Darstellung von Fisch, Angler und Natur in ausgewählten Angelvideos


Seminararbeit, 2011

19 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


1. Einleitung und Zielsetzung

Heute gehen Schatzungen allein fur Deutschland von 3,8 Millionen Anglem aus.[1] Arlinghaus zufolge betragt der gesamtwirtschaftliche Nutzen ihrer Freizeitbeschaftigung uber 6,4 Milliarden Euro pro Jahr und ubersteigt denjenigen der berufsmafiigen Binnenfischerei damit um ein Vielfaches. Von direkt mit der Freizeitangelei zusammenhangenden Bereichen wie Futtermittelproduktion, Herstellung von Angelgeraten, Angelreisen oder Angelzeitschriften hangen bis zu 52000 Arbeitsplatze ab.[2] Neben den fur die Angelei wichtigen Ausrustungsgegenstanden, Futtermitteln und Kodern gibt es auf dem Markt auch eine Vielzahl an verschiedenen Angelfilmen und Angelvideos. In dieser Arbeit werde ich auf verschiedene Angelvideos eingehen, darunter auf die Fernsehshow "Fish'n'Fun", einen Film uber Angeln in Norwegen und einen Film uber das Angeln auf Zander. Dabei werde ich sowohl die Darstellung der Tiere - in diesem Fall naturlich in erster Linie Fische - als auch die Inszenierung ihres Fangs analysieren und versuchen, diese zu den Entwicklungen des Jagdsports und der Trophaenjagd mit der Kamera in Verbindung zu setzen. Aufierdem werde ich auf Widerspruche zwischen dem von Anglerverbanden transportierten Bild waidgerechter Angelfischerei und deren medialer Verarbeitung hinweisen (z.B. Catch & Release).

2. Jagd, Freizeit und Fotografie

Jagd, also das Erbeuten freilebender Tiere durch den Menschen mithilfe verschiedener Hilfsmittel und Techniken[3], ist schon fur die Vorganger des heutigen Menschen belegt und leistete uber lange Zeit hinweg einen wichtigen Beitrag zur Ernahrung des Menschen. Die Art der Jagd, die bejagten Tiere und die Methoden waren dabei ebenso Veranderungen unterworfen, wie ihr Stellenwert in der Gesellschaft. So war es in der Standegesellschaft des Mittelalters ublich, dass nur Adlige das Jagd- und Fischereirecht innehatten. Fur sie war die Jagd oftmals eher eine Form standesgemafien Zeitvertreibs und soziales Ereignis denn Nahrungserwerb. Mit Aufhebung der Standesprivilegien wurde es auch anderen Bevolkerungsgruppen moglich, zu jagen und damit an dieser angesehenen Freizeitbeschaftigung des Adels teilzunehmen. Moglich wurde der Wandel von der Versorgungs- zur Freizeitjagd vor allem durch ausgefeiltere und ertragreichere Methoden in der Landwirtschaft sowie allgemein der Herausbildung einer Uberschussgesellschaft, in welcher Kapazitaten far eine nicht dem Nahrungserwerb dienende Tatigkeit frei wurden. Mittlerweile wird in modernen Industriegesellschaften der Begriff Jagd in erster Linie mit einer von Nahrungserwerb unabhangigen Freizeitjagd assoziiert. Weniger wichtig als das Fleisch des erbeuteten Tieres ist dabei oftmals die Jagdtrophae, die sowohl als Andenken an die Jagd als auch zur Verifizierung des Ereignisses dient.[4] Mit der Entwicklung tragbarer Fotoapparate seit den 1890er Jahren wurden Kamera und Fotos fur die Jagd ebenfalls wichtig. Sie wurden als Bestandteil von Forschungsexpeditionen oder Safaris haufig in den Titel von Reiseberichten aufgenommen.[5] Zwischen der Jagd mit der Waffe und der "Bilderjagd" mit der Kamera gibt es einige Gemeinsamkeiten; so ist es beispielsweise sowohl fur einen Schuss auf das Tier als auch fur ein gutes Foto desselben unabdingbar, in dessen Nahe zu kommen. Methoden der Jagd wie Anschleichen oder Auflauern, welche Wissen um die Gewohnheiten des jeweiligen Tieres und die Kenntnis von dessen Lebensraum voraussetzen, erlangen somit automatisch auch bei der "Jagd" ohne Waffe Bedeutung. Wenn also Vinzenz Hedinger in Anlehnung an Georges Didi-Huberman schreibt, dass die Herstellung und die Zerstorung des Ahnlichen verwandt sind und oft Hand in Hand gehen[6], dann ist das im Hinblick auf die Tierbilderproduktion durch Jager und Forscher in Personalunion zutreffend. Andererseits verweist Jonathan Burt auf eine Zahl von 256 Kameraclubs in England im Jahr 1900, einige davon hauptsachlich Tierfotografie gewidmet, und auf geschatze vier Millionen Kamerabesitzer.[7] Diese Art der Jagd sollte idealerweise keine Spuren in der Natur hinterlassen, am wenigsten naturlich tote Tiere. Das massenhaftes Ausschwarmen von Fotografen dennoch negative Effekte auf die Umwelt haben kann, blieb andererseits auch nicht unbemerkt - obwohl das Foto als Erinnerungsstuck und Trophae als tierfreundlicher Ersatz fur Horn, Pelz oder Geweih bei selbsternannten Naturfreunden hoher im Kurs stehen durften als letztere.[8]

3. Angelfischerei als Freizeitbeschaftigung

Fur die Angelfischerei gelten in vielen Punkten ahnliche Verhaltnisse wie fur die Jagd, zu deren Formen man sie meines Erachtens ohne Weiteres zahlen kann. Wie die Jagd hat sich auch das Angeln in den industrialisierten Gesellschaften Europas in erster Linie zu einer Freizeitbeschaftigung entwickelt, welche vom Nahrungserwerb losgelost ist.[9] Obwohl der Nahrungsaspekt fruher vermutlich wichtiger war, als er es heute ist, finden sich Beweise fur Angelfischerei als Freizeitbeschaftigung schon fur das Mittelalter. So existiert beispielsweise eine auf etwa 1420 datierte Handschrift und Angelanleitung namens "A Treatyse of Fyshhinge with an Angle", in welcher Angeln als "sinnvolle Betatigung an der frischen Luft" noch vor die Jagd gestellt wird:

"And yet, at the very least, he will have his wholesome and merry walk at his own ease, and also many a sweet breath of various plants and flowers that will make him right hungry and put his body in good condition. He will hear the melodies of the harmony of birds. He will also see the young swans or cygnets following their brood swans, the ducks, the coots, the herons, and many other birds with their broods, which seems to me better than all the noise of hounds and the blasts of horns and other amusements that falconers and hunters can provide, or the sports that fowlers make. And if the angler catches the fish with difficulty, then there is no man merrier than he is in his spirits.[10] "

Vor diesem Hintergrund ist es interessant, dass das Selbstverstandnis des Freizeitangelns aus dem zitierten mittelalterlichen, englischen Manuskript in seiner positiven Bewertung mit dem aktuellen Standpunkt z.B. des Verbandes deutscher Sportfischer ubereinstimmt, allerdings erganzt um die auch im Jagdbereich wichtigen Begriffe Waidgerechtigkeit und Hege:

"Die ordnungsgemade Ausubung der Angelfischerei ist eine sinnvolle, soziale und in die Natur eingebundene Betatigung von erheblicher volkswirtschaftlicher Bedeutung. Sie weckt und fordert das Verstandnis fur die Zusammenhange in der Natur und tragt dazu bei, einen gesunden Lebensraum zu erhalten. Aus dem Recht auf Fang und Aneignung der Fische ergibt sich zugleich die Verpflichtung zu waid- und tierschutzgerechtem Verhalten

Nach dem deutschen Tierschutzgesetz ist das Angeln und Jagen nicht verboten, Paragraph 17 stellt allerdings das Toten von Wirbeltieren (zu denen auch Fische gehoren) ohne vernunftigen Grund oder das Zufugen von erheblichen Schmerzen oder Leiden unter Strafe.[11] [12] Als vernunftigster Grund fur das Toten eines Wirbeltieres wird allgemein der Nahrungserwerb anerkannt. Dies gilt unabhangig davon, ob dem Angler oder Jager auch andere Nahrungsquellen zur Verfugung stehen oder ob er den Fang selbst verzehrt oder ihn weitergibt. Der Nahrungserwerb muss beim Angeln nicht im Vordergrund stehen.[13] Mit anderen Worten: es ist nicht verboten, in erster Linie aus Spafi an der Freude zu angeln, solange der Fang unter Achtung der gesetzlichen Bestimmungen in einer Form dem Nahrungserwerb dient. Das Fangen von Fischen allein zum Spafi und ohne Verwertungsabsicht hingegen ist zumindest in Deutschland rechtlich problematisch. Hierunter fallt auch das sogenannte Catch & Release-Fischen, bei dem Fische im Regelfall zuruckgesetzt werden, um den Bestand an grofien Fischen im Gewasser fur spatere Angelerlebnisse zu halten. Da hierbei der Nahrungserwerb von vornherein vollig ausgeklammert ist und das Vergnugen des Anglers alleiniger Anreiz fur den Fischfang ist, besteht bei strenger Auslegung des Paragraphen 17 kein vernunftiger Grund fur den Fang.[14] Ferner sind Wettfischen verboten, sofern es dabei allein um den Fang von Fischen zur Ermittlung von Siegern oder dem Gewinnen von Preisen geht. Gemeinschaftsfischen, also von einer grofieren Anzahl Anglern abgehaltene Angelveranstaltungen, welche vorher bekanntgegeben wurden, sind hingegen erlaubt, sofern sie zu Hegezwecken dienen, der Fang verwertet wird und eine eventuell gefuhrte Rangliste und Preise nicht im Vordergrund stehen.[15] Vor diesem in einzelnen Fragen oft unklaren rechtlichen Hintergrund ist auch das offizielle Selbstverstandnis der Freizeitangler zu sehen, fur welches ich hier stellvertretend dasjenige des VDSF zitiert habe, welches sich jedoch auch bei Kolbing.[16] oder Grunefeld findet.[17]

[...]


[1] Vgl. Arlinghaus, Robert: Angelfischerei in Deutschland - eine soziale und okonomische Analyse, S.

[2] Vgl. Arlinghaus, Robert: Angelfischerei in Deutschland - eine soziale und okonomische Analyse, S.

[3] Vgl. http://jagd.de/service/lexikon/sprache_j

[4] Vgl. Meyer, Heinz. In: Dinzelbach, Peter: Mensch und Tier in der Geschichte Europas, S. 435 ff.

[5] Vgl. Hedinger, Vinzenz: Toten und Abbilden. Zum medialen Dispositiv der Safari. In: Mohring, Perinelli & Stieglitz: Tiere im Film. Eine Menschheitsgeschichte der Moderne, S. 89

[6] Vgl. Hedinger, Vinzenz: Toten und Abbilden. Zum medialen Dispositiv der Safari. In: Mohring, Perinelli & Stieglitz: Tiere im Film. Eine Menschheitsgeschichte der Moderne, S. 81 f.

[7] Vgl. Burt, Jonathan: Animals in Film, S. 97 ff.

[8] Vgl. Burt, Jonathan: Animals in Film, S. 103

[9] Vgl. Meyer, Heinz. In: Dinzelbach, Peter: Mensch und Tier in der Geschichte Europas, S437

[10] Policansky, David. In: Pitcher & Hollingworth: Recreational Fisheries. Ecological, Economic and Social Evaluation, S.75

[11] Schreckenbach, Kurt: Geleitwort. In: VDSF-Schriftenreihe Fischerei & Naturschutz. Grundlagen fur die ordnungsgemafie Ausubung der Angelfischerei, S. 5

[12] Vgl. Niehaus, Marco: Aktuelle Rechtsfragen der Angelfischerei. In: VDSF-Schriftenreihe Fischerei & Naturschutz. Grundlagen fur die ordnungsgemafie Ausubung der Angelfischerei, S. 86

[13] Vgl. Niehaus, Marco: Aktuelle Rechtsfragen der Angelfischerei. In: VDSF-Schriftenreihe Fischerei & Naturschutz. Grundlagen fur die ordnungsgemafie Ausubung der Angelfischerei, S. 87

[14] Vgl. Strubelt, Thijlbert: Positionen des Verbandes deutscher Fischeriverwaltungsbeamter & Fischereiwissenschaftler e.V. zum Thema Catch & Release. In: VDSF-Schriftenreihe Fischerei & Naturschutz. Grundlagen fur die ordnungsgemafie Ausubung der Angelfischerei, S. 56 f., S. 59

[15] Vgl. Niehaus, Marco: Aktuelle Rechtsfragen der Angelfischerei. In: VDSF-Schriftenreihe Fischerei & Naturschutz. Grundlagen fur die ordnungsgemafie Ausubung der Angelfischerei, S. 89 f.

[16] Vgl. Kolbing, Alexander: Fischerprulung leicht gemacht, S

[17] Vgl. Grunefeld, Martin: Angelnwaidgerecht, S. 9

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Darstellung von Fisch, Angler und Natur in ausgewählten Angelvideos
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel  (Neuere dt. Literatur- und Medienwissenschaft)
Veranstaltung
Tiere im Kino: Kulturelle, semiotische und narratologische Probleme des Tierfilms
Note
2,3
Autor
Jahr
2011
Seiten
19
Katalognummer
V176684
ISBN (eBook)
9783640980796
ISBN (Buch)
9783640980987
Dateigröße
446 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Tierfilm, Angeln im Film, Naturdarstellung, Spielshows
Arbeit zitieren
Lennart Riepenhusen (Autor:in), 2011, Darstellung von Fisch, Angler und Natur in ausgewählten Angelvideos, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/176684

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