Der Tanz der Weltkulturen


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2011

23 Seiten


Leseprobe


Der Tanz der Weltkulturen

Der Tanz ist eine stilisierte künstlerisch-sportliche Ausdrucksform der Kultur, die in der Regel die Gestalt einer Paardarbietung annimmt, soweit es sich um professionellere Inszenierungen handelt, wie beispielsweise bei den großen Tanzevents wie Championships lokaler, regionaler, nationaler, kontinentaler Art und den Weltmeisterschaften. Bei einigen dieser Meisterschaften, z.B. den GOC (German Open Championships) sind in der Regel dieselben Länder vertreten, allen voran Russland und einige GUS Staaten. Es scheint eine kulturelle Präferenz künstlerich-sportlicher Ausdrucksformen jener Kulturen zu sein, die in der Strahlkraft des Bolshoistanden und stehen. Bei den politisch bedingten Restriktionen im Bereich der individualkulturellen Selbstverwirklichung in der Sowjetunion war Tanz als Kunst und Sport eine legitime und dem Prestige des Systems dienende Form der Kultur im Sinne der Veredelung des menschlichen geist-körperlichen Wesens und diese Präferenz wirkt bis heute fort und manifestiert sich dadurch, dass Russland im Medaillenranking mit großem Vorsprung den zweiten des Medaillenspiegels bei den GOC, German Open Championships, die alljährlich traditionell hierzulande stattfinden, mit der vierfachen Goldmedaillenzahl distanziert. Seine Vertreter scheinen den Tanzsport zu dominieren, die Web-Präsenz der GOC ist daher neben der Ortssprache und der weltweiten Lingua Franca, i. e. Englisch, auch in Russisch aufrufbar. Die universelle tänzerisch stilisierte Paar-Körpersprache beherrschen bedeutet nicht gleichzeitig, dass man auch eine gemeinsame verbale Sprache hat.

Der körperliche Ausdruck ist eine universelle Ausdrucksform des Menschen, während die Sprachen der verschiedenen Kulturen kulturelle Ausdrucksformen sind. Im Tanz ist die universelle Ebene, die kulturspezifische in der Gestalt von kulturellen Tanzpräferenzen, sowie auch die individualkulturellen der Paare mit ihren persönlichen professionellen Kompetenzen vereint.

Deutschland als Austragungsort exemplifiziert die Annahme,dass die kulturelle Organisationspräferenz hier greift, ebenso wie die russische kulturhistorischeTanzpräferenz sich im Medaillenspiegel ausdrückt. Soweit die stereotypen Grundannahmen.

Die Tanzmetapher für die Deutung des Kulturellen wurde bereits von Trompenaars und Hampden-Turner vorgenommen. In meinem Transkulturellen Wörterbuch habe ich einen längerenEintrag in Englisch/Deutsch unter dem Schlagwort Tanz-Kulturmetapher, den ich nachfolgend wiedergeben möchte.

Dance metaphor of culture

To conceptualize the integration of values as a dance as done by THT means drawing on a metaphor used across cultures and civilisations: the interaction of antagonistic/complementary forces in a dance metaphor is contained in the very ideogramme for Tao: three „dancing“ footprints of a magician synchronizing the melodies of heaven and earth, the yin and the yang forces. In the Indian Civilisation the dance of Shiva also represents the forces of creation and destruction. Obviously, the universal concept of a dance, whether Waltz or Tango, epitomizes the interplay between man and woman. And in traditional cultures, e.g. African, the dance ritual surely has an integrative function of entire collectivities, while it constitutes a connection to the transcendental world. Last but not least the very biological systems, as we know since Crick’s discovery of the DNA, are based on a double helix suggesting a dance. So, dance is a universal, integrative phenomenon; a metaphor that aims at transcending duality. The Vienna valse, the tango Porteño, the Dervish, Shiva, the Daoist Magician, the tribal dance, the cosmic macrocosm and the biological microcosm seem to be corybantic! Why should culture not be framed as dance, a fine-tuning of polar opposites? The universal integrates the cultural. „Uni-“means one, the many are contained in the One: Dance is a dialectic mechanism that reconnects and integrates the diverse antagonistic forces into their underlying Oneness. And the whole is always bigger than the sum of the parts.

Tanz-Kulturmetapher

Die Tanz-Metapher als Integrationssymbolik, wie sie von THT verwendet wird, ist ein kultur- und zivilisationsübergreifendes Phänomen. Die Wechselwirkungen scheinbar antagonistischer, aber tatsächlich komplementärer Kräfte in eine Tanz-Metapher zu kleiden ist bereits im chinesischen Ideogramm für Tao erfolgt. Die rechts-links Dialektik der tanzenden Fußabdrücke des Magiers synchronisiert die Melodien des Himmels mit der Erde, der Yang- und Yin-Kräfte. In der indischen Zivilisation repräsentiert der Tanz Shivas die Kräfte der Schöpfung und Zerstörung. In der westlichen Welt versinnbildlicht das universelle Konzept des Tanzes, sei es im Wiener Walzer oder im Tango Porteño, das harmonisierende Spiel zwischen dem Männlichen u. dem Weiblichen. In traditionelleren Kulturen Afrikas hat das Tanzritual eine integrative Funktion ganzer Kollektive, während es eine integrative Verbindung mit der transzendenten Welt darstellt. Der moslemische Derwisch verwendet das Tanzritual, um die Verbindung mit der metaphysischen Welt herzustellen. Schließlich legt sogar die molekulare Struktur biologischer Systeme - wie wir seit Cricks Entdeckung der DNA wissen - das Motiv des Tanzes in Form der Windungen der Doppelhelix nahe. Der „Tanz“ ist also ein universelles integratives Phänomen, das auf die Transzendierung der Dualität abzielt. Wiener Walzer, Tango Porteño (aus Buenos Aires), der Derwisch, der Hindu-Gott Shiva, der taoistische Magier, der kosmische Makrokosmos und der biologische Mikrokosmos - alle sind korybantisch. Warum sollte Kultur nicht als Tanz, als Harmonisierung u. Feinabstimmung polarer Gegensätze versinnbildlicht werden. Das Universelle integriert das Kulturelle. Uni- heißt Eins, die Vielfalt ist in der Einheit enthalten. Der Tanz ist der integrative Mechanismus, der die Diversität der antagonistischen Kräfte wieder in die ihnen zugrunde liegende Einheit einbettet. Und das Ganze ist immer grösser als die Summe der Elemente: Synergie!

Was die 5000 Paare aus über 50 Ländern in den Kategorien, Senior, Junior, Juvenile Professional, Rising Star…in den diversen kulturellen Tanzstilen von Klassik über Latin bis Boogie-Woogie eine knappe Woche lang darbieten, um die Weltbesten zu küren, spiegelt das Bedürfnis des Menschen nach zwischenmenschlicher Harmonie in der Gestalt des Paarwettbewerbs wieder. In den Championships sind die Komponenten der Harmonie und des Wettbewerbsgleichermaßen präsent, zwei überzeitliche Motive des Menschen, die wiederum kulturell zum Ausdruck kommen.

Auf dem Parkett, das symbolisch für die Weltbühne der Kulturen steht, gilt es, die kulturellen Präferenzen des Individualismus und des Kollektivismus in der Übersetzung als Kompetition (Wettbewerb) und Kooperation (Trompenaars- Hampden-Turner) zu realisieren. Kooperation ist sowohl zwischen den Partnern als auch mit dem Orchester und den anderen Mitwettbewerbern inbezug auf den gemeinsamen Raum des Tanzparketts, das alle gemeinsam für ihre Tanz Performanceteilen müssen,erforderlich. Darüber hinaus herrscht der harte Wettbewerb einer Weltmeisterschaft, die durch eine professionelle Jury und einen Medaillenspiegel, vergleichbar mit den olympischen Spielen,gekennzeichnet ist. Die Suche nach Harmonie, Grazie und stilistisch vollendetemkörperlich-geistigem Gesamtausdruck des Paares und der Druck des Siegenwollens im Wettbewerb scheinen widersprüchliche Motive zu sein. Wer am besten harmonisiert ist der beste Wettbewerber und somit der Sieger, so könnte die Syneriegformel des Tanzwettbewerbs lauten.Harmonisieren heißt hier kooperieren, mit sich selbst, mit dem Partner, dem Parkett und dem Orchester.

Was die 5000 Paare aus über 50 Ländern in ihren jeweiligen professionellen Kulturen, den Tanzstilen, wie Klassik, Latin, Boogie-Woogie auf dem einen Parkett vor dem Hintergrund der Rhythmusvorgabe durch das Orchester unter den Augen der Jury darbieten, kann als eine zeit-räumliche Verdichtung, als eine Lokalisierung des planetaren Geschehens in den verschiedenen Bereichen betrachtet werden.

Auch in der Weltpolitik und in der Weltwirtschaft geht es um eine kontinuierliche Integration persönlicher, organisationaler und nationaler Interessen und durch die globalen Bedingungen und deren Dynamik vorgegebene Harmonisierungs- und Kooperationszwänge. Alle sind insgesamt der Zukunft der Welt gegenüber rechenschaftspflichtig. Die Geschichte ist die Jury, die das Urteil über die Leistung derTeilnehmer am wirtschaftspolitischen, kulturellen Wettkampf der Kulturen sprechen wird.

Bei einer guten Integration der Wertepräferenzen der interkulturellen Harmonisierung und des Wettbewerbs können kulturelle Akteure im Spitzenranking der Nachhaltigkeit in Bezug auf die Zukunftsfähigkeit ihrer Politiken landen oder auch auf anderen, unter Umständen auch die Schlusslichter in Bezug auf die Zukunftsfähigkeit ihres Denkens und Handelns bilden. Die Jury - das internationale Recht - und die Zuschauer - die Weltbürger der verschiedenen Kulturen - haben nur bedingten Einfluss auf die Art und Weise, wie die Protagonisten des Weltgeschehens diese Wertepräferenzen des Individualismus (Wettbewerb) und Kommunitarismus (Kooperation) Wertekontinuums,vergleichbar mit einem Tanz, bei dem die Partner die beiden Wertepräferenzen bilden, integrieren.

Wenn ein organisational- oder nationalkultureller Teilnehmer am herrschenden Wettkampf der Weltkulturen nur einen Pol, seine Eigeninteressen verfolgt, so endet das in einem Nullsummenspiel und dieses geht zulasten der Gesamtheit der Weltkulturen. Erst wenn ein organisationaler oder nationaler Protagonist auch die Erfordernis der Abstimmung mit den Interessen der Gemeinschaft aller betroffenen Akteure der Weltkulturen erkennt und die Rekonziliationserfordernis der Eigen- und Fremdinteressen erkennt und kooperativ implementiert, entsteht ein intra- und interorganisationelles, ein intra- und interkulturelles und ein nachhaltiges globales Nichtnullsummenspiel, eine Lösung, die den Interessen aller Beteiligten und ihrer Zukunft insgesamt nützlich und nicht schädlich ist.

Die Tanzmetapher ist eine mikroskopische zeit-räumliche Analogie der Lage der Welt im allgemeinen und kann ein Leitmotiv und Wegweiser für den Umgang der Protagonisten mit den wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen auf dem erweiterten Parkett der Weltkulturen sein. In der Tat, insofern hat Shakespeare recht, wenn er sagt, dass die Welt eine Bühne ist, auf der wir alle Schauspieler in unseren diversen Rollen sind. Persönliche, organisationale und nationale Nullsummenspiele replizieren sich fraktal in einem global wechselwirkenden planetaren System und führen zu jenen finanziellen, wirtschaftlichen, ökologischen und demographischen Ungleichgewichten, mit denen wir gegenwärtig konfrontiert sind und deren Auswirkung die Menschheit auf dem Planeten Erde insgesamt beeinträchtigen könnten.

Die Integration derkooperativ-kompetitiven Wertepriorisierungen, sowie anderer Dilemmata, die teilweise z. B. von Trompenaars und Hampden-Turner erkannt wurden, möchte ich im Nachhinein vermittels eines Artikels, den ich bereits früher zu dieser Thematik in Englisch verfasst habe, illustrieren. Und ich möchte insbesondere zeigen, wie die Rekonziliation und Synergie scheinbarantagonistischer kultureller Wertepräferenzen über die kulturelle Synergietheorie der Autoren hinaus optimiert werden kann.

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Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Der Tanz der Weltkulturen
Veranstaltung
intercultural management
Autor
Jahr
2011
Seiten
23
Katalognummer
V177097
ISBN (eBook)
9783640986460
ISBN (Buch)
9783640986446
Dateigröße
646 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Teil in Englisch
Schlagworte
kulturelles Nichtnullsummenspiel, Synerigie, interkulturelles Management, transkulturelles Management, internationales Diversiätsmanagement, kulturelles Nullsummenspiel, internationale Wirtschaft, internationale Politik
Arbeit zitieren
D.E.A./UNIV. PARIS I Gebhard Deissler (Autor:in), 2011, Der Tanz der Weltkulturen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/177097

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