Niccolò Machiavelli. Ein Philosoph der politischen Macht?


Hausarbeit, 2009

13 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


1. Einleitung

„Nichts ist so unsicher und unbeständig wie das Ansehen der Macht, die nicht auf sich selbst beruht.“ Niccoló Machiavelli

Bevor das Phänomen der politischen Machtausübung betrachtet wird, muss sich mit dem Er hat sich konkret mit der besten Form der Herrschaftlichen Machtausübung beschäftigt, die später als Machiavellismus bezeichnet wurde. Diese nach ihm benannte Maxime des politischen Handels, erschütterte die mittelalterliche Welt zutiefst.

Friedrich der Große sah in den Werken Machiavellis eine enorm gefährliche Kraft, so dass er daraufhin den Antimachiavell schrieb, um den florentinischen Staatsmann öffentlich zu kritisieren und seinen Ansichten zu widersprechen.

Da Macht ein alltäglicher Begriff geworden ist, kann das Wesen der Macht in vielen Dingen wieder gefunden werden. Eine Naturkatastrophe oder ein gefährliches Tier, erscheint uns bereits mächtig, da sie eine beeindruckende Kraft besitzen. Die Vorstellung der Macht, die in dieser Hausarbeit thematisiert wird, ist jedoch die der politischen Macht. Zunächst wird der Machtbegriff anhand vier bekannter Autoren in drei Dimensionen unterteilt: das erste, zweite und dritte Gesicht der Macht. Es folgt eine kurze Biographie Machiavellis, um den historischen Kontext, in dem sein Werk und die damit verbundenen Machtvorstellungen stehen, besser fassen zu können. Machiavellis Werk Il Principe – Der Fürst wird vorgestellt und seine Vorstellung von Macht herausgearbeitet: Wie legitimiert sich der Fürst? Wie erhält er seine Macht? Durch welche Mittel bleibt er an der Macht? Diese Fragen werden in Kapitel vier geklärt. Zum Schluss werden alle Argumente zusammengefasst, die verdeutlichen, ob Machiavelli ein Philosoph der politischen Macht ist oder nicht.

2. Die drei Gesichter der Macht

Max Weber[1] äußerte sich zum Thema sozialer Macht mit dieser Definition:

Es ist "die Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht."

Diese Definition von Macht lässt die Legitimation der Machtausübenden außen vor. Um weitere, aber detaillierte Definitionen und Erklärungen zu erhalten, wird im Folgenden mit den wissenschaftlichen oder mathematischen Formeln von Macht gearbeitet. Wissenschaftler wie Dahl[2], Bachrach und Baratz oder Steven Lukes[3] formulierten ihre Vorstellungen von Macht, die teilweise aufeinander aufbauen. Dahl arbeitete die erste konzeptuelle Dimension des Machtbegriffs aus und verfasste eine mathematische Formel, um das Phänomen der Macht zu erläutern. Bachrach und Baratz ergänzten Dahls Ausarbeitungen in den 1960ern und brachten die Überlegungen der „non-decisions“ mit ein. Letztere und somit das dritte Gesicht der Macht wurde in den 1970ern von Steven Lukes eingeführt. Er forderte, dass die Auffassungen, die Akteure über ihre Interessen haben, mit berücksichtigen werden sollten, um nicht den Fehler zu machen, lediglich den Schwerpunkt auf die Handlungen und nicht vollzogenen Handlungen zu setzen.[4] Im Folgenden wird versucht, von Akteur A und Akteur B auszugehen, was der Übersichtlichkeit der Analyse dient, auch wenn die Autoren hier andere Parameter benutzt haben.

2.1. Erstes Gesicht der Macht

„ A has power over B to the extent that he can get B to do something that B would not do.“[5]

Diese „intuitive Idee“ von Macht stammt von Robert Dahl[6], der sich als einer der ersten Autoren mit einer wissenschaftlichen Definition von Macht beschäftigt hat. Zunächst stellte er fest, dass Macht eine Beziehung zwischen Menschen voraussetzt. Die Objekte, die in dieser Beziehung oder dem Verhältnis vorkommen, nennt er Akteure. Diese können Individuen, Gruppen, Regierungen oder Nationale Staaten sein. Er bediente sich in seinem Aufsatz eines leicht zugänglichen Beispiels, das des amerikanischen Präsidenten. Es muss laut Dahl zunächst festgestellt werden, wer oder was die Quelle oder die Bezugsgröße der Macht ist; weiterhin welche Instrumente der Akteur benötigt, um Macht über einen anderen Akteur auszuüben und in wie weit sich seine Macht ausdehnt. Als letzter Punkt sollte der Geltungsbereich des Akteurs überprüft werden, der die Macht ausübt. Dahl stellte fest, dass es eine Reihe an Instrumenten gibt, denen sich der Präsident, hier Akteur A, bedienen kann, um seine Macht auszuüben und auszudehnen. Im Falle des Präsidenten wäre es die Androhung, von seinem Veto-Recht Gebrauch zu machen oder aber einen öffentlichen Appell an die Wählerschaft zu richten.

Im Folgenden werden die die wichtigsten Eigenschaften der Machtverhältnisse zwischen Akteuren nach Dahl genannt:

- Der erste herausgearbeitete Aspekt ist, dass Akteur A schlecht sagen kann, dass er Macht über eine Entscheidung oder Handlung von Akteur B hat, außer die Machtausübungsversuche von A gehen der Entscheidung oder Handlung des Akteurs B voraus.
- Eine weitere wichtige und offensichtliche Bedingung ist, dass über eine große Distanz kein Einfluss ausgeübt werden kann, sofern nicht irgendeine Verbindung zwischen dem Akteur A und dem Akteur B besteht.
- Die dritte und letzte Eigenschaft von Machtverhältnissen besteht darin, den Akteur B zu etwas zu bringen, was er ohne den Akteur A nicht getan hätte. Im Bezug auf die vorangehende Definition von Dahl „that he can get B to do something what B would not do” verweist er auf das Beispiel des Studenten, der ohne Drohung im Kurs durchfallen würde, wenn er in seinen Ferien keine vom Professor aufgegebenen Texte liest. Somit führt Dahl einen weiteren Aspekt auf und zwar den der Drohung („negative power“).[7] In diesem Zusammenhang stellt er fest, dass „negative power“, auf den Standpunkt des Akteurs bezogen, letztlich nicht allein vom Akteur A bestimmt wird. Er allein kann die Richtung nicht zuteilen. Ein Beispiel hierfür ist ein Gesetzesentwurf, der vom Kongress unterstützt wird, jedoch nicht im Regierungsprogramm des Präsidenten enthalten ist. Somit hat der Präsident über den Kongress eine „negative Macht“, da es wahrscheinlich ist, dass er dem Gesetzesentwurf des Kongresses nicht zustimmt.

2.2. Das zweite Gesicht der Macht

Das zweite Gesicht der Macht wurde 1962 von Bachrach und Baratz[8] ausgearbeitet. Sie schrieben in ihrem Aufsatz „Two Faces of Power“, dass es nicht ausreiche, eine Seite der Macht zu beleuchten. Es müsse auch die latente und weniger offensichtliche Macht, die bei Dahl und anderen Wissenschaftlern in Vergessenheit geratene Dimension der Macht, betrachtet werden. Sie behaupteten, dass „Soziologen keines“ und „Politologen nur eines“ dieser Machtphänomene erkennen können. Sie stellten fest, dass Macht bereits ausgeübt wird, bevor es zu einer öffentlichen Entscheidung kommt. Niemand kann entscheiden, welches wichtige und welches unwichtige Streitfragen sind und somit in der „political arena“ ausdiskutiert werden sollten.[9] Bachrach und Baratz bezweifelten, dass die „nicht messbaren Elemente“ eines Systems unwichtig und somit zu ignorieren seien. Sie führten den Begriff der „non-decision making“ ein. Dieser neue Aspekt unterscheidet sie von den „Pluralisten“, wie Dahl. Die „Pluralisten“, womit Politologen gemeint sind[10], richten ihre Aufmerksamkeit auf die Ausübung der Macht, nicht aber auf die Quelle. „Power to them means participation in decision-making and can be analyzed only after careful examination of a series on concrete decisions.”[11] Sie konstatierten ebenfalls, dass die “mobilization of bias”[12] – Voreingenommenheiten und Vorurteile – dazu führen, dass Konflikte zu Gunsten bestimmter Akteure ausgebeutet werden. Somit wird eine neue Eigenschaft der Macht deutlich, die der Subjektivitätstheorie[13]. In diesem Zusammenhang stellten sie sich die Fragen, ob bestimmte Akteure anstatt der öffentlichen, nicht öffentliche bzw. verhinderte Entscheidungen, die so genannten „non-desicions“, unterstützen; weiterhin, ob eine Form von Macht vorliegt, oder ob jene ignoriert werden soll. Dies wären laut Bachrach und Baratz zwar latente, jedoch schwerwiegende Machtkonflikte innerhalb der Gesellschaft.[14] Somit kann das zweite Gesicht der Macht wie folgt zusammengefasst werden: Akteur A verhindert Akteur B etwas zutun, was Akteur B jedoch tun möchte.

2.3. Das dritte Gesicht der Macht

„My argument will bet hat the pluralists´ view was indeed inadequate for the reasons Bachrach and Baratz advance, and that their view gets further, but that it in turn does not get far enough and is in need of radical toughening.”[15]

Steven Lukes weitete mit seiner Ausarbeitung vom Machtbegriff, die so genannte “one-dimensional view” (Dahl) und „two-dimensional view“ (Bachrach und Baratz) aus. Er nannte die ergänzende Sicht von Macht „the third view of power“, womit er die dritte Dimension von Macht meinte. Er versuchte mit der zusätzlichen Dimension eine zufrieden stellende Analyse von Macht möglich zu machen, welche durch die zweidimensionale Herangehensweise an den Begriff der Macht nicht gewährleistet ist. Er unterstellte Dahl, dieser würde sich innerhalb seiner Argumentationsstruktur widersprechen, da er zunächst davon spräche, dass Akteur A, Akteur B dazu bringt etwas zu tun. Im Verlauf seiner Argumentation greife er dieselbe Definition auf, mit dem Unterschied, dass es sich nun um einen „erfolgreichen Versuch“ handele, Akteur B zu etwas zu bewegen. Er unterstellte den Pluralisten, dass sie selbst in ihren Begrifflichkeiten keine Einigung erzielt hätten, da der eine von Einfluss spreche und der andere von Macht. Ihr Fokus liege lediglich auf den zentralen Streitfragen, welche er, und bereits vor ihm Bachrach und Baratz, als „key issues“ bezeichnet hatten. In weiteren Werken Dahls gesteht Lukes ihm zu, wesentlich sensibler mit der Frage umzugehen, ob die Ausübung von Macht möglich ist, wenn keine offensichtlichen Konflikte erkennbar sind.[16]

Die Kritik, die Lukes an dem „two-dimensional view“ übte, betrifft ebenfalls die undifferenzierte Verwendung des Begriffs Macht. Zum einen begreifen Bachrach und Baratz darunter nicht allein den generellen Begriff der Macht, sie verwenden ihn zusätzlich, um ihren Aspekt der Sanktionen damit zu erläutern. Lukes schlug vor, dieses eher als Zwang anstatt als Macht zu bezeichnen. Er betrachtete hierbei die unterschiedlichen Ausmaße und begrifflichen Schwierigkeiten, die bei der Analyse von Machtphänomenen auftreten können. Zunächst definiert er seine Auffassung vom Begriff Autorität: Akteur B fügt sich den Befehlen von Akteur A, da ihm diese im Bezug auf seine eigenen Werte vernünftig erscheinen. Im Falle des bestehenden Zwangs wird laut Lukes deutlich, dass Akteur A seine Ziele erreicht, indem er Akteur B nicht die Wahl lässt, zu entscheiden, ob er sich ihm gegenüber gehorsam zeigen will oder nicht. Die Manipulation ist lediglich ein Unterbegriff für Zwang und sollte vom Begriff der Autorität und des Einflusses differenziert betrachtet werden. Die dritte Dimension der Macht, die Lukes nun hinzufügt, ist der Gedanke, dass die reine

Machtausübung nicht nur Verhalten oder Handlungen kontrolliert, sondern auch die Interessen und die Gedanken der Akteurs B.

[...]


[1] Max Weber, 2005, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie. /zwei Teile in einem Band, Frankfurt am Main: Zweitausendeins-Verlag.

[2] Robert Dahl, 1915 geboren. Ist ein US-amerikanischer Politikwissenschaftler und Professor an der Yale University. Daneben war er Präsident der American Political Science Association, ist Mitglied der National Academy of Sciences und Autor auf dem Gebiet der Politiksoziologie.

[3] Steven Michael Lukes, born 1941 is the author of numerous books and articles about political and social theory. Currently he is a professor of politics and sociology at the Department of Philosophy and Social Sciences at the University of Siena, the London School of Economics and New York University.

[4] Vgl. Ruth Zimmerling, 1998, Some remarks on the relationship between legal and social power. In: Associations, Berlin 2:2, S. 189-210, hier: S.7.

[5] Robert Dahl, 1957, The Concept of Power. In: Behavioral Science. 2:3, S.202f..

[7] Vgl. Dahl, a.a.O., S.205

[8] Vgl. Peter Bachrach/Morton S. Baratz, 1962a, Two Faces of Power. In: The American Political Science Review, Vol 56, No.4, S.947-952.

[9] Vgl. Bachrach und Baratz, a.a.O., S.948.

[10] Niclas von Bernstorff, 2003, http://perso.uni-lueneburg.de/index.php?id=155#815.

[11] Bachrach und Baratz, a.a.O., S. 948.

[12] Bachrach und Baratz, a.a.O., S. 949.

[13] Vgl. Niclas von Bernstorff, a.a.O.

[14] Vgl. Bachrach und Baratz, a.a.O., S. 949.

[15] Steven Lukes, 1974, Power: A Radical View. (Abdruck aus Scott 1994) S. 234.

[16] Lukes, 1974, a.a.O., S. 236.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Niccolò Machiavelli. Ein Philosoph der politischen Macht?
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Note
2,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
13
Katalognummer
V179110
ISBN (eBook)
9783668760431
ISBN (Buch)
9783668760448
Dateigröße
522 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Machiavelli, Macht;, politische Macht, Gesichter der Macht, Il principe
Arbeit zitieren
Sermin Usta (Autor:in), 2009, Niccolò Machiavelli. Ein Philosoph der politischen Macht?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/179110

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