Gesetz oder Selbstkontrolle? Rechtsproblem Internet in Deutschland und den USA


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

24 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Gliederung:

1. Das Internet – ein neues Medium mit sich daraus ergebenden neuen
Rechtsproblemen

2. Vorüberlegungen
2.1. Individual- oder Massenkommunikation?
2.2 Risikopotential des Internets

3. Rechtsproblem Internet in Deutschland
3.1 Gesetze von Bund und Ländern
3.1.1 Das Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz (IuKDG)
3.1.2 Der Mediendienste-Staatsvertrag (MDStV)
3.2 Gesetzliche Inhalte
3.2.1 Verantwortlichkeit von Internet-Providern
3.2.2 Jugendschutz

4. Rechtsproblem Internet in den USA
4.1 Internet und First Amendment
4.2 Der Telcommunications Act und Telecommunications Decency Act
4.3 Inhalte aus dem Gesetz
4.3.1 Verantwortlichkeit einzelner Beteiligter

5. Ausblick – Freiwillige Selbstkontrolle im www?

6. Fazit

Literaturverzeichnis:

1. Das Internet – ein neues Medium mit sich daraus ergebenden neuen Rechtsproblemen

Das Internet ist ein völlig neues Medium in unserer Zeit[1]. Sicher, jedes Medium war einmal ein neues Medium – zu seiner jeweiligen Entstehungszeit. Aber das Internet ist allein schon von daher spannend, dass bis zu seiner Entstehung die verschiedenen Arten der Kommunikation leicht differenzierbar waren: Medien wie das Telefon oder auch die Telegrafie dienten der Individualkommunikation, andere, wie der Rundfunk, kannten nur den Weg in eine Richtung: vom Sender zum Rezipienten. Das Internet kann nun beides. Es ist “eine technische Plattform der Meinungsäußerung und Meinungsbildung und dies gegenüber den klassischen Medien in qualitativ neuer Weise.”[2]Während es einerseits der Meinungsbildung in der Öffentlichkeit dient, wie es die klassischen Massenmedien Presse und Rundfunk sich zur Aufgabe gemacht haben, geschieht durch das und mit dem Internet Individualkommunikation[3]in einer unübersichtlichen Anzahl von Möglichkeiten[4]. Beide diese Gruppen sind rechtlich durch das Grundgesetz geschützt: Individualkommunikation durch die Meinungs- und Informationsfreiheit in Art. 5 Absatz 1 Satz 1 und die freie, individuelle und öffentliche Meinungsbildung in Art. 5 Abs. 1 Satz 2.

Ich möchte in dieser Arbeit einen Vergleich zwischen den staatlich-fürsorglichen Reaktionen in Deutschland und den USA ziehen. Dafür wird es zunächst nötig sein, die Frage zu klären, ob das Internet ein Individual- oder Massenkommunikations-Medium darstellt; bzw. inwiefern es Kriterien für beide Arten von Medien erfüllt. Für Deutschland sind bei diesem Thema das Multimedia-Gesetz und der Mediendienste-Staatsvertrag entscheidend. Diese werde ich erläutern, nachdem ich einen kurzen Überblick über die Anwendbarkeit des allgemeinen deutschen Rechts auf das Internet gegeben habe. In den USA dreht sich die Diskussion vor allem um den Konflikt des Telecommunications Act (insbesondere dabei des Telecommunications Decency Act) mit dem First Amendment. Auch zu klären ist die Verantwortlichkeit von Internet-Providern in beiden Staaten. Aus aktuellem Anlass[5]will ich zusätzlich einen Fokus auf den Jugendschutz legen. Am Ende werde ich einen Ausblick auf mögliche Maßnahmen der Selbstregulierung geben. Denn es steht bei beiden Staaten die Frage im Raum, ob eine freiwillige Selbstkontrolle im Internet eine Zukunft hat.

2. Vorüberlegungen

Um einen Vergleich zwischen der Regulierung des Internets in zwei Staaten ziehen zu können, ist es nötig, sich zuvor darüber klar zu werden, inwiefern es sich bei dem neuen Medium um Individual- oder Massenkommunikation handelt. Wie schon erwähnt, sind beide Arten der Kommunikation rechtlich geschützt, jedoch auf unterschiedliche Art und Weise: in der BRD ist “access provision [...] Sache des Bundes, content provision die der Länder.”[6]Eine weitere Vorüberlegung wird sein, inwiefern das Internet durch allgemeine Gesetze hierzulande sowieso schon geschützt ist. Denn es handelte sich bei dem weltweiten Netz auch vor 1997 keinesfalls um einen rechtsfreien Raum, wie es so oft behauptet wurde.

2.1. Individual- oder Massenkommunikation?

Wie schon oben erwähnt, besteht eine der größten Schwierigkeiten in der Rechtslage des Internet schon darin, es zu klassifizieren. “Während im Rahmen der Individualkommunikation der subjektive Abwehrcharakter, der eine Störung des kommunikativen Austausches durch ein Dazwischentreten Dritter verhindern soll, im Vordergrund steht, fordert der objektive Regelungsgehalt der Massenkommunikationsfreiheiten zudem eine Ausgestaltung und Regelung der Medienordnung, um eine kommunikative Chancengleichheit zu gewährleisten.”[7]Bamberger (1986) bestimmt das Massenmedium dadurch, dass es geistige “Gehalte” durch “technische Mittel” an eine “Masse”[8]von Rezipienten befördert. Entscheidend ist dabei der Begriff “Masse”, der ein diffuses, also anonymes und unbestimmtes Publikum bezeichnet. World Wide Web, News Groups und Mailing Lists gehören also demnach zur Massenkommunikation, während in E-Mails und Internet Relay Chats[9]individuell Inhalte ausgetauscht werden. Da einige Dienste des Internets zur Massenkommunikation gezählt werden, ergibt sich zwangsläufig die Diskussion, ob man diese dem Rundfunk zuordnen kann. Während sich Eberle (1995)[10]und Hochstein (1997)[11]für eine vollständige Zurechnung zum Rundfunk aussprechen[12], lehnt Flechsig (1996)[13]dies vollständig ab. Auch Mecklenburg versteht den Grundversorgungsanspruch des Internets nicht im rundfunkrechtlichen Sinn. Einen Konsens zwischen den Meinungen kann man m. E. nicht in befriedigender Weise finden: Das Internet kennt beide Arten der Kommunikation und erfordert deshalb besondere Gesetze. Es ist weder möglich, das Netz sich unter dem Deckmantel der Individualkommunikation frei entfalten zu lassen, noch es als Massenmedium in seinem vollen Umfang einzuschränken. Denn dies würde eine Einschränkung der privaten Kommunikation und somit einen Eingriff in die Meinungsfreiheit bedeuten. Mecklenburg[14]löst diese Problematik, indem er für das Internet eine sechste Kommunikationsfreiheit, nämlich die Internetfreiheit vorschlägt.[15]

2.2 Risikopotential des Internets

Es gibt einen weiteren Grund, warum es nötig ist, dass sich der Staat mit einer genaueren Regulierung für das WWW auseinandersetzt. Schulz (1997) nennt drei Kriterien, die eine entscheidende Rolle spielen, um das “innewohnende Risikopotential”[16]eines Mediums, also auch das des Internets, einzuschätzen. Je höher das Risikopotential, desto nötiger ist ein neues Gesetz. Der erste Punkt Schulzes ist der Grad der Asymmetrie. Dies meint die Stellung der Teilnehmer innerhalb des Mediensystems Internet. So genannte “organisierende Beteiligte” können zum Beispiel Foren einrichten, den Zugang zu Chatrooms einschränken usw. Daraus ergeben sich diverse Stufen von Machtpositionen der Beteiligten. Schulz zieht jedoch für das Medium Internet den Schluss, dass es nicht asymmetrischer ist als der Rundfunk und somit auch keine stärkere Regulierung als dieser erfordert. Ich pesönlich halte das WWW sogar eher für weniger asymmetrisch als den Rundfunk, da theoretisch jeder als organisierender Beteiligter auftreten kann. Als Zweites spielen “die Bedeutung und kulturprägende Kraft eines Mediums”[17]eine Rolle. Diese sind laut BVerfG besonders hoch, wenn das Medium über Ton und Bild verfügt – ein Kriterium, dass das Internet durchaus in hohem Maße erfüllt.

Der dritte Punkt von Schulz ist der am wenigsten Eindeutige: Es handelt sich darum, ob man bei einem neuen Medium davon ausgehen kann, dass es ohne neue gesetzliche Regelungen dem Verfassungsrecht entsprechen wird. Dies kann man beim Internet sicher nicht. Egal, ob es um Urheber-, Vertrags-, Wettbewerbs-, Datenschutz-, Arbeits-, Strafrecht oder Jugendschutz[18]geht: das Internet braucht genauere Regelungen als die bisher vorhandenen. Diese Notwendigkeit wurde vom Gesetzgeber recht bald erkannt, ein genaues und wasserdichtes Gesetz für alle genannten Bereiche gibt es aus verschiedenen Gründen bis zum heutigen Tage dennoch nicht. Vor allem internationale Konflikte um die Zuständigkeit[19]lassen eine rechtliche Verfolgung von Internet-Kriminalität oft nicht zu.

3. Rechtsproblem Internet in Deutschland

Im Internet gelten natürlich auch ohne spezielle Regelungen die Gesetze. Zum Beispiel “finden [...] im Internet ohne weiteres die allgemeinen Straftat- und Ordnungswidrigkeitsbestände Anwendung, welche zur Verwirklichung keiner besonderen Begehungs- oder Erfolgsform, die es nur in der körperlichen Welt gibt, bedürfen.”[20]Genauso gilt das Urheberrecht auch im Internet. Doch in diesem Bereich gibt es großen Regelungsbedarf, da ohne besonders großen Aufwand Texte, Fotografien oder Musik ins weltweite Netz gestellt werden können.[21]Der wichtigste Punkt des Öffentlichen Rechts betrifft den Jugendschutz. Das JÖschG (Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit) gilt zwar im Internet, Verstöße sind jedoch schwer zu verfolgen. Es ist ein wahres Kinderspiel, über das Netz der unbegrenzten Möglichkeiten an pornographische und gewaltverherrlichende Schriften, Bilder und Filme zu kommen.[22]

Auf das Vertragsrecht und den Datenschutz näher einzugehen, würde den Rahmen dieser Arbeit sicher sprengen. Deshalb möchte ich hierzu auf die Literatur verweisen[23].

Es war eine ganze Zeit lang unklar, ob der Bund oder die Länder für die Regelung zuständig sein sollten.[24]1996 kam es zu einem Kompromiß, in dem sich beide Seiten einigten, dass “die an die Allgemeinheit gerichteten Dienste von den Ländern, die Dienste für die Individualkommunikation vom Bund geregelt werden sollten.”[25]So kam es zum IuKDG und zum MDStV. Im Folgenden werde ich zur Betrachtung der speziellen Gesetze übergehen.

3.1 Gesetze von Bund und Ländern

Bis 1997 gab es nur den Btx-Staatsvertrag der Länder, der von einer völlig anderen hierarchischen Situation ausging: “Es gibt einen Zentralcomputer, in dem alle angebotenen Inhalte versammelt sind. Der Betreiber dieses Computers gestattet einem Anbieter, dort Inhalte einzupflanzen. Der Teilnehmer kann diese Inhalte abrufen.”[26]

Das Internet funktioniert nun aber völlig anders, es ist ein neurales Netz. Nach dem bereits erwähnten Kompetenzstreit traten am 01.08.1997 das IuKDG sowie der MDStV in Kraft.[27]“Auf dem Kompromiß beruht die gesetzestechnische Aufteilung der Multimediadienste in Mediendienste einerseits und Teledienste andererseits.”[28]Die beiden Gesetze sind weitgehend deckungsgleich, deswegen werde ich ihre wichtigsten Inhalte gemeinsam behandeln.

3.1.1 Das Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz (IuKDG)

Das IuKDG bezieht sich auf Teledienste. Das sind Informations- und Kommunikationsdienste, die für eine individuelle Nutzung bestimmt sind und deren Nutzung einer Telekommunikation zu Grunde liegt. Das IuKDG regelt insbesondere folgende Bereiche: Verantwortung von Providern (Artikel 1, § 5), Teledienstedatenschutzgesetz (Artikel 2), Gesetz zur digitalen Signatur (Artikel 3), Jugendschutz (Artikel 6) sowie eine Änderung des Urheberrechts (Artikel 7). Außerdem werden diverse Gesetze geändert, indem das Internet dort mitberücksichtigt wird. So zum Beispiel das Strafgesetzbuch, wo unter Schriften seitdem auch Datenträger zu verstehen sind. Im Folgenden möchte ich nicht auf alle, sondern nur auf die wichtigsten Punkte des IuKDG eingehen.

[...]


[1]Streng genommen ist nicht das Internet das neue Medium, sondern die Online-Dienste, die sich daraus ergeben. Das Internet stellt nur die technische Plattform dar. In dieser Arbeit werde ich jedoch die beiden Begriffe als Synonym benutzen, wie es sich inzwischen eingebürgert hat.

[2]Mecklenburg 1997, S. 531.

[3]Eine detaillierte Gliederung der einzelnen Möglichkeiten der Individualkommunikation in Point-to-Point-, Point-to-Mulitpint-Kommunikation und Newsgrooups als Nachrichten-Dienste findet sich bei Ritz, 1998. S. 21ff.

[4]Chatrooms, E-Mail, LANs (Local Area Network)

[5]Nämlich dem Attentat in einer Erfurter Schule, nachdem die Diskussion um den Jugendschutz in den Medien wieder intensiver geführt wird.

[6]Mecklenburg 1997, S. 526.

[7]Schröder, 1999. S. 87.

[8]Vgl. Bamberger 1986, S. 1 f.

[9]Abgeschlossene Räume in Chatrooms, die nur bestimmten Personen zugänglich sind.

[10]Vgl. Eberle 1995.

[11]Vgl. Hochstein 1997.

[12]Obwohl sie anerkennen, dass im Internet auch Individualkommunikation stattfindet, sprechen sie sich für die Dominanz der Elemente aus, die für den Rundfunk typisch sind.

[13]Vgl. Flechsig 1996.

[14]Vgl. Mecklenburg 1997, S. 542.

[15]Mecklenburg erhofft sich außerdem durch das Internet einen Strukturwandel in Richtung mehr Öffentlichkeit, da vorhandene Informationen auch von staatlicher Seite erhöht verfügbar gemacht werden müssten.

[16]Schulz, 1997. S. 196.

[17]Schulz, 1997. S. 197.

[18]Zu den einzelnen Punkten und deren rechtlichen Regelung siehe Strömer, 19992.

[19]Ohne dies an dieser Stelle zu vertiefen, siehe dazu: Kuner 1996.

[20]Eichhorn, 20012. S. 53.

[21]Der wohl bekannteste Fall für verletzte Urheberrechte ist das Unternehmen Napster, das den Austausch von Musik unter Usern ermöglichte, jedoch dabei diverse Rechte von Produzenten und Musikern missachtete.

[22]Dazu siehe Punkt 3 der Arbeit.

[23]Z. B. Eichhorn, 2001; Schippan, 1999 oder Strömer, 19992.

[24]Eine ausführliche Begründung, weshalb der deutsche Gesetzgeber zur gesetzlichen Beschränkung der Kommunikationsfreiheit verpflichtet ist, findet sich bei Determann 2000, S. 274ff.

[25]Fechner 2000, S. 244.

[26]Engel 1997, S. 410.

[27]Als Kommentar zum § 5 der beiden Gesetzestexte, in dem jeweils die Verantwortlichkeit geregelt ist, vesteht sich Sieber 1999.

[28]Fechner 2000 S. 245.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Gesetz oder Selbstkontrolle? Rechtsproblem Internet in Deutschland und den USA
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg  (Schwerpunkt Journalistik)
Veranstaltung
Hauptseminar: Neue Medien
Note
1,7
Autor
Jahr
2002
Seiten
24
Katalognummer
V17751
ISBN (eBook)
9783638222433
Dateigröße
710 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gesetz, Selbstkontrolle, Rechtsproblem, Internet, Deutschland, Hauptseminar, Neue, Medien
Arbeit zitieren
Emily Mühlfeld (Autor:in), 2002, Gesetz oder Selbstkontrolle? Rechtsproblem Internet in Deutschland und den USA, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17751

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