Die Untersuchung zwischenmenschlicher Beziehungen in Hitchcockfilmen

Ein Vergleich von „Berüchtigt“ und „Die Vögel“


Vordiplomarbeit, 2010

134 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1.0 Einleitung

2.0 Ödipuskomplex

3.0 Berüchtigt
3.1 Frau: Alicia Hubermann
3.2 Sohn: Alexander Sebastian
3.3 Mutter: Mrs. Sebastian

4.0 Die Vögel
4.1 Frau: Melanie Daniels
4.2 Sohn: Mitch Brenner
4.3 Mutter: Lydia Brenner

5.0 Vergleich von Berüchtigt und Die Vögel
5.1 Frau: Alicia und Melanie
5.2 Sohn: Alexander und Sebastian
5.3 Mutter: Mrs. Sebastian und Lydia

6.0 Fazit

7.0 Quellenangabe

Eidesstaatliche Erklärung

Sequenzprotokoll Berüchtigt

Sequenzprotokoll Die Vögel

1.0 Einleitung

In dem Produktlebenszyklus geht es um die zwischenmenschlichen Beziehungen im Ver- gleich der beiden Hitchcock Filme: Berüchtigt (1946) und Die Vögel (1963). Ich untersu- che den jeweiligen Standpunkt einzelner Personen zueinander, insbesondere die Beziehung zwischen Sohn und Mutter sowie der der Mutter zur Schwiegertochter. Zudem die Gründe bzw. Auslöser für bestimmte Handlungen und die Gemeinsamkeiten zweier Filme, die knapp 20 Jahre auseinanderliegen. Wichtig ist dabei der von Freud definierte Ödipuskom- plex, der zur Entschlüsselung des Geschehens notwendig ist und die Filme in einem anderen Licht erscheinen lässt, als man anfangs vermuten würde. Es folgt eine kurze Erläuterung zum Ödipuskomplex, anschließend eine Untersuchung der einzelnen Persönlichkeiten des Films und abschließend ein Vergleich der sich ähnlichen Figuren der beiden Filme.

2.0 Ödipuskomplex

Zunächst, zum besseren Verständnis, eine Erläuterung des Instanzmodells von Freund.

Es beschreibt ein Denkmodell, bei dem die Seele jedes Menschen aus drei Teilen besteht: Dem Es, dem Ich und dem Über-Ich.

Das Es ist von Geburt an vorhanden und in ihm steckt die gesamte psychische Energie. Das Es ist der gesamte unbewusste und irrationale Teil, der Triebe beinhaltet und immer nach sofortiger Triebbefriedigung strebt. Sein Ziel ist der Lustgewinn.

Das Ich ist der bewusste und rationale Teil, der die handelnden und steuernden Funktionen, also Wahrnehmung, Denken und das Gedächtnis übernimmt und repräsentativ für die Au- ßenwelt steht. Das Ich strebt zwar auch nach Befriedigung und Lust, jedoch nur dann, wenn es der Psyche eines Menschen nicht schadet. Es schützt den Menschen vor sich selbst. Seine Aufgabe ist es also, die Triebe des Es und die Wünsche vom Über-Ich abzuwägen.

Das Über-Ich ist etwas Ähnliches wie eine innere Zensur. Es steuert unser Gewissen unsere Vorstellungen von Normen, Werten, Moral, Verboten und Traditionen. In ihm werden Idealvorstellungen geprägt, die durch Erziehung und Identifikation entstehen. Freund beschreibt das Über-Ich als „ Anwalt der Innenwelt, des Es “ (Freud 1976, S. 264).

Der Ödipuskomplex wurde von Freund nach der Geschichte des Ödipus, einem Wesen aus der griechischen Mythologie, benannt. Ödipus ist der Sohn von Laios und Iokaste. Die Eltern bekommen vor der Geburt von einem Orakel prophezeit, dass sie, sofern sie ein Kind zeugen sollten, dieses seinen Vater töten und die Mutter zur Frau nehmen wird. Iokaste bekam dennoch einen Sohn und zum Schutz setzte sie ihn aus.

Durch einen Streit, mit scheinbar unbekannten Männern, ausgelöst, ergreift Ödipus später das Messer und tötet tatsächlich unwissend seinen Vater.

Später löste er das Rätsel der Sphinx und befreit damit Teben. Zum Dank erhält er den Tron von Teben und die Schwester des Kreon, Iokaste, zur Frau. Damit erfüllt sich auch diese Voraussagung und Ödipus heiratet unwissentlich seine Mutter.

Der Ödipuskomplex beschreibt eine Entwicklung in der phallischen Phase eines jeden Kindes im Alter zwischen 3 und 6 Jahren.

Er beschreibt eine Zuwendung beziehungsweise eine Objektbesetzung des gegengeschlecht- lichen Elternteils und eine Rivalität zum konkurrierenden Elternteil, im Fall eines männ- lichen Kindes, also dem Vater gegenüber. Vom Es geht der Trieb der sexuellen Strebungen aus, der an die Mutter gerichtet ist. Der Vater stört die Beziehung zur Mutter und muss nach der Sage von Ödipus vernichtet werden, damit er, der Sohn dessen Stelle einnehmen kann. Gleiches gilt für weibliche Kinder, jedoch streben diese nach Zuwendung des Vaters und betrachten die Mutter als Rivalin.

Der Ödipuskomplex ist eine notwendige Entwicklung, damit im Ich des Kindes Angst- und Schuldgefühle erkannt werden können, damit es Verzicht und Anerkennung der Realität lernt und sich mit dem gleichgesinnten Elternteil identifiziert. Dafür ist eine Zerstörung des Ödipuskomplexes notwendig. Die Objektbesetzung der Mutter muss aufgegeben werden und durch die Identifizierung mit dem Vater ersetzt werden.

Eine normale Entwicklung erfolgt dann, wenn das Ich zwischen dem Es und dem Über- Ich entscheiden und abwägen kann und das Kind lernt, die Realität anzuerkennen. Das bedeutet, dass das Über-Ich durch die Anerkennung von gesellschaftlichen Normen sich aufbaut, dass das Kind, durch die Identifizierung mit dem Vater, seine Geschlechterrolle akzeptiert, das Ich gestärkt wird durch Anerkennung der Realität durch Verzicht. Weiterhin lernt das Kind, mit Frustration umzugehen und Triebe aufzuschieben. Das Über-Ich ist die „ Repräsentanz unserer Elternbeziehung “ (Freud 1976, S. 264), es wird sozusagen vom Ödipus- komplex vererbt.

Andernfalls, sollte die Entwicklung nicht normal verlaufen, kann es zu psychischen Störungen, sogenannten Neurosen, kommen. Wird die Objektbesetzung der Mutter nicht aufgegeben, bleibt der Vater ewig der Rivale und die Mutter das Objekt der Begierde, die mehr oder weniger die Macht über die sexuellen Triebe des Sohnes hat.

Im Falle der zu vergleichenden Filme starb der Vater früh. Der Rivale war demnach nicht mehr vorhanden und somit kann der Sohn dessen Stelle einnehmen.

3.0 Berüchtigt

3.1 Frau: Alicia Hubermann

Nach Donald Sponto ist eines der beiden Hauptthemen von Berüchtigt

„ [...] der Wunsch einer Frau, in der Liebe Vertrauen zu erfahren, wodurch sie fähig wird, ihr trauriges, schuldbeladenes Leben zuüberwinden “. (Sponto 1999, S. 164)

Alicia Hubermann, gespielt von Ingrid Bergmann, tritt auf, als ein reiches junges Mädchen, dass gerne Alkohol trinkt und Partys feiert. Bei ihrem ersten Auftritt erfährt der Zuschauer, dass ihr Vater, John Hubermann, wegen Landesverrates zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde. Sie hat also ihre einzige Bezugsperson verloren, denn ihre Mutter spielt keine Rolle in ihrem Leben. Sie schmeißt nach der Verurteilung eine Party, bei der viel getrunken wird, und sie von Männern Komplimente bekommt. Mit dem Durst nach Alkohol vermittelt sie vielmehr den Durst nach wahrer Liebe. So fragt sie einen Mann, der auf ihrer Party anwesend ist:

Alica: Liebst du mich, Commodore?

Commodore: Du bist eine wunderschöne Frau Alicia.

Alicia: Auf das Kompliment muss ich sofort was trinken.

Der Mann weicht der Frage aus, indem er ihr ein Kompliment macht. Alicia bemerkt es, kommentiert es aber mit dem Satz „ Auf das Kompliment muss ich sofort was trinken “ (Vgl. Szene 5.0). Sie ertränkt sozusagen das Gefühl, nicht geliebt zu werden. Sie trinkt den ganzen Abend über viel Alkohol, sie hat schließlich ihren Vater verloren und die Liebe zu ihm. Er hat sie im Stich gelassen, indem er sich auf illegale Geschäfte eingelassen hat und dafür ins Gefängnis gewandert ist. Seine Geschäfte waren ihm wichtiger als Alicia selbst.

Auch später, wenn die meisten Gäste gegangen sind, oder betrunken auf der Couch liegen und Alicia sich mit Devlin, gespielt von Cary Grant, unterhält, wird ihre Sehnsucht nach Liebe deutlich. Sie steht offensichtlich auf ein sehr romantisches Lied und auf die Frage von Devlin, warum sie genau dieses Lied so gerne möge, antwortet sie: „ Es ist so schön schmalzig. “ (Vgl. Szene 6.0). Ein Ausdruck ihrer Sehnsucht nach einer schmalzig, schönen Liebesbezie- hung, die sie permanent sucht. Während dieser Szene trägt sie ein schwarzweiß gestreiftes Shirt, was bei Hitchcock immer für ein Zeichen von Zerrissenheit steht. Sie bittet Devlin, den sie erst an diesem Abend kennen gelernt hat, mit ihr sofort zum Picknick zu fahren und macht kein Geheimnis daraus, dass er ihr gefällt. Alicia ist keine Frau, die sich unterwirft, und nimmt sich, was ihr gefällt. Ihr Vater war offensichtlich ein reicher Mann und Alicia hat schon immer das bekommen, was sie wollte. Sie hält gerne die Zügel in der Hand und bestimmt den Weg - sie besteht darauf selbst zu fahren, sodass Devlin auf dem Beifahrer- sitz ihres Cabrios Platz nehmen muss. Sie lässt sich nicht gerne etwas sagen und das Leben scheint für Alicia ein Spiel zu sein. Sie riskiert es scheinbar permanent. Der Zuschauer er- fährt, dass sie schon mal wegen Trunkenheit am Steuer angehalten wurde und riskiert es ein zweites Mal. Als sie aber ohne Strafzettel weiterfahren darf, weil Devlin seinen Ausweis vor- zeigt, schwingt ihre Stimmung um. Sie vermutet, dass Devlin ein Polizist ist und beschimpft ihn als „ bösartiger Bussard “ und „ Bullen “ (Vgl. Szene 7.2). Alicia hat keine guten Erfahrungen mit der Polizei gemacht. Nicht nur, dass sie ihr den Spaß verderben, sie haben ihr auch die Beziehung zu ihrem Vater verdorben und belästigen sie deshalb. Keiner scheint ihr Glauben zu schenken, dass sie nicht wie ihr Vater ist, sondern im Grunde genommen ziemlich harm- los, eben nur eine Frau, die die Liebe in ihrem Leben sucht, die sie so früh verloren hat. Dass sie tatsächlich die kriminelle Ader ihres Vaters nicht geerbt hat, wird unter anderem klar, als Devlin ihr am nächsten Morgen ein Gespräch zwischen ihr und ihrem Vater vorspielt. John schlägt ihr ein kriminelles Geschäft vor, bei dem viel Geld für sie rausspringen würde. Aber sie lehnt es vehement ab und untermauert noch mal ihre Abscheu, indem sie ihrem Vater ins Gesicht sagt, dass sie ihn deshalb so hasst: „Du und deine Mörderbande. Seitdem ich das weiß, hasse ich dich.“ (Vgl. Szene 8.1). Auch Devlin, den sie offensichtlich für sehr attraktiv und anziehend empfunden hatte, verliert für Alicia seinen Charme, als sie den Verdacht bekommt, dass auch er mit der Kriminalität zu tun hat. Denn all das hat nichts mit einem normalen und glücklichen Leben zu tun. Zu oft wurde sie dadurch verletzt. Sie möchte am liebsten mit all dem nichts zu tun haben.

„ Ein gutes Leben. Das möchte ich endlich haben und viel Spa ß mit netten Leuten. Und nie mehr hinterhältige Bullen sehen, die mich als Schie ß budenfigur benutzen. Ich mag Menschen, die so wie ich sind und die nett zu mir sind und die mich verstehen. “

(Vgl. Szene 8.1)

Genau darin liegt auch der Grund, warum sie dem Geschäft von Devlin doch zustimmt. Er lockt sie mit den Worten: „ Und Sie könnten den Schaden, den ihr Vater angerichtet hat, wieder gut machen. “ (Vgl. Szene 8.1). Sie hat also die Chance, die Ehre ihres Vaters zu retten und sieht darin die Möglichkeit, endlich ein geregeltes Leben zu führen.

Der Auftrag führt die beiden nach Rio. Im Flugzeug erfährt Alicia vom Selbstmord ihres Vaters. Hitchcock schafft es, durch eine Großaufnahme ihres Gesichts, ihre Emotionen einzufangen. Ihr bisher emotionsloser Ausdruck verwandelt sich in einen Ausdruck voller Erinnerungen und Schmerz. Ihr Hass ihrem Vater gegenüber löst sich in Luft auf, die Erinnerungen an die schönen, unbeschwerten Tage kommen wieder.

„ Ich wei ß nicht, warum ich jetzt doch traurig bin. Als er mir vor ein paar Jahren erzählt hat, was er macht, ist alles in mir kaputt gegangen. Er ist mir gänzlich fremd geworden. Aber jetzt erinnere ich mich plötzlich, wie es früher einmal war und wie hübsch wir es zusammen hatten. Wirklich schön. Es ist ein eigenartiges Gefühl. So als ob mir etwas zugesto ß en wäre, nicht ihm. Jetzt fühl ich auch keinen Hass mehr auf ihn oder auf mich selbst. “ (Vgl. Szene 9.0)

Es bestärkt noch einmal, dass Alicia sich nichts sehnlicher wünscht, als ein unbeschwertes Leben. Durch den Tod ihres Vaters ist sie dem ein Stück näher gekommen. Sie hat jetzt nicht mehr die Last zu tragen einen kriminellen Vater zu haben. Sie beschreibt, dass sie sich fühlt, als ob ihr und nicht ihrem Vater etwas zugestoßen sei. Jedoch ist ihr, trotz des Todes nichts Negatives, sondern etwas Positives zugestoßen. Sie kann aufatmen. Alicia verliebt sich, nachdem sie verstanden hat, dass Devlin gute Absichten hat, in ihn, sowie er sich in sie. Dafür versucht sie sogar ihre alten Gewohnheiten abzulegen, z.B. das Trinken. Als Devlin ihr jedoch klar macht, dass er nicht an sie glaubt, fängt sie tatsächlich wieder an zu trinken und gibt ihm damit recht. Sie ertränkt wieder einmal die Sehnsucht nach Liebe im Alkohol. Der Alkohol betäubt ihre Gefühle, den Schmerz. Sie glaubt, es nicht wert zu sein, geliebt zu werden. Ihre kriminelle Familie, ihr Hang zum Alkohol und ihre andauernden Lieb- schaften zerstören ihr Selbstwertgefühl. Wobei ihr Vater die entscheidende Rolle spielt. Er hat ihr nicht genug Liebe entgegengebracht, Alicia hat ihre Sehnsucht in Alkohol ertränkt und sucht fortwährend nach einem Ersatz. Nach jemandem, der sie bedingungslos liebt. Sie glaubt aber nicht, dass man jemanden mit ihren Lastern lieben kann und sehnt sich deshalb danach, ein unschuldiges Kind zu sein: „ Ich mach michüber mich selbst lustig, weil ich so tue, als ob ich ein nettes, unverdorbenes Kind wäre, mit einem Herzen voll Gänseblümchen und Butterblu- men. “ (Vgl. Szene 10.0).

Später, wenn Alicia und Devlin spazieren gehen, bezeichnet sie sich selbst als ein böses Mädchen, das es nicht wert ist, geliebt zu werden:

„ Ich weiß , was mit dir los ist, Dev. Ja du bist sauer, weil du dich ein eine dreckige Lüg- nerin verliebt hast, da drüben in Miami. Das gefällt dir gar nicht. Du bist ganz krank davon, stimmt es nicht? Die Leute werden dich auslachen, weil du dich in jemanden verliebt hast, der nicht einmal wert ist, dass man ein Wort an ihn verschwendet. Armer Dev. Sich ich ein böses Mädchen zu verlieben muss furchtbar sein. “ (Vgl. Szene 10.1)

Doch Devlin küsst sie in genau diesem Moment. Er erkennt in Alicia etwas, dass sie selbst nicht sieht. Devlin ist aber zu sehr ein Agent, um sich der Liebe hinzugeben und verhält sich deshalb, trotz seiner aufrichtigen Liebe zu Alicia, distanziert zu ihr. Szene 11 ist nicht nur eine der bis dahin längsten Kussszenen, nach Francois Tuffaut, sondern auch eine sehr aussagekräftige Szene. Alicias Sehnsucht nach Liebe könnte nicht besser dargestellt wer- den. Sie klebt an Devlin und weicht ihm keinen Schritt zur Seite, selbst dann nicht, wenn er telefoniert. Sie hält ihn bei sich, aus Angst, er könnte sie doch nur wieder verlassen. Devlins Distanziertheit, die er als Pflichtbewusstsein rechtfertig, wird hier deutlicher als in jeder anderen Szene. Der Dialog der beiden tut sein übriges. Alicia schlägt vor, nicht auszugehen, sondern selbst zu kochen. Dabei hasst sie kochen. Sie will die Hausfrau und liebende Frau eines Mannes sein, ein normales Leben führen, für ihn kochen und für ihn sorgen. Sie fleht und bettelt ihn an, ihr nur einmal zu sagen, dass er sie wirklich liebt. Sie kann es nun mal nicht glauben, dass jemand sie nicht nur wegen ihres Äußeren, sondern sie als Person liebt. Devlin jedoch bleibt distanziert, lässt Alicia nicht spüren, wie sehr er sie liebt, und treibt sie so in die Arme eines anderen, in die von Alexander Sebastian. Der Zuschauer merkt sehr wohl die intensive Zuneigung zu Alicia. Als Devlin von der Botschaft erfährt, dass Alicia sich an einen anderen Mann ran manchen soll, versucht er, die Botschaft umzustimmen. Er beteuert, nicht glauben zu können, dass Alicia zu der Art Frauen gehört, die Männer bös- willig um den Finger wickelt. Als er jedoch erfährt, dass Alicia und Alexander Sebastian, der von Alicia ausspioniert werden soll, sich kennen und er einmal in sie verliebt war, verstum- men seine verteidigenden Worte. Die Flasche Champagner, die er zur Feier des Tages für sie zum Abendessen besorgt hatte, vergisst er in der Botschaft. Er vergisst die Flasche, als seine Hoffnungen gegenüber Alicia zerbrechen. Wieder in Alicias Apartment berichtet Devlin ihr über den Auftrag, dass sie sich mit Mr. Sebastian einlassen soll, um ihn auszuspionieren. Devlin ist verletzt. Er glaubt einfach nicht daran, dass Alicia ihr altes Leben aufgeben kann und nur ihn zu lieben. Er testet ihre Liebe, in dem er sie vor die Wahl stellt, sich für Sebasti- an und ihr altes Leben, oder für Devlin und ihr neues Leben zu entscheiden. Da Alicia aber ebenfalls nicht daran glaubt, dass Devlin sie lieben könnte, willigt sie ein sich auf Alexander einzulassen. Später wird diese Szene als Liebestest bezeichnet, den Alicia nicht bestanden hat. Sie hat ihn aber nur deshalb nicht bestanden, da Devlin, trotz bitten, nicht ausgespro- chen hat, dass er sie liebt. Selbst, als sie fragt, ob er nicht gesagt hat, dass sie dafür nicht geeignet sei, leugnet er, obwohl er es getan hat. Man sieht, wie Alicia sich daraufhin Whiskey einschenkt. Ihre Sehnsucht nach Liebe wurde wieder einmal nicht gestillt. Das Essen ist währenddessen kalt geworden. Es ist genauso zerstört, wie die Hoffnung auf ein normales, liebeserfülltes Leben. Ab diesem Moment ist die Beziehung zwischen Alicia und Devlin kalt und distanziert, trotzdem, dass sie sich beide lieben. Sie sind beide zu sehr vom anderen gekränkt und enttäuscht worden.

Alexander hat angebissen und sich mit ihr zum Dinner verabredet. Er ist sehr nett zu Alicia und seine Zuneigung zu Alicia ist ernst gemeint. Sie jedoch hat nur Gefühle für Devlin. Als Alexander sie auf ihn anspricht, beteuert sie jedoch, dass er ihr nichts bedeute. Sie wendet dabei ihren Blick zum Boden. Sie versteckt ihre Gefühle für ihn, um ihren Job zu machen, den sie nur durch Devlin macht. Es vergehen ein paar Tage, bis sich Alicia und Devlin bei einem Pferderennen wiedertreffen. Sie unterhalten sich darüber, was Alicia herausgefunden hat. Viel wichtiger ist in diesem Moment aber nicht, was gesprochen wird, sonder was Alicia und Devlin denken und fühlen. Es gehört zur Handschrift von Hitchcock, dass die Bilder etwas anderes sagen, als das, was gesprochen wird. Während sich also die beiden über die Arbeit unterhalten, kann der Zuschauer durch die Großaufnahme ihrer Gesichter das Verlangen der beiden nacheinander erkennen. Sie schmachtet Devlin an und dieser wiederum verspürt bei jedem Erwähnen von Mr. Sebastian Eifersucht und Schmerz. Das Ganze wird auf die Spitze getrieben, als Alicia sagt: „ Du kannst den Namen Sebastian in die Liste meiner Liebhaber eintragen. “ (Vgl. Szene 20.2)

Devlin ist zu tiefst gekränkt und eigentlich will Alicia genau das erreichen. Sie will hören, dass es ihm nicht passt und dass er sie liebt. Dass sie das lassen soll, den Job aufgeben soll und zu ihm zurück kommen soll. Devlin aber bleibt in seiner Rolle als Agent. Der Job ist wichtiger und er verliert kein Wort über seinen Schmerz, sein Gesicht aber zeigt seine tatsächlichen Gedanken und Gefühle.

Da Alexander ihr zu Recht nicht glaubt, dass sie kein Interesse an Devlin hat (sie wendet abermals ihr Gesicht zu Boden), verlangt er als Beweis die Vermählung. Alicia sucht bei der Botschaft, Devlin ist ebenfalls anwesend, Rat. Devlin bleibt wie immer sachlich und unternimmt nur einen mageren Versuch, die Liaison zu verhindern, sodass Alicia und die Botschaft sich dazu entschließen auf die Hochzeit einzugehen. Während dem Gespräch wird jedoch in den Gesichtern von Alicia und Devlin abermals deutlich, dass keiner der beiden damit einverstanden ist. In Alicias Gesicht erkennt der Zuschauer die Sehnsucht nach Erlösung. Devlin soll die Hochzeit verhindern und dazu stehen, dass er sie nicht an einen anderen Mann verlieren will. In seinem Gesicht dagegen zeichnet sich Schmerz ab.

Es tut ihm weh, dass Alicia scheinbar so kaltherzig ist und tatsächlich einen anderen Mann heiraten will, den sie nicht liebt. Dadurch wird die Stimmung zwischen beiden noch eisiger. Da Devlin Alicia nicht gerettet hat, sieht sie keinen Grund dafür, es nicht zu tun. Ihre letzte Hoffnung auf Erlösung ist gestorben.

Alicia zieht nach der Hochzeitsreise in das Haus der Sebastians. Einige Türen sind verschlos- sen, sie bittet um die Schlüssel, die die Mutter von Alexander seit Beginn an verwahrt. Es entsteht ein Machtkampf zwischen Alicia und der Mutter. Alicia will lediglich die Schlüssel um das Haus durchsuchen zu können. Sie ist sich ihrer Wirkung auf Alexander und ihrer Schönheit bewusst und lässt ihren Charme spielen, um an die Schlüssel zu kommen. Alicia ist es gewohnt, zu bekommen, was sie will. Das Einzige, was sie nicht bekommt, ist wahre Liebe. Alexander bewundert sie auch nur wegen ihrer Schönheit und ihrem Charme, nicht aber wegen ihrer Person, was dazu führt, dass Alicia in der Ehe nicht glücklich werden kann. Sie kehrt immer wieder zu dem Mann zurück, von dem sie das Gefühl hat, wirklich geliebt zu werden. Das Einzige was ihr fehlt, ist die Gewissheit, die ihr Devlin aber aufgrund seines Polizeigehirns, wie Alicia es bezeichnet, nicht geben kann. Bei ihren Zusammentreffen, bei denen Alicia Bericht abgeben soll, stichelt er immer wieder. Er nennt sie bewusst Mrs. Sebastian, spricht aber nie aus, was er denkt oder fühlt. Selbst auf der Party, bei dem sie gemeinsam in den Keller eindringen, fast erwischt werden und sich küssen, inszeniert Delvin diesen Kuss nur des Jobs wegen. Alicia genießt seine Anwesenheit und sucht dauernd Nähe und Liebe, die er ihr aber nicht gibt. Bei ihrem letzten Treffen ist Alicia krank, gibt aber vor einen Kater zu haben. Sie ist gekränkt, weil Devlin nach Spanien geht, sie verlässt und es ihr noch nicht Mal selbst sagt. Sie erfährt es von der Botschaft. Sie fühlt sich verstoßen und verlassen. Den einzigen Mann, außer ihrem Vater, den sie je wirklich geliebt hat, verlässt sie. Es ist also egal, ob sie nun wieder trinkt, er hat sie ja sowieso schon aufgegeben und Mit- leid, weil sie krank ist, will sie nicht. Durch ihre Aussage, dass sie einen Kater hat, will die ihm eine Retourkutsche verpassen. Er verlässt sie, glaubt nicht mehr an ihre Liebe (so denkt Alicia zumindest) und sie will ihm vermitteln, dass sie dadurch auch nicht mehr an die Liebe glaubt, daran, dass sich eine Frau ändern kann, und behauptet also, dass sie wieder trinkt und Devlin glaubt ihr vorerst. Er wird jedoch stutzig, als sie zu dem nächsten vereinbarten Treffen nicht auftaucht und sich auch die nächsten Tage nicht meldet. Alicia ist eine zuverlässige Frau. Sie erledigt ihren Job tadellos und hat alle Abmachungen bis dahin eingehalten. Auch ihre Aussage, dass sie nicht mehr trinken würde, hat sie eingehalten, Devlin hat es nur nicht bemerkt bis zu diesem Zeitpunkt. Er vermutet, dass sie krank ist, macht sich Sorgen und besucht sie. Er erfährt von ihr, dass sie mit Arsen vergiftet wurde und kein Telefon hatte, um sich zu melden. In diesem Augenblick sterben beide einen symbolischen Tod und können dadurch endlich ein Paar werden. Alicia durch das Arsen und Devlin dadurch, dass er öffent- lich seine Liebe zu Alicia bekennt. Er spricht aus, was sie schon lange hören wollte. Er liebt sie. Das allein gibt ihr die Kraft, sich wach und am Leben zu halten. Sie hat die Liebe in ihrem Leben gesucht und wäre fast gestorben, bis sie tatsächlich die Liebe gefunden hat. Diese Szene ab 41.2 ist die einzige Szene im Film, in der Worte und Ausdruck das gleiche sagen. Die tiefe Liebe zwischen Alicia und Devlin, die Freude über die Erlösung aus dem Unglück und darüber endlich zusammen sein zu können. Alicia hat sich für bzw. durch die Liebe zu dem unverdorbenen Kind entwickelt, das sie immer sein wollte und Devlin zu einem Mann, der zu seinen Gefühlen stehen und endlich glücklich sein kann. Die Schlussszene verdeutlicht was Zizek mit „ den traumatischen Preis den eine Frau zu bezahlen hat, um eine „ normale Ehefrau “ zu werden [ … ] “ (Zizek 2002, S. 9) beschreibt.

3.2 Sohn: Alexander Sebastian

Claude Rains spielt die Rolle des reichen Alexander Sebastian, der in einem großen Anwesen zusammen mit seiner Mutter wohnt, und ist Chef einer Gruppe von deutschen Spionen, die mit Uranerz handeln. Seine Rolle tritt zum ersten Mal in einem Reit-Klub auf, als Alicia ihn versucht auf sich aufmerksam zu machen. Er war früher schon mal in Alicia verliebt, sie hat sich aber nicht für ihn interessiert. Er lädt sie zum Essen ein und macht ihr Komplimente. Durch den Film hinweg ist er immer wieder besorgt, dass Alicia einen anderen Mann haben könnte. Es ist nicht gerade der Jüngste und kann die Frauen höchstens mit seinem Geld, nicht aber mit seinem Aussehen beeindrucken. Noch dazu ist er nicht gerade hochgewach- sen. Kaum hat er nach vier Jahren Alicia wieder gefunden, weicht er nicht mehr von ihrer Seite. Er lädt sie direkt zu sich ins Haus und zu seiner Mutter ein, mit der er zusammen wohnt.

Über den Vater von Alexander wird während des ganzen Films kein Wort verloren, er scheint also unwichtig zu sein im Gegensatz zur Beziehung zwischen ihm und seiner Mut- ter. Er achtet seine Mutter und legt Wert auf ihre Meinung und Anwesenheit. Es gibt auch nichts, was er vor ihr verheimlicht. Seine kriminellen Geschäfte als auch seine schon frühe Leidenschaft für Alicia vertraut er ihr an. Er nimmt seine Mutter mit auf Pferderennen, bei dem sie sich über Alicia unterhalten. Die Mutter ist misstrauisch Alicia gegenüber, was ihm nicht passt. Er ist so verliebt und glücklich darüber, dass er endlich eine Frau an seiner

Seite hat, dass er alle Warnungen überhört und offensichtliche Gefühle von Alicia gegenüber Devlin ignoriert. Er bekommt es zwar mit und spricht sie auch darauf an, aber er schenkt jedes Mal aufs Neue Alicias Worten glauben, weil er nicht wahr haben will, dass sie ihn nicht liebt. Erst, als er mit seinen eigenen Augen sieht, wie sich Devlin und Alicia küssen, fängt er an, an Alicias Worten zu zweifeln. Zunächst schenkt er ihr noch Glauben, als sie ihm beteuert, Devlin habe sie zum Kuss genötigt. Als er aber dann bemerkt, dass der Schlüs- sel zum Weinkeller, den nur er besitzt und den höchstens Alicia interessieren könnte, fehlt, begreift er, welches Spiel mit ihm gespielt wird. Er rennt sofort zu seiner Mutter, um ihr alles zu erzählen und um nach Rat zu fragen. Seine Mutter ist die einzige Person, der er jetzt noch vertrauen kann und die ihn bedingungslos liebt. Auch er sehnt sich nach bedingungs- loser Liebe von einer Frau. Sein Vater scheint früh verstorben zu sein, oder hat die Familie früh verlassen. Er musste somit die Objektbesetzung seiner Mutter nicht aufgeben, sondern konnte stattdessen die Rolle des Vaters einnehmen. Es ist also nicht verwunderlich, wenn er seine Mutter ähnlich behandelt wie eine Ehefrau. Zusammen suchen sie eine Lösung für das Problem und stehen es gemeinsam durch. Er hat Angst, dass seine Geschäftspartner mitbe- kommen könnten, dass er eine amerikanische Spionin geheiratet hat und ihn töten würden. Deshalb stimmt er seiner Mutter zu, wenn diese vorschlägt, Alicia zu vergiften. Er vertraut seiner Mutter, nachdem er die rosarote Brille abgesetzt hat und tut, was sie sagt.

3.3 Mutter: Mrs. Sebastian

Mrs. Sebastian (Madame Konstantin) ist die Mutter von Alexander und wohnt bei ihm. Sie erscheint zum ersten Mal in der Sequenz … wenn Alicia zum Dinner vorbei kommt. Ihre Rolle wird dem Zuschauer von der ersten Minute an bewusst. Sie kommt eine Wendeltrep- pe hinunter und ist Herrin des Hauses. Die begutachtet Alicia und merkt an, dass sie sehr hübsch sei. Mrs. Sebastian fühlt ihr auf den Zahn und fragt Alicia, warum sie nicht für ihren Vater ausgesagt hat. Sie ist von Anfang an nicht mit der Liebe von Alexander zu Alicia ein- verstanden und hegt Misstrauen. Sie macht, zumindest vor Alexander, auch kein Geheimnis darum. Beim Pferderennen wird deutlich, dass sie eifersüchtig auf Alicia ist. Sie hat ihr ihren Sohn geraubt. Alicia verbringt mehr Zeit mit ihm und die Mutter leidet darunter. Dadurch, dass Alexander den Ödipuskomplex nicht überwunden und die Rolle des Vaters, bzw. ihres Ehemanns eingenommen hat, geht es ihr nicht unbedingt um ihren Sohn, sondern vielmehr um ihren Mann.

Es ist eine Rivalität zwischen zwei Frauen und nicht zwischen Schwiegermutter und Schwiegertochter. Das wird noch mal deutlich, als Alexander die Schlüssel für die Schränke verlangt. Sie sieht ihre Rolle als Hausherrin bedroht und möchte nicht das Zepter aus der Hand geben. Schon als die beiden von der Verlobungsreise zurückkamen, zeigte die Mutter ihre Eifersucht dadurch, dass sie es nicht für nötig hielt, die beiden zu empfangen, obwohl sie über deren Ankunft Bescheid wusste. Sie entzieht ihrem Sohn die Aufmerksamkeit, die er sonst immer von ihr bekommen hat, weil dieser sich für eine andere Frau als seine Mutter entschieden hat. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass sie sich offensichtlich freut, als Ale- xander ihr in ihrem Schlafzimmer erzählt, dass Alicia ihn nur ausgenutzt hat und er sie los werden will. Mrs. Sebastian hat ab diesem Zeitpunkt ihren Sohn wieder für sich alleine und zudem recht behalten, was das Misstrauen Alicia gegenüber betrifft. Sie hat nicht nur wieder ihre Position als Hausherrin wieder, sondern auch die Macht über ihren Sohn, die sie so gleich ausnutzt. Sie schreibt ihm vor, nachdem er bewiesen hat, im Falle von Alicia nicht kla- ren Kopf zu bewahren, was nun zu ist. Sie will Alicia vollends beseitigen, um ihren Sohn vor dem Tod und ihre eigene Ehre zu bewahren, als auch ihre Rivalin endgültig aus dem Weg zu räumen und sich an ihr zu rächen. Sie genießt es sichtlich, Alicia leiden zu sehen und ihren Sohn für sich zu haben. Sie macht sich dabei aber immer viel daraus, was man über sie denkt und gibt vor anderen die fürsorgliche Schwiegermutter, die sich um Alicia sorgt. Auch am Ende, wenn alles verloren scheint und ihre Intrige aufgeflogen ist, tut sie alles Mögliche, damit so wenig Leute wie möglich mitbekommen, wie grausam sie in Wirklichkeit ist.

Sie ist das absolute Gegenteil von Alicia. Sie bemüht sich nicht darum anständig zu sein und geliebt zu werden, sie tut alles um ihren Sohn für sich zu behalten und wenn es Mord ist.

4.0 Die Vögel

4.1 Melanie Daniels

Die Hauptrolle des Films, Melanie Daniels, wir gespielt von Tippi Hedren. Sie spielt eine junge Frau aus San Francisco, deren Vater viel Geld hat und sie aus jedem Schlamassel ir- gendwie wieder raus holt. Sie arbeitet nicht, weil sie es muss, sondern weil ihr sonst langwei- lig wird. Sie weiß, welche Wirkung sie auf Männer hat, und setzt sie bewusst ein. In den ersten Szenen vor der Tierhandlung trägt sie ein rabenschwarzes Kleid, eine Hand- tasche und schwarze Pumps, wie eine Krähe mit scharfen Krallen. Ihre Haare sind ordent- lich zu einer Hochsteckfrisur frisiert. Ihr wird hinterher gepfiffen. Sie lächelt selbstbewusst zurück. Es scheint nichts Besonderes für sie zu sein, dass sie Aufmerksamkeit für ihr Äußeres bekommt. Sie weiß mit der Situation umzugehen und vergisst es sogleich wieder.

In der Tierhandlung selbst erfährt sie, dass der Vogel, den sie bestellt hatte, noch nicht da ist. Sie diskutiert freundlich, aber bestimmt mit der Vogelhändlerin. Melanie scheint es nicht gewohnt zu sein, auf etwas warten zu müssen. Sie bekommt immer, was sie will. Als Mitch die Tierhandlung betritt und Melanie denken lässt, er hielte sie für die Verkäuferin, macht Melanie keine Anstalten die Situation aufzuklären. Sie geht gerne auf das Spiel ein und mimt die Verkäuferin. Sie sucht den Spaß in ihrem Leben und das auch gerne auf Kosten anderer. Als er den ihr entflohenen Vogel mit seinem Hut wieder einfängt und in den Käfig setzt, kommentiert er es mit den Worten: „ Ich tue Sie wieder in Ihren goldenen Käfig, Melanie Daniels. “ (Vgl. Szene 5.2) Hitchcock selbst sagt zu dieser Aussage:

„ Ich habe diesen Satz während des Drehens hinzugefügt, weil ich finde, da ß er ein Licht wirft auch den Typ des Mädchens, das reich und verwöhnt ist. Später, wenn die Möwenüber die Stadt herfallen und Melanie Daniel in die gläserne Telefonzelle flüchtet, wollte ich sie auch zeigen wie einen Vogel im Käfig. “ (Hitchcock in: Truffaut 1990, S. 280)

Mitch stellt sie bloß, indem er ihr zu verstehen gibt, dass er sie vom Gericht kennt und weiß, dass sie nicht die Verkäuferin ist. Melanie wird trotzig wie ein kleines Kind. Für sie war alles ein Spiel, ohne dabei an die Konsequenzen zu denken und Mitch hat ihr das Spiel verdorben. Sie lässt es aber nicht auf sich sitzen und versucht ihn über sein Autokennzeichen ausfindig zu machen. Die Redaktion der Zeitung ihres Vaters soll ihr dabei behilflich sein. Während sie mit der Redaktion telefoniert, spielt sie mit der Telefonschnur. Sie wickelt den Kollegen ihres Vaters mit ihrem Charme um den Finger.

Sie besorgt die Sperlingspapageien, auch Liebesvögel genannt, die Mitch für seine Schwes- ter haben wollte und fährt in einen Ort namens Bodega Bay, wo Mitch die Wochenenden verbringen soll. Ihre Fahrt dorthin verdeutlicht noch einmal ihre Sicht auf die Dinge. Der Umgang mit dem Auto ist mechanisch und kalt und steht stellvertretend für all die anderen Dinge in Melanies Leben. Ihre Kleidung hat sich von rabenschwarz zu einem Outfit in sanf- tem grün und beigem Pelzmantel verwandet. Sie schlüpft also von der Rolle als Stadtmäd- chen in die Rolle eines Mädchens mit romantischer Mission. Sie betritt in Bodega Bay das U.S. Post Office, um zu fragen, wo er zu finden sei. Dem Zuschauer wird vor Augen geführt, wie wenig sie in diese Welt passt. Die Umgebung und Menschen in dem Ort sind einfache Menschen, die sich nicht viel aus Äußerlichkeiten machen. Melanie wirkt in diesem Sze- nario unglaublich komisch mit ihrem Pelzmantel und den perfekt frisierten Haaren. Auch der Ladenbesitzer schaut sie verwirrt an, erfüllt ihr aber wegen ihres Charmes und guten Aussehens jeden Wunsch. Nur den Namen der Schwester von Mitch kann er ihr nicht sagen und schickt sie zu Annie. Die zwei beschnuppern sich. Annie kennt die Familie Brenner und ihr ist anzumerken, dass sie Melanie zwar nett findet, aber befürchtet, sie könnte mehr von Mitch wollen. Die Gegenüberstellung der beiden wirkt ähnlich komisch. Annie ist ziemlich einfach gekleidet hat schwarzes Haar und kommt gerade von der Gartenarbeit. Melanie dagegen wirkt sehr pompös mit ihrem Pelzmantel, dem vielen Schmuck, ihren Schuhen und ihrer Handtasche. Sie spielt wieder ein Spiel, indem sie Annie im Unklaren darüber lässt, was genau sie vorhat. Anschließend fährt sie mit ihrem himmelblauen Cabrio die Straße hinun- ter.

Für Melanie ist die Fahrt nach Bodega Bay ein gefährliches Abenteuer. Sie hat zu viel Zeit und Geld und sucht Ablenkung in der Romanze mit Mitch. So wirkt auf die Szene, in der sie mit dem Boot zu dem Haus der Brenners fährt, voller Spannung und Abenteuer. Sie will nicht gesehen werden und ist die Jägerin, die den Mann als ihre Beute betrachtet. Sie ist auf der Jagd, nach ihrer nächsten Trophäe. Es ist eine Umkehrung der Rollen, die Hitchcocks Handschrift trägt. Eine starke Frau und einer schwacher Mann in den Hauptrollen.

Das Nichtanspringen des Motors vom Boot ist dabei das erste Zeichen im Film, dass Melanie nicht mehr alles unter Kontrolle hat und die krächzenden Möwen ein Warnruf, den Melanie aber weder versteht, noch ernst nimmt.

Sie bringt die Sperlingspapageien ungesehen in das Haus der Brenners. Sie ist der Kuckuck, der seine Eier in fremde Nester legt. Die Sperlingspapageien sind dabei in Symbol für die Reviermarkierung, die zunächst Farbe in Spiel bringen und später Unheil ins Haus, bis sie sich zur Pest (Vgl. Szene .0) ausdehnen. Es ist sicher kein Zufall, dass sie auch Liebesvögel genannt werden, sondern vielmehr eine Andeutung auf die zwei Hauptpersonen Mitch und Melanie und ihre Liebesbeziehung zueinander.

Melanies Eindringen in das Haus ist verdeutlicht dabei, welche Rolle sie im Film spielt. Sie ist der Eindringling, der sich in ein bestehendes Familiengefüge (Lydia, Mitch, Cathy und Annie) einnistet, in der eine klare Rollenverteilung besteht.

Sie verschwindet wieder ungesehen aus dem Haus und beobachtet das Geschehen von Boot aus. Als Mitch die Sperlingspapageien und Melanie entdeckt, beginnt ein Wettren- nen zwischen Mann und Frau, zwischen Mitch im Auto um Melanie im Boot. Bis dahin ist für sie alles noch ein Spiel. Bei Ankunft am Hafen jedoch wird sie das erste Mal von einer Möwe attackiert und verliert auch zum ersten Mal für den Zuschauer sichtbar, die Fassung. Sie betrachtet das Blut auf ihrer Hand wie einen Brief, der schlecht Nachrichten beinhaltet. Sie wird in diesem Augenblick zum ersten Mal mit der Wirklichkeit konfrontiert. Mit der Wirklichkeit, dass das Leben kein ein Spiel ist und sie etwas getan hat, dass diesmal nicht ohne Konsequenzen bleiben wird.

Sie muss sich, wie auch schon in der Vogelhandlung von Mitch helfen lassen, der sie in ein Restaurant bringt, wo er ihre Wunden mit Peroxid abtupft. Melanie, eine Wasserstoffblon- dine, scheint, als ob sie daraus neue Kraft zu ziehen scheint. Sie kehrt zurück zu ihrer ober- flächlichen Art.

Als Mitchs Mutter das Restaurant betritt, gibt er vor, Melanie schon zum Essen eingeladen zu haben. Melanie passt das im ersten Moment gar nicht. Es passt ihr nicht, dass über ihren Kopf hinweg entschieden wird. Sonst bestimmt sie die Spielregeln. Sie reagiert wieder trotzig wie ein Kind. Nicht nur, weil er über ihren Kopf hinweg entscheidet, sondern auch, weil ihre kleine Lüge, sie würde eine Freundin hier übers Wochenende besuchen, aufgeflogen ist. Sie kann sich aber nicht wehren und willigt ein.

Melanie ist gezwungen sich eine Übernachtungsmöglichkeit zu suchen und fragt bei Annie an. Die untersuchende Unterhaltung, was Melanie mit Mitch zu tun hat, geht weiter. Der Zuschauer bekommt mit, dass Annie selbst an Mitch interessiert ist bzw. war und deshalb wissen will, was eine hübsche Frau, wie Melanie, bei der Familie Brenner sucht. Es tauchen Vögel am Himmel auf und Annie bemerkt: „ Die scheinen auch niemals zu Ruhe zu kommen. “ (Vgl. Szene 13.1) Ein Anzeichen dafür, dass die Vögel nicht zum ersten Mal in Bodega Bay aufzutauchen scheinen. Vielmehr, dass Annie mit der Aussage gar nicht die Vö- gel, sondern, wie man im Laufe des Films erfährt, die Mutter von Mitch Brenner zu meinen scheint.

Szene 14.0 beginnt damit, dass Cathy, die kleine Schwester von Mitch, beim Anblick von Melanie, sich von der Familie, die als geschlossenes Trio (Mutter, Sohn, Tochter) auftritt trennt und sofort auf sie zu rennt und umarmt. Sie hat Melanie sofort ins Herz geschlossen und Melanie ist von dort an ihre Bezugsperson. Melanie hat in diesem Augenblick der Mutter ihre Rolle abgenommen. Der Eindringling hat sich das Kind zu eigen gemacht und hat die Absicht auch den Sohn in Anspruch zu nehmen.

Bei einem Gespräch zwischen Mitch und seiner Mutter kommt raus, dass Melanie wohl einmal nackt in einem Brunnen in Rom baden gegangen sein soll. Als Mitch Melanie da- rauf anspricht, reagiert sie abermals beleidigt, sie verliert ihre Fassade, als er sie zu erziehen versucht, indem er ihr beibringen will, dass lügen kurze Beine haben. Sie behauptet, dass sie in den Brunnen gestoßen wurde und die Zeitung das nur so hingestellt hat, weil sie die Konkurrenz ihres Vaters seien. Sie sucht wieder die Hilfe bei ihrem Vater wie ein kleines

Kind, das nicht weiter weiß und zu ihren Eltern rennt, damit diese das Problem für sie lösen können. Sie hat ihre Beherrschung verloren und rauscht in ihrem Auto davon und fährt zum Haus von Annie.

Bei einem erneuten Gespräch zwischen Annie und Melanie werden die Vermutungen be- stätigt. Annie war einmal an Melanies Stelle. Vor vier Jahren, kurz, nachdem Mitchs Vater gestorben war. Sie kommt ebenfalls aus San Francisco und hatte Interesse an Mitch, aber die Mutter von Mitch, hat die Beziehung zerstört und um bei ihm in der Nähe sein zu können, sei sie nach Bodega Bay gezogen. Melanie und Annie teilen denselben Geschmack, was Männer angeht und dasselbe Leid in Bezug auf Lydia. Melanie allerdings ist es gewohnt zu bekommen, was sie will und gibt sich nicht wie Annie mit der Randposition zufrieden.

Das Gespräch wird von einem Anruf von Mitch unterbrochen. Er will sich entschuldigen und vergewissern, dass Melanie gut angekommen ist. Während des Telefonats spielt sie wie- der einmal mit der Telefonschnur. Es sind die Fallschlingen, in die Melanie die Männer mit ihrem Aussehen und ihrer Art lockt, um sie dann für sich zu gewinnen. Sie gewinnt tatsäch- lich. Mitch bittet sie, zum Geburtstag von Annie am nächsten Tag zu kommen und Melanie willigt ein.

Beim Geburtstag von Cathy unterhalten sich Mitch und Melanie über ihre Arbeit. Sie geht nur arbeiten, weil ihr sonst langweilig wäre. Sie hat nie die Härte des Lebens kennen gelernt. Sie musste nicht arbeiten, weil sie Geld brauchte. Das bekommt sie schließlich von ihrem Vater. Sie arbeitet aus Spaß und auch die Arbeit ist keine ernste Arbeit. Es unterstütz das Bild des reichen, oberflächlichen Mädchens, dass Hitchcock mit der Rolle der Melanie Da- niels kreiert hat. Im weiteren Gespräch erfährt der Zuschauer auch, warum sie so verwöhnt ist und das Leben als Spiel betrachtet. Mitch: Ihnen fehlt die mütterliche Hand mein Kind.

Melanie: Die von meiner Mutter bestimmt nicht

Mitch: Verzeihen Sie.

Melanie: Die Entschuldigung ist in diesem Fallüberflüssig. Meine Mutter kann mir

gestohlen bleiben. Als ich elf Jahre alt war, ist Sie mit irgendeinem Mann auf und davon gegangen. Wissen Sie, was Mutterliebe ist?

Sie hat nicht ihre Identifikationsperson, ihre Mutter, früh verloren und konnte sich somit nicht daran orientieren, was richtig und was falsch ist. Normalerweise ist bei weiblichen Kindern die Mutter das Vorbild für das, was moralisch richtig oder falsch ist. Durch den Verlust ihrer Mutter hat Melanie Moral und mütterliche Liebe nie richtig kennen gelernt. Es ist also nicht verwunderlich, dass sie sich gerne die Zeit damit vertreibt, Späße auf Kosten anderer zu machen. Ihre innerliche Kälte ist auf die fehlende Mutterliebe zurückzuführen. Sie ist innerlich ein Kind geblieben, dass die Grenzen nicht kennt und austestet.

Melanie und Mitch kehren in den Garten zurück, wo die Kinder blinde Kuh spielen, als ein Schwarm von Vögeln angreift. Die Erwachsenen stürzen auf die Kinder, um sie zu schützen und ins Haus zu tragen. Auch Melanie befreit ein Kind aus den Krallen eines Vogels. Die Realität hat Melanie wieder eingeholt und sie verhält sich nicht wie ein Kind, sondern wie eine erwachsene Frau, die ihre Kinder schützen will. Melanie verändert sich durch die An- griffe der Vögel und durch den Einfluss von Mitch. Sie flüchten in das Haus der Brenners. Es ist ein flüchten in den „ goldenen Käfig “. Sie suchen Schutz im Haus, dabei ist es ein Ge- fängnis, aus dem sie nicht mehr raus kommen können, ohne verletzt zu werden. Die Rollen von Mensch und Tier werden vertauscht.

Beim Abendessen im Haus der Brenners dringen weitere Vögel durch den Kamin in das Haus ein und greifen die Familie an. Melanie bleibt über Nacht im Haus der Brenners. Die Mutter kommt am nächsten Tag geschockt vom toten Dan Fawcett zurück. Melanie macht für Lydia in der Küche Tee. Sie hat die Rolle der Hausfrau, der Hausherrin übernom- men. Ab diesem Zeitpunkt trägt Melanie keine Ohrringe und Halskette mehr. Ein Symbol dafür, dass sie ihre Oberflächlichkeit abgelegt hat.

Oben in Lydias Schlafzimmer, bietet sie ihr an, Cathy von der Schule ab zu holen. Sie über- nimmt Verantwortung und die Mutterrolle, der Lydia im Moment nicht nachgehen kann. Melanie fährt zur Schule, um zu schauen, ob alles in Ordnung ist. Es folgt der nächste Voge- langriff, als die Kinder die Schule verlassen. Es ist ein Wettlauf zwischen Füßen und Flügeln. Melanie, die immer noch ihre Handtasche mit sich trägt, flüchtet mit Cathy und ein paar Kindern in ein Auto bzw. wieder einmal in den goldenen Käfig. Ihre Frisur ist zerstört und sie blutet wieder am Kopf.

Der Schutz des Autos nützt ihr nichts, da sie nicht fliehen kann. Sie hat keine Autoschlüssel um wegzufahren. Diesmal springt der Motor, im Vergleich zum Anfang im Boot, gar nicht mehr an. Sie hat die Kontrolle vollends verloren und muss sich dem Problem, den Vögeln bzw. dem Prozess des erwachsen werden, stellen.

Durch Hupen verschwinden die Vögel letztendlich und Melanie geht in das Restaurant, um ihren Vater anzurufen. Ein Zeichen der Verzweiflung. Melanie weiß wieder einmal nicht weiter und sucht Rat bei ihrem Vater. Doch der weiß diesmal auch nicht, wie er ihr helfen soll. Andere Gäste des Restaurants mischen sich in das Gespräch ein und streiten sich über die Ursache der Vogelangriffe. Teorien über eine Verschwörung der Vögel gegen die Men- schen werden diskutiert. Ein Penner zitiert die Bibel und schreit mehrmals: „ Das ist das Ende Welt. “ (Vgl. Szene 23.0). Die Ornithologin, Mrs. Bundy, hält die Angriffe nicht für möglich. Sie fragt schließlich: „ Ich bitte Sie, wenn es das gäbe, wären wir alle verloren. Wie sollten wir uns wohl gegen sie wehren. “ (Vgl. Szene 23.0).

Es ist tatsächlich fraglich, wie sie sich wehren sollten. Wenn die Vögel weiterhin angreifen und sich zu größeren Massen formieren, würde das den sicheren Tod für alle bedeuten. Mit- ten in der Diskussion hört Melanie vor allen anderen einen erneuten Möwenschrei. Sie grei- fen erneut an, als die Gäste raus stürmen, um einem attackierten Mann zu helfen. Melanie flüchtet in eine Telefonzelle. Der bis dahin engste Käfig, in den sich Melanie begibt. Durch Großaufnahmen wird dem Zuschauer und die Angst, die Melanie verspürt bewusst. Die

Möwen fangen an auf die Scheiben der Telefonzelle zu hacken und zerstören so den schein- bar sicheren Käfig um Melanie herum. Mitch rettet Melanie aus ihrem Käfig. Übersetzt würde das bedeuten, dass Mitch durch seine Erziehung, Melanie vor den Vögeln, beschützt. Ohne Mitch wäre Melanie aus der Telefonzelle nicht rausgekommen. Er bringt sie zurück ins Restaurant, wo sie von einer Mutter als die Schuldige beschimpft wird:

Ku: Warum tun die Vögel das? Warum tun sie das? Die Leute haben gesagt, seit Ihrer Ankunft hätte das alles erst angefangen. Wer sind Sie? Woher kommen Sie? Was wollen Sie hier? Sie sind die Ursache für das Unheil! Sie alleine sind schuld. Sie sind böse! (Vgl. Szene 23.6)

Melanie reagiert mit einer Backpfeife. Dadurch wird der Bann gebrochen, die Bewohner sind trotzdem weiterhin misstrauisch Melanie gegenüber. Mitch und Melanie fliehen Hand in Hand, wie aus dem Paradies vertrieben, und suchen Cathy bei Annie. Annie liegt tot vor ihrer Tür und Cathy sitzt weinend im Haus am Fenster. Mitch holt sie raus und bringt sie in die Arme von Melanie. Sie ist in diesem Fall die Mutter, die Cathy trösten und beschützen muss. Durch Mitch ¬lernt Melanie Verantwortung zu übernehmen und dadurch erwachsen zu werden.

Zurück im Haus der Brenners, vernagelt Mitch alle Fenster und Türen zum Schutz vor dem nächsten Angriff. Melanie reicht ihm das Holz hinauf, damit er den Dachboden vernageln kann. Sie trägt ihr eigenes Kreuz, denn später wird sie in genau diesem Dachboden fast zu Tode attackiert. Man erfährt, dass die Telefonleitungen tot sind. Es ist das erste Mal im Film, dass Melanie ihren Vater nicht erreichen kann. Sie ist auf sich selbst gestellt und muss zu sehen, wie sie da alleine wieder rauskommt.

Vorerst sucht Cathy bei Melanie Schutz, als die Vögel dann aber angreifen, verlässt Cathy Melanie und geht zu ihrer wirklichen Mutter, Lydia. Die Rollenverteilung ist also in diesem Punkt wieder hergestellt.

Nach der bis dahin größten Vogelattacke findet Melanie zu ihrer früheren Unabhängigkeit zurück und geht auf den Dachboden, von dem aus sie Flügelschläge hört. Sie öffnet mit rot lackierten Fingernägeln die Tür und erblickt ein großes Loch im Dachbodenfenster. Es er- innert stark an all die zerbrochenen Fenster von vorherigen Angriffen und Melanie begreift, was sie da gerade getan hat. Sie wird von Hunderten Vögeln angegriffen. Sie ist mit den Vö- geln eingesperrt im Dachboden, im letzten goldenen Käfig, ihrem eigenen Grab. Im Zimmer sind ein weißes Himmelbett und verstreute Kinderbücher, was darauf hindeutet, dass das ein Schlafzimmer einer Jungfrau ist (Melanie), die schon vor den Todesakt angegriffen wurde und nun sterben soll.

Die Vögel hacken auf ihre Brüste und die lackierten Fingernägel. Sie zerstören das Letzte bisschen Oberflächlichkeit an ihr, bevor Mitch und Lydia sie aus dem Dachboden retten. Diesmal ist Lydia diejenige, die Melanie versorgt. Sie tupft ihre Wunden ab und umsorgt sie, während Mitch Melanies Auto holt, um damit Bodega Bay zu verlassen. Melanie muss halt getragen werden in den vergebenden Armen von Lydia. Die wahre Persönlichkeit von Melanie liegt nun frei.

Melanie muss die Rolle des Kindes akzeptieren. Sie sitzt auf der Rückbank bei Lydia, während Mitch ihr Auto steuert. Sie hat also nicht nur das Steuer ihres Autos abgegeben, sondern ihre Erziehung durch Mitch akzeptiert, weshalb sie trotz Vogelmassen ungestört Bodega Bay verlassen können. Ihr Auto, wie auch Melanie selbst, ist nicht mehr aufbrausend und laut, sondern umsichtig und ruhig.

Die Vögel ist ein Psychodrama der weiblichen Macht zwischen Gefangenschaft und Zähmung. Melanie ist der Grund für die Vogelangriffe. Sie wehrt sich gegen das mütterliche Über-Ich genauso wie gegen die Vögel. Sie muss erst eine Erziehung durch mütterliche Hand durchmachen und sich damit abfinden, dass sie nun mal da ist, damit sie nicht mehr attackiert wird. Erst als sie sich in die Arme von Lydia gibt und in ihr einen Mutterersatz findet und akzeptiert, wird sie von den Vogelattacken in Ruhe gelassen.

4.2 Sohn: Mitch Brenner

Mitch Brenner ist ein sympathischer und umgänglicher Rechtsanwalt aus San Francisco, der die Wochenenden in Bodega Bay bei seiner Mutter und seiner Schwester verbringt. Seine Rolle als Rechtsanwalt sorgt dafür, dass ihm die Streiche von Melanie Daniels ein Dorn im Auge sind. Er versucht sie, ihr fortwährend auszutreiben. Schon ihr erstes Treffen fängt damit an, dass er ihr einen Streich spielt, um ihr zu verdeutlichen, wie man sich dabei als Leittragender fühlt. Und mit dem Satz: „ Zurück in den goldenen Käfig, Melanie Daniels “ (Vgl. Szene 5.2) beginnt seine Rolle als Erzieher für Melanie, die in ihm ein Abenteuer sieht.

Dabei ist Mitch selbst noch nicht richtig erwachsen. Er wird von den Dorfbewohnern immer noch als Kind von Mrs. Brenner bezeichnet. Dabei spielt er viel mehr ihren Ehemann als ihren Sohn. Er geht unter der Woche arbeiten und kommt an den Wochenenden nach Hause, um nach dem Rechten zu sehen und für Cathy da zu sein. Er bringt das Geld nach Hause und erledigt alle handwerklichen Arbeiten im Haus.

Er ist selbstbewusst und trifft seine eigenen Entscheidungen. Genauso wie er die Frauen, mit denen er eine Beziehung einzugehen versucht, selbst, ohne Einflüsse der Mutter aus- wählt. Annie Hayworth hatte er in San Francisco kennengelernt genau wie Melanie Daniels. Wobei er in Melanie Daniels zwar auch eine attraktive Frau, aber eben auch noch das kleine Mädchen sieht, dass er erziehen will. Bei einem Gespräch mit seiner Mutter antwortet er ihr: „ Mutter, ich kann schon alleine mit Melanie Daniels fertig werden. “ (Vgl. Szene 14.3) Er weiß, dass Melanie Daniels keine einfache Person ist, aber genau das reizt ihn. Der Rat seiner Mutter ist ihm in dieser Beziehung nicht sehr wichtig, er belächelt es eher ein wenig. Er versucht sie immer wieder zu erziehen. Sieht man sich die Dialoge der beiden genauer an, kann man erkennen, dass es nicht nur Flirtversuche, sondern ernst gemeinte Ratschläge sind:

Szene 5.2

Mitch: Anlässlich einer Ihrer reizenden Scherze, bei der mein Schaufenster in die Brüche ging.

Melanie: Ich habe das Fenster nicht eingebrochen. Mitch: Nein, aber Sie waren der Anlass. Der Richter hätte Sie dafür einsperren müssen. Melanie: Was sind Sie? Polizeibeamter? Mitch: Ich bin für Gleichheit vor dem Gesetz. Aber ich bin nicht für Streiche auf Kosten anderer.

Melanie: Wozu dann diese Papageiengeschichte, war das etwa kein Streich? Mitch: Oh ich wollte wirklich welche kaufen.

Melanie: Sie wussten aber genau, dass ich hier nicht angestellt bin.

Mitch: Ganz recht, ich habe Sie erkannt, als ich reinkam und dachte es würde Sie vielleicht interessieren wie es ist bei einem Streich einmal der Leittragende zu sein.

Szene 15.0

Melanie: Falls es Sie interessiert, ich bin in den Brunnen hinein gesto ß en worden. Mitch: Und danach ausgezogen?

Melanie: Ich war vollkommen angezogen. Die Zeitung, die diese Geschichte gebracht hat, war ein Konkurrenzblatt meines Vaters.

Mitch: Das arme unschuldige Opfer widriger Umstände.

Melanie: Ich bin weder arm noch unschuldig aber die Wahrheit ist in jedem Fall, dass... Mitch: Das sie mit einer ziemlich wilden Horde herumgezogen sind, nicht? Melanie: Ja das ist wahr, aber ich wurde in den Brunnen hineingestoß en und ich lüge nicht.

Mitch: Ah, kennen Sie Annie Hayworth wirklich?

Melanie: Nein. Das heißt, ich kenne Sie seit heute Mittag. Mitch: Sie waren nicht in der Schule zusammen. Melanie: Nein.

Mitch: Sie sind nicht ihretwegen gekommen? Melanie: Nein.

Mitch: Sie haben gelogen.

Melanie: Ja ich habe gelogen.

Szene 17.0

Melanie: Das finde ich auch. Ich habe eine Tante Tessa, haben Sie auch eine Tante Tessa? Mitch: Nein.

Melanie: Na meine ist jedenfalls sehr und altjüngferlich. Ich habe Ihr jedenfalls einen

Mynah-Vogel bestellt, um Ihr eine Freude zu machen. Diese Vögel sprechen ganz gut.

Stellen Sie sich mal vor, wenn der Vogel ein paar nicht ganz stubenfreie Worte spricht, die ich ihm beigebracht habe.

Mitch: Ihnen fehlt die mütterliche Hand mein Kind. Melanie: Die von meiner Mutter bestimmt nicht Mitch: Verzeihen Sie.

Melanie: Die Entschuldigung ist in diesem Fallüberflüssig. Meine Mutter kann mir

gestohlen bleiben. Als ich elf Jahre alt war, ist Sie mit irgendeinem Mann auf und davon gegangen. Wissen Sie, was Mutterliebe ist?

Mitch: Ja, allerdings.

Melanie: Ist es besser Mutterliebe nicht zu kennen? Mitch: Nein, es ist besser geliebt zu werden.

In Szene 5.2 tadelt er Melanie und führt ihr am eigenen Leib vor, wie es ist Leittragende zu sein, in Szene 15.0 bringt er sie dazu zuzugeben, dass sie gelogen hat und bringt ihr somit bei, dass Lügen kurze Beine haben. In Szene 17 erklärt er ihr, dass ihr Verhalten nicht korrekt war. Mitch verhält sich eher wie ihr Vater bzw. übernimmt die Aufgaben der Mutter von Melanie, die sie nicht übernehmen konnte, da sie nicht anwesend war. Mitchs Aufgabe im Film ist also die Erziehung von Melanie Daniels als auch die Aufgabe des Vaters für Cathy uns Ehemannersatz für Lydia.

Während des Vogelangriff sorgt er für die Sicherheit der Familie. Er unterhält sich mit dem Sheriff, vernagelt Fenster und Türen und hält die Vögel davon ab, ins Haus einzudringen. Er blutet für die Familie, damit diese in Sicherheit leben kann. Und letztendlich ist Mitch auch derjenige, der sie alle rettet, indem er sie aus Bodega Bay rausfährt. Er trägt die Rolle des Beschützers, die er bis zu Schluss beibehält.

4.3 Mutter: Lydia Brenner

Die Mutter von Mitch, Lydia Brenner, ist eine verwitwete Frau, die wie eine Klette an ihren beiden Kindern hängt, und lebt in Bodega Bay. Sie kümmert sich um den Haushalt sowie die Hühner und unter der Woche um Cathy. Sie tritt zum ersten Mal im Restaurant auf. Sie hat Mitch durch sein Auto gefunden, genau wie Melanie Daniels. Die beiden, Melanie und Lydia, ähneln sich mehr, als die beiden denken. Schon als Lydia das Restaurant betritt, bekommt man den Eindruck, dass Melanie in 30 Jahren genau so aussehen könnte. Sie trägt das Haar ebenfalls hochgesteckt, hat immer ihre Handtasche dabei und ist ordentlich gekleidet, nur eben nicht so auffällig wie Melanie.

Sie kann Melanie aber von Anfang nicht leiden. Nicht, ihrer Person wegen, sondern weil sie eine Bedrohung für sie darstellt. Melanie könnte ihre Rolle als fürsorgende Frau einnehmen und ihr den Sohn wegnehmen. Ohne Mitch würde sie alleine dastehen. Es geht ihr also nicht um Melanie, es könnte jede andere Frau sein, es geht ihr um den Sohn, den sie zu ver- lieren befürchtet. Sie sieht ihren Sohn auch mehr als ihren Ehemann an als, als ihren Sohn. Dadurch, dass ihr Mann vier Jahre zuvor gestorben ist, und Mitch Brenner in seiner Kindheit offensichtlich den Ödipuskomplex nicht völlig überwunden hat, hat er nun die Stelle des Va- ters eingenommen und Lydia die Macht über ihn, beziehungsweise über seine Liebesbezie- hungen. Im Dialog zwischen Annie und Melanie erfährt der Zuschauer, dass Melanie nicht die Erste ist, die unter Lydia zu leiden hat. Annie Hayworth war früher an Melanies Stelle und ihre Beziehung zu Mitch ist aufgrund von Lydias Eifersucht in die Brüche gegangen.

Annie Hayworth sagt auch den entscheidenden Satz, der klar macht, dass die angreifenden Vögel eine Veranschaulichung von Lydias Empfindungen sind. In Szene 13.1, als sie zum Himmel blickt und einen Schwarm Vögel entdeckt seufzt sie: „ Die scheinen auch niemals zur Ruhe zu kommen. “ (Vgl. Szene 13.1). Ein Anzeichen dafür, dass die Vögel auch ihr Leben schon einmal durcheinander gebracht haben und zwar vier Jahre zuvor, als sie eine Bezie- hung mit Mitch hatte. Die Vögel symbolisieren die Entgleisung der Beziehung von Lydia und Mitch. Somit ist der erste Auftritt der Mutter schon viel früher, wenn Melanie im Boot sitzt, um zum Haus der Brenners zu fahren. Der Ruf der Möwe ist sozusagen ein Warnruf der Mutter, dass Melanie umkehren und ihren Sohn in Ruhe lassen soll. Als diese jedoch die Warnung ignoriert und weiter in das Familiengefüge eindringt, greift eine Möwe Melanie an. Ironischerweise treibt sie genau damit Melanie in die Arme von Mitch, der ihr helfend und sorgend zur Seite steht.

Als Mitch sie dann ungefragt später zum Essen einlädt, fühlt die Mutter sich bedroht. Sie wurde übergangen und nicht gefragt. Sie wurde vor vollendete Tatschen gestellt. Lydia hat ab diesem Zeitpunkt schon Angst, die Kontrolle über ihre Rolle und ihren Sohn zu verlieren.

Als Melanie dann zum Essen erscheint und Cathy sie sofort akzeptiert, viel mehr noch, als Bezugsperson auserkoren hat, ist nicht nur die Beziehung zu Lydias Sohn, sondern auch zu ihrer Tochter gefährdet. Aufgrund dessen grüßt sie Melanie nicht, sondern schaut sie kalt und verbittert an. Kurz darauf folgt ein Telefonat, bei dem Lydia sich beschwert, dass ihre Hühner nicht fressen. Sie vermutet eine Seuche. Die Seuche, die Lydia wirklich meint, ist Melanie, die sich wie ein Lauffeuer ausbreitet. Er ihren Sohn, dann ihre Tochter und eventu- ell jetzt auch noch ihr Haus.

In der Küche zieht sie weiter über Melanie her. Sie versucht sie vor Mitch schlecht zu machen, was ihr allerdings nicht gelingt. Zwar streiten sich die beiden danach und Melanie fährt mit aufbrausendem Motor davon, aber kurze Zeit später, als sie bei Annie ankommt, entschuldigt sich Mitch und lädt sie für den nächsten Tag zu Cathys Geburtstag ein. Melanie zweifelt, ob sie hingehen soll oder nicht. Entscheidet sich aber dann dafür. Kurz darauf fliegt ein Vogel gegen Annies Tür und fällt tot zu Boden. Hätte Melanie dagegen entschieden, wäre der Vogel sicherlich nicht erschienen. Der Vogel als ein weiteres Zeichen der Entglei- sung von Mitchs und Lydias Beziehung und als drohende Botschaft für Melanie, für das was noch kommt, wenn sie nicht Ruhe gibt.

Der nächste Vogelangriff folgt einen Tag später, als Lydia Mitch und Melanie von einer Düne zurück zu Cathys Party kommen sieht. Sie erkennt die Liebschaft zwischen den beiden. Ihre Angst und somit ihr Hass gegen Melanie wird größer und bedrohlicher, genau, wie der Vogelangriff. Es ist diesmal nicht ein Vogel, sondern ein ganzer Schwarm. Sie Seuche breitet sich immer mehr aus und wird zu einer größeren Bedrohung. Eine größere Bedrohung für Lydia ist gleichbedeutend für eine größere Bedrohung für Melanie und Bodega Bay. Lydias Aussage: „ Heute scheinen alle Vögel verrückt zu sein “ (Vgl. Szene 18.0), bezieht sich ebenso auf ihre Emotionen. Sie ist durcheinander und aufgewühlt.

Cathy und Mitch sind dafür, dass Melanie die Nacht bei ihnen verbringt. Natürlich passt Lydia das nicht und fühlt sich in die Ecke gedrängt. Die Reaktion folgt postwendend. Spatzen kommen aus dem Kamin geflogen und greifen die Familie an. Ein Versuch bzw. ein symbolischer Akt dafür, dass Lydia Melanie aus ihrem Haus vertreiben will.

Es folgt eine Szene, bei der ein Sheriff die Situation im Haus beurteilt. Die Zuschauer bekommen währenddessen mit, wie Lydia zerstört auf die kaputten Porzellantassen starrt und sie einzeln aufsammelt. Lydia sieht keine Porzellantassen, sonder ihre eigene Fassade, sie zu bröckeln beginnt. Alle haben ihre Fassung wieder, nur Lydia ist immer noch unter Schock. Nicht nur die Teetassen, sondern auch Lydia zerbricht langsam und Melanie über- nimmt mehr und mehr ihre Rolle als Frau an der Seite von Mitch und sorgende Mutter für Cathy. Lydia läuft immer wieder zum Klavier, über das ein Porträt ihres verstobenen Mannes hängt. Sie versucht es wieder gerade zu rücken, den Ursprungszustand wieder herzustellen. Sie sucht nach jemandem, der ihr zur Seite steht, als Mitch sich von ihr abwendet, aber ihr Mann ist tot.

Am Nächsten morgen fährt sie bei einem befreundeten Farmer, Dan Fawcett, vorbei. Als keiner antwortet betritt sie das Haus ähnlich wie Melanie am Anfang das Haus der Brenners. Lydia findet erst zerbrochene Teetassen, dann den toten Dan Fowcett auf. Sie hat nun die letzte Bezugsperson verloren. Lydia ist geschockt, schreit aber nicht, sondern setzt sich ins Auto und rast davon. Bei der Hinfahrt war keine Staubwolke hinter ihrem Auto zu erken- ne, bei der Rückfahrt jedoch schon und auch die Motorengeräusche sind bei der Rückfahrt lauter. Lydias Auto spricht also ebenso für sie und ihre Gefühle, wie das von Melanie. Sie kommt zu Hause an und sieht wieder einmal Melanie zusammen mit Mitch. Sie stößt sie auseinander und rennt ins Haus. Zum ersten Mal sind es nicht die Vögel, die Melanie von Mitch fernhalten sollen, sondern die Mutter selbst stößt sie auseinander. Melanie bringt ihr Tee an ihr Bett. Es ist die Ruhe vor dem Sturm. Lydia spricht über ihre Ängste und über den Tod ihres Mannes:

Lydia: Ich wollte ich wäre kräftiger. Ich habe vor vier Jahren meinen Mann verloren, wissen sie. Es ist sonderbar, wie man von der Kraft eines andren abhängig sein kann und dann ist man plötzlich alleine und alle Kraft hat einen verlassen.Ich möchte zu Weilen zu gerne mal ausspannen. Und gerne mal wieder richtig schlafen. Ob Cathy wirklich nichts passieren kann?

Melanie: Annie ist ja da. Es ist bestimmt alles in Ordnung.

Lydia: Ich bin sonst nicht so, wissen Sie, ich war nie so. Ich hab mit meinen Kindern nie viel Aufregens gemacht. Aber seit Franks Tod, er verstand die Kinder sehr gut. Er wusste sie richtig zu nehmen. Er hat diese natürliche Art auf sie einzugehen und mit in ihrer Welt zu leben. Das ist eine sehr seltene Gabe.

Melanie: Ja.

Lydia: Ach, wenn ich doch blo ß so sein könnte wie er. Er fehlt mir. Es geht mir jetzt noch oft so, dass ich morgens aufwache und denke: Ich muss ja gleicht Frank das Frühstück ma chen. Dann steh ich auf und das ist natürlich für mich ein guter Grund aufzustehen. Bis es mir einfällt. Mir fehlt die Unterhaltung mit ihm. Cathy ist ja noch ein Kind. Mitch. Mitch hat sein eigenes Leben. Ich bin froh, dass es mich heute nicht alleine gelassen hat. Ich fühle mich sicherer, wenn er hier ist.

Lydia: Möchten Sie jetzt ausruhen?

Nein, nein, gehen Sie nicht. Ich glaube ich verstehe Sieüberhaupt nicht, und ich möchte Sie so furchtbar gerne verstehen.

Melanie: Warum Mrs Brenner?

Lydia: Weil mein Sohn Sie offenbar sehr sehr gern hat. Ich wei ß nicht recht, wie ich dazu stehe. Ich kann nicht sagen, ob ich Sie gern hab oder nicht

Melanie: Ist das so wichtig, ob Sie mich mögen?

Lydia: Oh ja, ich glaub schon! Mitch ist mir sehr wichtig. Ich möchte die Frau, die er wählt, auch gern haben.

Melanie: Und wenn es nun nicht der Fall ist?

Lydia: Tja, das würde wohl nur mir etwas ausmachen, sonst keinem. Melanie: Oh doch, es würde Mitch etwas ausmachen.

Lydia: Mitch hat immer nur das getan, was er wollte. Bitte, verstehen sie, ich will nicht, dass man mich alleine lässt, ich könnte es nicht ertragen, allein zu sein. Entschuldigen Sie bitte. Diese Vögel haben mich völlig ¬ durcheinander gebracht. Ich wei ß gar nicht, was ich jetzt ohne Mitch anfangen soll.

Melanie: Bitte versuchen Sie doch zu schlafen, Mrs Brenner.

Lydia: Wäre ich doch nur etwas stärker. Ist Sie auch wirklich sicher? Ist Cathy sicher in der Schule?

Sie hat Angst, ihre letzte Bezugsperson zu verlieren an eine Frau, die sie eventuell nicht mag. Sie hat Melanie jedoch nie eine Chance gegeben sonder sie gleich verurteilt. Melanie fährt danach zur Schule, um, auf Bitten der Mutter, nach Cathy zusehen. Es folgen weitere Angriffe von Vögeln auf Melanie und die Bewohner von Bodega Bay. Dabei stirbt Annie Hayworth, die Frau, sie vor vier Jahren eine Bedrohung für Lydia dargestellt hat. Eine weitere Warnung an Melanie, was ihr blüht, wenn sie nicht aus Bodega Bay verschwindet. Als Mitch das Haus zu einem „Schutzbunker“ vor den Vogel ausbaut, verliert Lydia vollends die Fassung, fragt Mitch, was zu tun sei und als dieser ihr nicht antworten kann, schreit sie Mitch an: „ Wäre doch nur dein Vater hier. “ (Vgl. Szene 24.1)

Mitch war immer ihr Ersatz für ihren Ehemann, der sie in schwierigen Zeiten begleitet hat und ihr Kraft gegeben hat. Als Mitch ihr die Kraft und Sicherheit nicht mehr geben kann, spricht sie vor ihm aus, was sie sich wirklich wünscht. Sie will ihren Ehemann wieder haben. Sie versucht durch häusliche Rituale, wie aufräumen, ihre Fassung wieder zu bekommen. Währenddessen kümmert sich Melanie um Cathy, der vor Angst schlecht geworden ist. Es folgt der nächste Angriff.

Lydia sitzt nach dem Angriff unter dem Bild ihres Mannes, an den sie sich halten könnte, wenn er noch leben würde. Cathy fühlt sich bei Melanie scheinbar nicht mehr sicher und flüchtet zu ihrer Mutter. Lydia hat ihre Rolle als Mutter gegenüber Cathy wieder. Als Mela- nie dann noch durch Vogelangriffe, ihre letzte Oberflächlichkeit verliert, symbolisiert durch das Zerhacken von Fingernägeln, gibt Lydia bzw. die Vögel endlich Ruhe. Melanie gibt sich in die Arme von Lydia, die sich nun um sie kümmert, als wäre sie ihre Tochter. Melanie hat in Lydia einen Mutterersatz gefunden, deren Position Lydia gerne annimmt. Denn somit behält sie Mitch, der sie tatsächlich wie ein fürsorgender Ehemann aus dem Käfig befreit, als Mann und Cathy als Tochter im Haus. Die Vögel beobachten sie, während sie Bodega Bay verlassen, greifen sie aber nicht an. Das mütterliche Über-Ich hat nun Kontrolle über Melanie und lässt sie in Ruhe.

5.0 Vergleich der Rollen in Berüchtigt und Die Vögel

5.1 Frauen: Alicia und Melanie

Beide Frauen sind typische „Hitchcock-Frauen“: blond, stark, schön und verwöhnt. Legen Wert auf ihr Äußeres und wissen um ihre Wirkung auf Männer. Sie haben Mutter mehr, aber mit einem reichen Vater an ihrer Seite.

Die fehlende Mutter ist ausschlaggebend für das Verhalten. Auch die beiden Frauen hat- ten nicht die Möglichkeit den Ödipuskomplex komplett zu überwinden. Ihre Mutter, die normalerweise für deren Erziehung von Moral und Sitte wichtig gewesen wäre, fehlt. Sie ist das Vorbild für die Töchter, wie sie sich in moralisch zwielichtigen Situationen zu verhal- ten haben. Dadurch, dass sie nicht da war, konnte sich ihr Ich konnte sich nicht komplett ausbilden, sodass eine Abwägung der Triebe des Es und die Wünsche vom Über-Ich nicht stattfinden kann.

Alicias Beziehung zu ihrem Vater ist gestört, seitdem sie von seinen kriminellen Machen- schaften weiß und dieser noch dazu im Gefängnis sitz. Im Gegensatz zu Melanies Vater, der zumindest immer per Telefon für sie da ist. Ihr fehlt also keine Vaterfigur. Das erklärt, warum Alicia auch mehr den Wunsch nach echter Liebe hegt, als Melanie. Melanie sucht am Anfang nur ein Abenteuer und Ablenkung, weil ihr langweilig ist. Alicia dagegen ist fortwährend auf der Suche nach einem Mann, der sie aufrichtig liebt. Beide haben jedoch gemeinsam, dass sie jemanden finden, der ihr Leben durch seine Liebe zu ihnen ändert.

Alicia erfährt durch Devlin tatsächlich, was wahre Liebe und Vertrauen bedeutet und wendet sich vom Alkohol und ihren Spielchen ab, sie wird fähig ihr trauriges, schuldbeladenes Leben zu überwinden und kann ihr eigenes Leben leben. Auch Melanie lernt durch die Liebe von Mitch, ihre kindlichen Streiche zu unterlassen und wird durch ihn erwachsen. Melanie und Alicia haben ihre Männer auf unterschiedliche Weise kennen gelernt. Mitch erscheint zufällig in der Vogelhandlung, während Mitch geplant bei ihr auftaucht. Beide Frauen fangen sofort an, mit ihrem gegenüber zu flirten.

Genauso sind beide Frauen gewohnt, zu bekommen, was sie wollen. Alicia sagt Devlin ganz klar, welche Ansprüche sie an ihr Apartment in Rio hat, verlangt von Sebastian selbstbewusst die Schlüssel für die restlichen Schränke im Haus und macht sich letztendlich Devlin zu eigene. Melanie ist nicht gerade glücklich darüber, als ihr in der Vogelhandlung gesagt wird, ihre Bestellung sei noch nicht eingetroffen, in Bodegay Bay bezirzt sie einen Ladeninhaber, der ihr dann bereitwillig jeden Wunsch erfüllt und auch sie gewinnt ihren ausgewählten Mann, Mitch, für sich. In den meisten Fällen sind es allerdings die Männer, die den Frauen ihre Wünsche erfüllen, was nicht zuletzt auf ihr Aussehen zurückzuführen ist. Wenn die Frauen nicht bekommen was sie wollen, reagieren beide jedoch unterschiedlich. Alicia trinkt Alkohol mit dem sie auch den Schmerz der nicht erwiderten Liebe ertränkt und Melanie reagiert wie ein kleines Kind trotzig, beruhigt sich aber schnell wieder. Beide Frauen haben in den beiden Filmen die gleiche Rolle. Die Rolle des einsamen Ein- dringlings in eine bestehende Familie. Alicia dringt in das Haus der Sebastians ein sowie Melanie in das der Brenners. Sie beide haben in dem Moment Unfug im Kopf. Alicia will Alexander Sebastian aushorchen und ihn verraten und Melanie will einen ihrer kleinen Strei- che spielen. Beide sterben fast durch ihre naive Art, beim Versuch sich als Hausherrin ihren Platz zu erobern. Alicia wird mit Arsen vergiftet und Melanie von Vögeln angegriffen. Beides steht für das mütterliche Über-Ich von den Müttern, die ihren Sohn beschützen, bzw. für sich haben wollen. Beide Frauen werden von dem Mann, der sie wirklich liebt kurz vor dem Tod gerettet und aus dem Haus geführt. Alicia und Melanie müssen vorher allerdings einen Prozess durchmachen. Alicia muss durch den symbolischen Tod durch Arsen sterben um liebesfähig zu sein und sich nicht mehr schuldig zu fühlen und Melanie muss durch einen Erziehungsprozess gehen und ihre kindliche Naivität ablegen. Erst als beide diesen Prozess durchgestanden und ihn akzeptiert haben, können sie in Frieden leben.

5.2 Männer: Sebastian und Mitch

Sebastian und Mitch sind beide Söhne, die keinen Vater als Bezugsperson haben. Bei Mitch ist der Vater 4 Jahre vor der Beziehung zu Melanie gestorben und über das Fehlen des Vaters von Alexander erfährt der Zuschauer nichts. Entscheidend ist jedoch, dass beide offensichtlich den Ödipuskomplex in ihrer Kindheit nicht überwunden haben. Das heißt, die haben beide nicht gelernt, die Realität, dass ihre Mutter ihre Mutter ist und nicht ihre Frau, zu erkennen. Dies bewirkt, dass die Mutter auf ewig das Objekt ihrer Begierde bleibt und ihr Vater der Rivale, den es, wie in der Ödipussage, zu beseitigen gilt. Tatsächlich sind beide Väter zum Zeitpunkt der Erzählung nicht mehr anwesend, sodass die Söhne an deren Stelle rücken und den fürsorgenden Ehemann spielen.

Die Geschichten würden mit der Anwesenheit des Vaters nicht funktionieren, denn dann würde die Mutter nicht über die Beziehungen ihres Sohnes bestimmen und die Söhne müssten zusehen, wie sie alleine mit der Situation fertig werden.

Beide Söhne hören jedoch vorerst nicht auf die Warnrufe ihrer Mutter, sondern belächeln sie. Im Falle von Berüchtigt, trägt Alexander eine rosarote Brille und erkennt die bösen Absichten von Alicia vorerst nicht, während Mitch von Anfang an klar sieht und in Melanie ein verzogenes Mädchen erkennt, das aber durchaus liebenswert ist. Zudem hat Mitch gute Absichten und eine weiße Weste. Er ist Rechtsanwalt, setzt sich also das Recht ein, während Alexander ein Mann mit einer weniger weißen Weste ist. Er gehört einer Gruppe von deut- schen Spionen an, die keinen Skrupel davor haben, jemanden zu töten und Unrechtes zu tun.

Die beiden Männer haben bis auf den nicht überwundenen Ödipuskomplex nicht viel gemeinsam. Alexander ist reich, handelt unrechtlich, legt Wert auf das, was andere von ihm denken, liebt Alicia mehr wegen ihrer Äußerlichkeiten, als ihrer Person wegen. Mitch dagegen scheint war auch genug Geld zu haben, hängt es aber nicht an die große Glo- cke. Ihm scheint es nicht wichtig zu sein, was andere über ihn denken. Vielmehr ist er darauf bedacht das Richtige zu tun, für seine Familie da zu sein und liebt Melanie tatsächlich ihrer Person wegen.

Alexander kehrt am Ende zu seiner Mutter zurück, als er erkennt, dass Alicia ihn nicht liebt, und gehorcht ihr ohne Widerworte. Er legt Wert auf ihre Meinung und geht zusammen mit ihr unter. Mitch dagegen kehrt zwar auch zu seiner Mutter zurück, allerdings als für- sorglicher Sohn, mit einer Frau an seiner Seite. Er geht auch nicht mit seiner Mutter unter, sondern geht mit ihr einen hoffnungsvollen Weg in die Zukunft. Mitch überwindet durch die Liebe zu Melanie seinen Ödipuskomplex, Alexander dagegen gerät nur noch starke unter die Macht seiner Mutter.

5.3 Mütter: Mrs. Sebastian und Lydia

Lydia Brenner und Mrs. Sebastian sind zwei einsame, strenge und beherrschende Frauen, die nur noch ihre Kinder haben und sich panisch an sie klammern aus Angst, sie könnten sie verlieren. Sie betrachten ihre Söhne beide als Ehemann und nicht als Sohn. Als Ehemann, der für sie sorgt, in schwierigen Zeiten da ist und einfach nur anwesend ist, damit sich die Mutter nicht so allein fühlt. Sie sind die eigentlichen Hauptpersonen der Filme, denn ohne sie wären die Geschichten nichts weiter als Liebesromanzen. In Berüchtigt ist es die Mut- ter, die Alicia vergiftet und somit eine Spannung erzeugt, indem sie die Frage aufwirft, ob sie das Drama überstehen wird. Bei dem Film Die Vögel stehen die Vögel für die Mutter, die versuchen Melanie von Mitch fern zu halten und den ganzen Film über bei den Zuschauern Angst auslösen. Die beiden Mütter sind eifersüchtig auf ihre Kinder und deren Partner, sie dominieren deren Gefühlswelten und versuchen die Beziehung zu ihren zu kontrollieren oder gar zu sabotieren.

Nach Zizek verkörpern Mütter einen alles verschlingenden Vogel, der die tiefen Störungen der familiären Beziehungen verkörpert, bei dem das Gesetz des Vaters außer Kraft gesetzt ist und das mütterliche Über-Ich tyrannisch und boshaft jede normale sexuelle Beziehung verhindere (Zizek, S. 184-190).

Schon beim ersten Auftritt der Mutter wird dem Zuschauer klar, dass sie der Frau an der Seite ihres Sohnes skeptische gegenübersteht. In Berüchtigt trifft Mrs. Brenner zum ersten Mal auf Melanie, als diese ihr Haus zu einem Dinner betritt, zu dem sie von Alexander eingeladen worden ist. Mrs. Brenners prüfender Blick und ihre skeptischen Fragen lassen dem Publikum keinen Zweifel daran, dass sie Alicia nicht leiden kann.

Im Film Die Vögel spielt sich das erste Zusammentreffen sehr ähnlich ab. Lydia erfährt, dass ihr Sohn Melanie zum Essen eingeladen hat. Auch sie begutachtet Melanie skeptisch und ist nicht gerade erfreut über ihre Anwesenheit.

Auch die weiteren Szenen, in denen die Mutter auftaucht, ähneln sich. Wenn Sebastian mit seiner Mutter beim Pferderennen ist und sich mit ihr unterhält, zeigt die Mutter ganz offen ihre Skepsis Alicia gegenüber, wie Lydia, als sie sich mit ihrem Sohn in der Küche über Melanie unterhält. Zum einen ist es Skepsis, zum anderen versuchen sie, ihnen ihre Partnerin schlecht zu machen. Beide Mütter sind schließlich eifersüchtig und voller Angst ihren Sohn zu verlieren. Sie wären glücklicher, wenn sie aus dem Leben ihrer Söhne verschwinden würden, und tun alles dafür, dass das auch tatsächlich passiert.

Der Unterschied liegt jedoch darin, dass Mrs. Sebastian recht behält. Es stellt sich für Ale- xander heraus, dass Alicia keine guten Absichten hatte. Mrs. Sebastian ist sichtlich erfreut darüber, dass sie Recht hatte und nun ihren Sohn wieder für sich alleine hat. Mrs. Brenner dagegen muss lernen damit umzugehen, dass Melanie die neue Frau an Mitchs Seite ist. Sie hat jedoch ihre Rolle als Hausherrin behalten, ebenso wie Mrs. Sebastian. Die Frau an Mitchs Seite hat sich ihr unterzuordnen. Nur solange wird die Frau an der Seite ihres Sohns akzeptiert. Verbildlicht wird das Ganze am Ende, wenn die Vögel die Familie davon fahren lassen, ohne sie zu attackieren. Sie sind aber immer noch da und können jederzeit wieder angreifen.

6.0 Fazit

Zwischenmenschliche Beziehungen und die daraus resultierenden Handlungen sind das Kernthema der beiden Filme. Sie bestimmen die Handlung, die Spannung sowie den Ausgang des Films. Hitchcocks Filme sind geprägt von zwischenmenschlichen Beziehungen versteckt hinter Szenen voller Suspense. Die eigentliche Geschichte kommt erst dann zum Vorschein, wenn man hinter die scheinbaren Horrorszenen schaut und nach deren Ursache sucht. Jede ein- zelne Person in seinen Filmen verfolgt eine ganz bestimmte Rolle, ohne die der Film nicht funktionieren würde. In einem Film von Alfred Hitchcock sagen die Bilder etwas anderes als das gesprochene Wort. Man wird also nicht drum rum kommen, die Wirkung zu verste- hen, ohne die Filme gesehen zu haben. Die Wirkung der Bildwelten die Hitchcock schafft, lässt sich mit Worten nicht beschreiben, wohl aber die Beziehungen der einzelnen Personen untereinander und die versteckten Gefühle voreinander. Die Bilder zeigen die Emotionen, die die Menschen durch ihre Worte zu verstehen versuchen. Im Fall von Berüchtigt und Die Vögel ist es die Sehnsucht nach Liebe, Geborgenheit und die Angst vor der Einsam- keit. Mutter, Frau und Sohn haben alle Angst, alleine zu sein und nicht geliebt zu werden. Etwas total Menschliches, das Hitchcock gekonnt in einen Suspensefilm packt. Alltägliche Geschichten in einem Mantel von irrealen Welten, die den Zuschauern dem Atem nimmt. Der psychologische Hintergrund der Handlung, die Verarbeitung des Ödipuskomplexes macht den Film erst interessant. Im Fall von Berüchtigt und Die Vögel kann man sehr gut beobachten, wie die Frau unter ihrer Schwiegermutter zu leiden hat, wenn diese sie nicht akzeptiert. Sie kann die komplette Ehe zerstören durch unbemerkte Einwirkung auf den Sohn und ihre Schwiegertochter. So unterschiedlich die beiden Filme im ersten Augenblick scheinen, desto erstaunlicher ist es, wie viel sie gemeinsam haben, sobald man die Austausch- barkeit der Schlüsselelemente, sogenannten MacGuffins, bemerkt. Die Vögel sind in Be- rüchtigt keine Vögel, sondern Kaffeetassen und Weinflaschen voller Uranerz. Die Tür zum Keller ist im anderen Film die Tür zum Dachboden. Ingrid Bergmann im einen Film, Tippi Hedren im anderen. Hitchcock hat immer wieder die gleichen Temen verwendet und sie geschickt neu verpackt. Dies und die Sprache der Kamera, die zwischenmenschliche Bezie- hungen deutlicher macht als jedes einzelne Wort, macht die Handschrift von dem Regisseur Hitchcock aus.

Die zwischenmenschlichen Beziehungen spielen demnach eine zentrale Rolle und sind fester Bestandteil der Filme, ohne deren Existenz die Geschichte nicht funktionieren würde. Donald Sponto schreibt: „ Die zwischenmenschlichen Beziehungen, so behauptet der Film, sind zerbrechlich und werden meist nicht mit dem nötigen Ernst gelebt. Dieser Ernst würde aber ver hindern, daß wir uns gegenseitig weh tun. “ (Sponto 1999, S. 171).

Die zwischenmenschlichen Beziehungen sind sie Ursache bzw. der Auslöser für bestimmte Handlungen, die die Geschichte des Films voran bringen und Spannungen hervorrufen. Sie legen offen, was die Rezipienten zu verbergen versuchen, weil sie Angst haben, dass man sie dann nicht mehr liebt und sie verlässt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 134 Seiten

Details

Titel
Die Untersuchung zwischenmenschlicher Beziehungen in Hitchcockfilmen
Untertitel
Ein Vergleich von „Berüchtigt“ und „Die Vögel“
Hochschule
ecosign/Akademie für Gestaltung
Note
1,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
134
Katalognummer
V176930
ISBN (eBook)
9783640987580
ISBN (Buch)
9783640987801
Dateigröße
829 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hitchcock, Psychologie, Freud, Ödipuskomplex, Film, Sequenzprotokoll, Die Vögel, Berüchtigt
Arbeit zitieren
Natascha Ungereit (Autor:in), 2010, Die Untersuchung zwischenmenschlicher Beziehungen in Hitchcockfilmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/176930

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