Was bleibt übrig? - Die Perzeption der Roten Armee Fraktion in der Popkultur anhand von Beispielen aus Mode(-Fotografie), Musik und Logo-Gestaltung


Masterarbeit, 2010

86 Seiten, Note: 1,8


Leseprobe


Inhalt

1 Bestandsaufnahme

2 Hinführung zum Thema
2.1 Leitfragen
2.2 Quellenlage und Forschungsstand
2.3 Strukturierung

3 Popkultur: Probleme einer Definition

4 Das RAF-Logo
4.1 Die Entstehung des RAF-Logos
4.2 Beispiele für die Verwendung des (abgewandelten) RAF-Logos
4.2.1 Wasser Armee Friedrichshain (WAF)
4.2.2 „Ring Deutscher Makler (RDM)“
4.2.3 „Image Fulgurator“
4.2.4 Rote Gourmet Fraktion
4.2.5 „Sylt“
4.2.6 „Radieschen Auf Frischkäse“
4.2.7 „WIZO“

5 Die RAF als Gegenstand in der gegenwärtigen Musikszene
5.1 „RAF“ vonWIZO
5.2 „Die Söhne Stammheims“ von Jan Delay
5.3 „Kinderzimmer“ vonDAF

6 Mode und Terrorismus
6.1 „Prada Meinhof“ und die ZeitschriftCrash!
6.2 Die Fotostrecke in derTussi Deluxeund derMax-Artikel
6.3 „Prada Meinhof“ vonMaegde und Knechte Elternhaus
6.4 „Prada Meinhof“ als umgangssprachliche Bezeichnung

7 Analyse: Gemeinsame gesellschaftliche Bedeutungsgrundlage?
7.1 Analyse, erster Teil: Die Logos
7.1.1 Der „Image Fulgurator“
7.1.2 DieRote Gourmet Fraktion
7.1.3 Die Ärzteund ihr Sylt-Logo
7.1.4 DieWasser Armee Friedrichshain
7.1.5 Die Titanicund der „Ring Deutscher Makler“
7.1.6 DieDödelhaieundWIZO
7.1.7 Zusammenfassung
7.2 Analyse, zweiter Teil: die Musik
7.2.1 „R.A.F.“ vonWIZO
7.2.2 „Die Söhne Stammheims“ von Jan Delay
7.2.3 „Kinderzimmer“ vonDAF
7.2.4 Zusammenfassung
7.3 Analyse, dritter Teil: die Mode(-fotografie)
7.3.1 Die Fotostrecke in derTussi DeluxeundMax
7.3.2 „Prada Meinhof“ vonMaegde und Knechte Elternhaus

8 Aufklärung oder Verklärung?
8.1 Die Frage nach dem Alter der handelnden Personen
8.2 „Mythos RAF“?
8.3 Die Art der Verarbeitung von Geschichte in der Popkultur
8.4 Die Voraussetzungen zum Verständnis der Untersuchungsobjekte

9 Fazit

Anhang

Quellen- und Literaturangaben
a Bildquellen
b Internet-Quellen
c Literatur, gedruckt
d Literatur, online
e Musik

Erklärung

1 Bestandsaufnahme

„Ist aber die historische Dimension des Terrors einmal völlig weggewischt, bleibt von ihm nichts weiter übrig als eine mediale Oberfläche, mit der die Popkultur spielen kann. Zwischen Supermo- dels und Terroristen besteht dann kein Unterschied mehr, denn in beiden Fällen hat man es mit Stars zu tun, deren Aufgabe es ist, schön und cool zu sein.“[1]

„Mit der hemmungslosen Verklärung von Baader, Meinhof & Co., ihrer Trivialisierung, Roman- tisierung und Popularisierung, geht gewiss auch eine Bagatellisierung ihrer Taten und denen des Terrorismus insgesamt einher. […] Die Zeitgeschichte fungiert im Falle der RAF wie ein Super- markt oder ein Steinbruch, in dem sich diejenigen, die sich als Popartisten in Kunst, Mode, Thea- ter, Musik und Literatur Aufmerksamkeit verschaffen wollen, nach Belieben glauben bedienen zu können.“[2]

„Pop-Kultur im RAF-Kontext ist demnach ein geschmacksblinder Bandwurm, der sich die Lei- chen einverleibt und als seichten Selbstzweck wieder ausscheidet.“[3]

„In Filmen, Theaterstücken und Szene-Boutiquen feiert der RAF-Terrorismus der Siebziger eine Wiederkehr als Pop-Phänomen. Der bewaffnete Kampf wird zum Kult, RAF-Chef Andreas Baa- der zum coolen Fashion-Helden: Die Kinder der neuen Mitte proben den radikalen Chic.“[4]

Journalisten, Historiker sowie Kulturwissenschaftler und andere Autoren vertreten die Ansicht, dieRote Armee Fraktionsei heute fester Bestandteil der deutschen Popkultur, was von ihnen mit aller Schärfe kritisiert wird.[5]Mittlerweile sind über zehn Jahre vergangen, seit diese terroristische Gruppierung ihre Selbstauflösung mit den Worten „Die Stadtguerilla in Form der RAF ist nun Geschichte” verlautbaren ließ.[6]Viele Schriftsteller und Wissenschaftler sind der Meinung, die RAF würde durch ihr Auftauchen und ihre Verarbeitung in der Popkultur 'salonfähig' gemacht. Einige sehen darin sogar eine Verklärung jener linksterroristischen Gruppierung befördert. Beweis hierfür seien Kleidungsstücke mit dem Aufdruck „Prada Meinhof“ sowie bestimmte Lieder von Musikgruppen. In jenen Songtexten würden angeblich Terroristen und deren Taten idealisiert und heroisiert. Auch eine Fotostrecke, in der Models RAF-Terroristen der ersten Generation darstellen sollen, sei ebenfalls ein Zeichen von Heroisierung und Mystifizierung der RAF. Weitere Beispiele aus Kunst, Literatur, Film und Theater würden mit offensichtlicher Klarheit ein Gesamtbild ergeben, das unweigerlich für diese Sichtweise spräche.

Dass all jene Werke mit Bezug zur RAF der Popkultur zuzuordnen seien, wird dabei gemeinhin als Tatsache gesehen. Popkultur tritt hier als Schlagwort auf, das den darunter gefassten Dingen eine negative Wertung beimessen soll. Dabei ist der Begriff der Popkultur für viele Akteure hingegen ein positiv besetzter Begriff. Unbestritten ist, dass die RAF seit ihrer Auflösungserklärung 1998 von Künstlern, Schriftstellern, Filmemachern und anderen Kreativen als Thema entdeckt und behandelt wird. Dies war zwar auch schon zuvor der Fall, doch nun ist zu beobachten, dass eine immer größer werdende Anzahl an Personen sowie veröffentlichten Werken Bezug auf die RAF nehmen. Man meint geradezu, heute eine Unbefangenheit ausmachen zu können, mit der an dieses Thema herangegangen wird. Für Kritiker ist dies Grund genug zu behaupten, die Geschichte des bundesdeutschen Linksterrorismus würde verklärt und die Terroristen zu Idolen erhoben. Daraus lässt sich ableiten, dass diese kritischen Stimmen Aufarbeitung von Geschichte und Behandlung derselbigen in der Popkultur als nicht zu vereinbarende Gegensätze auffassen. Ob diese rigorose Sichtweise auch bei genauerer Betrachtung Bestand hat, soll in dieser Untersuchung anhand ausgesuchter Beispiele erarbeitet werden.

2 Hinführung zum Thema

2.1 Leitfragen

Zentral ist in der vorliegenden Arbeit die Darstellung des RAF-Terrorismus in bestimmten Genres. Dies wird anhand einiger ausgewählter Beispiele gezeigt. Hierbei wird zu Beginn das RAF-Logo in seinen unterschiedlichen Abwandlungen vorgestellt. Zusätzlich wird die Rezeption der RAF in den Bereichen Musik und Mode bzw. Modefotografie beleuchtet. In dieser Untersuchung sind alle Beispiele so ausgewählt, dass sich ein Betrachtungszeitraum ergibt, der mit der Selbstauflösungserklärung der RAF beginnt. Ob es dabei möglicherweise gar nicht um die Taten der RAF selbst geht, sondern nur um deren Image, ist eine sich daraus ergebende Frage. Bleiben in solchen Fällen die Taten der Terroristen, ja auch deren Opfer außen vor? Oder wird das Wissen um diese Dinge als selbstverständlich angesehen, quasi vorausgesetzt, um das, was ausgedrückt werden soll, überhaupt verstehen zu können? Sind vielleicht die hier aufgeführten Beispiele Teil eines Prozesses, in welchem ein vollständiges Auseinandertreten von heutigen und der in den 70er und 80er Jahren dominierenden Darstellungen bzw. Wahrnehmungen der RAF zu Tage tritt? Wenn dies alles geklärt werden kann, lässt sich möglicherweise auch im Ansatz sagen, wie sich die gesellschaftliche Wahrnehmung der RAF über die Zeit hinweg verändert hat.

2.2 Quellenlage und Forschungsstand

Untersuchungen über die Bedeutung der RAF in der deutschen Popkultur fehlen bisher. Lediglich einzelne wenige Elemente fanden in der wissenschaftlichen Literatur Erwähnung. So schrieb Wolfgang Kraushaar: „Das RAF-Emblem […] tauchte nun auf T- Shirts und Postern, auf Buchtiteln und Filmplakaten, auf Fotostrecken in Mode- und Anzeigen von Lifestyle-Magazinen auf.“[7]Diese Zusammenfassung ein Stück weiter ausführend, nennt er zwei der in dieser Arbeit behandelten Musikstücke, das Stichwort „Prada Meinhof“ sowie die bereits erwähnte Fotostrecke.[8]Anhand dieser Auflistung von Kraushaar wurden die einzelnen untersuchten Elemente dieser Arbeit gewählt: das RAF-Emblem als Vorlage für moderne Abwandlungen, die von ihm erwähnten Musikstücke sowie die Fotostrecke und das „Prada Meinhof“-Logo.

Kraushaar belässt es jedoch bei einer bloßen Aufführung, eine weitergehende genauere Untersuchung findet nicht statt. Auch die anderen in dieser Arbeit genannten Autoren arbeiten bei ihrer Auseinandersetzung mit der Beziehung der RAF zur Popkultur mit diesen Beispielen, meist sind es sogar weit weniger, wenn nicht gar ein einzelnes. Zudem vermisst man bei jenen Beispielen, die von den Autoren isoliert von anderen möglichen Popkultur-Elementen betrachtet wurden, eine scharfe Analyse. Vielmals fehlt die Hinterfragung ihrer Einbettung und der weiteren Zusammenhänge. Auch die Motivation der handelnden Personen wurde in den meisten Fällen nicht thematisiert.

Somit war in der vorliegenden Untersuchung vorausgesetzt, vor allem bezüglich des RAF-Logos, durch eigene Recherche aussagekräftige Beispiele zu ermitteln und diese dann genauer zu beleuchten. Auch deren Einbettung in den weitläufigen Gesamtkomplex Popkultur wurde erarbeitet. Eine gewisse Anzahl an Abwandlungen des RAF-Logos wurden durch Suche im Internet nach dem Schneeballprinzip recherchiert. Aufgrund der Art der Suche ist gegeben, dass für den Umfang der Beispiele kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden kann. Einige der Bezugnahmen auf das RAF-Emblem waren dem Autor zudem schon von Beginn an bekannt.

Die drei in dieser Arbeit aufgeführten Musikstücke fanden in der wissenschaftlichen Forschung bereits mehrmals Erwähnung.[9]Aufgrund dieser Tatsache sowie durch die Festlegung des Untersuchungszeitraums – die Zeit seit der Selbstauflösungserklärung der RAF – wurden diese ausgewählt. Eine umfassendere Aufführung womöglich aller bisher mit Bezug zur RAF veröffentlichten Musikstücke bietet die Diplomarbeit von Bernhard Mandl.[10]

Das „Prada Meinhof“-Logo als Aufdruck auf diversen Kleidungsstücken fand sowohl in der Wissenschaft wie auch in den Medien intensiv Erwähnung.[11]Im Bereich der Mode-Labels bzw. -Industrie ist kein weiteres und zudem so sehr umstrittenes Beispiel mit Bezug zur RAF bekannt. Das „Prada Meinhof“-Motiv existiert daher völlig isoliert und ohne vergleichbares Gegenstück. Doch gerade durch die über längere Zeit anhaltende kontroverse Diskussion in Forschung, Medien und Kultur ist ein breites Fundament vorhanden, auf welchem die Perzeption dieses Slogans untersucht werden kann.

Gleiches gilt bei der Betrachtung jener Fotostrecke, die beinahe zeitgleich mit „Prada Meinhof“ veröffentlicht wurde. Auch hier ist eine umfangreiche Berichterstattung vorhanden, in einigen Fällen finden die Fotografien sogar verbunden mit dem „Prada Meinhof“-Slogan Erwähnung.[12]Wie schon bei „Prada Meinhof“ ist diese Bilderstrecke ein für sich stehendes Beispiel ohne vergleichbares Pendant.

Insgesamt jedoch, in der Kombination dieser unterschiedlichen Beispiele mit derart verschiedenen Quellengrundlagen, entsteht gerade dadurch im Weiteren ein einheitliches Bild, wie es um die Perzeption der RAF in der deutschen Popkultur steht.

2.3 Strukturierung

Zu Beginn der Untersuchung ist zu klären, was der Begriff Popkultur genau meint und wie dieser verwendet wird. Darauf folgend ist das RAF-Logo zu betrachten: Um was für ein Logo handelt es sich genau, wenn man von 'dem' RAF-Logo spricht? Dazu wird in kurzem Umfang auf dessen Entstehungsgeschichte eingegangen. Daran anschließend werden anhand von sieben Beispielen heute existierende Logos präsentiert, die eindeutig Bezug auf das RAF-Logo nehmen. Auch werden in diesem Zusammenhang drei Songtexte verschiedener Künstler beleuchtet, die sich explizit mit der RAF auseinandersetzen. Die letzten Beispiele beschäftigen sich mit der Betrachtung des Verhältnisses von Mode und RAF. Vorgestellt und untersucht wird dazu zuerst die in den Medien vielbeachtete und kritisierte Fotostrecke des Fotografen Andreas Schiko.[13]Zuletzt wird das medial und wissenschaftlich ebenfalls oft erwähnte „Prada Meinhof“-Motiv beleuchtet. Hierbei wird untersucht, ob dieses lediglich aus kommerziellen Gründen entworfen wurde oder dabei vielleicht andere Mechanismen eine entscheidendere Rolle spielten.

Wichtig ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass sowohl die unterschiedlichen Embleme, Musikstücke sowie die Fotostrecke und das „Prada Meinhof“-Motiv zuerst deskriptiv vorgestellt werden, um schließlich in den darauffolgenden Kapiteln ihre Hintergründe zu beschreiben und sie in einen möglichen Gesamtzusammenhang einzuordnen.

3 Popkultur: Probleme einer Definition

Die Klärung des Begriffs Popkultur bereitete schon etlichen Wissenschaftlern Kopfzerbrechen.[14]So konstatiert der Soziologe Jörg-Uwe Nieland, es bestehe „bereits bei der Frage, was Pop überhaupt ist, [...] weder in der innerwissenschaftlichen noch in der außerwissenschaftlichen Debatte Einigkeit“.[15]Der Sozialwissenschaftler Roger Behrens geht sogar noch weiter:

„Die Definition von Pop besteht in der Definition des Definitionsproblems: dass Pop begrifflich nicht eindeutig zu fassen ist, weil es sich nicht um ein eindeutiges Phänomen handelt; dass Pop also nicht definierbar ist, ist selbst schon Pop = die Definition von Pop. […] Dann natürlich: Pop ist Mainstream. Pop ist Subversion innerhalb des Mainstreams. Pop ist Randzone des Main- streams. […].“[16]

Diese Problematik gilt es im Weiteren aufzulösen. Hierbei sollen aber wegen des begrenzten Umfangs dieser Untersuchung nicht die „historische[n] Übergänge von Pop I zu Pop II“ dem Kulturwissenschaftler Diederich Diederichsen folgend behandelt werden.[17]Es wird somit der Pop in der Nachkriegszeit ausgeblendet, als dieser noch eine „antibürgerlich[e], oppositionell[e] Protestform im Rahmen der Jugendkultur“ war.[18]Im Folgenden wird daher lediglich der Pop als „Mainstream-Phänomen des medialen 'anything goes'“ untersucht.[19]

Bei manchen Autoren findet die Bezeichnung „populäre Kultur“ bzw. „Populärkultur“ ihre Verwendung, wodurch in diesen Fällen ein angeblich vorhandener Gegensatz hervorgehoben werden soll: „Der Begriff der populären Kultur ist oftmals ein wertender Begriff, der hohen Kultur entgegengesetzt. Die Gegenstände der populären Kultur gelten zumeist als oberflächlich, standardisiert, vulgär, trivial oder allzu reizvoll; [...]“[20]. Daher ist zu vermuten, dass bei dem Gebrauch der Bezeichnung „Populärkultur“ diese stets als etwas negatives konnotiert werden soll. Populärkultur wird als Massenkultur angesehen, als nicht so wertvoll wie die für wenige Menschen interessante Hochkultur. Jene Trennung kann aber als nicht mehr zeitgemäß gelten, da sich das Verhältnis von Massen- und Hochkultur inzwischen gewandelt hat. Ein Beharren auf diesem Standpunkt würde somit an der Wirklichkeit vorbeigehen. Zudem sind die beiden Begriffe Massen- und Hochkultur auch deswegen nicht mehr praktikabel, da sie nicht dazu in der Lage sind, die heutige um einige Facetten reichere Realität ausreichend zu beschreiben. Als neues Schlagwort bildete sich daher die Bezeichnung Popkultur heraus, die „allmählich [ihre] Spezifik verloren hat und nun zur relativ diffusen und allgemeinen Bezeichnung für verschiedene kulturelle, soziale und ästhetische Komplexe geworden ist“.[21]

„Statt die Kultur in Hochkultur und Massenkultur zu unterscheiden, wird nunmehr Pop in Main- stream und Subkultur geschieden. Statt Homogenität der Massenkultur steht die Popkultur unter dem Vorzeichen der Heterogenität. […] Die Popsubkulturen werden so in den Kontext der alten künstlerischen Avantgarden der Hochkultur gebracht.“[22]

Nach Behrens kann daher die gesamte Kultur als Popkultur bezeichnet werden. Hochkultur ist in diesem Kontext nun Popsubkultur (oder auch 'Underground') und Massenkultur ist der Mainstream. Auch wenn man Behrens folgt, die gesamte Kultur sei heute Popkultur, weist diese Bezeichnung dennoch eine unbefriedigende Unschärfe auf. Es ist schwerlich mit einer Definition zu arbeiten, die eine egal wie geartete kulturelle Partizipation zur Popkultur generalisiert. Die Problematik soll anhand eines Beispiels dargestellt werden: Gerade durch die Vielschichtigkeit des Begriffs Popkultur ist auch die Mode unter jenen unterzuordnen. Doch gilt dies für jedwedes Kleidungsstück? Ist es schon Pop, ein T-Shirt zu tragen? Wenn ja, muss dieses bedruckt sein, ein bestimmtes Muster oder Farbe haben? Ist dann ein schlichtes, weißes und unbedrucktes T-Shirt überhaupt noch Pop? Ist es Pop, wenn eben jenes T-Shirt ein 20-jähriger trägt und nicht, wenn dies ein 89-jähriger tut? Ist es im Falle des 20-jährigen Mainstream, wenn dies für einen Sommer lang auch von anderen Jugendlichen als Oberbekleidung gewählt wird? Wenn ja, wieviele braucht es, damit dies zum Mainstream wird? Ist der 89-jährige dann auch Teil des Mainstreams und somit der Popkultur? Ist er den darauffolgenden Sommer, wenn kein Jugendlicher mehr ein solches T-Shirt trägt, Teil einer Subkultur? Oder zählt nicht ein einziges Accessoire allein, müssen Hose und Schuhe, vielleicht Schmuck oder Kopfbedeckung mit einbezogen werden? Vielleicht auch momentaner Musikgeschmack, Wohnlage und Urlaubsziel? Ist der momentan ausgeübte Beruf oder das Alter von Bedeutung oder doch eine Kombination aus all diesen und noch zusätzlichen Dingen?

Bei einigen Fragen wird man verleitet gewesen sein, zuerst mit einem Nein zu antworten, mit der Einbeziehung der darauffolgenden Fragen eher Ja zu sagen, um sich dann schlussendlich seine Ratlosigkeit einzugestehen. Ist daher eine Definition unmöglich, wie Behrens schreibt? Oder müsste Popkultur auf einen oder wenige Aspekte heruntergebrochen werden, um mit ihr in einer Untersuchung arbeiten zu können? So geht es bei dem Autor Martin Büsser um einen weiteren Gesichtspunkt: Der Begriff der Popkultur „ist zur inhaltsleeren Botschaft für Party und Profit geworden“.[23]Gerade das Argument des Profits, die Symbiose zwischen Popkultur und Kapitalismus wird gerne anklagend vorgezeigt, kommt die Sprache auf die Frage nach der Beschreibung von Popkultur. So auch geschehen im Versuch einer Definition des „Kommunikations- und Musik-Theoristen“[24]Christoph Jacke, welche dennoch hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit in dieser Untersuchung insgesamt als die praktikabelste gelten dürfte:

„Popkultur bedeutet den kommerzialisierten, gesellschaftlichen Bereich, der Themen indus- triell produziert, medial vermittelt und durch zahlenmäßig überwiegende Bevölkerungsgrup- pen – egal, welcher Schicht oder Klasse zugehörig – mit Vergnügen genutzt und weiterverarbei- tet wird.“[25]

Diese Formulierung befreit auf der einen Seite davon, nach „Schicht oder Klasse“ und somit auch nach dem Alter einer Person zu fragen. Doch auf der anderen Seite ergibt sich besonders aufgrund einer als notwendig erachteten bestimmten Anzahl an Partizipanten ein Problem. Fast jedes in dieser Arbeit aufgeführte Beispiel lässt sich in keiner „zahlenmäßig überwiegenden Bevölkerungsgruppe“ repräsentativ ausmachen. „Es handelt sich also um eine Massenkultur, die keine Massenkultur mehr ist; es geht um allgemeine Massenphänomene, die in ihrer Besonderheit jedoch keine Massencharakteristik mehr besitzen.“[26]Zudem können die Mehrzahl der zu beschreibenden Beispiele nicht mit der Prämisse der Kommerzialisierung untersucht werden. In der Anzweiflung, ob Konsum „überhaupt ein verlässlicher Indikator“ sei, soll Behrens daher gefolgt werden.[27]Denn „[d]ie gegenwärtige kapitalistische Gesellschaft wird durch Pop sowohl infrage gestellt wie auch bestätigt.“[28]Jackes Definition kann dennoch weiterhin verwendet werden, fügt man die Ebene der Subkultur bzw. des Underground hinzu. Der überwiegende Teil der hier vorgestellten Beispiele müssten auf dieser Ebene verortet werden. Man würde bei einer solchen Zuordnung davon befreit werden, nach einer „zahlenmäßig überwiegenden Bevölkerungsgruppe“ Ausschau zu halten. Unter Zuhilfenahme dieser Prämisse und den genannten Gründen ist für die Untersuchung der folgenden Beispiele die Definition von Jacke am besten zu gebrauchen.

Bei der weiteren Diskussion ist zudem zu beachten, dass ein jeder von uns in die Popkultur unlösbar eingebettet ist: „[D]ie Massenmedien und die durch sie verbreiteten Produkte, Informationen, Nachrichten etc. sind mittlerweile so umfassend verbreitet, dass auch die kritische Forschung kaum noch Distanz zur Massenkultur bewahren kann.“[29]Dieses Zugeständnis gibt einen etwas objektiveren Blick auf das Dilemma, in dem sich die Wissenschaft befindet. So kann der Satz „[j]ede Beschäftigung mit Kultur ist heute selbst schon Teil der Kultur“ gewissermaßen als Warnung verstanden werden, das Dilemma so nicht lösen zu können.

„Auch insofern dient der Popdiskurs vorrangig der Selbstlegitimation; sein Hauptaugenmerk scheint darin zu liegen, der Popkultur beständig Phänomene zuzuordnen – alles kann Pop sein (als sei damit für die Gesellschaft und ihre Beschreibung schon etwas Positives gewonnen).“[30]

Diese Aussage in puncto Selbstlegitimation findet man bestätigt, denkt man an eigene Erfahrungen bezüglich Moden, Trends und der 'In'- bzw. 'Out'-Kategorien. Hierbei entsteht stets der Eindruck von Beliebigkeit und Sprunghaftigkeit. Nachvollziehbar scheint es nicht, dass alles einmal (wieder) Trend, Mode und 'In' sein kein bzw. dann auch schnell wieder 'Out'.

Doch verglichen mit der Modeindustrie und dem gesamten zugehörigen Umfeld und seinen Verzweigungen lässt sich eine Sache ausmachen: Popkultur ist mehr als ein kommerzieller Absatzmarkt. Popkultur ist nicht steuerbar. Eine Lenkung wird zwar stets versucht und einzelne Dinge sind gewiss auch zu kontrollieren – nimmt man das Beispiel der Modebranche. Aber dadurch, dass es sich bei der Popkultur um ein „[…] vielschichtige[s] Feld von Bedeutungsüberlagerungen, aber auch Sinnbeliebigkeiten“[31]handelt, ist letztendlich eine nennenswerte Kontrolle undenkbar. Was sich innerhalb der Popkultur als mehr oder weniger populär etablieren kann, sei es auch nur für eine gewisse Zeit, hat fast immer den Ursprung in einer Subkultur. Und hier ist jeder Einzelne selbst daran zu entscheiden, ob er sich auf die jeweilige Sache einlässt oder nicht. Das Individuum ist daher vielleicht das entscheidende, was Popkultur ausmacht. Popkultur stellt sich hier als das Sammelbecken einer unbestimmbaren Anzahl an Subkulturen dar. Erst aus einer größeren Menge an Einzelpersonen konstruiert sich eine scheinbare Einheit, die dann als Masse bezeichnet wird. Ist von der Masse die Rede, so ist dies der Eindruck des äußeren Betrachters. Dabei werden aber oft die Ursprünge und die Entwicklung bis hin zur angeblichen Massenbewegung, Massenmode etc. übersehen.

„Pop fungiert auch heute noch als der vielleicht wichtigste Schauplatz für mikropolitische Sym- bol- und Identitätspolitik. Die Populärkultur bleibt neben ihrer unverzichtbaren kathartischen Ventilfunktion einer jener zivilgesellschaftlichen Orte, an denen sich individuelle und soziale Subjektfähigkeit konstituieren und damit ein potentieller Ort der Selbstverwirklichung, Emanzi- pation und Befreiung.“[32]

Wer für sich in Anspruch nimmt, am gesellschaftlichen Leben aktiv teilhaben zu wollen, der ist damit zugleich Teil einer bestimmten Subkultur, meist sogar mehrerer Subkulturen. Möglich ist zudem, Subkultur und Mainstream zur gleichen Zeit hinsichtlich unterschiedlicher Aspekte anzugehören. Popkultur kann alles sein, aufgefächert in Mainstream(s) und Subkultur(en), welche jedoch nicht zeitgleich kongruent zueinander sein können.

Bei der Übertragung jener Schlussfolgerungen auf das Überthema dieser Untersuchung – die RAF – stellt sich die Frage, ob das Image der RAF heute nun ebenfalls Teil der Popkultur ist oder nicht. Die Annahme, jegliche Art von Kultur sei Popkultur, ist für Bereiche wie Musik, Mode, Theater und Kunst ohne Probleme zu bejahen. Es bereitet aber Schwierigkeiten, dies für die Geschichte zu tun. Man wird davor zurückschrecken, den Nationalsozialismus als Teil der Popkultur zu bezeichnen, nur weil eine Dauerausstellung in einem Museum gemeinhin mit Kultur gleichgesetzt wird. Jedoch wurden in den letzten Jahren in Filmen, Serien, Comedy-Sendungen und im Kabarett intensiver als bisher NS-Größen wie Göring, Goebbels und Hitler 'durch den Kakao gezogen'. Dies wird man dann auch eher der Popkultur zuordnen wollen. Und hier fällt Folgendes auf: Die Verbindung scheint in diesen Beispielen zum einen die Transformation der Geschichte in ein anderes Medium zu sein. Zum anderen ist der Humor, also die Satire, Parodie und das ironische Spiel mit kollektiv vorhandenem Wissen um jene historische Begebenheiten zu nennen. Diese Verbindungen werden in den folgenden Kapiteln anhand einiger der aufgeführten Beispiele herausgearbeitet.

Wie weiter oben schon zur Sprache kam, lässt sich auch die Rolle der (Massen-) Medien innerhalb der Popkultur kritisch sehen. Ihnen sei zugestanden, dass sie eine enorme Wirkungsmacht besitzen. So ist es ihnen möglich, Trends gewissermaßen herbeizuschreiben. Sie können Dinge, Handlungen und Verhalten als 'in' oder auch als 'out' festsetzen. Zu beobachten ist, dass eine überwiegende Mehrheit der Bevölkerung diesen Festlegungen folgt. In diesem Zusammenhang lässt sich dann doch nicht mit Unrecht der Begriff Massenkultur anwenden. Massenmedien helfen mit der Präsentation der Dinge, die gerade angeblich 'trendy' sind, die Geltungssucht, die den meisten Menschen eigen ist, zu bedienen. Denn in der heutigen Gesellschaft gilt meist der als dazugehörig, welcher, wenigstens in einigen Bereichen, einem der vielen aktuellen Trends folgt. Es sei an dieser Stelle auch erwähnt, dass hinter jenen Medien Menschen stehen, die selbst Partizipanten einiger Trends sind. Daher kann auch die berühmte Frage, ob zuerst das Huhn oder das Ei vorhanden war, hier nicht gestellt werden. Die Dinge bedingen sich gegenseitig und es steckt auch keine große Verschwörung, beispielsweise der Modeindustrie, hinter einem Trend. Ist man realistisch, kann zwar davon ausgegangen werden, dass jeweilige Interessen in den Medien versucht werden zu lancieren, doch ob diese bei den Menschen zu einer Kaufentscheidung führen, ist noch immer die freie Entscheidung eines jeden Individuums. Denn schon viele Male traf ein von den Medien ausgerufener angeblicher Trend auf geringe bis keine Resonanz. Hier sind einem jeden von uns zahlreiche Beispiele aus den Bereichen Mode, Musik und Technik geläufig. Wir erleben sehr häufig wie Werbung, meist von den Medien gestützt, versucht, den Menschen zu vermitteln, das beworbene Produkt liege im Trend und dessen Anschaffung sei ein 'must have'. Genauso häufig ist aber zu sehen, dass diese Botschaften geringe oder keine Auswirkungen auf das Konsumverhalten der Verbraucher hat. Daher soll nicht jenen Kritikern gefolgt werden, die eine gänzliche Manipulation der Menschen durch Medien, Werbung und Popkultur sehen. Es ist hingegen für mehr Gelassenheit und weniger Schwarzmalerei zu plädieren, denn die Dummheit der Menschen ist meist geringer als behauptet wird. Deswegen sei einem jeden Einzelnen zugestanden, dass er sich bewusst für gewisse Dinge entscheidet. Es ist eine bewusste Entscheidung, sich ein Modemagazin zu kaufen und dieses zu lesen, welches verständlicherweise ohne die Modebranche nicht existieren würde. Dennoch fühlen sich mitunter Personen fast schon gezwungen, jeden neuen Trend mitzugehen, doch allein schon dass für diese Menschen die Bezeichnung 'fashion victim' existiert, zeigt, dass hier nicht von einer breiten Masse ausgegangen werden kann. Die in dieser Untersuchung aufgeführten Beispiele zeigen im Folgenden zudem, dass eine mit weiter Präsenz in den Medien beschriebene Mode nicht unbedingt mit der Realität konform sein muss. Es ist bei diesen Beispielen eher das Gegenteil zu vermuten: Gewisse Dinge werden von nicht gerade wenigen Menschen geschätzt, finden aber öffentlich nicht bzw. in vernachlässigbarem Umfang Erwähnung.

4 Das RAF-Logo

Fragt man nach dem momentanen Gebrauch bzw. den Abwandlungen eines Emblems, so ist zuvor die Entstehungsgeschichte des Vorbilds zu untersuchen. Denn erst durch das Wissen um das Aussehen der ursprünglichen, der 'Original'-Darstellung ist ein grundlegender Vergleich zwischen 'echtem' RAF-Logo und seinen Adaptionen möglich und sinnvoll.

4.1 Die Entstehung des RAF-Logos

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zum ersten Mal tauchte ein RAF-Logo (siehe Abbildung 1[33]) im April 1971 auf, abgedruckt am Ende eines Textes mit dem Titel „Das Konzept Stadtguerilla“.[34] Die Erstellung des Symbols fällt daher wohl in die Zeit Ende 1970, Anfang 1971 und als Urheber sind Mitglieder der RAF selbst zu vermuten, auch wenn die Personen nicht bekannt sind.[35] Der Begriff „Logo“ wird seit den 1980er Jahren verwendet, als „grafisch-typografisches Kürzel“ zum „Kern einer Corporate Identity“ wurden.[36] Folgt man dem Autor Butz Peters[37], so könnte vermutlich Holger Meins grundlegende Arbeit für jenes Logo geleistet haben, da „er damals als Einziger in der Gruppe eine graphische Ausbildung besaß und viel zeichnete – er hatte vier Semester Malen und Zeichnen an der Staatlichen Hochschule für bildende Künste Hamburg studiert“. Meins habe zudem schon vorher einen Stern mit stilisierter Waffe und Schriftzug entworfen.[38] Ab 1986 benutzte die RAF dann nur noch das Logo in der Form, wie es allgemein geläufig ist (siehe Abbildung 2[39]): Der Stern ist nun rot, davor befindet sich die schwarze Maschinenpistole (Modell „MP5“ von Heckler&Koch[40]) und wieder davor die drei weißen Buchstaben RAF.[41] Angeblich habe Andreas Baader einen Bekannten, den Grafikdesigner Holm von Czettritz, darum gebeten, das bisherige Logo zu überarbeiten.[42] Doch dieser habe abgelehnt: „In seiner Rustikalität hat das eine Originalität, die würde ich nicht verändern. Das muss diesen rauen Ursprungscharakter behalten. Das sag ich dir als Markenartikler.“[43]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Darstellung eines Sterns mit Schusswaffe im Vordergrund sei gemäß „Agitprop-Tradition“ und beziehe sich auf die „konstruktivistischen Vereinfachung symbolischer Gesten und körperlicher Haltungen“ die sich in der Sowjetunion, im spanischen Bürgerkrieg, in den lateinamerikanischen Befreiungskriegen und schließlich in der Black-Power-Bewegung herausgebildet hätten.[44] Der Stern steht also für das Selbstverständnis der Gruppe, (links-)politisch zu sein, und die Waffe ist ein Zeichen für Kraft und den Machtanspruch an das politische System – die Bundesrepublik Deutschland. Die Art der Waffe selbst – vollautomatisch, technisch und qualitativ hochwertig sowie in Deutschland selbst gefertigt – soll vermutlich signalisieren, dass die Gruppe sich als wehrhaft, professionell und durchaus gut ausgerüstet präsentiert und sozusagen den Staat mit den eigenen (von ihm selbst produzierten) Mitteln schlagen möchte – zumindest symbolisch.

4.2 Beispiele für die Verwendung des (abgewandelten) RAF-Logos

Man muss nicht lange suchen, um im Internet in zahlreichen (Bekleidungs-)Shops auf T-Shirts, Pullover und andere Kleidungsstücke sowie weitere Accessoires zu stoßen, die in irgendeiner Form einen roten Stern, meist kombiniert mit anderen Symbolen oder Schriftzügen, als Motiv aufweisen. Beim Durchstöbern des Produktangebots dieser Online-Shops wird deutlich, dass besonders bei linken Musikgruppen derartige Logos gerne Verwendung finden. Doch viele dieser Rote-Stern-Logos haben lediglich eben besagten Stern mit dem RAF-Zeichen gemein. Eine Aufführung aller Logos, die einen roten Stern als grafisches Beiwerk beinhalten, würde eindeutig den Rahmen dieser Untersuchung sprengen. Zudem wäre eine solche umfangreiche Aufzählung nicht notwendig und sinnvoll im Sinne der Fragestellung, denn es sollen hier lediglich jene Logos von Interesse sein, die eindeutig Bezug auf das 'Original'-RAF-Logo nehmen.

Jene Logos, bei denen das RAF-Logo eindeutig die grafische Grundlage bildet, lassen sich ganz grob in zwei Kategorien einteilen. Zum einen in Logos mit Bezug zur Musik, was bedeutet, dass sie von Musikgruppen zum Beispiel als Merchandiseartikel vertrieben wurden und teilweise noch werden. Zum anderen kommen Logos ohne direkten Bezug zur Musik vor.

4.2.1 Wasser Armee Friedrichshain (WAF)

Als erstes Beispiel dient das Erkennungszeichen der links-alternativen Spaßgruppierung Wasser Armee Friedrichshain (WAF)[45] (siehe Abbildung 3[46]). Die Ähnlichkeit ist beim Logo der WAF zum Logo der RAF unverkennbar: Die gesamte Komposition blieb erhalten, lediglich ein Buchstabe wurde geändert (wobei die Schriftart die gleiche blieb) und ein Wassertank wurde der Maschinenpistole hinzugefügt. Nur der eigentlich rote Stern hat seine Farbe verloren (oder noch nicht bekommen[47]) und wird in einer anderen Darstellung des Logos stattdessen vor einen roten Hintergrund montiert (siehe Abbildung 4[48]).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

4.2.2 „Ring Deutscher Makler (RDM)“

Die Satire-Zeitschrift Titanic[49] bietet in seinem Onlineshop ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Ring Deutscher Makler – Der Terror geht weiter!“ (siehe Abbildung 5[50]) an, „basierend auf der erfolgreichen Makler-Anzeigenserie von Hans Zippert!”.[51] Auch bei diesem Logo ist es offensichtlich, dass das RAF-Logo als Vorbild diente. Vor dem roten Stern ist eine Maschinenpistole abgebildet – auch wenn es keine „MP5“ wie beim Original ist – und vor dieser wiederum der aus drei Buchstaben bestehende Schriftzug RDM. Der dafür verantwortliche Kolumnist und Satiriker Hans Zippert war von 1990 bis 1995 Chefredakteur der Titanic und ist heute einer deren Mitherausgeber.[52]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

4.2.3 „Image Fulgurator“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ein weiteres Beispiel für eine RAF-Logo-Adaption, auch wenn nicht so überdeutlich wie die vorigen Beispiele zeigen, ist das Logo zum sogenannten Apparat „Image Fulgurator“[53] des Künstlers Julius von Bismarck (siehe Abbildung 6[54]). Das Logo des „Image Fulgurators“ beinhaltet in diesem Fall keine Buchstaben als grafisches Element, sondern besteht lediglich aus einem Stern mit roter Silhouette in bekannter Form und dem aus seitlicher Perspektive abgebildeten und davorgesetzten Apparates. Gerade durch die Art und Weise, wie von Bismarck sein Gerät vor den Stern montiert hat, ist die Ähnlichkeit zum RAF-Logo zu erkennen.

4.2.4 Rote Gourmet Fraktion

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Viel offensichtlicher hingegen präsentiert sich das Logo eines Cateringservices für Rockstars, der Roten Gourmet Fraktion (siehe Abbildung 7[55]).[56] Diese Tourneecatering-Firma wird von zwei Köchen betrieben, die ihre Gerichte beispielsweise „Pumpgun mit Curryschuß“ nennen und für nationale wie internationale Musikgruppen mit geringem oder auch sehr großem Bekanntheitsgrad Mahlzeiten zubereiten.[57] Das Erkennungszeichen der Roten Gourmet Fraktion basiert wie beim Vorbild auf einem roten Stern, vor dem auch in diesem Fall eine 'Waffe' zu sehen ist. Hier ist dies aber lediglich ein in weiß gehaltenes Küchenmesser. Vor Küchenmesser und Stern steht mittig, was nun nicht mehr überrascht, der Schriftzug RGF.

Dieses Beispiel einer RAF-Logo-Adaption gehört teilweise schon in die Kategorie Musik (siehe Unterteilung oben). Die folgenden drei Beispiele sind vollständig in diese Kategorie einzuordnen, da sie von Musikgruppen selbst stammen.

4.2.5 „Sylt“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Als erstes Logo aus dem rein musikalischen Bereich soll hier eines der allgemein bekannten Deutschrock-/ Punk-Gruppe Die Ärzte genannt werden (siehe Abbildung 8[58]). Auch in diesem Fall ist der Bezug zum RAF-Logo in aller Deutlichkeit zu erkennen: der rote Stern im Hintergrund, davor aber nun keine Waffe, sondern die (gedrehte) Silhouette der Insel Sylt, mit eben diesem Namen in weißer Schrift davor. Das Emblem tauchte auf verschiedenen Merchandising-Produkten der Die Ärzte auf, als sie zum Abschluss der 2001er Tour am 8. September in Westerland auf Sylt ihr letztes Konzert der Tournee gaben.[59]

4.2.6 „Radieschen Auf Frischkäse“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Bezugnahme durch eine Band auf das RAF-Logo ist bei der Punkgruppe Dödelhaie aus Duisburg[60] ebenso deutlich zu erkennen wie zuvor bei der Gruppe Die Ärzte und später beim letzten zu nennenden Beispiel. Beim Logo der Dödelhaie ist dennoch ein Unterschied bezüglich der anderen hier genannten Embleme zu erkennen (siehe Abbildung 9[61]): Es ist keine Waffe oder waffenartiges Objekt vor den roten Stern gesetzt. An diese Stelle ist der Hai, das Maskottchen der Musikgruppe, eingefügt. Auch der Schriftzug „R.A.F.“ ist nicht mittig vor den Stern platziert, sondern an dessen obersten Zacken. Und erst auf der Rückseite des T-Shirts wird die Abkürzung „R.A.F.“ aufgelöst: Dort ist „Radieschen Auf Frischkäse“ zu lesen. Dies bezieht sich auf ein gleichnamiges Lied dieser Gruppe, in welchem die Problematik um Neonazis in den neuen Bundesländern aufgegriffen wird. Der Refrain lautet diesbezüglich „wo ist die R.A.F. wenn man sie braucht?“.[62]

[...]


[1] Werber, Niels:Vom Glück im Kampf. Krieg und Terror in der Popkultur(Antrittsvorlesung vom 16. Mai 2001 an der Ruhr-Universität Bochum), http://homepage.ruhr-uni-bochum.de/niels.werber/Antrittsvorlesung.htm (letzter Zugriff am 28.03.2010); vgl. Reinecke, Stefan: „Die RAF und die Politik der Zeichen“, in: Biesenbach, Klaus (Hg.):Zur Vorstellung des Terrors. Die RAF(Bd. 2), Göttingen 2005 (Begleitband zur Ausstellung in den KW Institute for Contemporary Art, Berlin; 30. Januar bis 16. Mai 2005), S. 219-221, hier S. 219.

[2] Kraushaar, Wolfgang: „Mythos RAF. Im Spannungsfeld von terroristischer Herausforderung und populistischer Bedrohungsphantasie“, in: Ders. (Hg.):Die RAF und der linke Terrorismus(Bd. 2), Hamburg 12006, S. 1186-1210, hier S. 1209.

[3] Brauer, Wiebke: „Tanz den Baader-Meinhof!“, in:Der Spiegel, 05.03.2001, http://www.spiegel.de/ kultur/gesellschaft/0,1518,120905,00.html (letzter Zugriff am 22.07.2010).

[4] Mohr, Reinhard: „Die Prada-Meinhof-Bande“, in:Der Spiegel, 25.05.2002 (9/2002), S. 202-204, hier S. 202.

[5] Vgl. Preußer, Heinz-Peter: „Warum 'Mythos' Terrorismus? Versuch einer Begriffsklärung“, in: Galli, Matteo/ Preußer, Heinz-Peter (Hgg.):Mythos Terrorismus. Vom Deutschen Herbst zum 11. September, Heidelberg 2006, S. 69-83, passim.

[6] Vgl. Bönisch, Georg/ Sontheimer, Michael: „Der Kampf hört nie auf“, in:Der Spiegel, 29.10.2007 (44/2007), S. 62-70, hier S. 70.

[7] Kraushaar: „Mythos RAF“, hier S. 1206.

[8] Vgl. ebd., hier S. 1207ff.

[9] Vgl. Kraushaar: „Mythos RAF, hier S. 1208; Reine>

[10] Vgl. Mandl, Bernhard: „Gib mir ein T-Shirt mit Andreas Baader drauf!“ Die Rezeption der Roten Armee Fraktion in der Musik von 1971 bis heute, Mag. Phil. [masch.], Wien 2009, http://othes.univie.ac.at/7079/1/2009-10-12_0305552.pdf (letzter Zugriff am 23.07.2010), passim.

[11] Vgl. FN 109 und FN 110 auf S. 34.

[12] Vgl. FN 85, S. 28.

[13] Unterstützung bekam ich hierbei vom Fotografen dieser vier Bilder selbst. Bereitwillig antwortete er in einem Telefoninterview auf Fragen zur Entstehungsgeschichte der Fotostrecke und dessen Perzeption in den Medien; vgl. Anhang 1:Telefoninterview mit Andreas Schiko, geführt am 12.08.2010, S. 67-72.

[14] Einen weitergehenden Überblick über die Theorien der Popkultur ist bei Dominic Strinati zu finden, vgl. Strinati, Dominic:An Introduction to Theories of Popular Culture, London/ New York 1995, passim.

[15] Nieland, Jörg-Uwe:Pop und Politik. Politische Popkultur und Kulturpolitik in der Mediengesellschaft, Köln 2009, S. 63.

[16] Behrens, Roger:Die Diktatur der Angepassten. Texte zur kritischen Theorie der Popkultur, Bielefeld 2003, S. 37.

[17] Vgl. Warner, Ansgar: „Terror, Pop & Prada Meinhof“, in:Siegener Periodicum zur Internationalen Empirischen Literaturwissenschaft24 (2005) Heft 2, S. 339-347, hier S. 339.

[18] Vgl. ebd.

[19] Vgl. ebd.

[20] Hecken, Thomas:Theorien der Populärkultur. Dreißig Positionen von Schiller bis zu den Cultural Studies, Bielefeld 2007, S. 179.

[21] Vgl. Behrens:Die Diktatur der Angepassten, S. 191.

[22] Ebd., S. 191f.

[23] Vgl. zit nach: Büsser, Martin:Popmusik,Hamburg 2000, S. 87, in: Nieland:Pop und Politik, S. 63.

[24] http://www.christophjacke.de (letzter Zugriff am 22.09.2010).

[25] Zit. nach: Jacke, Christoph:Medien(sub)kultur.Geschichte – Diskurse – Entwürfe, Bielefeld 2004, S. 10, in: Nieland:Pop und Politik, S. 64.

[26] Behrens:Die Diktatur der Angepassten, S. 190.

[27] Vgl. ebd., S. 190.

[28] Ebd., S. 192.

[29] Ebd., S. 189.

[30] Ebd., S. 192.

[31] Ebd., S. 189.

[32] Weinzierl, Rupert:Fight the Power! Eine Geheimgeschichte der Popkultur & die Formierung neuer Substreams, Wien 2000, S. 70.

[33] Vgl. Peters, Butz:Tödlicher Irrtum. Die Geschichte der RAF, Frankfurt am Main 32007, S. 744.

[34] Vgl. ebd.

[35] Vgl. ebd.; sowie Sachsse, Rolf: „Prada Meinhof. Die RAF als Marke. Ein Versuch in politischer Ikonologie“, in: Kraushaar, Wolfgang (Hg.):Die RAF und der linke Terrorismus(Bd. 2), Hamburg 12006, S. 1260-1269, hier S. 1261.

[36] Vgl. Sachsse: „Prada Meinhof“, hier S. 1261.

[37] Vgl. Peters:Tödlicher Irrtum, S. 744f.

[38] Vgl. ebd., S. 745.

[39] Vgl. ebd.; Bildquelle: http://www.e-politik.de/images/upload/Rote_armee_fraktion_logo.jpg (letzter Zugriff am 24.03.2010).

[40] Vgl. Sachsse: „Prada Meinhof“, hier S. 1262; bzw. vgl. mit Foto http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/4a/MP5.jpg (letzter Zugriff am 24.03.2010).

[41] Vgl. Peters:Tödlicher Irrtum, S. 745.

[42] Vgl. Breyer, Nike: „Verbindlich war verdächtig“ (Interview mit Holm von Czettritz), in:taz, 12.04.2003, http://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2003/04/12/a0229 (letzter Zugriff am 24.03. 2010); Reine>

[43] Vgl. Holm von Czettritz im Interview, in: o. A.: „Verbindlich war verdächtig“, in:taz, 12.04.2003, http://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2003/04/12/a0229 (letzter Zugriff am 24.03.2010).

[44] Vgl. Sachsse: „Prada Meinhof“, hier S. 1262.

[45] Vgl. http://www.wasserarmeefriedrichshain.de/

[46] Bildquelle: http://www.wasserarmeefriedrichshain.de/waf.gif (letzter Zugriff am 25.03.2010).

[47] Wobei sich dann das Logo derWAFauf ein früheres der RAF-Logo beziehen würde.

[48] Bildquelle: http://badkleinen.sooderso.net/texte/images/wasserarmeefriedrichshain.jpg (letzter Zugriff am 25.03.2010).

[49] Vgl. http://www.titanic-magazin.de/

[50] Bildquelle: https://www.titanic-magazin.de/shop/images/default_shop/RDM-Shirt-PK.jpg (letzter Zugriff am 25.03.2010).

[51] Vgl. „Ring-Deutscher-Makler-T-Shirt“, in:titanic-magazin.de,https://www.titanic-magazin.de/shop/ index.php?action=showdetails&from=list&pageNr=1&productId=3f814b8b6f75f&, (letzter Zugriff am 25.03.2010).

[52] Vgl. Wittstock, Uwe: „Immer eine Kugel mehr im Lauf“, in:Welt, 14.05.2009, http://www.welt.de /die-welt/article3735755/Immer-eine-Kugel-mehr-im-Lauf.html (letzter Zugriff am 25.03.2010); http://www.titanic-magazin.de/impressum.html.

[53] Vgl. http://www.juliusvonbismarck.com/fulgurator (letzter Zugriff am 26.03.2010).

[54] Bildquelle: http://www.juliusvonbismarck.com/fulgurator/bilder/raf.jpg (letzter Zugriff am 26.03. 2010).

[55] Bildquelle: http://rgf.merchlandshop.com/out/oxbaseshop/html/0/images/rgf.jpg (letzter Zugriff am 26.03.2010).

[56] Vgl. Plogstedt, Ole/ Raufeisen, Jörg:Rote Gourmet Fraktion. Tournee- & Event-Catering,http://www.rotegourmetfraktion.de (letzter Zugriff am 26.03.2010) sowie Dies./ Skai, Hollow:Rote Gourmet Fraktion. Kochen für Rockstars, Köln 22004.

[57] Vgl. Plogstedt/ Raufeisen:Rote Gourmet Fraktion,http://www.rotegourmetfraktion.de/ueber-uns (letzter Zugriff am 08.04.2010).

[58] Bildquelle: http://yodeln.de/pics/sylt.jpg (letzter Zugriff am 28.03.2010).

[59] Vgl. Karg, Markus (in Zusammenarbeit mit BelaFarinRod):die ärzte. Ein überdimensionales Meerschwein frisst die Erde auf. Die Biografie der besten Band der Welt, Berlin 32001, S. 467.

[60] Vgl. http://www.doedelhaie.de (letzter Zugriff am 28.03.2010).

[61] Bildquelle: http://www.sooderso.net/subdomains/badkleinen/texte/images/doedel.gif (letzter Zugriff am 28.03.2010).

[62] Vgl. Dödelhaie: „Radieschen Auf Frischkäse“, auf:Schätzchen, ich habe das Land befreit!, Impact Records, Duisburg 2002.

Ende der Leseprobe aus 86 Seiten

Details

Titel
Was bleibt übrig? - Die Perzeption der Roten Armee Fraktion in der Popkultur anhand von Beispielen aus Mode(-Fotografie), Musik und Logo-Gestaltung
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Geschichtswissenschaften)
Note
1,8
Autor
Jahr
2010
Seiten
86
Katalognummer
V176974
ISBN (eBook)
9783640993802
ISBN (Buch)
9783640995684
Dateigröße
2803 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
RAF, Rote Armee Fraktion, Fotografie, Mode, Musik, Popkultur, Perzeption, R.A.F., Prada Meinhof, Tussi Deluxe, WIZO, Jan Delay, DAF, Söhne Stammheims, Kinderzimmer, Dödelhaie, Rote Gourmet Fraktion, Ring Deutscher Makler, Titanic, Die Ärzte, Wasser Armee Friedrichshain, Image Fulgurator
Arbeit zitieren
Master of Arts Julian Wittmann (Autor:in), 2010, Was bleibt übrig? - Die Perzeption der Roten Armee Fraktion in der Popkultur anhand von Beispielen aus Mode(-Fotografie), Musik und Logo-Gestaltung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/176974

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