelt werden, die für die Themenstellung relevant erscheinen. Zur Vertiefung einzelner Themengebiete sei auf die einschlägig bekannte Literatur ver­wiesen.

1.2 Abgrenzung des Handwerksbegriffes

Die Zuordnung eines Gewerbebetriebes zum Handwerk ist in Deutschland gesetzlich klar geregelt. Nach dem Gesetz zur Ordnung des Handwerks (HwO) ist ein Gewerbebetrieb dann ein Handwerksbetrieb, wenn er in der Handwerksrolle eingetragen ist.

Die Handwerksrolle ist ein Verzeichnis, das alle selbständig tätigen Handwerker der ein­zelnen Kammerbezirke enthält und von der jeweils zuständigen Handwerkskammer zu führen ist.[1]

Des Weiteren muss der Betrieb „handwerksmäßig“ betrieben werden und muss entweder im Verzeichnis der Gewerbe in der HwO aufgeführt sein oder es müssen Tätigkeiten aus­geübt werden, die wesentlich für dieses Gewerbe sind.

Ein weiteres Kriterium, das in der HwO unter § 1 geregelt ist, ist die Tatsache, dass es sich um ein stehendes Gewerbe handeln muss. Eine Definition des Begriffs „stehendes Gewerbe“ ist weder in der HwO noch in der Gewerbeordnung zu finden. Im Allgemeinen versteht man unter einem „stehenden Gewerbe“ einen Betrieb, der von einer gewerbli­chen Niederlassung aus tätig wird, also fest an einem Ort ansässig ist.[2]

Sind die oben genannten Voraussetzungen erfüllt, wird von einem Vollhandwerksbetrieb oder einem handwerklichen Vollbetrieb gesprochen.

Die HwO unterscheidet aber weiterhin zwischen handwerksähnlichen Gewerben, hand­werklichen Nebenbetrieben und Hilfsbetrieben. Zu welcher Erscheinungsform ein hand­werklicher Betrieb zu zählen ist, hängt davon ab, ob er der Regelung für den Marktzugang durch die HwO unterliegt oder nicht.

Einen Überblick über alle genannten Formen, die im Handwerk anzutreffen sind, soll fol­gende Übersicht geben:

Abb. 1 : Ausprägungsformen des Handwerks in der Handwerksordnung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Vgl. Pohl, W. (1995), S.55

Oftmals werden Handwerks- und Industriebetriebe im Volksmund in einem Atemzug ge­nannt und die Begriffe des Industrie - und des Handwerksmeisters scheinen für den Au­ßenstehenden identisch. Das istjedoch nicht richtig.

Während die Industrie ihren Ursprung in der Massenfertigung hat, war das Handwerk stets durch eine kundenindividuelle Einzelfertigung geprägt.

Anders als die Industrie ist das Handwerk geprägt von einer eher geringen Produktions­standardisierung und einem Vertrieb seiner Produkte und Dienstleistungen auf überwie­gend regionalen Märkten bei direktem Kundenkontakt.[3]

Durch die rasche Entwicklung der Technologie ist es der Industrie inzwischen gelungen, auch in Bereiche des Handwerks vorzudringen und gezielter auf einzelne Kundenwün­sche einzugehen.

Auch die in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts aufgekommene Do-it-yourself- Welle, durch die immer mehr Kunden handwerkliche Tätigkeiten in Eigenregie durchführ­ten, förderte die diesen Markt bedienende Industrie in erheblichem Umfang.

Der Handel, der in diesem Markt in Form von Baumärkten und sonstigen Heimwerkerket­ten auftauchte, versorgt bis zum heutigen Tag Kunden mit Werkzeugen und Materialien.[4] Aufgrund der Tatsache, dass die Grenzen zwischen Handwerk und Industrie immer weiter aufgeweicht werden und allmählich verschwimmen, fällt eine Differenzierung zwischen Handwerk und Industrie immer schwerer, was häufig durch ein falsches Meinungsbild zum Ausdruck kommt.

Doch die Entscheidung darüber, ob ein Handwerks- oder ein Industriebetrieb vorliegt, ist nicht nur eine einfache Einteilungssache. Aus ihr begründet sich entweder die Zugehörig­keit zur Industrie- oder Handwerkskammer.

Der gravierendste Unterschied hierbei ist die Tatsache, dass die Selbständigkeit in der Industrie in keinster Weise reglementiert wird, während der Handwerker einen Meistertitel benötigt. Hier setzt die gerade abgeschlossene Reform der HwO an, auf die weiter unten in der Arbeit eingegangen werden soll.

Ist die Zuordnung eines Betriebes strittig, zählt das sogenannte Gesamtbild, also der Ge­samteindruck eines Betriebes.[5]

2 Theoretische, rechtliche und inhaltliche Grundlagen

In diesem Kapitel sollen die Wissensgrundlagen zum heutigen Handwerk vermittelt werden. Diese bilden die Voraussetzung zum ganzheitlichen Erfassen der in dieser Arbeit behandelten Fragestellung. Da nur die Punkte intensiv behandelt werden, die von entscheidender Relevanz für die Themenstellung der Arbeit sind, sei zu einer Ver­tiefung auf die einschlägig bekannte Literatur verwiesen.

2.1 Historie

Dieser Punkt soll die Entwicklung des Handwerks vom frühen Mittelalter bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts beschreiben. Der Inhalt beschränkt sich auf die wichtigsten histori­schen Ereignisse und Entwicklungsschritte. Alle relevanten, zeitlich nachgelagerten Ent­wicklungen werden unter Punkt 2.2 behandelt.

Blickt man zurück in die Geschichte, stellt man sehr schnell fest, dass das Handwerk eng mit der deutschen geschichtlichen Entwicklung verwurzelt war und ist. Erste Hinweise auf zunftähnliche Zusammenschlüsse stammen bereits aus einer Zeit um 1200 vor Christus. Als älteste Branche Deutschlands war und ist das Handwerk immer einer unserer bedeu­tendsten Wirtschaftszweige und kann eine mehr als lange Tradition vorweisen.

Während die Entwicklung der einzelnen Gewerke eine gewisse Kontinuität aufweist, was eine deutsche Besonderheit ist, ist dies bei der Organisation des Handwerks, auf die im folgenden Kapitel näher eingegangen werden soll, nicht der Fall gewesen.[6] In der Literatur wird das Handwerk des Mittelalters häufig als sehr mächtig beschrieben, doch eher das Gegenteil war der Fall.[7] Gemessen an der Gesamtwirtschaft war der Anteil des Handwerks eher gering. Die Mehrheit der Menschen war damals in der Landwirt­schaft tätig. Ein Grund hierfür war sicherlich die Tatsache, dass die Menschen im Mittelal­ter überwiegend als Selbstversorger lebten.[8]

Bis zu Beginn des 12. Jahrhunderts entwickelte sich die Wirtschaft nur sehr langsam. Da praktisch keinerlei Kaufkraft in der Bevölkerung vorhanden war, wurde das Handwerk zu dieser Zeit hauptsächlich für die Reparatur von landwirtschaftlichen Geräten mit Natural­entlohnung herangezogen. Nur sehr wenige Handwerker konnten allein durch die Aus­übung ihres Gewerkes ihren existentiell notwendigen Unterhalt verdienen.[9] Die damals vorherrschende schlechte Auftragslage hemmte das Handwerk zusätzlich in seiner Entfaltung.

Erst mit dem Beginn der mittelalterlichen Kreuzzüge erlebte die Wirtschaft weltweit einen bis dahin nicht gekannten Aufschwung. Die positive ökonomische Entwicklung wurde ab dem 16. Jahrhundert mit der Kolonialisierung durch die Seemächte noch gefördert.

Obwohl die deutschen Länder nicht zu den damaligen Kolonialstaaten gehörten, profitier­ten sie indirekt aber deutlich von dieser Entwicklung. Handels - und Produktionsunter­nehmen schossen aus dem Boden und das bei uns heute noch vorhandene Kreditwesen, begründet durch die Fugger, hielt seinen Einzug.

Zum ersten Mal seit der Entstehung des Handwerks wurde die bis dahin national begrenz­te und eher statisch arbeitende deutsche Wirtschaft von einer bislang unbekannten Dy­namik erfasst. Für das Handwerk bestand nun erstmalig die Notwendigkeit, sich diesen neuen Rahmenbedingungen anzupassen. Durch das damals vorherrschende Zunftwesen, das ausschließlich auf die nationalen Bedürfnisse ausgerichtet war, war eine Adaption praktisch unmöglich.

Mit Beginn des Absolutismus verschärfte sich die Situation für das Handwerkswesen zu­sehends. Sich selbst verwaltende Institutionen, wie das Handwerk, wurden immer weniger toleriert.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts erwuchs dem Handwerk durch die ersten, damals noch staatlich geführten Manufakturen ernsthafte Konkurrenz.

Die rasch voranschreitende Technisierung und die durch sie möglich gewordene Massen­produktion der Fabriken schädigten das bereits äußerst geschwächte Handwerk zusätz­lich.[10]

Die Armutskrise des 19. Jahrhunderts, die man in Geschichtsbüchern unter der Bezeich­nung „Pauperismus“ findet, besiegelte schließlich das Schicksal der noch verbliebenen

Handwerksbetriebe. Die Verelendung breiter Bevölkerungsschichten dieser Zeit wurde vor allem durch die extreme Diskrepanz zwischen rascher Zunahme der Bevölkerungszahl auf der einen Seite und der damaligen schwachen Nahrungsmittelproduktion auf der an­deren Seite verursacht. Die vorliegende Knappheit des Angebotes führte sehr schnell zu einem rasanten Anstieg der Preise, was einen großen Teil der damaligen Kaufkraft ver­schlang. Die Auftragslage des Handwerks stagnierte und blieb dann fast vollkommen aus. [11]

Hoffnung sah die Mehrheit der Regierungen in der Einführung der vollkommenen Gewer­befreiheit, die beginnend 1869 in Preussen, im Jahr 1871 fast auf das gesamte deutsche Reich ausgedehnt wurde.

Daneben wurde auch die bis zu diesem Zeitpunkt vorherrschende Prüfungspflicht abge­schafft.[12] Erklärtes Ziel war es, die Marktkräfte ohne irgendwelche Regulierungen frei walten zu lassen und so die Selbstregulierung des Marktes zu fördern. Die Folgen für das Zunftwe­sen und das gesamte Handwerk waren gravierend. Der Wegfall der Marktzutrittsbarriere, „Meisterbrief“, stellte das gesamte Zunftwesen in Frage. Die einzelnen Zünfte verschwan­den fast überall komplett.[13] Die einzige verbleibende Hürde für das selbständige Tätig­werden im Handwerk war nun nur noch ein Gewerbeschein, der relativ einfach zu erhalten war. Der Markt reagierte auf den Wegfall dieser Beschränkung und eine Vielzahl von „Be­fähigten“ flutete die Handwerksbranche. Bevorzugt wurden dabei Berufe gewählt, die nur einen geringen Eigenkapitalbedarf voraussetzten.

Die starke Zunahme an Konkurrenzunternehmen führte innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes zu einem vollständigen Preisverfall, den sehr viele Handwerksbetriebe nicht überlebten. Viele Handwerker gaben ihren Betrieb auf und versuchten, zur Existenzsiche­rung eine Stellung in einem Industrieunternehmen zu bekommen.

Von diesem Zustrom an äußerst qualifizierten Arbeitskräften profitierte die im Wachstum befindliche Industrie in erheblichem Umfang.

Doch es dauerte nicht lange, bis dieser Zustrom ein abruptes Ende fand. Die wenigen verbliebenen Handwerksunternehmen hatten weder die finanziellen Mittel, noch sahen sie einen Sinn darin, Lehrlinge über ihren eigenen Bedarf hinaus auszubilden. Die aus den Änderungen im Handwerkswesen resultierenden Folgen erfassten somit auch die deut­sehe Industrie. Aufgrund des nun immer stärker fehlenden Fachpersonals konnte der Qualitätsstandard in der Industrie nicht mehr gehalten werden und Deutschland fiel im internationalen Vergleich fast unaufholbar zurück.[14]

Diese Tatsache förderte ein Umdenken in den Regierungskreisen und man erkannte, dass nur ein funktionierendes Handwerk in der Lage war, den benötigten Qualitätsstan­dard bei der Ausbildung zu gewährleisten und die dringend benötigten Facharbeiter be­reitzustellen.

Bereits in den Jahren 1879, 1881, 1884, 1886 und 1887 wurden Novellierungen durchge­führt, die das Ziel verfolgten, die noch vorhandenen Innungen zu stärken und ihnen ihre ursprüngliche Bedeutung wiederzugeben. Den Innungen wurden öffentlich-rechtliche Be­fugnisse in der Lehrlingsausbildung zuerkannt und Handwerker sollten motiviert werden, den bestehenden Innungen beizutreten.[15]

Das 1897 erlassene Handwerksgesetz, dessen Einhaltung durch die 1899 ins Leben ge­rufenen Handwerkskammern kontrolliert wurde, war der Anfang einer neuen Ära des Handwerks.[16] Oberziel des Handwerksgesetzes war es, das Ausbildungsniveau wieder auf ein konkur­renzfähiges Niveau anzuheben.

Der Erlass des Handwerksgesetzes war ein wichtiger Schritt in der Geschichte des deut­schen Handwerks, wie wir es heute kennen. Die Organisation des Handwerks wurde ent­scheidend beeinflusst und eine positive Entwicklung dieses so wichtigen Wirtschaftszwei­ges nachhaltig gefördert. Auch in den neuen Bundesländern, die durch die Wiedervereini­gung der Bundesrepublik Deutschland angegliedert wurden, war die Einführung der da­maligen HwO ein voller Erfolg.[17]

2.2 Organisation des Handwerks

Bereits im 10. und 12. Jahrhundert, also im frühesten Mittelalter, schlossen sich Hand­werksberufe in Zünften, Innungen und Gilden zusammen.[18] Die unterschiedlichen Be­zeichnungen lassen sich durch regionale und kulturelle Unterschiede erklären, wobei der Zunftbegriff am verbreitesten war und deshalb hier Verwendung finden soll. Diesen beruf­lichen Zusammenschlüssen gehörten i.d.R. nur Meister an. Auszubildende und Gesellen mussten sich diesen Einrichtungen unterordnen. Das damalige Zunftwesen überwachte die Qualität der hergestellten Produkte und der erbrachten Leistungen, legte die Preise und Löhne des Handwerks fest und förderte und regelte die Ausbildung des handwerkli­chen Nachwuchses.[19]

Daneben übernahmen die handwerklichen Zünfte aber auch gesellschaftspolitische Auf­gaben. Neben der Fürsorge für ihre Mitglieder war auch das Wohl derer Angehörigen von großer Bedeutung. Da der christliche Glaube zu dieser Zeit das Leben bestimmte, war es selbstverständlich, Notleidende zu unterstützen und so den damaligen Idealen zu ent­sprechen. Das begründete sich schon allein aus der Tatsache, dass ein Sozialstaat, wie wir ihn heute kennen, nicht existierte. Somit stellten die mittelalterlichen Zünfte, neben Familie und Kirche, eine Art soziale Notfallversicherung für ihre Mitglieder dar.[20]

Durch die in Kapitel 2.1 beschriebenen geschichtlichen Entwicklungen wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts von den meisten deutschen Regierungen die Gewerbefreiheit einge­führt. Die Zünfte, die nun keinen Sinn mehr in ihrer Existenz sahen, verschwanden fast vollständig.[21]

Erst mit der Einführung des Handwerksgesetzes im Jahre 1897 begann sich das Hand­werk neu zu organisieren. Zur gleichen Zeit rief der Staat die Handwerkskammern ins Leben, die mit einer Vielzahl von Aufgaben betraut wurden. Neben der Berichterstattung und der Verfassung von Gutachten oblag ihnen das gesamte Ausbildungswesen des Handwerks. Ihre ursprüngliche Hauptaufgabe aber war es, die Einhaltung des Hand­werksgesetzes zu kontrollieren.

Da die Staatskassen, bedingt durch die allgemeinwirtschaftliche Krise, nicht über die not­wendigen geldlichen Mittel verfügten, sollten sich die Handwerkskammern nach Möglich­keit selber finanzieren. Das zur erfolgreichen Bewältigung der gestellten Aufgaben not­wendige Geld sollte vom Handwerk selbst erbracht werden. Aus diesem Grund stattete der Staat die Kammern nicht nur mit den notwendigen, rechtlichen Befugnissen zur Durchsetzung des Handwerksgesetzes aus, sondern er verhängte eine Beitragspflicht unter den Handwerksunternehmen eines jeden Kammerbezirkes. Jeder handwerkliche Betrieb, der in einem Kammerbezirk ansässig war, war somit gezwungen, regelmäßig einen bestimmten Pflichtteil an diejeweils zuständige Handwerkskammer abzutreten.

Der Erlass des Handwerksgesetzes und die Geburtsstunde der Handwerkskammern wa­ren ein absolutes Novum für das damalige Handwerk. Die Kompetenzen und die Ver­pflichtungen, die dem Handwerk gleichermaßen übertragen wurden, waren eine nie zuvor dagewesene Bestätigung für das Handwerk.[22]

Die Innungen, als kleinste Organisationseinheiten, stellten nun die Exekutive vor Ort dar und waren für die eigentliche Umsetzung der Vorgaben in den einzelnen Kammerbezirken verantwortlich. Schnell stellte man fest, dass die Kluft zwischen Handwerkskammern und Innungen zu groß war. Dies änderte sich gegen Ende des ersten Weltkrieges mit der Er­richtung sogenannter Handwerksämter. Diese bildeten eine Art Zwischenebene und schlossen die bestehende Lücke. Erst in späterer Zeit wurden aus diesen Handwerksäm­tern die noch heute existierenden Kreishandwerkerschaften.[23] Der Grundstein für die Handwerksorganisation, wie wir sie heute kennen, war gelegt.

Seit dem Erlass des Handwerksgesetzes im Jahre 1897 nahmen der Organisationsgrad und der Komplexitätsgrad des deutschen Handwerks kontinuierlich zu.

Das Handwerk in Deutschland umfasst heute rund 843.661 Betriebe, in denen ca. 5,4 Millionen Beschäftigte arbeiten.

Die Betriebe haben sich, nach Handwerksbranchen unterteilt, in zusammen 6262 Hand­werksinnungen organisiert, die auf der Kreisebene tätig werden.[24] Einen Überblick über die heutige Organisation des Handwerks soll das nun folgende Or­ganigram liefern.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Organigram der heutigen Handwerksorganisation

In Abbildung 2 werden die Gesamtstruktur und der Aufbau des Handwerks in Deutschland beschrieben. Die linke Säule stellt die gesetzlichen und die rechte Säule die freiwilligen Zusammenschlüsse dar. Die Zuordnung der einzelnen Zusammenschlüsse zu den ver­schiedenen Ebenen wird deutlich.[25]

Grundsätzlich lassen sich in der deutschen Handwerksorganisation vier Ebenen unter­scheiden. Die höchste Ebene stellt die Bundesebene dar, gefolgt von der Landesebene, der Bezirksebene und schließlich der Kreisebene. Des Weiteren unterscheidet man zwei Säulen im Handwerk: die Handwerkskammern und die Zentralverbände. Während die Handwerkskammern Körperschaften des öffentlichen Rechts sind und eine Pflichtmit­gliedschaft für Gewerbetreibene besteht, ist die Mitgliedschaft in den Zentralverbänden freiwillig. Auch ihre Funktionen sind von Grund auf verschieden.[26]

Das Aufgabengebiet der Kammern hat sich über die ursprünglichen Aufgaben hinaus stark erweitert. Die Handwerkskammern kennzeichnet heute ein breites Angebot an Leis­tungen. Neben der betriebswirtschaftlichen und der technischen Beratung stehen sie ihren Mitgliedern auch in rechtlichen Fragen mit Rat und Tat zur Seite. Durch ihr breites Ausbil- dungs- und Fortbildungsangebot bilden sie einen zentralen Baustein des deutschen Bil­dungssystems.

Die heute 55 Handwerkskammern, die sich im deutschen Handwerkskammertag zusam­mengeschlossen haben, vertreten die Interessen des deutschen Handwerks, als Ganzes, gegenüber der Verwaltung und der Politik auf Bundesebene.

Der deutsche Handwerkskammertag, kurz DHKT, hat seinen Sitz in der Regierungs­hauptstadt Berlin.[27]

Die Handwerksinnungen haben sich auf freiwilliger Basis, in einer zweiten Säule, zu 272 Landesfach- bzw. Landesinnungsverbänden zusammengeschlossen, die auf Landesebe­ne tätig sind. Auf Bundesebene sind diese wiederum in 42 Zentralfachverbänden organi­siert, die die fachliche Dachorganisation der einzelnen Innungen bilden.

Diese repräsentieren die spezifischen Interessen eines jeden Handwerkszweiges bzw. Handwerksberufes und führen z. B. Tarifverhandlungen mit den Gewerkschaften. Sie ver­treten somit nicht mehr das deutsche Handwerk als Ganzes, sondern die Interessen eines Handwerkszweiges oder sich fachlich oder wirtschaftlich nahe stehender Gewerke. Wei­terhin gehört es zu ihren Aufgaben, über die angebotenen Dienstleistungen und Produkte der einzelnen Branchen zu informieren.

Die Bundesvereinigung des deutschen Handwerks, kurz BVH, vereint alle Fachverbände des Handwerks. Ihre Aufgabe ist die Vertretung sämtlicher Belange dieser Fachverbände.

Die oberste Instanz des Handwerks bildet der Zentralverband des deutschen Handwerks, kurz ZDH, in Berlin. Er vereint die 55 Handwerkskammern, die 42 Zentralfachverbände sowie sämtliche sonstige Institutionen des Handwerks in Deutschland. Der ZDH vertritt das Handwerk vor dem Bundestag, der Bundesregierung sowie vor sämtlichen sonstigen Organisationen. Um die Interessen des deutschen Handwerks auch vor der Europäischen Union vertreten zu können, betreibt das ZDH seit 1990 ein Büro in Brüssel, das sich seit 1993 im Haus der Europäischen Wirtschaft befindet.[28]

Um eine einheitliche Willensbildung im deutschen Handwerk zu erleichtern, ist der Präsi­dent des ZDH sowohl beim DHKT als auch bei der Bundesvereinigung der Fachverbände Vorsitzender.[29]

2.3 Die Handwerksordnung

Nach einem geschichtlichen Abriss und einer Erläuterung über den Aufbau der HwO sol­len inhaltlich nur die Vorschriften behandelt werden, die für die Themenstellung Relevanz besitzen.

Mit dem 1897 durch die sogenannte Handwerksnovelle eingeführten Handwerksgesetz wurde der Grundstein für die uns heute bekannte HwO gelegt. Mit dem Erlass des Geset­zes wollte der Staat die Ausbildung qualifizierter Fachkräfte durch das Handwerk, die in der Industrie eingesetzt werden sollten, sicherstellen.

Lehrlinge durften fortan nur noch von Personen ausgebildet werden, die erfolgreich eine Gesellenprüfung abgelegt hatten und mindestens 24 Jahre alt waren.

Im Jahre 1908 wurde mit Reichsverordnung zur „Abänderung der Gewerbeordnung“ der „kleine“ Befähigungsnachweis eingeführt. Von nun an musste man zur Lehrlingsausbil­dung eine erfolgreich abgelegte Meisterprüfung vorweisen können, um damit die eigene Qualifikation zu belegen.

In der Handwerksrolle, die mit der Handwerksnovelle vom 11.02.1929 eingeführt wurde, wurden nun erstmalig alle Betriebe eingetragen, die im Einzugsgebiet der jeweiligen Handwerkskammer niedergelassen waren. Die Kammern wurden verpflichtet, dieses Ver­zeichnis zu führen und zu aktualisieren.

Mit der Einführung des „großen“ Befähigungsnachweises am 18.01.1935 wurde diese Regelung noch einmal verschärft. Neben der bereits vorherrschenden Beschränkung in der Ausbildungsregelung kam auch noch eine Beschränkung in der Niederlassungsfreiheit hinzu. Zur Führung eines Handwerksbetriebes war jetzt der Meisterbrief Pflicht.

In den Jahren 1934 und 1935 wurden mit der sogenannten ersten und zweiten Reform alle existierenden Gewerbe, damals noch 125, schriftlich erfasst. Zusätzlich wurden alle Handwerkskammern unter die Aufsicht des Reichswirtschaftsministers gestellt.[30]

Nach der Beendigung des zweiten Weltkrieges sorgten die Siegermächte dafür, dass nur noch solche Regelungen Anwendung fanden, die schon vor 1933 Gültigkeit hatten. Damit sollte verhindert werden, dass nationalsozialistische Ideen Fortbestand hatten.

Der „große Befähigungsnachweis“ bildete dabei eine rühmliche Ausnahme. Obwohl dieser erst im Jahre 1935, zur Hochzeit des Nationalsozialismus, eingeführt worden war, ging man davon aus, dass es sich hierbei nicht um Gedankengut handelte, das seinen Ur­sprung im Nationalsozialismus hatte, sondern um deutsches Handwerksgut.[31]

Die amerikanische Militärregierung distanzierte sich als einzige Siegermacht von dieser Haltung und verbot in den vier Ländern ihres Machtbereichs den „großen Befähigungs­nachweis“. Das Ergebnis war eine schrankenlose Gewerbefreiheit.

Die bestehenden Innungen und Handwerkskammern wurden in der amerikanischen Be­satzungszone nur noch als freiwillige Zusammenschlüsse geduldet.

Die uneinheitliche Behandlung des Handwerks in den einzelnen Besatzungszonen wurde vom neu gegründeten 1. deutschen Bundestag aufgegriffen und man versuchte, wieder zu einer einheitlichen Regelung im Gewerbegesetz zu gelangen.

Der 1950 ins Parlament eingebrachte Fraktionsentwurf der Regierungsparteien CDU, FDP, DP und Zentrum beinhaltete die Aufrechterhaltung bzw. Wiedereinführung des „gro­ßen Befähigungsnachweises“ von 1935. Dieser sollte, wie schon vor Beginn des zweiten

Weltkrieges, die Voraussetzung für das selbständige Tätigwerden in einem Handwerksbe­ruf sein.[32]

Die sich daran anschließenden Verhandlungen wurden auf der Grundlage des vorgeleg­ten Fraktionsentwurfs geführt. Die hohe Kommission, die Zweifel an der Einschränkung der Gewerbefreiheit geäußert hatte, konnte durch die Bundesregierung beschwichtigt werden. Das Bundesverfassungsgericht sollte die bestehenden Zweifel beseitigen, als es am 17.06.1961 die HwO mit dem Grundgesetz für vereinbar erklärte.

Am 24.09.1953 wurde das Gesetz zur Ordnung des Handwerks von allen demokratischen Parteien akzeptiert und trat noch im selben Jahr in Kraft.[33]

Im Laufe der Zeit wurde die HwO immer wieder novelliert. Die Anpassung an geänderte Rahmenbedingungen war dafür ebenso ein Grund wie auch das Bestreben, vorhandene Regulierungen zu relativieren oder abzuschwächen.[34]

Nach einer Vielzahl von Novellierungen, die immer unter inhaltlicher Beibehaltung der Ursprungsfassung durchgeführt wurden, gilt die Fassung vom 28.12.1965 als Basis für die heutige Rechtslage. Zwischen der Fassung von 1953 und 1965 sind als gravierendste Unterschiede die Umsetzung der EWG-Richtlinien über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassungsfreiheit sowie die Einführung der handwerksähnlichen Berufe zu nennen.[35]

Die letzten schwerwiegenden Änderungen der HwO erfolgten mit den Novellierungen vom 1. Januar 1994 und 1. April 1998. Neben einer Erleichterung des Marktzugangs für Exis­tenzgründer wollte man vor allem den neuen Kundenforderungen nach Leistungen aus einer Hand gerecht werden.[36]

Des Weiteren verfolgte man vor allem mit der Novelle von 1994 das Ziel, das Handwerk zu stärken, um eine schnellere Adaption an wirtschaftliche und technologische Rahmenbedingungen zu ermöglichen.

Die ehemals 127 in der Anlage A der HwO aufgeführten Handwerke wurden mit der No­vellierung von 1998 auf 94 reduziert. Sechs der ursprünglich zum Vollhandwerk gehören­den Gewerke wurden in die Anlage В als handwerksähnliche Gewerke übernommen.

Fakt ist, dass die HwO immer wieder an sich ändernde Rahmenbedingungen angepasst wurde und somit nicht als ein starres Konstrukt gelten kann.

2.3.1 Aufbau und Inhalt

Der hier beschriebene Aufbau und der Inhalt der HwO beziehen sich auf die HwO, wie sie bis zum 31.12.2003 Gültigkeit hatte. Dieser bildet die Voraussetzung, um die Verände­rungen der HwO, wie sie seit dem 01.01.2004 Gültigkeit hat, in vollem Umfang erfassen zu können. Viele Vorschriften wurden unverändert in die neue, jetzt gültige HwO über­nommen und sind deshalb nach wie vor aktuell.

Die im Handel erhältlichen Druckversionen zur HwO enthalten neben einer Reihe von Verordnungen auch Auszüge aus dem Berufsbildungsgesetz, kurz BBiG und dem Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit. Trotzdem muss klargestellt werden, dass diese Zu­sätze keine Bestandteile des eigentlichen Handwerksgesetzes sind.

Das Gesetz zur Ordnung des Handwerks lässt sich in fünf große Teile untergliedern:

I. Teil: Ausübung eines Handwerks

II. Teil: Berufsbildung im Handwerk

IV. Teil: Organisation des Handwerks (§52-116)

V. Teil: Bußgeld-, Übergangs- und Schlussvorschriften (§ 117- 129)[37]

Der erste Teil enthält alle wichtigen Vorschriften für die Ausübung eines Handwerks.

So ist nach §1 Satz 1 HwO der selbständige Betrieb eines Handwerks nur gestattet, wenn die natürlichen oder juristischen Personen und Personengesellschaften in der Handwerks­rolle eingetragen sind.[38] Die Funktion der Handwerksrolle und die mit ihr verbundenen Vorschriften sind in der HwO im 2. Abschnitt des ersten Teils geregelt und werden unter Punkt 2.3.2 ausführlich behandelt.

Nach §1 Satz 2 HwO ist ein Gewerbebetrieb dann ein Handwerksbetrieb, wenn er hand­werksmäßig betrieben wird und ein Gewerbe vollständig umfasst. Handwerksmäßig wird ein Gewerbe dann betrieben, wenn es in der Anlage A der HwO erfasst ist oder wenn die ausgeübten Tätigkeiten für dieses Gewerbe wesentlich sind.[39]

Im zweiten Teil der HwO befinden sich alle Vorschriften, die die Berufsbildung im Hand­werk betreffen.

Der §21 der HwO definiert, dass die Voraussetzung zum Einstellen und zur Ausbildung eines Lehrlings der Nachweis der persönlichen und fachlichen Eignung ist. Als Nachweis für die fachliche Eignung in einem Handwerk gilt nach §21 Absatz 3 eine erfolgreich in diesem Handwerk abgelegte Meisterprüfung. Fachlich kompetent ist auch, wer nach §22 Absatz 1 ein erfolgreich abgeschlossenes Hochschulstudium oder einen staatlich aner­kannten Ingenieurschulabschluss besitzt und nachweisen kann, dass er in dem entspre­chenden Handwerk die Gesellenprüfung bestanden hat oder mindestens vier Jahre prak­tisch tätig war.[40]

Der dritte Teil der HwO befasst sich mit der Meisterprüfung und dem Meistertitel.

Die Vorschriften des dritten Teils der HwO werden unter Punkt 2.5 ausführlich behandelt. Die Organisation des Handwerks wird im vierten Teil der HwO beschrieben. Dieser Teil wurde bereits in Punkt 2.2 ausführlich behandelt und soll hier nicht noch einmal aufgegrif­fen werden.

Der fünfte und letzte Teil der HwO enthält sämtliche Bußgeld, Übergangs- und Schluss­vorschriften.

Im §117 der HwO ist in den Absätzen 1 und 2 festgelegt, wann eine Ordnungswidrigkeit vorliegt. Ordnungswidrig handelt, wer selbständig ein Handwerksbetrieb betreibt, ohne in der Handwerksrolle eingetragen zu sein und wer den Meistertitel nicht führt.

Liegt eine Ordnungswidrigkeit in einem der oben genannten Fälle vor, kann nach § 117 Absatz 2 eine Geldstrafe bis zu einem Betrag von 10 000 Euro erhoben werden.[41]

Erweitert wird die HwO durch die Anlagen A bis D.

Die Anlage A der HwO ist eine Auflistung der Handwerke, die selbständig nur mit einem Meisterbrief betrieben werden dürfen. Die Ablegung des großen Befähigungsnachweises ist aber kein Muss, um generell eines der dort aufgeführten Handwerke auszuüben. Die Gewerbe der Anlage A sind in sieben Gruppen unterteilt:

- 1. Gruppe: Bau- und Ausbaugewerbe
- 2. Gruppe: Elektro- und Metallgewerbe
- 3. Gruppe: Holzgewerbe
- 4. Gruppe: Bekleidungs-, Textil- und Ledergewerbe
- 5. Gruppe: Nahrungsmittelgewerbe
- 6. Gruppe: Gesundheits- und Körperpflege sowie der chemischen und Reini­gungsgewerbe
- 7. Gruppe: Glas-, Papier-, keramische und sonstige Gewerbe[42]

In der Anlage B[43] findet man alle Gewerbe, die handwerksähnlich betrieben werden kön­nen, die also nicht Vollhandwerke sind. Auch hier findet man eine Unterteilung der Ge­werbe in sieben Gruppen. Diese können selbständig ausgeübt werden, ohne vorher eine Meisterprüfung ablegen zu müssen.

Die Wahlordnung für die Wahlen der Mitglieder der Vollversammlung der Handwerks­kammern ist in Anlage C zu finden. Diese Anlage soll hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden.

Die Anlage D der HwO, die sich inhaltlich ausschließlich mit der Handwerksrolle beschäf­tigt, wird im nun folgenden Kapitel beschrieben.

2.3.2 Die Handwerksrolle

Der zweite Abschnitt des ersten Teils der HwO enthält sämtliche Vorschriften, die die Handwerksrolle betreffen. Nach § 6 Absatz 1 HwO ist die Handwerksrolle ein Verzeichnis, das jede Handwerkskammer zu führen hat und in das alle selbständigen Handwerker ih­res Bezirkes einzutragen sind. Die Daten, die bei der Eintragung gespeichert werden dür­fen, werden durch § 6 Abs. 1 HwO in Verbindung mit der Anlage D der HwO bestimmt. Die Anlage unterscheidet zwischen natürlichen und juristischen Personen, Personenge­sellschaften und handwerklichen Nebenbetrieben. In der Handwerksrolle werden somit alle Handwerksbetriebe eines Kammerbezirkes dokumentiert. Nach § 6 Abs. 3 und § 4 HwO ist die Handwerkskammer berechtigt, Auskünfte über die eingetragenen Betriebe zu erteilen.[44]

§ 7 Absatz 1 HwO regelt die Voraussetzungen, die zu erbringen sind, um in die Hand­werksrolle eingetragen zu werden. Danach kann nur in die Handwerksrolle eingetragen werden, wer in dem von ihm zu betreibenden oder in einem diesem Handwerk verwand­ten Handwerk die Meisterprüfung erfolgreich absolviert hat.[45]

Eine Eintragung kann auch dann vorgenommen werden, wenn nach § 7 Absatz 2 HwO eine der Meisterprüfung gleichwertige, andere deutsche Prüfung erfolgreich abgelegt wurde. Zusätzlich muss nachgewiesen werden, dass die Gesellenprüfung in dem betref­fenden oder einem diesem Handwerk verwandten bestanden wurde oder eine mindestens 3 jährige Berufserfahrung in diesem odereinem diesem verwandten Handwerk vorliegt.[46]

Die letztendliche Eintragungsentscheidung obliegt der zuständigen Handwerkskammer, die die Eintragung auch praktisch durchführt.[47]

Nach § 7 Absatz 2a kann das Bundesministerium für Wirtschaft durch eine Rechtsverord­nung und mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, dass Personen und Personenge­sellschaften, die eine Meisterprüfung oder eine gleichwertige Prüfung in einem anderen

Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum bestanden haben, in die Hand­werksrolle einzutragen sind.

Eintragungsberechtigt ist auch, wer eine Ausnahmebewilligung für das zu betreibende Handwerk oder für ein diesem Handwerk verwandtes Handwerk vorweisen kann. Eine Ausnahmebewilligung ist nach §8 HwO zu erteilen, wenn die Ablehnung der Eintragung einen Härtefall darstellt.[48] Die für die selbständige Ausübung eines Handwerks erforderli­chen Fähigkeiten und Kenntnisse müssen aber dennoch nachgewiesen werden.

Einem Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaates der Europäischen Gemeinschaft oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens ist eine Ausnahmegenehmigung für ein Gewerbe der Anlage A der HwO, mit Ausnahme der in den Nummern 15 und 63 bis 68 genannten Gewerbe, dann zu gewähren, wenn er die betreffende Tätigkeit in einem ande­ren Mitgliedsstaat ausgeübt hat und dies durch eine für die Behörden des Aufnahmelan­des grundsätzlich bindende Bescheinigung des Herkunftslandes nachweist.[49]

Entscheidend sind hierbei vor allem die Dauer und die Art der Ausübung der Tätigkeit. Die gesetzlichen Regelungen zu diesem Sachverhalt findet man in der HwO im § 9 HwO in Verbindung mit den §§ 1 und 2 EWG / EWR-Handwerk-Verordnung-EWG /EWR HwV.

Für Handwerksberufe, die in der Anlage A der HwO unter den Nummern 63 bis 67 aufge­führt sind, gilt eine abweichende Regelung. Nach § 9 HwO i. V. m. § 3 EWG / EWR- Handwerk-Verordnung-EWG /EWR HwV wird für diese Berufe nur dann eine Ausnahme­bewilligung erteilt, wenn der Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates der Europäischen Gemeinschaft oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäi­schen Wirtschaftsraum, außer in den Fällen des § 8 Abs. 1 der HwO, ein Diplom, Prüf­zeugnis oder einen sonstigen Befähigungsnachweis besitzt, der nach dem Recht der Eu­ropäischen Gemeinschaft anzuerkennen ist.[50]

Wurde eine Ausnahmebewilligung beantragt, wird diese im Falle einer Genehmigung i. d. R. von einer höheren Verwaltungsbehörde erteilt. In einem solchen Fall wird die zuständi­ge Handwerkskammer nur angehört. Diese Regelung befindet sich im Handwerksgesetz unter §8 Abs.3 Satz 1.[51]

Im Normalfall erfolgt die Eintragung in die Handwerksrolle nach §10 Absatz 1 HwO auf Antrag oder von Amts wegen.

Durchgeführt wird die Eintragung von der Handwerkskammer, in deren Bezirk sich der Handwerker gewerblich niederlassen will.

Ein in der Handwerksrolle eingetragener Handwerker hat neben den Rechten, einen Ge­werbebetrieb selbständig führen zu dürfen, Einstellungen vorzunehmen und Lehrlinge auszubilden auch, eine Reihe von Pflichten, denen er nachkommen muss.

Bereits vor der Eintragung ist der Einzutragende nach §17 Absatz 1 HwO verpflichtet, der Handwerkskammer sämtliche geforderte Auskünfte zu geben, die für eine Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen notwendig sind. Diese können sich über die Art und den Umfang des Betriebes hinaus bis zur praktischen und vertraglichen Ausgestaltung des Betriebsleiterverhältnisses erstrecken. Erweitert wird diese Vorschrift durch § 17 Absatz 2 HwO, der die Handwerkskammern berechtigt, zum Zwecke der Prüfung der Eintragungs­voraussetzungen Grundstücke und Gebäude des Auskunftspflichtigen zu betreten und dort Prüfungen und Besichtigungen vorzunehmen.[52]

Die Aufnahme des Handwerksbetriebes muss nach §14 Abs. 1 GewO der für diesen Ort zuständigen Behörde umgehend mitgeteilt werden. Dazu ist die Handwerkskarte, die dem Gewerbetreibenden als Eintragungsbescheinigung erteilt wird, vorzulegen. Die gesetzli­che Regelung hierzu findet man in der HwO unter §10 Abs.2 und §16 Abs.1.

Auch die jeweils zuständige Handwerkskammer ist umgehend vom Beginn der Tätigkeit zu informieren. In bestimmten Fällen können auch die Bestellung und die Abberufung des Betriebsleiters von dieser Vorschrift betroffen sein. Bei der Niederlegung eines Hand­werksbetriebes kommen die gleichen Vorschriften zur Anwendung.

Der bereits in die Handwerksrolle Eingetragene ist ab dem Zeitpunkt der Eintragung ver­pflichtet, an die jeweils zuständige Handwerkskammer einen bestimmten Beitrag abzufüh­ren. Die Beitragshöhe der Mitgliedschaft, die nach §90 Abs. 2 HwO mit der Eintragung in die Handwerksrolle entsteht, wird, wie in §113 Abs. 1 HwO geregelt, von den Handwerks­kammern mit Genehmigung der obersten Landesbehörde festgesetzt.

Bei einer Zuwiderhandlung gegen eine dieser Vorschriften liegt nach den §§117 und 118 HwO eine Ordnungswidrigkeit vor. Folge kann die Verhängung eines nicht unerheblichen Bußgeldes sein oder die zuständige Behörde kann von Amts wegen oder auf Antrag der Handwerkskammer die Fortführung des Handwerksbetriebes untersagen.[53]

Zusammenfassend ist festzustellen, dass Handwerker, die sich mit einem in der Anlage A der HwO aufgeführten Gewerbe selbständig machen wollen i.d.R. nicht an der Ablegung des „großen Befähigungsnachweises“ vorbeikommen.

2.4 Die Meisterprüfung

Bereits zu diesem Zeitpunkt zeigt die Arbeit sehr deutlich, welche enorme Bedeutung dem großen Befähigungsnachweis im deutschen Handwerk zukommt.

Der bisher in der Arbeit schon oft verwendete Begriff des Meisterbriefs, der die Auszeich­nung für eine erfolgreich abgeschlossene Meisterausbildung ist, wurde bisherjedoch nicht weiter erläutert.

Möglicherweise ist bisher eher der Eindruck entstanden, dass es sich bei dem großen Befähigungsnachweis um ein rein wirtschaftspolitisches Instrument handelt, das ganz bewusst von den Handwerkskammern eingesetzt wird, um den Markt zu regulieren. Ob der gewonnene Eindruck der Richtige ist, soll im Laufe der Arbeit erörtert werden. Tatsache ist, dass die sich heute immer rascher ändernden wirtschaftlichen und techni­schen Gegebenheiten es mehr denn je erfordern, sich ständig fortzubilden und weiterzu­entwickeln. Ob die Meisterausbildung einen wichtigen Beitrag dazu leistet, lässt sich erst beurteilen, wenn man sich vor allem inhaltlich mit ihr befasst hat. Die Vermittlung von Grundlagenwissen zum großen Befähigungsnachweis soll den Kern dieses Kapitels bil­den.

Wie in vielen anderen Sektoren, in denen Humankapital durch den gezielten Einsatz von Bildung geschaffen wird, erfolgt auch die Ausbildung im Handwerk dual. Neben einer the­oretischen Ausbildung an Berufsschulen oder an den Lehrinstitutionen der Kammern wer­den Auszubildende zu einem wesentlichen Teil in den ausbildenden Betrieben eingesetzt und so praktisch geschult.

Die Vorteile dieser Art auszubilden sind neben der Kostengünstigkeit die Praxisnähe und die Vielfältigkeit.

In Deutschland erfolgt die Berufsausbildung, also auch die Gesellenausbildung, nach dem dualen System.[54]

2.4.1 Zulassungsvoraussetzungen

Nach §49 Absatz 1 HwO werden die Zulassungsvoraussetzungen geregelt. Demnach sind Gesellen zur Meisterprüfung zuzulassen, die zum Ausbilden fachlich geeignet sind oder über eine mehrjährige Berufserfahrung in dem entsprechenden Handwerk oder in einem diesem verwandten Handwerk besitzen.

Statt der bestandenen Gesellenprüfung kann auch eine entsprechende Abschlussprüfung in einem anerkannten Ausbildungsberuf zur Zulassung berechtigen.

Nach Absatz 2 des gleichen Paragraphen wird beim erfolgreichen Abschluss einer einjäh­rigen Fachschule ein Jahr, beim zuvorigen Abschluss einer zweijährigen Fachschule wer­den zwei Jahre auf die nachzuweisende Berufstätigkeit angerechnet.[55]

2.4.2 Aufbau und Inhalt der Meisterprüfung

Wie bereits in Kapitel 2.3.1 erwähnt, enthält der dritte Teil der HwO sämtliche für die Meis­terprüfung relevanten Vorschriften. Zusätzlich verweist der §50 Absatz 1 der HwO auf eine von der Handwerkskammer mit Genehmigung der obersten Landesbehörde zu er­lassene Meisterprüfungsordnung, die das Zulassungs- und Prüfungsverfahren regelt.[56]

In §46 Absatz 1 HwO ist geregelt, dass die Meisterprüfung nur in einem in der Anlage A der HwO stehenden Gewerbe abgelegt werden kann.

Sinn und Zweck der Meisterprüfung sind im Absatz 2 desselben Paragraphen beschrie­ben. Durch das Ablegen der Prüfung soll die Befähigung des Prüflings festgestellt werden, selbständig einen Betrieb zu führen, Einstellungen vorzunehmen und Lehrlinge ordnungs­gemäß ausbilden zu können.[57]

Des Weiteren ist durch die Meisterprüfung festzustellen, ob der Prüfling in der Lage ist, gängige Tätigkeiten seines Handwerks meisterlich auszuführen und ob er über die gene­rell notwendigen Fachkenntnisse in dem von ihm ausgeübten Handwerk verfügt.

Für die Gewerbe der Anlage A der HwO umfasst die Meisterprüfung nach §1 der Verord­nung über gemeinsame Anforderungen in der Meisterprüfung im Handwerk (AMVO) fol­gende vier Prüfungsteile:

- Teil I: Die Prüfung der meisterhaften Verrichtung der im jeweiligen Handwerk ge­bräuchlichen Arbeiten
- Teil II: Die Prüfung der erforderlichen fachtheoretischen Kenntnisse im jeweiligen Handwerk
- Teil III: Die Prüfung der erforderlichen betriebswirtschaftlichen, kaufmännischen und rechtlichen Kenntnisse
- Teil IV: Die Prüfung der erforderlichen berufs- und arbeitspädagogischen Kenntnis­se

Die vier Teilbereiche sind unabhängig voneinander und bedürfen auch nicht einer be­stimmten Belegungsreihenfolge. Das Absolvieren der Teile unterliegt keiner fristlichen Regelung, dennoch wird den Prüflingen seitens der Handwerkskammern häufig nahe­gelegt, mit den Teilen III und IV zu beginnen, da hier wichtige theoretische Grundlagen vermittelt werden, die die Voraussetzungen für die mehr praktisch orientierten Teile I und II bilden.

Nach §2 Abs. 1 AMVO bestimmen sich die Anforderungen für die Prüfungen, die in den Teilen I und II zu leisten sind, nach den Rechtsverordnungen, die für die einzelnen Gewerbe der Anlage A der HwO erlassen wurden oder nach den weiteren Vorschriften der HwO, die nach den §§ 119 Abs.5, §122 Anwendung finden.[58]

Die Prüfungsanforderungen für die Teile III und IV sind in den §§4 Abs.1 bis 4 und §5 Abs. 1 bis 7 AMVO geregelt.

Wurde jeder der vier Teilbereiche erfolgreich abgelegt, dann gilt die Meisterprüfung nach §2 Abs.1 AMVO als insgesamt bestanden. In Ausnahmefällen kann nach Abs. 2 des glei­chen Paragraphen eine Befreiung von einem dieser Teile vorgenommen werden, was mit dem Bestehen dieses Teils gleichzusetzen ist.

Eine Wiederholung der einzelnen Teilbereiche der Meisterprüfung ist dreimal möglich. (§3 Abs. 1 AMVO) Die Ablegung des Meisterbriefs ist, sollte die Selbständigkeit im ausgeüb­ten Handwerk angestrebt werden, für alle Gewerbe, die in der Anlage A der HwO aufge­führt sind, Pflicht. Für die in der Anlage B der HwO aufgelisteten handwerksähnlichen Gewerbe kann ebenfalls ein Meisterbrief erworben werden, der aber in diesem Fall keine Voraussetzung für die selbständige Handwerksausübung darstellt.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass das Wissen, das in der Meisterausbildung vermittelt wird, zu mindestens 50 Prozent aus Theorie besteht. Ein Geselle, der seit vielen Jahren in einem Handwerk tätig ist und in dieser Zeit vor allem Erfahrungen sammeln konnte, mag die Behauptung aufstellen können, dass die ihm in den Teilen I und II der Meisterausbildung vermittelten praktischen Fähigkeiten kein Novum aufzeigen. Die in den Teilen III und IV vermittelten theoretischen Grundlagen, die aus meinem Verständnis als angehender Betriebswirt die wohl entscheidenderen für ein langfristiges Überleben in der Selbständigkeit sind, werden in dieser Detailliertheit aber nur in der Ausbildung zum Handwerksmeister vermittelt. Trotz aller Kritik nahmen im Jahr 2002 im gesamten Bun­desgebiet 26.673 Handwerkerinnen und Handwerker an der Meisterprüfung teil und 81,2 % schlossen diese erfolgreich ab. Der Frauenanteil an den Meisterprüflingen ist mit 14,4 % im Jahr 2002 zwar eher gering, trotzdem ist er seit Anfang der neunziger Jahre kontinu­ierlich gestiegen.[59]

2.5 Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Handwerks

In diesem Punkt soll die Bedeutung des Handwerks aus gesamtwirtschaftlicher Sicht be­trachtet und durch aktuelle statistische Daten belegt werden. Die Feststellung der quanti­tativen Stellung des deutschen Handwerks wird jedoch durch eine Vielzahl von Punkten erschwert. Neben der Schwierigkeit, das Handwerk exakt abgrenzen zu können, ist ein Abgleich der Handwerksdaten mit denen der Gesamtwirtschaft nur schwer möglich. Ver­antwortlich dafür ist die Verwendung von verschiedenen Basen und die schlechte Erfas­sung des Handwerks in der amtlichen Statistik, denn das Handwerk wird in ihr nicht ge­sondert ausgewiesen. Trotz dieser Problematiken soll versucht werden, eine statistische Betrachtung durchzuführen.[60] [61]

Die Bedeutung des Handwerks aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ist ungebrochen groß. Die enorme Vielzahl an kleinen und mittleren Handwerksbetrieben, die eine riesige Band­breite von Tätigkeitsfeldern abdeckt, bildet bis zum heutigen Tag das Rückgrat der deut­schen Wirtschaft. Das Handwerk ist dabei nicht auf einen bestimmten Sektor beschränkt, sondern lässt sich nahezu in jedem Wirtschaftsbereich finden. Kennzeichnend für das Handwerk ist die Tatsache, dass es ganz verschiedene heterogene Funktionen wahr­nimmt.

In Deutschland waren zum 31.12.2003 846.588 in der Handwerksrolle eingetragene Be­triebe gemeldet. Diese Zahl setzt sich aus 662.702 Vollhandwerksbetrieben einschließlich handwerklicher Nebenbetriebe und 183.886 handwerksähnlichen Gewerben zusammen. 61Gemessen an der Gesamtzahl aller Unternehmen in Deutschland, die zum 31.12.2003 2.920.983 betrug, beträgt der Anteil der Vollhandwerksunternehmen somit 22,7%. Die handwerksähnlichen Unternehmen werden in dieser Betrachtung nicht erfasst, da diese unselbständige Einheiten sind.[62] Die Abbildung 3 verdeutlicht den oben beschriebenen Sachverhalt.

[...]


[1] Vgl. Aberle (1999), Die deutsche HwO §6)

[2] Vgl. Gesetz zur Ordnung des Handwerks (2001) §1)

[3] Vgl. Klemmer, Schrumpf (1999), Der große Befähigungsnachweis im deutschen Handwerk, S.25

[4] Vgl. Albach (1992), Deregulierung des Handwerks, S.9

[5] Vgl. Albach (1992), Deregulierung des Handwerks, S.87

[6] Vgl. Ax (1997), Das Handwerk der Zukunft: Leitbilder für nachhaltiges Wirtschaften, S.61

[7] Vgl. König (2003), Handwerk-Aspekte aus Geschichte und Gegenwart, S.2

[8] Vgl. Ax (1997), Das Handwerk der Zukunft: Leitbilder für nachhaltiges Wirtschaften, S.61

[9] Vgl. Otto (1913), Das deutsche Handwerk in seiner naturgeschichtlichen Entwicklung, S.82

[10] Vgl. König (2003), Handwerk-Aspekte aus Geschichte und Gegenwart, S.4

[11] Vgl. König (2003), Handwerk-Aspekte aus Geschichte und Gegenwart, S.5

[12] Vgl. Ax(1997), Das Handwerkder Zukunft: Leitbilder für nachhaltiges Wirtschaften, S.63

[13] Vgl. Ax (1997), Das Handwerk der Zukunft: Leitbilder für nachhaltiges Wirtschaften, S.62

[14] Vgl. König (2003), Handwerk-Aspekte aus Geschichte und Gegenwart, S.6

[15] Vgl. Honig (1994), Der große Befähigungsnachweis und die Einheitlichkeit der handwerklichen Berufsbilder, S.7

[16] Vgl. Ax(1997), Das Handwerkder Zukunft: Leitbilder für nachhaltiges Wirtschaften, S.63

[17] Vgl. Buschmann/Golembiewski (2003), Kooperation im Handwerk mit Blick auf die EU-Osterweiterung, Institut für Mittelstandsforschung der Universität Mannheim, S.13 ff.

[18] Vgl. Pohl (1995), Regulierung des Handwerks - eine ökonomische Analyse, S.24 ff.

[19] Vgl. Bauernfeind (2000), 100 Jahre Handwerkskammer Mittelfranken, S.38

[20] Vgl. König (2003), Handwerk-Aspekte aus Geschichte und Gegenwart, S.3

[21] Vgl. Ax(1997), Das Handwerkder Zukunft: Leitbilder für nachhaltiges Wirtschaften, S.62

[22] Vgl. König (2003), Handwerk-Aspekte aus Geschichte und Gegenwart, S.7

[23] Vgl. König (2003), Handwerk-Aspekte aus Geschichte und Gegenwart, S.8

[24] Vgl. Bauernfeind (2000), 100 Jahre Handwerkskammer Mittelfranken, S.38

Vgl. www.zdh.de/servlet/ContentServer?pagename=zdh/RenderPage&pageid=1032377732834 (09.12.03)

[26] Vgl.www.zdh.de/servlet/ContentServer?pagename=zdh/RenderPage&pageid=1032377732834 (12.11.03)

[27] Vgl.www.zdh.de/servlet/ContentServer?pagename=zdh/RenderPage&pageid=1032377732834&docid=1032 3586583238 (12.11.03)

[28]

Vgl.www.zdh.de/servlet/ContentServer?pagename=zdh/RenderPage&pageid=1032358503217&docid=10323 58533274 (12.11.03)

[29] Vgl.www.zdh.de/servlet/ContentServer?pagename=zdh/RenderPage&pageid=1032358503430&docid=1032 358658197 (23.01.04)

[30] Vgl. Albach (1992), Deregulierung des Handwerks, S.65

[31] Vgl. Albach (1992), Deregulierung des Handwerks, S.66

[32] Vgl. Albach (1992), Deregulierung des Handwerks, S.65

[33] Vgl. Albach (1992), Deregulierung des Handwerks, S.66

[34] Vgl. Fredebeul-Krein, Schürfeld (1998), Marktzutrittsregulierungen im Handwerk, S.37

[35] Vgl. Albach (1992), Deregulierung des Handwerks, S.66

[36] Vgl. Buschmann/Golembiewski (2003), Kooperation im Handwerk mit Blick aufdie EU-Osterweiterung, S.14

Vgl. Gesetz zurOrdnung des Handwerks (HWO) (2001), S.11/12

[38] Vgl. Meyer, Diefenbach (2001), HwO und Europäische Union: Ausländer-/Inländerdiskriminierung, Ludwig- Fröhler-Institut für Handwerkswissenschaften, München 2001, S.9

[39] Vgl. Gesetz zurOrdnung des Handwerks (HWO) (2001), S.13

[40] Vgl. Gesetz zur Ordnung des Handwerks (HWO) (2001), S.22-34

1 Vgl. Gesetz zur Ordnung des Handwerks (HWO) (2001), S.61

[42] Vgl. Anlage 1, Anlage Ader HwO (gültig bis 31.12.03)

[43] Vgl. Anlage 2, Anlage B der HwO (gültig bis 31.12.03)

[44] Vgl. Meyer, Diefenbach (2001), HwO und Europäische Union: Ausländer-/Inländerdiskriminierung, Ludwig- Fröhler-Institut für Handwerkswissenschaften, München 2001, S.9 u. 10

[45] Vgl. Meyer, Diefenbach (2001), HwO und Europäische Union: Ausländer-/Inländerdiskriminierung, Ludwig- Fröhler-Institut für Handwerkswissenschaften, München 2001, S.10

[46] Vgl. Gesetz zurOrdnung des Handwerks (HWO) (2001), S.16

[47] Vgl. Meyer, Diefenbach (2001), HwO und Europäische Union: Ausländer-/Inländerdiskriminierung, Ludwig- Fröhler-Institut für Handwerkswissenschaften, München 2001, S.10

[48] Vgl. Albach (1992), Deregulierung des Handwerks, S.67

[49] Vgl. Verordnung über die für Staatsangehörige der Mitgliedsstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemein­schaft oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum gel­tenden Voraussetzungen der Eintragung in die Handwerksrolle (EWG/EWR-Handwerk-Verordnung- EWG/EWR HwV) vom 04.08.1966 (BGBl.l S.469), zuletzt geändert Art. 4 des Gesetzes vom 25.03.1998 (BGBI.I S. 596, 605); berichtigt am 28.Januar 1999 (BGBl.l S.160)

[50] Vgl. Gesetz zurOrdnung des Handwerks (HWO) (2001), S.18

[51] Vgl. Meyer, Diefenbach (2001), HwO und Europäische Union: Ausländer-/Inländerdiskriminierung, Ludwig- Fröhler-Institut für Handwerkswissenschaften, München 2001, S.10

[52] Vgl. Gesetz zur Ordnung des Handwerks (HWO) (2001), S.20

[53] Vgl. Meyer, Diefenbach (2001), HwO und Europäische Union: Ausländer-/Inländerdiskriminierung, Ludwig- Fröhler-Institut für Handwerkswissenschaften, München 2001, S.12/13

[54] Vgl. Kucera, Strathenwerth (1990), Deregulierung des Handwerks, S.42

[55] Vgl. Gesetz zur Ordnung des Handwerks (HWO) (2001), S.37

[56] Vgl. Anlage 6, Verordnung über gemeinsame Anforderungen in der Meisterprüfung im Handwerk (AMVO) vom 18.Juli 2000

[57] Vgl. Gesetz zur Ordnung des Handwerks (HWO) (2001), S.35

[58] Vgl Anlage 6, Verordnung über gemeinsame Anforderungen in der Meisterprüfung im Handwerk (AMVO) vom 18.Juli 2000

[59] Vgl. www.zdh.de/servlet/ContentServer?pagename=DownloadServer&id=1032358522621 (04.02.04)

[60] Vgl. Zentralverband des deutschen Handwerks (2003). Handwerk 2003, S.24

[61] Vgl. www.zdh.de/servlet/ContentServer?pagename=zdh/templates/Druckansicht&cid=13765.html (12.04.04)

[62] Vgl. Müller (2002), Das Handwerk in der amtlichen Statistik - Bestandsaufnahme und Verbesserungsmög­lichkeiten, S.3

Ende der Leseprobe aus 151 Seiten

Details

Titel
Der Meisterbrief - Hoffnung oder Hemmnis des deutschen Handwerks
Untertitel
Eine kritische Würdigung
Hochschule
Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg  (Fachbereich Betriebswirtschaftslehre)
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
151
Katalognummer
V180145
ISBN (eBook)
9783656030997
ISBN (Buch)
9783656031239
Dateigröße
1668 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
meisterbrief, hoffnung, hemmnis, handwerks, eine, würdigung
Arbeit zitieren
Holger Rekow (Autor:in), 2004, Der Meisterbrief - Hoffnung oder Hemmnis des deutschen Handwerks, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/180145

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