"Volkswagen Blues" von Jacques Poulin. Eine road novel?


Seminararbeit, 2001

25 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Gliederung

1 Einleitung: Die road novel als Vorgänger und Vorlage des road movie

2 Volkswagen Blues von Jacques Poulin: eine „road novel”
2.1 Jacques Poulin: Biographie
2.2 Inhalt
2.3 Personen
2.4 Themen
2.4.1 „Grand Rêve de l´Amérique“
2.4.2 Selbstfindung und Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit
2.4.2.1 Kindheit in Verbindung mit dem Fall der Helden
2.4.2.2 Die Suche nach Théo und nach dem eigenen Ich
2.5 Bewegung
2.5.1 Raum
2.5.2 Zeit
2.6 Fazit

3 Schluß: „Road novel” und „road movie” - filmische Elemente in
Volkswagen Blues

4 Literaturverzeichnis

5 Bildnachweis

1 Einleitung: Die road novel als Vorgänger und Vorlage des road movie

Roadmovies stellen weltweit ein gern gesehenes, erfolgreiches Genre der gesamten Filmkunst da. Unter den meist rasanten und bewegungsreichen Filmen findet man Zuschauerlieblinge wie Bonnie and Clyde (1967), Thelma und Louise (1991), den deutschen Film Knocking on Heaven’s Door (1997) und den nunmehr zum Klassiker avancierten Easy Rider (1969) von und mit Denis Hopper, der am Ende der Sechziger Jahre wegen seiner Geschichte für großes Aufsehen sorgte. Nur schwerlich lässt sich vorstellen, dass ein Roman die gleichen Möglichkeiten besitzen könnte, diese Bewegung auszudrücken wie es in filmischer Form gelingt. Jedoch ist das Gegenteil der Fall : vor dem road movie gab es bereits die literarische Form, die später erst zu Verfilmungen veranlasste. Diese literarische Gattung ist unter dem Begriff „road novel“ bekannt und hat ihren Beginn mit dem Roman On the Road von Jack Kerouac aus dem Jahre 1957, ein ebenfalls für damalige Zeit gewagtes und innovatives Werk, da es fast autobiographisch das exzessive Leben des Autors beschreibt. Das einige Jahre später verfasste und weniger skandalöse Werk Volkswagen Blues von Jacques Poulin gehört ebenfalls zu den road novels und wurde deshalb im Rahmen des Seminars zur Einleitung auf das Hauptthema „Frankophone Roadmovies“ behandelt. Die folgende Arbeit wird sich nun darauf konzentrieren, zu erklären, dass die Gattung des „road movie“ auch in Buchform möglich ist, wobei nochmals darauf hingewiesen werden muss, dass sie der eigentliche Vorgänger ist. Hierbei wird nach einigen Informationen zum Autor, zur Geschichte selbst und zu den wichtigsten Personen von Volkswagen Blues besonders auf die Elemente der road novel eingegangen werden, die in der Thematik und der Bewegung am offensichtlichsten sind, um letztendlich genau zu erklären, wieso es durchaus vorstellbar wäre, eine Verfilmung von Volkswagen Blues zu produzieren.

2 Volkswagen Blues von Jacques Poulin: eine „road novel”

2.1 Jacques Poulin: Biographie

Jacques Poulin wurde 1937 im Quebecer Saint Gédéon geboren. Nachdem er sein Studium der an der Université Laval erfolgreich abgeschlossen hatte, arbeitete er mehrere Jahre als Handelsübersetzer und später als college guidance counsellor. Seine Tätigkeit als Schriftsteller begann er 1965 recht spät im Alter von 27 Jahren. Nach dem Erfolg mit seinem zweiten Romans Jimmy, den er 1969 veröffentlichte, war es ihm möglich, sich komplett der Schriftstellerei zu widmen. Insgesamt hat Poulin nun acht Romane geschrieben, die alle mit Ausnahme von zweien von Sheila Fischman ins Englische übersetzt wurden. Poulins ersten drei Bücher, Mon Cheval pour un royaume (1967), Jimmy (1969), Le Coeur de la baleine bleue (1970) bilden die Jimmy-Trilogie, die 1979 erschien. Von Poulins weiteren vier Romanen ist Faites des beaux rêves (1974) das Einzige, das nicht ins Englische übersetzt wurde. Sowohl Les Grandes marées (1978), als auch Volkswagen Blues (1984) und Le Vieux chagrin (1989) sind in Québec große Erfolge, die zudem durch den Gewinn des Governor General's Award für Les Grandes marées und den Prix France-Amérique für Le Vieux chagrin gekrönt wurden. Seine road novel Volkswagen Blues wurde schließlich mit dem Prix Québec-Belgique ausgezeichnet.

Gegenwärtig wohnt Poulin zurückgezogen in Quebec und entgeht so weit wie möglich dem Medienrummel:

„On ne le voit jamais à la télévision, ne dans les manifestations, colloques, rencontres. Bref, un anti-personnage“ (Mailhot, Laurent. „ Volkswagen Blues, de Jacques Poulin, et autres 'Histoires américaines' du Québec.” Oeuvres and Critiques 14.1 (1989), S. 22)

Eine Besonderheit in Poulins Büchern ist, dass der Schriftsteller Themen und Personen von Buch zu Buch weiter führt :

„D´un livre à l´autre, je reprends les mêmes thèmes, les mêmes sentiments, les mêmes idées et j´essaie d´exprimer plus clairement le petit nombre de choses que j´ai à dire.“ (Lapointe, Jean Pierre, and Yves Thomas. “Entretien avec Jacques Poulin.” Voix et Images 15.1 (43) (Sept. 1989), S. 13)

2.2 Inhalt

Volkswagen Blues erzählt die lange Suche der Hauptperson Jack Waterman, einem Schriftsteller in einer Schaffenskrise, nach seinem Bruder Théo, der seit mehr als 15 Jahren verschwunden ist. Als einzigen Anhaltspunkt seines letzten Aufenthaltsort besitzt Jack eine Postkarte aus Gaspé, von wo er seine Reise beginnt. Dort kann er dank der Hilfe der Mestizin Pitsémine, die La Grande Sauterelle genannt wird und sich ihm anschließt, die verschlüsselten Nachricht seines Bruders entziffern und tritt so in seinem alten VW-Bus den Weg an, der ihn von der Baie de Gaspé nach San Francisco, durch den gesamten amerikanischen Kontinent führt. Bald wird den Beiden bewusst, dass sie sich erst auf den Spuren der französischen Pioniere und später auf dem Oregon-Trail befinden, dem Weg, auf dem im 19. Jahrhundert Hunderte von amerikanischen Siedler die Suche nach dem Glück im unbekannten Westen antraten.

Als die Reise ihr Ende in Kalifornien findet, erwartet Jack eine traurige Überraschung: Théo ist an den Rollstuhl gefesselt und auch seine geistige Behinderung so weit fortgeschritten, dass er seinen Bruder nicht mehr erkennt. Trotz diesem traurigen Ereignis kann Jack aber schließlich seine Suche beenden und ein neues Leben beginnen. Er entschließt sich also nach Montreal zurückzukehren und überlässt den VW-Bus Pitsémine, die weiterhin eine gewisse Zeit in San Francisco bleiben will.

2.3 Personen

Die Vielzahl der Personen, die in Poulins Werk erscheinen, können in drei Gruppen geteilt werden: zunächst in die wichtigste Gruppe, die der Hauptpersonen, unter die Jack Waterman, seine Weggefährtin Pitsémine „La Grande Sauterelle“ und sein Bruder Théo fallen. Ebenfalls stellen die Personen, die Indizien für Théos Reise geben, eine weitere Gruppe dar und schließlich erscheinen viele für die Geschichte des amerikanischen Kontinents wichtige Personen, wie Jacques Cartier oder Étienne Brûlé. Um genau zu sein, stellen ebenfalls die Katze und der ächzende und manchmal durch seine Macken menschlich wirkende VW-Bus Personen dar. Jedoch wird hier nur auf die drei Hauptfiguren eingegangen, da sie für die weiterführenden Gedanken am relevantesten sind.

Die wichtigste Figur des Romans ist Jack Waterman, der unter diesem Pseudonym als Schriftsteller tätig ist. Allgemein ist er eher ein schüchterner Typ, der aber durchaus Humor besitzt. Zudem zeigt er sich im Umgang mit Frauen leicht unbeholfen und tollpatschig, was auch an dem missglückten Liebesabenteuer mit Pitsémine in den Rockies (vgl. Poulin, Jacques. Volkswagen Blues, Montréal, Leméac, 1984, S. 243/244) zum Ausdruck kommt (vgl. Boivin, Aurélien. Pour une lecture du roman québécois. De Maria Chapdelaine à Volkswagen Blues, Québec, Nuit blanche, 1996, S. 347).

In seinem Beruf als Schriftsteller ist er absolut unzufrieden mit sich, behauptet, auch sich selber nicht zu mögen, da er zu dünn, zu alt und verschlossen sei:

„D´une manière générale, il ne s´aimait pas beaucoup“[1]

Außerdem sieht er sich weniger als Künstler, sondern als normaler Berufstätiger, der sich mehr aus täglicher Pflicht als aus Kreativität immer wieder an die Arbeit setzt und sich fast zum Schreiben zwingen muss:

„[I]l se rangeait parmi ceux qu´il appelait ‘l´espèce laborieuse ‘: patient et obstiné mais dépourvu d´inspiration ou même d´impulsions, il se mettait à l´œuvre tous les jours à la même heure et, grâce à un travail méthodique et

opinâtre, il arrivait à écrire ‘sa’ page quotidienne“[2]

Zusätzlich zu der Tatsache, dass ihm seine Arbeit als eine anstrengende Pflicht erscheint, sieht er eine Gefahr im Schriftstellerdasein: die Abgrenzung aus der Realität. So schließe man sich in ein Buch ein und vergesse ausnahmslos alles und jeden außerhalb dieser kleinen literarischen Welt:

„(...) vous vous enfermez dans un livre, dans une histoire, et vous ne faites pas très attention à ce qui se passe autour de vous et un beau jour la personne que vous aimez le plus au monde s´en va avec quelqu´un dont vous n´avez même pas entendu parler“[3]

Obwohl er seine Bücher nicht sehr schätzt, weil sie die Welt nicht verändern, wartet er insgeheim doch tagtäglich darauf, „entdeckt zu werden“.[4]

Er glaubt auch nicht, dass er jemals jemanden geliebt hat und ist auch unzufrieden mit sich selber, da er noch nicht viel erlebt hat:

„Tout ce que je sais, ou presque, je l’ai appris dans les livres.“[5]

Was seinen Bruder Théo betrifft, ist das Verhältnis seit langem eingeschlafen. Jedoch da er sich momentan eine schriftstellerische Krise durchlebt, sucht er etwas, an dem er sich festhalten kann: seinen Bruder.

„Il y a des jours où vous avez l´impression que tout s´écroule... en vous et autour de vous (...). Alors vous vous demandez à quoi vous allez pouvoir vous raccrocher… J´ai pensé à mon frère“[6]

Das gleiche gilt im übrigen ebenfalls für seinen Bruder, der aber nur indirekt einen Hilferuf sendet, den Jack erst zu spät versteht. Deswegen hat er auch ein schlechtes Gewissen Théo gegenüber[7].

Seine Erinnerungen an Théo stammen nur aus der frühsten Jugend im Haus am Fluß nahe der Grenze zu den USA. Für Jack ist der ältere Bruder sein Idol, sodass er ihn fast wie einen Star mit anderen Prominenten auf die gleiche Stufe stellt:

[...]


[1] Poulin, Jacques. Volkswagen Blues, Montréal, Leméac, 1984, S.48

[2] ebd. S. 48

[3] ebd. S. 148

[4] vgl. Ebd. S. 40

[5] Poulin, Jacques. Volkswagen Blues, S. 30

[6] ebd. S. 12

[7] vgl. ebd. S. 83

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
"Volkswagen Blues" von Jacques Poulin. Eine road novel?
Hochschule
Universität des Saarlandes  (Französische Kulturwissenschaft und Interkulturelle Kommunikation)
Veranstaltung
Proseminar Sur la route - frankophone Roadmovies
Note
2,0
Autor
Jahr
2001
Seiten
25
Katalognummer
V1791
ISBN (eBook)
9783638111027
ISBN (Buch)
9783668210806
Dateigröße
1006 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Ein Vergleich zwischen Roadmovie und Roadnovel - wie sind filmische Elemente in schriftlicher Form dargestellt, etc. 753 KB
Schlagworte
Roadmovie, roadnovel, Jacques Poulin, Québec, 2 Amerikas, Freiheit
Arbeit zitieren
Julia Halm (Autor:in), 2001, "Volkswagen Blues" von Jacques Poulin. Eine road novel?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1791

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