Die amerikanische Bundesverfassung und die Reform der Europäischen Union


Hausarbeit, 2008

23 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Die amerikanische Bundesverfassung und die „Federalist Papers“
2.1 Entstehung der amerikanischen Bundesverfassung
2.2 Gewaltenteilung der amerikanischen Bundesverfassung
2.3 Eine erfolgreiche Verfassungsgebung!

3. Die Reform der Europäischen Union

3.1 Vom Verfassungsvertrag zum Vertrag von Lissabon

3.2 Gewaltengliederung der EU

3.3 Eine erfolgreiche Reform?

4. Die amerikanische Bundesverfassung und die Reform der EU
4.1 Der Verfassungsgebungsprozess
4.2 Nationale Gewaltenteilung und übernationale Gewaltengliederung
4.3 Vorteile und Nachteile für den Erfolg oder Misserfolg

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Aber was ist die Regierung, wenn nicht die größte aller Betrachtungen des menschlichen Wesen? (...) Wenn die Menschen Engel wären, wäre keine Regierung notwendig.“

(James Madison in den „Federalist Papers“)

Deshalb sind wir immer wieder gefordert, neue Pläne zur Gewährleistung des menschlichen Zusammenlebens zu entwickeln. Die Vereinigten Staaten von Amerika waren in ihrer Verfassungsrevolution erfolgreich: nämlich die Schöpfung einer Nation durch eine Bundesverfassung. (Adams 1987: 1) Eine revolutionäre Reform der Europäischen Union scheiterte jedoch mit dem Vertrag über eine Verfassung für Europa und mit dem Vertrag von Lissabon.

Die folgende Hausarbeit versucht einen Vergleich der USA damals und Europa heute, indem erstens eine Analyse der Verfassungs- bzw. Vertragsgebungsprozesse durchgeführt wird. Zweitens werden die nationale Gewaltenteilung in den „Federalist Papers“ der amerikanischen Bundesverfassung und die übernationale Gewaltengliederung der Europäischen Union zuzüglich ausgewählter Neuerungen der vorerst gescheiterten Reformverträge dargestellt.

Drittens werden zuallerletzt positive und negative Faktoren, die den Erfolg der amerikanischen Verfassungsgebung und den Misserfolg der europäischen Reform beeinflussten, miteinander verglichen. Denn vielleicht hätten wir heutigen Europäer von den damaligen Amerikanern lernen können.

2. Die Amerikanische Bundesverfassung und die „Federalists Papers“

In diesem Kapitel werden, nach einem kurzen historischen Abriss zur Entstehung der amerikanischen Bundesverfassung, die „Federalist Papers“ mit Schwerpunkt auf ihr Prinzip der Gewaltenteilung vorgestellt. Anschließend werden in einem dritten Schritt Faktoren angeführt, die sich positiv oder negativ auf die Verfassungsgebung ausgewirkten.

2.1 Entstehung der amerikanischen Bundesverfassung

Die amerikanischen Staaten entsandten im Jahre 1787 Delegierte zu einem Konvent nach Philadelphia, der unter dem Vorsitz George Washingtons vom 25. Mai bis 17. September mit Verfassungsreformen die 1781 ratifizierten Konföderationsartikel überarbeiten sollte. Die 55 Delegierten des Verfassungskonvents in Philadelphia ersetzten jedoch 1787 die „Articles of Confederation“ durch eine neue Verfassung, um eine handlungsfähige Regierung zu konstruieren, die die künftigen nationalen Herausforderungen bewältigen konnte. (Heideking/ Sterzel 2007: 50)

Am 17. September 1787 wurde der Verfassungsentwurf schließlich einstimmig angenommen, was im Juni 1788 zur Annahme der Verfassung durch Ratifizierungskonvente in den Staaten führte und im Dezember 1791 zum Inkrafttreten der „Bill of Rights“. (Heideking/ Sterzel 2007: 54)

2.2 Gewaltenteilung in der amerikanischen Bundesverfassung

Die „Federalist Papers“ bezeichnen 85 Zeitungsartikeln, die von Oktober 1787 bis August 1788 in drei New Yorker Zeitungen unter dem Kollektivpseudonym „Publius“ erschienen sind. Dieses gemeinschaftliche Werk von Alexander Hamilton (1755-1804), John Jay (1745-1828) und James Madison (1751-1836) warb für die Ratifizierung der zukünftigen Verfassung für eine amerikanische Union, indem das neue Verfassungssystem gerechtfertigt wurde, um vor allem den Ratifizierungskonvent in New York zu überzeugen.(Adams 1987: 388) Der wichtigste Kernpunkt der „Federalist Papers“ ist ein Bundesstaat mit vertikaler und horizontaler Gewaltenteilung, wobei sich am Gewaltenteilungskonzept von Montesquieu orientiert wird. (Bevc 2007: 223)

Die horizontale Gewaltenteilung konzipiert sich aus institutioneller Gewaltentrennung und funktionaler Gewaltenverschränkung zwischen den drei Gewalten: Legislative, Exekutive und Judikative. Das komplexe System der „checks and balances“ erschwert durch gegenseitige Kontrolle und der Herstellung eines Gleichgewichts das Streben jeder einzelnen Gewalt, ihre eigene Macht stetig zu erweitern. (Bevc 2007: 226) Durch die Sicherung des eigenen Willens der Gewalten entstehen rivalisierende Interessen im politischen System, wodurch privates Interesse und persönliche Motive zum Wächter des öffentlichen Rechts werden, d.h. „Machtstreben muss Machtstreben entgegenwirken“. (Adams 1987: 403)

Angesichts der Erfahrungen mit den Staatenparlamenten musste vor allem eine legislative Übermacht durch eine Stärkung der Exekutiven und Judikativen verhindert werden. (Heideking/ Sterzel 2007: 51) Die Exekutive, der Präsident, besitzt daher ein eingeschränktes Vetorecht gegenüber Gesetzen der Legislative, dem Kongress. Damit die „starke“ Legislative geschwächt und die „schwache“ Exekutive gestärkt wird. (Adams 1987: 405) Anfang des 19. Jhdt. erhielt die Judikative, der Oberste Gerichtshof, durch das Verfahren der Normenkontrolle das Recht auf die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen. (Heideking/ Sterzel 2007: 52)

Das föderale System konstruiert eine vertikale Gewaltenteilung, die einerseits eine Vereinigung einer Mehr- oder Minderheit auf bundesstaatlicher Ebene erschweren soll, deren gemeinsames Interesse dem Gemeinwohl widersprechen könnte (Bevc 2007: 224), und die andererseits zwei separate Regierungssysteme beinhaltet, wodurch die Gewalt zwischen den einzelstaatlichen Regierungen und der bundesstaatlichen Regierung aufgeteilt wird. Durch die gegenseitige Kontrolle der separaten Regierungen und deren jeweilige interne Kontrolle entsteht eine „doppelte Sicherheit“ für das Volk. (Bevc 2007: 227) Durch den Wechsel vom konföderativen zum bundesstaatlichen System ist der neue Kongress im Gegensatz zum vorherigen Konföderationskongress zur Gesetzgebung ermächtigt. Seine Gesetze sind das höchste geltende Recht, „supreme law of land“, um die Sicherung der Freiheit und des Wohlstands der Individuen zu gewährleisten. (Heideking/ Sterzel 2007: 51)

Die Repräsentation im Kongress stellt einen Kompromiss zwischen „großen“ und „kleinen“ Staaten dar: Die Gliederung des Kongresses in Repräsentantenhaus, dessen Abgeordnete ihre legitime Macht über eine direkte Wahl durch das amerikanische Volk für 2 Jahre erhalten, und in Senat, dessen Senatoren ihre legitime Macht für 6 Jahre auf der Bestimmung durch die Staatenparlamente als gleichberechtigte Einheiten empfangen (Heideking/ Sterzel 2007: 52), bewirkt, dass das Regierungssystem einerseits national und nicht föderal, andererseits jedoch föderal und nicht national ist. (Bevc 2007: 224, 225)

Ein weiterer wichtiger Gedanken der Federalist Papers bildet in diesem föderalen Konzept aber auch das Subsidiaritätsprinzip, „nach dem (alles) (...) auf der Ebene geregelt werden soll, wo es am besten geregelt wird.“ (Bevc 2007: 226) Die Staaten sind als konstitutive Einheiten der bundesstaatlichen Ebene jedoch untergeordnet, wodurch ein hierarchisierter und territorialisierter Bundesstaat konzipiert wird. (Bevc 2007: 228)

2.3 Eine erfolgreiche Verfassungsgebung!

Die 1789 ratifizierte Verfassung ist heute noch in ihren grundlegenden Prinzipien die gültige Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika. Aufgrund welcher positiven und trotz welcher negativen Faktoren konnte sich diese erfolgreiche Verfassungsgebung etablieren?

2.3.1 Positive Faktoren für die Verfassungsgebung

Ohnmacht des Konföderationskongresses

Die 1781 von 13 amerikanischen Staaten ratifizierten „Articles of Confederation“ begründete als erste amerikanische Verfassung lediglich einen Bund souveräner Staaten. Der Konföderationskongress als zentrale Institution, in die die 13 Parlamente durch jährliche Wahl jeweils einen Vertreter entsendeten, hatte aufgrund des Prinzips der Staatensouveränität keine Gesetzgebungsbefugnis inne. Obwohl die „république fédérative“ nach Montesquieu die Vorteile eines Empires, militärische und wirtschaftliche Stärke, mit den Vorteilen einer Republik, demokratische Willensbildung und Homogenität der Bevölkerung, verbinde, erwies sich diese Konföderation als „kurzlebiges Experiment“, da die Beseitigung der Ohnmacht des Konföderationskongresses nach dem Unabhängigkeitskrieg an der Einstimmigkeitsklausel für Verfassungsänderungen der Konföderationsartikel scheiterte. (Heideking/ Sterzel 2007: 48, 49)

Amerikanismus

Das Bewusstsein der Amerikaner eine „neue“ Gesellschaft zu repräsentieren führte zur Annahme, eine besondere weltpolitische Stellung einzunehmen. (Vorländer 2007: 26) Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776 enthielt den Amerikanern längst vertrautes Gedankengut. Politik wurde als Wissenschaft, dem Streben nach Fortschritt und Perfektion, verstanden, (Heideking/ Sterzel 2007: 46, 47) in deren Zentrum amerikanischer Identität eine politische Ideologie mit den Idealen Individualismus, Freiheit, Gleichheit und Demokratie entstand, woraus letztendlich ein nationales Staatsvolk unter der Konstruktion einer einheitlichen Nation erwuchs. Dadurch bildet der Amerikanismus auch heute noch den politischen Zusammenhalt der amerikanischen Gesellschaft. (Vorländer 2007: 28)

Unvollendete Verfassungen

Die amerikanischen Staatenverfassungen der Revolutionszeit ab 1776 wählten meist einen Mittelweg zwischen Kontinuität und Innovation. Trotz zukunftsweisender Elemente wie beispielsweise eine gerechtere Repräsentation zeichnete sich in den ersten Verfassungen noch die Übermacht der Legislative ab, während Exekutive und Judikative noch um Ebenbürtigkeit kämpfen mussten. Aufgrund der Anerkennung des Prinzips der Gewaltenteilung von Montesquieu ging der Trend jedoch nach und nach in Richtung institutioneller Gewaltentrennung und funktionaler Gewaltenverschränkung. (Heideking/ Sterzel 2007: 46,47)

Nach 1787 wurden schließlich die Verfassungsprinzipien des neuen Verfassungssystems von Philadelphia auf die noch unvollendeten Staatenverfassungen übertragen, um die Verfassungsrevolution zu vollenden. (Heideking/ Sterzel 2007: 57)

2.3.2 Negative Faktoren für die Verfassungsgebung

Fehlende Grundrechte

Obwohl in der Mehrheit der amerikanischen Staatenverfassungen bereits Grundrechte zu gesichert wurden, weigerte sich der Konvent von Philadelphia, die Formulierung eines Grundrechtskatalogs für die neue Bundesverfassung vorzunehmen, weil die Delegierten die Befürchtung hatten, die Autorität der Bundesverfassung könnte dadurch gefährdet werden. (Heideking/ Sterzel 2007: 54) Diese Einstellung hätte beinahe die Ratifizierung des Verfassungsentwurfs zum Scheitern verurteilt. Erst durch das Versprechen der Federalists, sich für eine nachträgliche Änderung der Verfassung einzusetzen, konnte der Verfassungsentwurf doch noch gerettet werden, indem in den Staatenkonventen das Modell der „amendment-Empfehlung“ angewandt wurde. Ende 1791 wurden schließlich 27 Grundrechte in zehn „amendments“ der Verfassung beigefügt. (Heideking/ Sterzel 2007: 55)

Nord-Süd-Konflikt

Der Nord-Süd-Konflikt wurde durch die Befürchtung der Südstaaten, wegen ihrer geringeren weißen Bevölkerung vom Norden majorisiert zu werden, hervorgerufen. Durch einen Vermittlungsausschuss konnte jedoch der sogenannte „Große Kompromiss“ erzielt werden, der für die Ermittlung der Repräsentantenhaussitze und der direkten Steuern der Südstaaten die mathematische Einberechnung von drei Fünftel der versklavten Afro-Amerikaner vorsah. Zudem musste in der Verfassung festgelegt werden, dass bis 1808 kein Einfuhrverbot für Sklaven erlassen werden durfte. Dennoch hatte der Nord-Süd-Konflikt, aufgrund Anti-Sklaverei-Attacken aus dem Norden und neuen Forderungen aus dem Süden, fast zum Scheitern des Konvents von Philadelphia geführt. (Heideking/ Sterzel 2007: 52,53)

Antifederalists

In der Ratifizierungsdebatte kämpften zwei politische Lager um die Wählerschaft: „Federalists“ gegen „Antifederalists“. Die Verfassungsgegner, teilweise auch „Republicans“, die von den Verfassungsbefürwortern zynisch als „Antifederalists“ bezeichnet wurden, waren Verfechter der Staatensouveränität und verstanden sich selbst als „Hüter der Ideen von 1776“. Sie befürworteten zwar auch eine Stärkung der Unionsregierung, befürchteten aber eine selbstherrliche und korrupte Macht durch die Einführung einer Zentralregierung, da sie elitäres Gedankengut und Zentralismus strikt ablehnten. (Heideking/ Sterzel 2007: 54,55)

Nach dem Unabhängigkeitskrieg gegen die Unterdrückung durch eine Monarchie wollte man keinesfalls danach unter einem weiteren zentralisierten, uneingeschränkte Regime leiden. Durch die Erfahrungen mit der Instabilität und Desorganisation der Situation zu Zeiten der Konföderationsartikel waren die Antifederalists jedoch der Schaffung einer stärkeren Bundesregierung nicht abgeneigt. (U.S. Departemnt of State 2008) Ihre Vorstellung von der amerikanischen Zukunft konzipierte jedoch eine dezentrale, staatenbündische Demokratie aus lokalen Einheiten mit Selbstverwaltung, was sie als den „wahren Föderalismus“ gemäß Montesquieu definierten. (Bevc 2007: 225) Vor allem bemängelten sie aber auch den fehlenden Grundrechtskatalog des Verfassungsentwurfs, worin sie die Opferung der Freiheit des Volkes vermuteten. (Heideking/ Sterzel 2007: 55)

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Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Die amerikanische Bundesverfassung und die Reform der Europäischen Union
Hochschule
Technische Universität Darmstadt
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
23
Katalognummer
V179297
ISBN (eBook)
9783656016571
Dateigröße
777 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
bundesverfassung, reform, europäischen, union
Arbeit zitieren
Sandra Arnold (Autor:in), 2008, Die amerikanische Bundesverfassung und die Reform der Europäischen Union, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/179297

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