Das mythische Element in J. K. Rowlings Harry Potter


Seminararbeit, 2003

37 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Das mythische Element in „Harry Potter“ – zur Einführung in das Thema

1 Mythen – Was sind das?

2 Die mythische Grundstruktur in Harry Potter
2.1 Das besondere Kind
2.2 Gegensatz zwischen Gut und Böse

3 Die mythischen Wesen in Harry Potter
3.1 Der Ianuskopf
3.2 Das Einhorn
3.3 Der Phönix
3.4 Der dreiköpfige Hund
3.5 Die Zentauren

4 Die mythischen Namen in Harry Potter
4.1 Argus Filch
4.2 Minerva Mc Gonagall
4.3 Circe
4.4 Hermine Granger
4.5 Penelope Clearwater
4.6 Cassandra

5 Das mythische Element-Beitrag zur Faszination von „Harry Potter“?

6 Abschließende Überlegungen

Literatur

Das mythische Element in „Harry Potter“ – zur Einführung in das Thema

„Das mythische Element in J.K. Rowling´s „Harry Potter“ – dem Titel dieser Arbeit ist bereits zu entnehmen, dass wir uns in den folgenden Ausführungen mit der Frage nach mythologischen Strukturen und literarischen Anlehnungen aus der antiken Mythologie in Harry Potter beschäftigen werden. Es steht sicher außer Frage, dass Mythen in der bislang vierbändigen Harry-Potter-Reihe[1] eine große Rolle spielen, und dass sich die Autorin zur inhaltlichen Gestaltung ihrer Werke einer Vielzahl an mythischen Elementen bedient. Wir werden im Rahmen dieser Arbeit einige von ihnen hinsichtlich ihrer Herkunft, ihrer Umgestaltung und ihrer Einbettung in Rowling´s Texte herausarbeiten und erörtern. Daneben interessiert und aber vor allem auch noch die Frage, wie diese Elemente auf den Leser wirken und inwieweit sie zur Faszination der Harry-Potter-Reihe beitragen. Wie werden dieser Frage nachgehen und mögliche Interpretationen aufzeigen.

1 Mythen – Was sind das?

Es gibt bis heute keine eindeutige Definition des Begriffs Mythos. Ursprünglich stammt er aus dem griechischem und bedeutet Wort, Rede, Erzählung und Fabel. Die in verschiedenen Lexika Büchern zur Mythologie beschriebenen Begriffsdefinitionen weichen allerdings mitunter stark voneinander ab. Eine recht neutrale Möglichkeit findet sich in der Microsoft Encarta: „Der Mythos ist eine Erzählung mit einem religiös - weltanschaulichen Gehalt, im Allgemeinen eine Legende, die den Ursprung der grundlegenden Umstände und Voraussetzungen einer Kultur allegorisch beschreibt und schildert.“[2] Die Schwierigkeit einer eindeutigen Definition liegt vermutlich darin, dass der Begriff Mythos im heutigen Sprachgebrauch sowohl für die Werke der antiken Mythologie verwendet wird, sich aber in zunehmendem Maße auch auf sogenannte moderne Mythen bezieht. Diese haben dann nur für einen begrenzten Zeitrahmen eine Bedeutung für den Menschen.

Als Beispiel für einen antiken Mythos könnte man Prometheus aus der griechischen Mythologie anführen. Wie viele andere antike Mythen hat der Prometheus-Mythos im Laufe der Jahrhunderte seine Bedeutung und Faszination für den Menschen nie verloren und tritt bis heute immer wieder in modifizierter Form auf.

Als modernen Mythos könnte man eventuell schon die Bücher von J.K. Rowling anführen, die bereits heute in vielen Artikeln und in der Sekundärliteratur mit dem Begriff Mythos bezeichnet werden. Ob Harry Potter allerdings tatsächlich zu einem Mythos wird, wird sich erst im Laufe der Zeit zeigen.

Mythen gehören zu einer Gesellschaft, der Mensch ist von den Mythen seiner Kultur betroffen. Sie „gehören zu den geistlichen Grundlagen des menschlichen Seins und beeinflussen die Kultur und die Handlungen von Menschen oft viel mehr, als einzelnen bewusst sein mag.“[3] Der Mensch kann sich allerdings der Wirkung der Mythen versuchen zu entziehen. Dieses wird um so eher gelingen, umso mehr er sich der Wirkung bewusst ist. Je mehr er die Mythen allerdings kennt und verinnerlicht hat, desto mehr wird er sich in ihnen auch `zu Hause´ fühlen.

„Mit den antiken Mythen muss man sich heute auf „moderne Art“ auseinandersetzen, sie zeitgemäß interpretieren – und ihnen doch ihre Würde, ihre Bedeutung lassen, sie in unsere Zeit auf eine Weise transportieren, dass die zeitlos gültigen Aussagen dieser Geschichten auch dem Menschen von heute erkennbar werden und ihn ansprechen, ohne für reaktionäre Zwecke missbraucht zu werden – denn wer die Mythen beherrscht, beherrscht das Denken.“[4]

Mythen können auf zwei verschiedenen Arten modern modifiziert werden. Ein negatives Beispiel für die Modifizierung wäre die Interpretation von der Treue Gunthers zu Hagen aus dem Nibelungenlied als Treue Deutschlands zu ihrem Führer im Dritten Reich. In diesem Fall wurde der Mythos missbraucht und vergewaltigt, um bestimmte Ziele zu verwirklichen. Ein positives Beispiel wären einige Autoren anzufügen, die die Mythen in ihren Büchern verarbeitet haben, wie zum Beispiel J.R.R. Tolkien in Der Herr der Ringe oder auch J. K. Rowling in ihren Harry Potter - Büchern.

Wie die Beispiele für eine moderne Modifizierung zeigen, spielen die Mythen in der Literatur eine große Rolle. So verwenden die Schriftsteller immer wieder den Stoff der Mythen und bauen ihr Handlungsgerüst mitunter sogar um einen bestimmten Mythos herum, wie zum Beispiel Christa Wolff, die in ihrem Roman Kassandra den Mythos um Troja behandelt. Sie hat den Stoff direkt verwendet, so dass der Leser sofort den antiken Mythos erkennt. Er ist nicht versteckt worden. Weniger direkt sind die mythischen Bezüge bei anderen Autoren. Die Mythen bei Harry Potter sind schon nicht mehr so unvermittelt enthalten, aber immer noch gut zu differenzieren. Die Autorin Joanne K. Rowling hat die Mythen in ihrem Buch modifiziert.

In der Mythologie lassen sich immer wieder bestimmte thematische Grundthemen wiederfinden. „So kann eine mythische Erzählung von Anfang der Welt, von der Schöpfung der Menschen und Tiere und der Entstehung bestimmter Bräuche, Gebärden oder Formen menschlicher Aktivitäten handeln.“[5] Nach diesen mythischen Grundstrukturen lassen sich die Mythen auch weiter klassifizieren. Die Mythen versuchen das menschlich Unerklärliche zu erklären, um so den Menschen eine gewisse Art an Sicherheit zu vermitteln.

Dieses versucht auch die Religion. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass die Mythologie als Aspekt der Religion betrachtet wird. Aber nicht nur die Vermittlung von Unerklärlichem ist das verbindende Glied zwischen der Religion und der Mythologie, sondern eben auch, dass in den Mythen Götter oder andere übernatürliche Geschöpfe die handelnden Personen sind.

2 Die mythische Grundstruktur in Harry Potter

Wie schon in der Einleitung beschrieben, findet sich in Rowling´s Büchern eine Vielzahl von mythischen Elementen. „Rowling bedient sich in den Harry Potter - Büchern zahlreicher Mythen und formt diese um, um so einen neuen Mythos zu schaffen.“[6] Es lassen sich demnach bestimmte mythische Grundstruktur in den Büchern finden.

2.1 Das besondere Kind

„Das Kind als das sichtbare Zeugnis und Bestätigung der Reproduktionsfähigkeit der menschlichen Gattung nimmt zu allen Zeiten und in allen Kulturen eine wichtige Position ein. Es hat eine symbolische Macht, die im Gegensatz steht zu seiner realen Schwäche, seiner Hilflosigkeit und seinem Angewiesensein auf Schutz und Pflege.[...]Die symbolische Macht des Kindes schlägt sich nieder in zahlreichen, über die Erde verbreiteten Mythen verschiedener Religionen und Kulturen.“[7]

Diese symbolische Macht lässt sich auch in den Büchern von Rowling wiederfinden und findet ihren direkten Bezug wiederum in der antiken Mythologie.

Harry Potter wächst als Waise bei seinen Verwandten auf, die ihn nicht besonders gut behandeln. Dieses Thema lässt sich auch in der Mythologie finden. So wächst Oidipus auch ohne seine Eltern auf und erregt, wie Harry Potter auch bei Draco Malfoy, den Neid seiner Altersgenossen.[8]

In dem Wohnort lässt sich auch wieder auf Harry hinweisen. Auch er hat am Anfang der Geschichte kein eigenes Zimmer, sondern muss unter der Treppe in einem Schrank schlafen, in dem es außerdem noch von Spinnen wimmelt.[9] Aschenputtel wird erst von ihren Qualen erlöst, als ein Prinz ihre Besonderheiten entdeckt. Bei Harry Potter ist es kein Prinz, der ihn von den Dursleys rettet, aber seine besondere Fähigkeit zu zaubern, die er von seinen Eltern geerbt hat. Dieses Erbe von seinen Eltern ermächtigt ihn zu der Zaubererschule Hogwarts zu fahren, und so nicht mehr bei seinen Verwandten zu sein. In beiden Erzählungen spielen die nicht präsenten Eltern eine wichtige Rolle. So hilft die verstorbenen Mutter Aschenputtel, in dem sie ihr das Kleid für den Ball besorgt, und die Eltern von Harry schützen ihn immer noch durch ihre Liebe vor Lord Voldemort. „Stephen King erkennt in ´Harry Potter` das Aschenputtelmotiv und sagt: <<Harry ist ein männliches Aschenputtel, das darauf wartet, dass jemand es zum Ball einlädt>>.“[10]

Oft ist es auch der Fall, dass die besonderen Kinder ein äußerliches Zeichen tragen, an dem sie die übrige Welt erkennen kann. Bei Harry ist es die blitzförmige Fluchnarbe auf der Stirn, die er von Lord Voldemort bekommen hat. In der griechischen Mythologie lässt sich dieses besondere Zeichen ebenfalls wiederfinden. So hat Odysseus eine Narbe, an der ihn seine Amme nach Jahren wiedererkennt.[11] Auch Harry wird in der Zaubererwelt immer wieder an seiner Narbe erkannt.

2.2 Gegensatz zwischen Gut und Böse

In allen bisher erschienen Bänden wird der Kampf zwischen Gut und Böse immer wieder geschildert. Dieses Thema lässt sich häufig in der phantastischen Kinderliteratur finden. Zurück geht es auf die christliche Tradition, in der das Volk Israel immer wieder gegen das Böse ankämpfen muss. Harry auf der Seite der Guten kämpft gegen den Inbegriff des Bösen, Lord Voldemort.

Dieser Gegensatz ist ein beliebtes Thema in der Literaturgeschichte. Nicht zuletzt auch in dem großen Phantasieroman „Der Herr der Ringe“ von Tolkien. Harry selber hat am Anfang nicht die Möglichkeit sich zu entscheiden, auf welcher Seite er stehen will. Er ist am Anfang Opfer von Voldemort, da er seine Eltern durch ihn verliert. Auch bei der Aufteilung in die Häuser zu Beginn des ersten Schuljahres in Hogwarts entscheidet der sprechende Hut, auf welcher Seite Harry steht. Obwohl der Hut überlegt, Harry eventuell nach Slytherin zu geben, entschließt er sich doch für das Haus Gryffindor. Slytherin, in dem Voldemort selber Schüler war, gilt als ein Haus, das besonders viele schwarze Zauberer hervorgebracht hat. Diese Möglichkeit sich zu entscheiden bleibt auch dem Helden aus Tolkiens Roman nicht. Er ist dazu verpflichtet den Ring nach Mordor zu bringen, um ihn dort zu vernichten.

Bei einigen Personen in den bisher erschienenen Büchern ist es eindeutig, auf welcher Seite sie stehen. So wird Albus Dumbledore der Seite guten Zauberer zugeordnet. Dieses kann man auch schon an seinem Namen erkennen. So kommt der Vorname aus dem lateinischen und bedeutet „weiß“. Diese Farbe ist nicht nur auf seine Haare zu beziehen, die ihm bis zum Gürtel reichen, sondern auch auf seine Magie. Er gehört zu den weißen, guten Zauberern und nicht zu den schwarzen, bösen. Der Nachnahme Dumbledore, was auf Deutsch Hummel heißt, ist auch ein Name der die Seitenzugehörigkeit bestätigt. Er passt auf seine Schüler auf, und kann im Notfall mit seinem „Stachel“ die Schüler beschützen.[12] Eindeutig ist auch die Darstellung von Harry selber. Dem Leser wird ein positives Bild von Harry vermittelt. Am Anfang wird er als der bedrohte Säugling geschildert und später als der Arme Waisenjunge, der unter seinen Verwandten zu leiden hat. Der Leser empfindet Mitgefühl für Harry. Im Gegensatz zu den positiv geschilderten Harry erscheint uns Lord Voldemort von Anfang an nicht sympathisch. Als Mörder, der dem Harry seine Eltern genommen hat, sammelt er Anhänger um sich, die ebenfalls nicht vor einem Mord zuschrecken würden. Lord Voldemort wird aber nicht nur aufgrund seines Verhalten der schwarzen Magie zugeordnet, sondern u.a. auch wegen seinem Äußeren. Seine Stimme klingt „merkwürdig hoch und kalt wie ein jäher eisiger Windstoß.“[13]

Nicht klar ist die Erscheinung von Professor Snape. Er verhält sich gegenüber seinen Schülern, besonders gegenüber Harry ungerecht und hinterhältig. Er ist zudem auch noch der Hauslehrer von Slytherin. Dennoch scheint er in den entscheidenden Momenten auf der richtigen Seite zu stehen. Er schützt, trotz tiefer Abneigung, Harry gegenüber Voldemort. Auch der Name Snape macht seine Abneigung gegenüber Kinder deutlich. „To snape“ meint auf deutsch „jemanden hart behandeln, tadeln, ihm Vorwürfe machen“ und „Kinder einschüchtern“. Also alles Eigenschaften, die Snape durchaus eigen sind. Der schon beschriebene Gegensatz der beiden Häuser Gryffindor und Slytherin wird auch in der Lokalisierung innerhalb des Hauses Hogwarts deutlich. Snape, der Lehrer der Slytherins unterrichtet in den Kerkern[14], wogegen die Gryffindor - Räume sich in einem Turm befinden.

[...]


[1] Bislang in deutscher Sprache erschienen:
1998: Harry Potter und der Stein der Weisen
1999: Harry Potter und die Kammer des Schreckens
1999: Harry Potter und der Gefangene von Askaban
2000: Harry Potter und der Feuerkelch.

[2] Microsoft Encarta 99 Enzyklopädie. Mythologie

[3] Schneidewind: Das ABC rund um Harry Potter. S.242.

[4] Ebd.: S. 243.

[5] Microsoft Encarta 99 Enzyklopädie: Mythologie.

[6] Schneidewind. Das ABC rund um H. P. S. 242.

[7] Mattenklott. Text aus Texten. S. 36.

[8] Vgl.: Fink. Who is Who. S. 226.

[9] Band 1, S, 25.

[10] Knobloch. Die Zauberwelt der J.K. Rowling.S.92.

[11] Vergl.: Fink. Who is Who. S. 221.

[12] Vergl.: Hein. Kennen sie Severus Snape? S. 50f.

[13] Band 4.S. 11

[14] Vergl.: Band 1 S. 150.

Ende der Leseprobe aus 37 Seiten

Details

Titel
Das mythische Element in J. K. Rowlings Harry Potter
Hochschule
Universität Vechta; früher Hochschule Vechta  (Germanistik)
Veranstaltung
Seminar: 'Tief ist der Brunnen der Vergangenheit'. Das mythische Element in der Literatur.
Note
1
Autor
Jahr
2003
Seiten
37
Katalognummer
V17713
ISBN (eBook)
9783638222105
Dateigröße
587 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Element, Rowlings, Harry, Potter, Seminar, Brunnen, Vergangenheit”, Element, Literatur
Arbeit zitieren
Katarina Michaele Raker (Autor:in), 2003, Das mythische Element in J. K. Rowlings Harry Potter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17713

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