Bedeutung viraler Marketingkampagnen im Web 2.0


Bachelorarbeit, 2011

70 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Gliederung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Vorgehensweise

2. Virales Marketing
2.1 Entwicklungen des Marketings
2.2 Theoretisch Einordnung des Viralen Marketing
2.3 Definition virales Marketing
2.3.1 Theorie der Memetik
2.3.2 Adoptions- und Diffusionsmodell
2.3.3 Theorie des Tipping-Point
2.3.3.1 Das Gesetz der Wenigen
2.3.3.2 Die Verankerung
2.3.3.3 Die Macht der Umstände
2.4 Aufbau viraler Marketingkampagnen
2.4.1 Kampagnengut
2.4.1.1 Unterhaltung, Vergnügen, Spaß
2.4.1.2 Einzigartig und Neu
2.4.1.3 Außergewöhnliche Nützlichkeit
2.4.1.4 Kostenlose Bereitstellung
2.4.1.5 Einfache Übertragbarkeit
2.4.2 Rahmenbedingungen
2.4.3 Weiterempfehlungsanreize
2.4.4 Ziele
2.4.5 Zielgruppen
2.4.6 Seeding
2.4.6.1 Einfaches Seeding
2.4.6.2 Erweitertes Seeding
2.5 Geringintegratives vs. hochintegratives virales Marketing
2.6 Chancen und Risiken des viralen Marketings

3. Web 2.0
3.1 Entwicklungen des Web 2.0
3.2 Definition und Begriffserklärungen
3.3 Social Media
3.3.1 Soziale Netzwerke
3.3.2 Blogs
3.3.3 Videoportale

4. Chancen und Risiken des viralen Marketings im Web 2.0
4.1 Virales Marketing im Web 2.0
4.1.1 Blogs
4.1.2 Social Networks
4.1.3 Videoportale
4.2 Erfolgsmessungen viraler Kampagnen
4.2.1 Quantitative Methoden der Erfolgsmessung
4.2.1.1 Server Abrufe
4.2.1.2 Server Anfragen
4.2.2 Qualitative Methoden der Erfolgsmessung
4.3 Erfolgreiche virale Kampagnen
4.4 Gescheiterte virale Kampagnen

5. Mobile Viral Marketing
5.1 Mobile Tagging

6. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Marketingmix

Abb. 2: Diffusionskurve

Abb. 3: TippEx- Kampagne

Abb. 4: Verlauf der TippEx

Abb. 5: K-fee Video

Abb. 6: Entwicklung Internetnutzung

Abb. 7: Varianten Corporate Blog

Abb. 8: Erfolgsmessung viraler Kampagnen

Abb. 9: Evian Kampagne

Abb. 10: Key Facts der Evian Viral Kampagnen

Abb. 12: QR Code

1. Einleitung

1.1 Problemstellung und Zielsetzung

Die vorliegende Arbeit wird sich mit der Frage auseinandersetzen, welche Bedeutung dem viralen Marketing im Web 2.0 zukommt. Untersucht wird, ob virale Marketingkampag­nen auf Kaufentscheidungen der Konsumenten Einfluss nehmen kön­nen und welche Chancen und Risiken für Unternehmen bestehen. Des Weiteren wird das Mobile Viral Marketing als Zukunftstrend des Marketings genauer beleuchtet.

Jeden Tag werden Konsumenten mit Unmengen von Werbebotschaften konfrontiert. In rund 360 TV-Sendern, 244 Radiostationen und mehr als 3000 Printmedien werben Unterneh­men und versuchen so um die Gunst der Konsumenten zu kämpfen. Die hohe Werbedichte führt dazu, dass der Konsument am Tag mit durchschnittlich 2500 bis 5000 Werbebotschaften in Berührung kommt.[1]

Die Fülle von Werbebotschaften kann vom Konsumenten nicht mehr aufgenommen und verarbeitet werden. Es führt dazu, dass eine Abwehrreaktion gegen Werbung entsteht und der vermeintlich potenzielle Kunde die Werbebotschaften bewusst umgeht (durch Verlas­sen des Zimmers in der Werbepause, überblättern in Zeitschriften, etc.) oder einfach igno­riert.[2]

Die rasante Verbreitung und Entwicklung des Internets lässt eine besondere Form der Mund-zu-Mund-Propaganda aufkommen: Das virale Marketing.

1.2 Vorgehensweise

Kapitel zwei wird sich mit der Entwicklung des Marketings und der Bedeutung des vira­len Marketings auseinandersetzten. Des Weiteren wird versucht, den Begriff des viralen Marketings zu definieren und es wird genauer auf die Wirkungsweise sowie die Chancen und Risiken des viralen Marketings eingegangen. Kapitel drei hat das Web 2.0 mit all seinen für das virale Marketing relevanten Facetten zum Thema. Im vierten Kapitel wer­den die Chancen und Risiken des viralen Marketings sowohl anhand erfolgreicher und gescheiterter viraler Kampagnen, als auch durch Befragung von Experten diskutiert. Des Weiteren wird die Problematik der Erfolgsmessung diskutiert. In Kapitel fünf werden die neuesten Trends des viralen Marketings beleuchtet: Mobile Viral Marketing, Augmented Reality Marketing und QR-Code-Marketing. Die Arbeit schließt mit einem Fazit und Aus­blick.

2. Virales Marketing

Der Sportkonzern adidas wird in Zukunft Großteile seine Werbespendings auf das Inter­net verwenden. Jedes Jahr werden 13% des Umsatzes in Werbung, im Jahr 2010 waren das anderthalb Milliarden Euro, investiert. adidas hat erkannt, dass ihre wichtigste Ziel­gruppe, die 14- bis 19-Jährigen, viel Zeit in sozialen Netzwerken verbringt. Klassische Medien wie Anzeigen und Fernsehspots sind nicht mehr so wichtig wie früher und wer­den daher nur noch begleitend gebucht. Auch der Konkurrent PUMA sieht die Zukunft im Internet. Jüngst hat der Konzern angekündigt den Online-Marketingetat zu verdop­peln.[3]

Die enormen Veränderungen der Spendings bei Adidas und Puma lässt keinen Zweifel daran, dass das Web 2.0 für die Werbung enorm an Bedeutung gewonnen hat. Auch das virale Marketing wird in Zukunft immer wichtiger werden.

Im Jahr 2008 wurden im Rahmen einer Studie der Feed Company 40 Führungskräfte renom­mierter Werbeagenturen zum Thema virales Marketing befragt. Die Studie besagt, dass 72,1% der Klienten Interesse an viralen Videos als Bestandteil ihrer Marketingkam­pagne bekundeten.[4]

Dieses Kapitel wird sich mit der Entwicklung der Werbung und der Bedeutung sowie den Chancen und Risiken des viralen Marketings auseinandersetzen.

2.1 Entwicklungen des Marketings

Der Begriff Marketing hat seinen Ursprung im angloamerikanischen Sprachraum. Zwar ist seit vielen Jahrhunderten die Grundidee des Marketings im Wirtschaftsgeschehen zu beobachten, jedoch wurde der Begriff des Marketings erst im Jahre 1906 in Samuel Spar­lings Buch 'Introduction to Business Organization‘[5] zum ersten Mal in der wissenschaftli­chen Literatur erwähnt. Im deutschsprachigen Raum verbreitete sich der Begriff des Marke­tings erst in den 60er Jahren und löste damit die Begriffe Absatzpolitik oder Absatzwirt­schaft ab. Die aufkommende Verbreitung des Marketing Begriffs führte auch zu unterschiedlichen Interpretationen desselben. Im Zeitverlauf entwickelte sich das Marke­ting weiter und setzt auch inhaltlich immer neue Schwerpunkte:

- 60er Jahre: Schwerpunkt: Verkaufsorientierung. Vor dem Hintergrund der Entwick­lung vom Verkäufermarkt (Angebot ist größer als die Nachfrage) zum Käufer­markt (Angebot ist kleiner als die Nachfrage) wird das Marketing als Beeinflussungstech­nik verstanden.
- 70er Jahre: Schwerpunkt: Marktorientierung. Durch eine differenziertere Bear- bei­tung des Marktes (z.B. durch Marktsegmentierung) soll der Angebotsüberhang und die damit zusammenhängenden Sättigungserscheinungen kompensiert werden.
- 80er Jahre: Schwerpunkt: Wettbewerbsorientierung. Hauptaugenmerk wurde auf Wettbewerbsvorteile und -positionierung gelegt. Die Ausrichtung des Marketings war stärker kompetitiv und durch die Globalisierung und Internationalisierung trat das 'Global Marketing' stärker in Erscheinung.
- 90er Jahre: Schwerpunkt: Umweltorientierung. Das Marketing orientiert sich zuneh­mend an rechtlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Faktoren, diese sich im­mer schneller wandelnden Rahmenbedingungen müssen möglichst früh erkannt und schnellst­möglich darauf reagiert werden.
- 2000er Jahre: Schwerpunkt: Netzwerkorientierung. Im Zuge der rasanten Entwicklun­gen der Informations- und Kommunikationstechnologien werden Begriffe wie Database-Marketing, Netzwerkmarketing, usw. immer wichtiger.[6]

Der Vollständigkeit halber soll an dieser Stelle auch das moderne Marketing definiert werden. Die American Marketing Association definiert es als eine „...organizational func­tion and a set of processes for creating communicating and delivering value to customers and for managing customer relationships in ways that benefit the organization and its stakeholders.“[7] Diese Definition ist in der Wissenschaft und Praxis international aner­kannt.

2.2 Theoretische Einordnung des Viralen Marketing

Um am Markt erfolgreich zu sein, müssen für Unternehmen Strategien und Ziele formu­liert werden. Aber erst durch die Ableitung operativer Maßnahmen kann der Markt bearbei­tet werden. Der Marketingmix stellt die zielorientierte Kombination und Koordina­tion verschiedener zur Verfügung stehender Marketinginstrumente dar. Dazu gibt es eine Fülle an Instrumenten, die sich in vier Bereiche, auch die vier P’s genannt, unterteilen lassen: Produktpolitik (product), Preispolitik (price), Distributionspoli­tik (place), Kommunikationspolitik (promotion). Die vier P‘s ergeben sich aus den vier Anfangs­buchstaben der jeweiligen englischen Bezeichnungen. Das Vi­rale Marketing befin­det sich im Marketingmix in dem Bereich der Kommunikationspoli­tik.[8]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Marketingmix

Eigene Darstellung in Anlehnung an Pesch (2010), S. 168; Clemens (2003), S. 25f.

2.3 Definition virales Marketing

Virales Marketing baut auf den Prinzipien der Mund-zu-Mund-Propaganda auf. Oft wird virales Marketing mit Internet Mund-zu-Mund-Propaganda gleichgesetzt. Dies ist jedoch nur bedingt richtig. Die Analyse verschiedener Definitionen wird zeigen, dass virales Marketing eigene Charakteristika aufweist.[9]

Derzeit gibt es in der Wissenschaft keine einheitliche Definition von viralem Marketing. Kriby definiert virales Marketing in seinem Buch connected marketing wie folgt: „Viral marketing describes any strategy that encourages individuals to pass on a marketing mes­sage to others, creating the potential for exponential growth in the message’s exposure and influence. Like viruses, such strategies take advantage of rapid multiplication to ex­plode the message to thousands, to millions.“[10] Das Hauptaugenmerk seiner Definition liegt demnach auf dem Potential, dass sich eine Marketingbotschaft exponentiell verbrei­tet.

Nach der Definition von Langner ist virales Marketing grundsätzlich nicht an ein Me­dium gebunden, jedoch sieht er im Internet aufgrund der hohen Geschwindigkeit eher die Möglichkeit, dass Informationen eine kritische Masse erreichen, um sich dann exponenti­ell zu vermehren.[11]

Kollmann führt in seiner Definition zusätzlich den Punkt an, dass die Verbreitung von selbst erfolgt und nicht zu kontrollieren ist. Des Weiteren wird hier das Internet als einzi­ges Medium zur Verbreitung angeführt und er verweist auf die Kosteneffizienz, da die Verbreitung kostenlos erfolgt.[12]

Frey vertritt ins seiner Definition, ähnlich wie Kirby, die Meinung, dass virales Marke­ting zwar das Potential zur exponentiellen Verbreitung hat, die tatsächliche exponentielle Verbreitung ist allerdings nicht voraussetzend für virales Marketing.[13]

Hettler verweist in seiner Definition außerdem auf die Relevanz von Gelegenheitsempfehlun­gen, das spontane Weiterempfehlen, das sich situativ und nicht aus langjähriger Erfahrung und Überzeugung ergibt. Damit virale Kampagnen erfolgreich verlaufen, muss demnach ein situatives Involvement erzeugt werden.[14]

In einigen Definitionen wird anstelle von viralem Marketing von Virus Marketing gespro­chen. Diese Begriffe können synonym verwendet werden, da sich das Wort 'viral' von Virus ableitet. Ähnlich wie ein bei einem Virus soll ein Träger das Virus, hier z.B. Informatio­nen oder eine Marketingbotschaft, in kürzester Zeit verbreiten.[15]

Zusammenfassend lässt sich virales Marketing wie folgt charakterisieren: Virales Marke­ting umfasst das gezielte Auslösen von bestimmten, sich selbst verbreiten­den Verhaltensfor­men (Weitergabe von Marketingbotschaften, Informationen, o.ä.). Für vira­les Marketing ist vor allem das situative Involvement, das vorübergehende Interesse an der Marketingbotschaft, von Bedeutung. Durch Verwendung digitaler Medien wird die exponentielle Verbreitung zwar enorm beschleunigt, jedoch sind einmal ‚ge­streute‘ Kampagnen nicht mehr zu kontrollieren. Dieser Ansatz wird auch in der vorliegen­den Arbeit als Grundlage dienen.

Können Trends, Ideen oder Verhaltensweisen wirklich gezielt ausgelöst werden?

2.3.1 Theorie der Memetik

Die Theorie der Memetik nach Richard Dawkins besagt, dass es neben der genetischen auch eine kulturelle Evolution gibt. Dementsprechend muss es neben den genetischen Informationsträgern, den Genen, auch kulturelle Informationsträger geben. Dawkins nennt diese Meme. Dieses von dem lateinischen 'memoria' (Erinnerung) abgeleitete Wort ist bewusst an das Wort 'Gen' angelehnt. Ähnlich wie bei der biologischen Vermehrung „verbreiten sich Meme im Mempool, indem sie von Gehirn zu Gehirn überspringen, vermit­telt durch einen Prozess, den man im weitesten Sinne als Imitation bezeichnen kann.“[16] Die Imitation ist hier der entscheidende Replikationsmechanismus. Vorausset­zung für eine erfolgreiche Replikation, also selbstständige Verbreitung, sind Fruchtbar­keit, Langlebigkeit und Kopiergenauheit der Meme.[17]

Wie kann es aber sein, dass sich manche Trends, Verhaltensweisen, Marketingbotschaf­ten, etc. epidemisch verbreiten und andere nicht?

2.3.2 Adoptions- und Diffusionsmodell

Die Adoptions- und Diffusionstheorie beschäftigt sich mit der Ausbreitung von Innovatio­nen[18]. Besonderes Augenmerk liegt hierbei auf den Gesetzmäßigkeiten der Verbrei­tung. Der Begriff Adoption beschreibt den Prozess der schrittweisen Übernahme einer Innovation eines Nachfragers. Der Prozess umfasst fünf Phasen:

- Awareness (Bewusstsein/Erkenntnis)

Die Innovation wird von den potenziellen Nachfragern, ohne deren eigenes Zutun, zum ersten Mal wahrgenommen.

- Interest (Interesse)

Wurde das Interesse des Nachfragers erweckt, bemüht er sich um weitere Informationen über die Innovation.

- Evaluation (Bewertung)

Auf Basis der gesammelten Informationen werden die Vor- und Nachteile der Innovation abgewogen und der Nachfrager bildet sich ein Urteil darüber, ob und in welchem Umfang die Innovation die eigenen, individuellen Bedürfnisse befriedigen kann.

- Trial (Versuch)

Im vierten Schritt erprobt der Konsument die Innovation um zu erfahren ob sie seine Bedürf­nisse befriedigen kann.

- Adoption (Übernahme)

Der letzte Schritt der Adoptionstheorie ist der Kaufprozess. Der Adoptionsprozess unter­teilt sich in drei Phasen:

1. Entscheidungsphase: Hierzu zählen alle Aktivitäten, die zu einer Entscheidung für oder gegen die Innovation beitragen.
2. Implementierungsphase: Die Innovation wird übernommen und vom Konsumen­ten genutzt.
3. Bestätigungsphase: Der Konsument versucht kognitive Dissonanzen, die nach dem Kauf auftreten, abzubauen. Durch neu gewonnene Informationen kann der Kauf je­doch bereut werden und ein erneuter Kauf findet nicht statt.[19]

Die Diffusion beschreibt, wie eine Innovation in einem sozialen Netzwerk übernommen und verbreitet wird. Grundgedanke der Theorie ist, dass Individuen nicht zeitgleich Innovatio­nen übernehmen. Nach Everett M. Rogers wird im Zeitverlauf die Innovation von fünf verschiedenen Adoptergruppen übernommen und so verbreitet.[20]

Die erste Gruppe bilden die Innovators (Innovatoren). Bezeichnend für diese Gruppe ist ihre hohe Risikobereitschaft. Sie spielen bei der Diffusion eine tragende Rolle, da sie die Innovation zum ersten Mal in ein System tragen. Durch die Early Adopters (frühe Überneh­mer) wird die Innovation zum ersten Mal übernommen. Diese Gruppe zeichnet sich durch viele Meinungsführer aus. Early Adopters sind gut informiert, haben ein hohes Prestige in sozialen Systemen und gelten Vielen als Vergleichsperson und Informations­quelle. Die Übernahme von Innovationen durch die Early Majority (frühe Mehrheit) ist durch die vorherigen Gruppen geprägt. Die Early Majority handeln erst, nachdem sie die Erfahrungen der Innovators und den Early Adopters mit der Innovation abgewogen hat. Das Risiko der Innovation ist durch die Verwendung vorheriger Übernehmer soweit herabge­setzt, dass sie von den Early Adopters übernommen wird. Die Gruppe der Late Majority (späte Mehrheit) sind Innovationen gegenüber eher skeptisch eingestellt. Sie übernehmen die Innovation erst, nachdem sie einen wachsenden sozialen Druck empfin­den, da sich schon überdurchschnittlich viele Konsumenten für die Innovation entschie­den haben. Als letzte Gruppe übernehmen die Laggards (Nachzügler) die Innovation. Lag­gards sind durch Traditionsverbundenheit und Misstrauen gegenüber Innovationen gekenn­zeichnet. In sozialen Systemen nehmen sie Außenseiterrollen ein und adoptieren Innovationen nur, weil sie in ihrem sozialen System schon als traditionell verstanden wer­den können. Zu dem Adoptionszeitpunkt wird die Innovation von den meisten ande­ren Personen des sozialen Systems schon lange nicht mehr als neu erachtet.[21]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Diffusionskurve

Quelle: Hensel, M., Wirsam, J. (2008), S. 33.

Für Unternehmen, die Marketingbotschaften viral verbreiten möchten, sind die Adopti­ons- und Diffusionsprozesse und die Adoptergruppen von zentraler Bedeutung. Können Innova­toren identifiziert werden, so besteht die Möglichkeit durch gezielte, individuelle Ansprache einem Diffusionsprozess in Gang zu setzten.[22]

2.3.3 Theorie des Tipping-Point

In seinem Buch ‚Tipping Point- Wie kleine Dinge Großes bewirken können‘ beschreibt Malcom Gladwell wieso Trends oder Ideen die jahrelang unbeachtet blieben, sich plötz­lich epidemisch ausbreiten. Der Tipping Point beschreibt den Moment, an dem eine Idee oder ein Trend ‚kippt‘, also eine Schwelle überschreitet, und sich epidemisch ausbreitet. Die Theorie des Tipping Point lässt sich ohne Probleme auf das virale Marketing übertra­gen. Nach Gladwell folgen Epidemien drei Regeln: Das Gesetz der Wenigen, die Veranke­rung und die Macht der Umstände. Diese Regeln bieten lediglich die Möglich­keit, Epidemien zu erklären und geben Hinweise, wie man einen Tipping Point erreichen kann. Eine allgemeingültige Anleitung zur epidemischen Verbreitung von Ideen oder Trends kann die Theorie des Tipping Points jedoch nicht liefern.[23]

2.3.3.1 Das Gesetz der Wenigen

Es gibt drei Arten von Menschen die bei der epidemischen Verbreitung eine Rolle spie­len: Vermittler, Kenner und Verkäufer.[24]

Der Psychologe Stanley Milgram führte in den späten 60ern ein Experiment durch, um zu klären, wie die Menschen miteinander verbunden sind. Im Rahmen des Experiments ver­schickte er an 160 Leute aus Omaha, Nebraska jeweils einen Brief indem sich der Name und der Wohnort eines Börsenmaklers aus Sharon, Massachusetts, der in Boston arbeitet, befinden. Die Adressaten aus Omaha sollten nun den Brief mit Absender versehen an jemanden weiter schicken, von dem sie denken, dass dieser den Börsenmakler kennt bzw. ihm näher ist. Aus der Liste der Absender konnte Milgram dann erschließen, über welche Wege der Brief zu dem Börsenmakler gelangt ist. Im Schnitt erreichte der Brief den Mak­ler in fünf bis sechs Schritten. Aus diesem Experiment stammt das bekannte Konzept der ‚sechs Grade der Trennung‘. Auffällig ist außerdem, dass die Hälfte der Briefe über diesel­ben drei Männer zu dem Makler gelangte. Diese Art von Leuten werden ‚Vermitt­ler‘ genannt. Das Konzept der sechs Grade der Trennung sagt Gladwell zufolge nicht aus, dass jeder über sechs Ecken mit dem Makler verbunden ist. Vielmehr gibt es eine kleine Gruppe von Leuten (in diesem Falle die drei Männer) die mit allen anderen Menschen über sechs Ecken verbunden sind. Durch die Vermittler ist der Rest der Menschen mit der Welt verbun­den.[25]

Vermittler sind dadurch gekennzeichnet, dass sie viele Leute kennen. Das bedeutet nicht, dass sie diese Leute gut kennen, eine Bekanntschaft reicht vollkommen aus. Der große Bekanntenkreis ergibt sich daraus, dass sie sich in vielen unterschiedlichen Gruppen und Welten bewegen. Dadurch kommen sie mit den unterschiedlichsten Menschen in Berüh­rung, im Gegensatz zu den meisten Menschen, die sich meist mit Menschen umgeben die in derselben Welt leben.[26]

Die Vermittler sind nach Gladwell zwar für die Verbreitung der Mund-zu-Mund-Epide­mie verantwortlich, jedoch sind sie meist nicht diejenigen die die neusten Trends entde­cken.[27]

Kenner verfügen quasi über Insiderwissen und sind immer auf der Suche nach neuen Informa­tionen. Neben ihrem Wissen zählen ihre sozialen Fähigkeiten, sie sind sehr kommuni­kativ, zu ihren Stärken. Sie teilen ihr Wissen gerne mit anderen und fungieren als Berater. Dies tun sie jedoch ohne sich dadurch behaupten zu wollen, geschweige denn jemanden zu überreden. Für sie zählt einzig und allein zu helfen. Sie haben eine starke soziale Motivation. Genau das macht sie für Mund-zu-Mund- Epidemien so wichtig.[28]

Die dritte Gruppe sind die Verkäufer. Sie besitzen eine starke Überzeugungskraft. Nicht nur ihre rhetorischen Fähigkeiten tragen dazu bei, Menschen von Dingen überzeugen, sogar begeistern zu können, sondern auch ihre ausgeprägte Mimik und Gestik. Sie passen sich ihren Gesprächspartnern an, auf eine subtile und natürlich Art und Weise. Sie haben ein so starkes Charisma, dass sie ihrem Gegenüber förmlich mit ihren Emotionen anste­cken.[29]

2.3.3.2 Die Verankerung

Bei einer Epidemie kommt es auf den Boten an, da er die Ansteckung verbreitet, jedoch ist der Inhalt der Botschaft genauso wichtig. Eine Botschaft muss sich in den Empfän­gern verankern, also so einprägsam und unvergesslich sein, dass man den Empfänger dazu bringt etwas zu tun.[30]

Am besten lässt sich die Verankerung anhand eines Beispiels aus dem Direktmarketing erläutern. Bis in die 70er Jahre hatte der Direktmarketer Lester Wunderman den komplet­ten Werbeetat einer der größten Mail-Order Clubs der Welt: Columbia Record Club. Colum­bia entschied die Agentur McCann Erickson zu beauftragen, um die gedruck­ten Anzeigen, für die Wunderman verantwortlich war, mit TV Spots zu unterstüt­zen. Es soll­ten einfache Werbespots sein, um die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf das Angebot Columbias‘ zu lenken. Da Wunderman den Columbia-Etat seit der Firmengrün­dung be­treute, war das Entsetzten verständlicherweise groß. Abgesehen davon, dass er keinen Teil des Etats an einen Konkurrenten verlieren wollte, war er von dem Nutzen der McCann-Werbung überhaupt nicht überzeugt. Wunderman schlug Columbia einen Test vor: Sie sollen die ganze Bandbreite der von Wunderman entwickelten Werbung in 26 Medienmärkten der USA in den Lokalausgaben der Parade und TV Guide Magazinen schalten. McCann war es erlaubt, in 13 dieser Märkte ihre Werbespots zu senden. In den üblichen 13 sendete Wunderman die von ihm entwickelten Spots. Die Wirkung der jeweili­gen Werbung konnte man anhand der Reaktionen der TV Guide und Parade Leser ablesen. Das Experiment dauerte einen Monat. Die Einsendungen in den Märkten, in de­nen die Kampagne von Wunderman ausgestrahlt wurde hatten sich um unglaubliche 80% erhöht. In den Märkten von McCann hingegen nur um 19,5%.[31]

Warum war die Kampagne von Wunderman so viel erfolgreicher als die von McCann? Die Antwort mag verblüffen: In allen Anzeigen ließ Wunderman eine kleine goldene Truhe in die Ecke des Bestellcoupons drucken. Gleichzeitig wurden TV-Spots entwickelt, die allesamt nach Mitternacht ausgestrahlt wurden, in denen das Geheimnis dieser Goldkis­ten entschlüsselt wurde.

Den Zuschauern wurde gesagt, dass sie sich irgendeinen Titel aus dem Sortiment von Columbia aussuchen und in den Coupon schreiben dürfen und diesen kostenlos zuge­schickt bekommen, wenn sie die kleine Schatzkiste in ihrer Ausgabe des Parade oder TV Guides Magazin finden. Die Schatzkiste ist ein Auslöser, sie gibt den Leuten einen Grund in den Zeitschriften nach den Anzeigen zu suchen und sie interaktiv einzuspannen. Aus bloßen Zuschauern wurden aktive Teilnehmer an einem Spiel. Keine Anzeige hatte sich im Jahr 1977 so bezahlt gemacht wie jene. Obwohl die Agentur McCann zu den führen­den Agenturen gehörte, die sowohl für ihr hohes Niveau als auch für ihre Kreativität be­kannt war, vier Mal so viel Geld für Fernsehzeiten ausgab, gewann Wunderman den Test. McCann konnte ihre Botschaft aber bei den Zuschauern einfach nicht verankern. So klein und trivial die Schatzkiste von Wunderman auch sein mag, es sind oft genau diese Ele­mente die sich verankern.[32]

[...]


[1] Vgl. Langer, S. (2009), S.13.

[2] Vgl. Ebd., S. 14; Lindl, M. (2008), S.1.

[3] Vgl. Handelsblatt (2010): http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/adidas-setzt-auf-youtube-statt-sportschau/3647824.html (Stand: 21.04.2011).

[4] Vgl. Feedcompany (2008): http://feedcompany.com/wp-content/uploads/Feed_Company_Viral_Video_Marketing_Survey.pdf (Stand: 21.04.2011).

[5] Vgl. Sparling, E. S. (2010).

[6] Vgl. Meffert, H., Burmann, Chr., Kirchgeorg, M. (2008), S. 7 ff.; Bruhn, M. (2007), S. 16 ff.

[7] American Marketing Association (2011):

http://www.marketingpower.com/_layouts/Dictionary.aspx?dLetter=M, (Stand 18.03.2011).

[8] Vgl. Pesch, J. (2010), S. 162f.

[9] Vgl. Bauer, H.H., Martin, I., Albrecht, C.-M. (2008), S. 64.

[10] Kirby, J., Marsden, P. (2006), S.88.

[11] Vgl. Langner, S. (2009), S. 29.

[12] Vgl. Kollmann, T. (2007), S. 185 f.

[13] Vgl. Frey, B. (2002), S. 234.

[14] Vgl. Hettler, U. (2010), S. 78.

[15] Vgl. Langner, S. (2005), S. 25; Frey, B. (2002), S. 234.

[16] Dawkins, R. (2006), S. 297.

[17] Vgl. Ebd., S. 292 ff.

[18] Für eine ausführliche Begriffserklärung siehe: Hensel, M., Jan Wirsam, J. (2008), S. 8ff.

[19] Vgl. Hensel, M., Wirsam, J. (2008), S. 21f.; Renker, L.-Chr. (2008), S. 25.

[20] Vgl. Ebd.

[21] Vgl. Ebd.

[22] Vgl. Renker, L.-Chr. (2008), S.27.

[23] Vgl. Gladwell (2002), S. 9ff.

[24] Vgl. Ebd., S.47.

[25] Vgl. Ebd., S. 47ff.

[26] Vgl. Ebd., S.52ff.

[27] Vgl. Ebd., S.73.

[28] Vgl. Ebd., S. 73ff.

[29] Vgl. Ebd., S. 84ff.

[30] Vgl. Ebd., S. 112.

[31] Vgl. Ebd., S. 114f.

[32] Vgl. Ebd., S. 114ff.

Ende der Leseprobe aus 70 Seiten

Details

Titel
Bedeutung viraler Marketingkampagnen im Web 2.0
Hochschule
BA Hessische Berufsakademie
Note
1,7
Autor
Jahr
2011
Seiten
70
Katalognummer
V177819
ISBN (eBook)
9783640997220
ISBN (Buch)
9783640997954
Dateigröße
1639 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
virales Marketing, Web 2.0, Tipping-Point, Blogs, social Media, youtube, marketing, bachelor
Arbeit zitieren
Lisa Eppel (Autor:in), 2011, Bedeutung viraler Marketingkampagnen im Web 2.0, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/177819

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