Der Bürgerkrieg in Tadschikistan 1992 - 1997 - Ursachen und Verlauf einer menschlichen Tragödie


Seminararbeit, 2003

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Tadschikistan auf dem Weg in den Bürgerkrieg
1.1 Tadschikistan in Zahlen
1.2 Die Ursachen des Bürgerkriegs

2 Der Tadschikische Bürgerkrieg
2.1 Erste Phase – „Der Bürgerkrieg beginnt“
2.2 Zweite Phase – „Die Verschärfung des Bürgerkriegs“
2.3 Dritte Phase – „Die Machtübernahme Rachmonows“
2.4 Vierte Phase – „Rückkehr zum Verhandlungstisch“

3 Die Beziehungen zwischen Tadschikistan und Usbekistan

Schluss

Literaturverzeichnis

Einleitung

Nach dem Zerfall der Sowjetunion kämpften die kommunistischen Kräfte in den zentralasiatischen Staaten energisch um die Erhaltung ihrer Macht. Während sie in Usbekistan, Kasachstan, Kirgistan und Turkmenistan einen gewissen Grad an Glaubwürdigkeit bewahren konnten und durch politische Unterdrückung und gezielte ökonomische Initiativen vom Volk weitgehend anerkannt waren, versagte die kommunistische Regierung in Tadschikistan. Der Verlust ihrer Macht bedeutete für das kleine Land einen fürchterlichen Bürgerkrieg, der mehr Opfer forderte, als jegliche andere kriegerische Auseinandersetzung auf dem Boden der ehemaligem GUS.

Der Bürgerkrieg in Tadschikistan von 1992 bis 1997 und seine Folgen haben im Westen relativ wenig Aufmerksamkeit erregt. Den zentralasiatischen Staatschefs, die bis dahin eher in westlich-liberalen Ideen einen großen Feind sahen, verdeutlichte er, dass die vom Islam ausgehende, ihre Macht bedrohende Gefahr sehr viel größer ist.

Diese Hausarbeit soll einen Überblick über jenen Bürgerkrieg geben. Wieso kam es in Tadschikistan überhaupt erst dazu? Wie verlief der Bürgerkrieg? Wie konnte er schließlich beendet werden? Da Tadschikistan traditionell sehr eng mit Usbekistan verbunden ist, soll auch ein Einblick in die Beziehungen beider Länder und ihrer Völker gegeben werden.

Da ein Buch, das sich ausschließlich mit Tadschikistan befasst, nicht auffindbar war, stützt sich diese Hausarbeit hauptsächlich auf Literatur, die die neuerliche Entwicklung Zentralasiens wiedergibt. Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die Bücher „The Newly Independent States of Eurasia“ von Stephen K. Batalden, „New States – New Politics“ von Ian Bremmer und Ray Taras sowie „Nationenbildung östlich des Bug“ von Hans-Heinrich Nolte. Ebenfalls größere Beachtung fanden der Beitrag Walentin Buschkows für die Berichte des Bundesinstitutes für ostwissenschaftliche und internationale Studien unter dem Titel „Politische Entwicklung im nachsowjetischen Mittelasien: Der Machtkampf in Tadschikistan 1989-1994“ und die Berichte der Gesellschaft für Staatenforschung (AMDAC+).

Rostock, August 2003

1. Tadschikistan auf dem Weg in den Bürgerkrieg

1.1 Tadschikistan in Zahlen

Mit 143100 km² ist Tadschikistan der kleinste Staat Zentralasiens. Fast die Hälfte seines Territoriums liegt in über 3000m Höhe. Auf dem landwirtschaftlichen Sektor werden hauptsächlich Schafe gezüchtet und mit Hilfe künstlicher Bewässerung wird Baumwolle produziert. Das Gebiet ist reich an Bodenschätzen, darunter auch Uranvorkommen (14% der Weltreserven). Die Gebirgsflüsse werden zur Energiegewinnung gestaut. Tadschikistan ist in zwei Regionen geteilt: der Hauptstadtbezirk und das autonome Gebiet Berg-Badachschan (63700 km²)

Die ca. 6,1 Millionen Einwohner Tadschikistans verteilen sich auf viele Ethnien. Die größte davon sind die Tadschiken mit 68%, weitere 25% sind Usbeken und 3% sind Russen. Aber auch Tataren, Kirgisen, und Ukrainer sind anzutreffen. Nach der Unabhängigkeit haben viele Russen, die einst 10% der Bevölkerung ausmachten, und Deutschstämmige (1979: 39000) das Land verlassen. Große Tadschikische Bevölkerungsgruppen leben auch in Usbekistan und in Afghanistan, wo sie die zweitgrößte Ethnie nach den Paschtunen sind. 80% der Einwohner Tadschikistans sind sunnitische Muslime, weitere 5% sind Muslime schiitischen Glaubens und 10% sind russisch-orthodoxe Christen.

Die größten Städte sind neben der Hauptstadt Duschanbe (528 600 Einwohner) Chodschand (161 500) und Kuljab (79 000).

1.2 Die Ursachen des Bürgerkriegs

Sämtliche Ursachen, die später zum tadschikischen Bürgerkrieg führen, müssen vor dem Hintergrund einer tief greifenden wirtschaftlichen und sozialen Krise betrachtet werden. Besonders deutlich wird die miserable Lage bereits in den letzten Jahren vor dem Zerfall der Sowjetunion.

Während dieser Zeit bricht die Tadschikische SSR alle wirtschaftlichen Negativrekorde. Es weist das geringste Pro-Kopf-Einkommen, die höchste Geburtenrate und mit etwa 40% gleichzeitig auch die höchste Arbeitslosenquote auf. In Bezug auf das Bevölkerungswachstum gehört Tadschikistan sogar zur Weltspitzenklasse. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Auch der Urbanisierungsgrad (30%) ist in der tadschikischen Sowjetrepublik so niedrig wie nirgendwo sonst in der Sowjetunion.[1] Mit einem durchschnittlichen Lebensstandard von nur 57% des Normalniveaus in der Sowjetunion ist Tadschikistan die ärmste aller Sowjetrepubliken. Da sich die Bevölkerung in weniger als 100 Jahren um das zehn- bis zwölffache vermehrt hat, macht sich die zunehmende Land- und Wasserknappheit spürbar bemerkbar.

Ungefähr 1988 beginnt eine tadschikische National- bzw. Oppositionsbewegung aus dem Schriftstellerverband heraus zu entstehen. Kleine politische und ökologische Bewegungen entstehen ebenfalls. Diese haben es allerdings erheblich schwerer, da sie von der Regierung unterdrückt werden und sich daher versteckt halten müssen. Die nationalistischen Bewegungen fordern eine souveräne nationale Staatlichkeit und die Etablierung der tadschikischen Sprache („Dari“) als Staatssprache. Besonderen Auftrieb erhält die zunehmende Ausprägung eines tadschikischen Nationalgefühls durch das Bewusstsein, sich von den turksprachigen Nachbarn zu unterscheiden und stattdessen eher den persisch sprechenden Iranern nahe zu stehen.

Unter dem zunehmenden Druck verabschiedet der Oberste Sowjet schließlich eine Reihe von Gesetzen zur Stützung der Republiksouveränität. Dazu zählt auch das „Sprachengesetz“, das bereits im Februar 1989 erlassen wird. Tadschikisch wird damit zur Staatssprache erklärt. Dies bedeutet, dass Beschäftigte im Bereich des öffentlichen Dienstes Dari beherrschen müssen. Ebenso wird der Unterricht an Fach- und Hochschulen in Dari abgehalten. Dadurch werden viele junge Nichttadschiken ihrer Bildungs- und Zukunftsperspektiven beraubt, während die Älteren aus dem öffentlichen Bereich und Staatsdienst gedrängt werden. Daraufhin verließen bereits viele russischsprachige Tadschiken das Land, da nur etwa 10% von ihnen eine zweite Sprache beherrschte. Da Moskau in den zurückliegenden Jahrzehnten lieber russische Ingenieure nach Tadschikistan beorderte, als die Ausbildung einheimischer Ingenieure zu fördern, verlor das Land durch den Weggang vieler Russen bereits ein großes wirtschaftliches Potential.[2] Der Umstand, dass Russen aufgrund ihrer Wichtigkeit für das Land bis dahin bei der Vergabe des knappen Wohnraums bevorzugt wurden, sorgte in den letzten Jahrzehnten bereits für Unmut in der einheimischen Bevölkerung. Doch Hauptgegner des tadschikischen Nationalgedankens sind nicht die Russen, sondern die Usbeken. Das Verhältnis zwischen Tadschiken und Usbeken wird aufgrund seiner Bedeutung in einem späteren Kapitel gesondert behandelt.

Mit Rastochis („Wiederauferstehung“, „Erwachen“) bildet sich im September 1989 eine demokratische Front nach dem Vorbild russischer demokratischer Bewegungen jener Zeit. Ihr Hauptziel ist die Entwicklung eines starken nationalen Bewusstseins.

Im Februar 1990 kommt es zu ersten Unruhen, nachdem das Gerücht verbreitet wird, dass armenische Erdbebenopfer in Duschanbe angesiedelt werden sollen, während die Einheimischen selbst mitunter Jahrzehnte auf Wohnungen warten müssen.[3] Die folgenden Plünderungen und Straßenschlachten sind bereits Ausdruck der krisenhaften ethnischen, sozialen und politischen Prozesse innerhalb der tadschikischen Gesellschaft. Die Regierung weiß sich nicht anders zu helfen und verhängt den Ausnahmezustand, der im Wesentlichen bis Januar 1991 in Kraft bleibt. Der Parteichef, der Ministerpräsident und der Vorsitzende des Obersten Sowjets übernehmen die Verantwortung für die blutigen Unruhen und treten zurück. Im Gegensatz zu den anderen zentralasiatischen Republiken, in denen die nationale Bewegung durch solche Vorgänge Auftrieb erhält, ist die Bevölkerung Tadschikistans geschockt und macht die Opposition für die Unruhen verantwortlich. Das schlägt sich in den anschließenden Wahlen zum Obersten Sowjet nieder, bei denen die KP 94% der Sitze erlangen kann.

Die Versuche, nationale Integration durch den Aufbau einer politischen Struktur säkularer und demokratischer Orientierung auf den Weg zu bringen, enden am 10. August 1990 mit der Tagung einer konstituierenden Versammlung in Duschanbe, auf der sich eine neue Partei von Rastochis abspaltet: die Demokratische Partei Tadschikistans (DPT). Ihr Vorsitzender Schodmon Jussuf vertritt unter dem Deckmantel demokratischer Losungen den tadschikischen Nationalismus. Das Parteiprogramm macht deutlich, dass das Hauptziel der DPT die Separation von der UDSSR ist.[4]

[...]


[1] Nolte, Hans-Heinrich: „Nationenbildung östlich des Bug“, S. 177

[2] Atkin, Muriel: “Tajikistan: reform, reaction, and civil war”, S. 609

[3] von Borcke, Astrid: „Der tadschikische Bürgerkrieg: Lokale Tragödie oder geopolitische Herausforderung?“, S. 11

[4] Buschkow, Walentin: „Politische Entwicklung im nachsowjetischen Mittelasien: Der Machtkampf in Tadschikistan 1989-1994“, S. 9

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Der Bürgerkrieg in Tadschikistan 1992 - 1997 - Ursachen und Verlauf einer menschlichen Tragödie
Hochschule
Universität Rostock  (Politik- und Verwaltungswissenschaften)
Veranstaltung
Konfliktraum Zentralasien
Note
2,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
22
Katalognummer
V17833
ISBN (eBook)
9783638223065
ISBN (Buch)
9783638645362
Dateigröße
544 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
In dieser Hausarbeit werden die Ursachen des Bürgerkriegs in Tadschikistan detailliert untersucht. Welchen Einfluss hatten religiöse und weltliche Ideologien sowie einzelne Persönlichkeiten auf den Verlauf und das Ende des Bürgerkriegs? Fragen, die diese Hausarbeit beantwortet...
Schlagworte
Bürgerkrieg, Tadschikistan, Ursachen, Verlauf, Tragödie, Konfliktraum, Zentralasien
Arbeit zitieren
Stefan Erl (Autor:in), 2003, Der Bürgerkrieg in Tadschikistan 1992 - 1997 - Ursachen und Verlauf einer menschlichen Tragödie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17833

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