Die Erfindung Euskadis - Die Gründung des baskischen Nationalismus zur Jahrhundertwende


Examensarbeit, 2010

117 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Das Baskenland
1.2 Europas älteste Sprache - Das Euskera

2. Die Geschichte der Basken
2.1 Die baskische Prähistorie
2.2 Die baskische Frühgeschichte und das Mittelalter
2.3 Baskische Sonderrechte - die Fueros
2.4 Sozio-ökonomische Entwicklungen bis in das 18. Jahrhundert

3. Spanien und das Baskenland im 19. Jahrhundert

4. Theoretischer Hintergrund: Was ist Nationalismus?

5. Sabino Arana und der baskische Nationalismus
5.1 Sabino Policarpo Arana Goiri - Eine biografische Notiz
5.2 Der baskische Nationalismus und die Erfindung Euskadis

6. Abschließende Betrachtung

7. Zusammenfassung in der Fremdsprache (Spanisch)

8. Anhang

9. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Den Vasken zeichnet Sprache, Verfassung, Sitte, Gesichtsbildung, alles mit einem Wort, was ihn umgibt, den Anblick seines Landes selbst nicht ausgenommen, als einen reinen und abgeschiedenen Völkerstamm aus. Seine tief in ihn verwebte Eigenthümlichkeit ist durchaus unabhängig von äussern und zufälligen Ursachen; ja weder nah, noch fern, kennt er einen verbrüderten Stamm, sondern steht in seinem kleinen Bezirk, zwischen dem Gebirge und dem Ocean, allein und inselmässig dar.“1

Diese aus der Feder Wilhelm von Humboldts stammende Aussage aus dem Jahr 1801 verdeutlicht, welch eigentümlicher Charakter den Basken schon in früheren Zeiten zugesprochen wurde. Auf seiner Reise durch den grünen Norden der Iberischen Halbinsel im Frühling des Jahres 1801 durchquerte der junge Gelehrte Wilhelm von Humboldt in zwei Monaten das französische und das spanische Baskenland. Sein Ziel bestand darin, mehr über die Herkunft, die Sprache, die Lebensweisen und die anthropologischen Besonderheiten der baskischen Bevölkerung zu erfahren. Zwar sind seit v. Humboldts Aufzeichnungen mittlerweile mehr als zwei Jahrhunderte vergangen.2 Aus diesem Grund ist sicherlich unter anderem Wilhelm Ziesemer Recht zu geben, wenn er schreibt, dass Teile der Forschungsergebnisse v. Humboldts schon ein Jahrhundert später an Boden verloren hatten.3 Seine Reiseberichte ermöglichen nichtsdestotrotz auch in der heutigen Zeit noch einen detaillierten Einblick in das gesellschaftliche Leben, die Kultur und die Sprache der Basken. Gerade die „traditionelle Verbundenheit“ der ruralen Bevölkerung macht die Basken - nicht nur für Anthropologen - überaus interessant.4 Diesen Aspekt bemerkte Humboldt ebenfalls relativ schnell. In seinen Aufsätzen verglich er die Basken mit den Bretonen in Frankreich und den Walisern in England, die sich ebenso über die Jahrhunderte ihre Selbstständigkeit und Eigentümlichkeit bewahren konnten.5 Er schrieb den Basken eine Art „reinen Stammescharakter“ zu, welcher sich durch gefestigte wirtschaftliche und sozio-politische Strukturen auszeichnete. V. Humboldt bewunderte die baskische Stammeigentümlichkeit und definierte die Basken - auf Grund seiner kulturellen Interpretationsweise - als „Nation“. Auf seinen Reisen gelang es ihm, einen tiefen Einblick in die verfestigten Lebensstrukturen dieses Volkes zu gewinnen. Von entscheidendem Vorteil erwies sich dabei das Studium der baskischen Sprache - des Euskera. So konnte v. Humboldt mit Hilfe seiner baskischen Sprachkenntnisse einen besonders intensiven Kontakt zu der Bevölkerung aufnehmen.6 In der heutigen wissenschaftlichen Literatur werden die Basken häufig als das älteste Volk Europas beschrieben. Vor allem ihre Sprache, das Euskera7, ist seit geraumer Zeit Gegenstand der Sprachwissenschaft. Die Geschichte der Basken, die sich selbst als euskaldunes8 bezeichnen, reicht bis in das Steinzeitalter zurück.9 Ab dem 16. Jahrhundert setzte sich vermehrt der linguistische Terminus Euskal Herria durch, welcher das gesamte Gebiet beschreibt, in welchem Baskisch gesprochen wird. Da die Basken ihre Heimat über die gemeinsame Sprache definierten, nahm das Baskische stets eine besondere identitätsstiftende Bedeutung ein.10 Dies wird unter anderem dadurch deutlich, dass man selbst heutzutage dem Euskera in großen Städten wie Bilbao, San Sebastián, Vitoria sowie auf dem Land begegnen kann.11 Darüber hinaus ist mit der Euskaltzaindia im Jahre 1919 eine Institution gegründet worden, die sich dem Fortbestand und der Weiterentwicklung der baskischen Sprache verpflichtet hat. Sie gilt als Teil der „Baskischen Renaissance“ (1876-1936) und ist noch heute verantwortlich für die Erstellung von Sprachatlanten, Wörterbüchern und Grammatiken.12 Allein dieser Aspekt macht deutlich, welchen Stellenwert die baskische Sprache bis in die Gegenwart für das baskische Volk einnimmt. Neben dem Euskera haben zudem viele alte Traditionen überlebt. An erster Stelle ist mit Sicherheit die berühmte Baskenmütze La boina zu nennen, die unter anderem in den Karlistenkriegen des 19. Jahrhunderts wesentlich an Bedeutung gewann, und - zuerst nur von den karlistischen Kämpfern getragen - schnell zum Zeichen des Widerstandes gegen den spanischen Liberalismus und zum Symbol der baskischen Identität wurde.

Weltweit bekannt ist darüber hinaus das seit dem 14. Jahrhundert existierende Rückschlagspiel Pelota bzw. Rebote.13 Aber auch im Bereich der dichterischen Musik (Txistuaz14, Bertsolaritza15 ), im Theater und im Tanz (Euskal Dantzak16 ) können die Basken auf eine lange Tradition zurückblicken.17 Heute stellt das spanische Baskenland eine der insgesamt siebzehn Autonomen Gemeinschaften (Comunidades Autónomas) Spaniens dar. Dieser Weg hin zu einer autonomen Selbstverwaltung war für die Basken jedoch ein äußerst langwieriger und konfliktreicher Prozess. Dass sich die Basken überhaupt eine hochgradige Eigenständigkeit bewahren konnten, grenzt nicht zuletzt angesichts der repressiven franquistischen Diktatur in den Jahren 1939-1975 an ein Wunder. Ein wichtiges Element für den Erhalt des eigenen Selbstverständnisses stellt zweifelsohne der Charakter der Basken dar. Angesichts der baskischen Geschichte - die im späteren Verlauf ausführlich dargelegt wird - haben neben v. Humboldt insbesondere Arturo Campión und Mark Kurlansky einige spezielle Charaktereigenschaften der Basken beschrieben. Arturo Campión schreibt über die Mentalität des typischen Basken: “talante positivo y práctico de los vascos uno de sus caracteres dominantes...No tiene ningún miedo a la aventura y suele ser de ordinario un trabajador austero e infatigable. Es tercero, sinceramente religioso, aferrado a sus ideas, pero también se muestra irritable y más envidioso de los bienes de su vecino que de los de un extranjero. En fin, el vasco es frágil de cara a los dos puntos flacos de Noé y Salomón: el vino y las mujeres.”18

Diese Beschreibung wird von Mark Kurlansky um einen entscheidenden Aspekt ergänzt, wenn er auf die inneren gesellschaftlichen Disparitäten des baskischen Volkes eingeht:

„Es hat immer zwei Arten von Basken gegeben. Während die einen für das baskische Wesen und die baskische Tradition kämpften, kämpften die anderen, die ihre Stahlwerke nach Heiligen benannten wie einst die Schiffe ihrer Handelsflotten, um einen Spitzenplatz in der modernen Industrie und wurden sehr reich.“19

Anhand der baskischen Geschichte und der Analyse des baskischen

Nationalismus - den beiden Untersuchungsschwerpunkten dieser Arbeit wird zu sehen sein, inwiefern die Aussagen v. Humboldts, Campións und Kurlanskys zutreffend sind. Bevor jedoch zu Beginn dieser Arbeit ausführlich auf die Geschichte und im späteren Verlauf explizit auf den baskischen Nationalismus eingegangen wird, erscheint es zunächst sinnvoll, einige grundlegende Aspekte über das Baskenland genauer zu betrachten. Hierbei soll insbesondere auf den geopolitischen Raum des Baskenlandes, die baskische Sprache und wichtige Begrifflichkeiten Bezug genommen werden. Beim Studium der entsprechenden wissenschaftlichen Literatur kann es leicht zu einiger Verwirrung und zu Missverständnissen kommen. Gewisse fachliche Begriffe werden zum Teil willkürlich sowohl in ihrer baskischen Bedeutung als auch in ihrer entsprechenden spanischen Formulierung verwendet. Aus diesem Grund soll in der vorliegenden Arbeit - sofern dies möglich ist - einheitlich auf die spanischen Begriffe zurückgegriffen werden. Begründet wird diese Entscheidung damit, dass die kastilischen Termini wegen ihres alltäglichen Sprachgebrauchs eher bekannt sind.20

Wie bei jeder wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit einer geschichtlichen Thematik kann selbstverständlich auch der baskische Nationalismus nicht isoliert betrachtet werden. Um eine entsprechende historische Gesamtdimension herstellen zu können, wird zunächst ausführlich auf die baskische Geschichte bis zum 19. Jahrhundert eingegangen. Zwar scheint - wie José Luis de la Granja Sainz meint - eine genauere Analyse des 19. Jahrhunderts auf den ersten Blick ausreichend.21 Wenn man jedoch in Betracht zieht, dass wesentliche Ursprünge der baskischen Identität deutlich weiter zurückreichen, ist eine detailliertere Beschäftigung mit der baskischen Geschichte meiner Meinung nach durchaus sinnvoll. Wie im späteren Verlauf zu sehen sein wird, bedient sich der baskische Nationalismus ebenso historischer Ereignisse, deren Grundlagen weit über das 19. Jahrhundert hinausgehen. Hierbei werden geschichtliche Fakten zum Teil mystifiziert, um sie für die eigenen ideologischen Ziele zu instrumentalisieren.

Zudem wurden schon ab dem 15. Jahrhundert jene wirtschaftlichen und sozialen Grundlagen des Frühkapitalismus geschaffen, die das 19. Jahrhundert maßgeblich bestimmen sollten. Auch Kerstin Römhildt schreibt in ihrer wissenschaftlichen Abschlussarbeit über die baskische Ethnie und den baskischen Nationalismus:

„Erst wenn ich nachvollziehen kann, wie sich die Basken selbst verstehen und in der Geschichte verstanden haben, und wie sie ihre Identität konstruieren, kann ich vielleicht verstehen, wie sich der baskische Nationalismus entwickelt und verändert hat.“22

Aus diesem Grund sollen im Verlauf dieser schriftlichen Arbeit zuerst folgende Fragen beantwortet werden:

- Wer sind die Basken?
- Seit wann gibt es die Basken und woher stammen sie?
- Welche Ereignisse prägten die baskische Geschichte und das typische baskische Selbstverständnis?
- Welchen Verlauf nahm die Entwicklung der baskischen Gesellschaft? Daran anschließend folgt eine explizite Auseinandersetzung mit der politischen und sozio-ökonomischen Situation Spaniens und des Baskenlandes im 19. Jahrhundert. Da dieser Zeitraum mehrere ausschlaggebende Impulse sowohl in politischer als auch in sozio-ökonomischer Hinsicht beinhaltet, kann von einer entsprechenden tiefergehenden Analyse dieses Zeitraums nicht abgesehen werden. Zu nennen seien hier vor allem die beiden Karlistenkriege und die gesellschaftlichen Spannungen, die den weiteren geschichtlichen Verlauf nachhaltig beeinflussen sollten. In diesem Zusammenhang gilt es sich mit folgenden Fragen auseinanderzusetzen:
- Welche politischen und sozio-ökonomischen Verhältnisse herrschten in Spanien und im Baskenland des 19. Jahrhunderts?
- Welche einschneidenden politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen vollzogen sich in jener Epoche?
- Wie entwickelten sich die Beziehungen zwischen Spanien und den baskischen Regionen?

Bevor schlussendlich der baskische Nationalismus analysiert und klassifiziert werden kann, scheint es jedoch ratsam etwas genauer auf den Terminus „Nationalismus“ einzugehen. Um ein gewisses theoretisches Grundwissen zu ermöglichen, sollen folgende Verständnisfragen beantwortet werden:
- Wie lässt sich das Phänomen „Nationalismus“ beschreiben?  In welchem Zeitraum entstand die „Idee der Nation“?
- Welche theoretischen Erklärungsmodelle haben sich bezüglich des Nationalismus etabliert?

Für die Gewährleistung eines nachvollziehbaren Einblicks in die Materie werden hierfür unter anderem einige grundlegende und bekannte theoretische Erklärungskonzepte von Ernest Gellner, Benedict Anderson, Anthony D. Smith und Eric J. Hobsbawm aufgegriffen. So viele Autoren sich dem Thema „Nation“ und „Nationalismus“ gewidmet haben, genauso viele unterschiedliche Ansichten und Definitionen existieren diesbezüglich. Aus diesem Grund sollen insbesondere jene theoretischen Erklärungsversuche näher betrachtet werden, die sich im internationalen Diskurs etabliert haben. Letztendlich kann erst mit einem geschichtlichen und politischen Grundwissen der baskische Nationalismus in seinem gesamten Umfang erläutert und angemessen nachvollzogen werden.

Durch die Zusammenführung der in den vorangegangenen Kapiteln erarbeiteten Erkenntnisse sollen am Ende folgende Fragen beantwortet werden können:

- Wer waren die Hauptakteure der baskisch-nationalistischen Bewegung?
- Welche Merkmale zeichneten den baskischen Nationalismus aus?
- Welche Motive bzw. Ziele wurden verfolgt?
- Welche Werte, Themen und Symbole wurden von seinen Trägern vertreten?
- Wie und warum entstand ein „Nationalismus“ im Baskenland?

Den geschichtlichen Höhepunkt und gleichzeitig die ideologische Quelle des noch heute vorhandenen baskischen Selbstbewusstseins verkörpert sicherlich der baskische Nationalismus. Die Entstehung des Nationalismus im Baskenland kann auf den Zeitraum zwischen dem 19. und dem 20. Jahrhundert zurückgeführt werden. Die Beschäftigung mit dem baskischen Nationalismus stellt zudem eine Grundvoraussetzung dar, um die komplexe Geschichte des Baskenlandes und seiner Bewohner verstehen zu können. Des Weiteren hat der baskische Nationalismus nach wie vor entscheidenden Einfluss auf die gegenwärtige spanisch-baskische Politik und stellt eine der wichtigsten Bedingungen für ein detaillierteres Verständnis der aktuellen ETA23 ˗Problematik dar.

Das vorrangige Ziel dieser Arbeit besteht darin, der/dem interessierten Leser/in einen umfassenden und verständlichen Einblick in die Entstehungsgeschichte des ersten baskischen Nationalismus zu vermitteln. Hierbei soll eine wertneutrale Darlegung der geschichtlichen Entwicklung des baskischen Nationalismus dem authentischen Verständnis des Lesers dienen. Mit den erworbenen geschichtlichen und politischen Grundlagen wird zum Ende dieser Arbeit der baskische Nationalismus in seiner „Entstehungsphase“ analysiert. Darauf folgt eine abschließende Schlussbetrachtung, in der die wichtigsten Aspekte dieser Arbeit rekapituliert und zusammengefasst werden.

In Bezug auf die baskische Geschichte und den baskischen Nationalismus stellt die wissenschaftliche Literatur eine besondere Herausforderung dar. Bei einer detaillierteren Auseinandersetzung mit der vorliegenden Thematik sollte stets darauf geachtet werden, fachlich vorurteilsfreie Abfassungen zu verwenden. Da es sich um ein geschichtliches Thema handelt, sind insbesondere frühere wissenschaftliche Werke von einer selektiven und subjektiv-emotionalen Interpretation beeinflusst. Hierbei stößt man zum einen auf wissenschaftliche Texte, die während der Franco-Diktatur (1939-1975/76) verfasst wurden. Demnach orientieren sich viele dieser Texte an der franquistischen Ideologie und erscheinen somit politisch voreingenommen. Zum anderen existieren mehrere im Exil veröffentlichte Texte, welche sich durch eine Mystifizierung oder gar Heroisierung der baskischen Geschichte ideologisch positionieren. Da ein möglichst wertneutraler und objektiver Gesamteindruck gewährleistet werden soll, wird primär auf aktuellere Literatur zurückgegriffen. Neben deutschen Wissenschaftlern (Michael Kasper, Ingo Niebel, Antje Helmerich, Kerstin Römhildt u.a.) und englischen Autoren (Mark Kurlansky, Cameron Watson, Daniele Conversi, Marianne Heiberg u.a.) sei im spanisch-sprachigen Bereich insbesondere auf Javier Corcuera Atienza, José Luis de la Granja Sainz und Ludger Mees hingewiesen. Ein weitergehender Bezug zur ETA-Problematik des 20. Jahrhunderts kann sehr ausführlich mit den wissenschaftlichen Publikationen des baskischen Schriftstellers Jon Juaristi erfolgen.

1.1 Das Baskenland

Schon bei näherer Beschäftigung mit den geopolitischen Besonderheiten des Baskenlandes ist es unumgänglich, einige begriffliche Abgrenzungen vorzunehmen, um eine sprachliche Konfusion zu vermeiden. In der wissenschaftlichen Literatur stößt man am häufigsten auf die Begriffe Euskal Herria, País Vasco, Pays Basque oder auch Euskadi. Häufig versteht man unter dem deutschen Begriff „Baskenland“ das „Land der Basken“ bzw. das Gebiet, in dem Basken leben. Damit sind sowohl die vier Territorien gemeint, die dem spanischen Staat angehören, als auch die drei französisch-baskischen Gebiete. Dabei werden innerhalb der baskischen Gesellschaft die drei im Norden der Pyrenäen gelegenen französisch-baskischen Gebiete auch als „Iparralde“ bezeichnet. Für die südlichen baskischen Gebiete in Spanien ist unter Basken auch der Begriff „Hegoalde“ geläufig.

In politisch-administrativer Hinsicht ist mit dem Begriff „Baskenland“24 jedoch ausschließlich die Autonome Region Spaniens gemeint.25 Auch im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird sich der Terminus „Baskenland“ vorzugsweise auf die baskischen Gebiete in Spanien beziehen. Im Falle eines Einbezugs der nördlichen baskischen Territorien und / oder Navarras, wird dies speziell kenntlich gemacht werden. Auf Spanisch nennt man die Autonome Baskische Gemeinschaft bzw. die Comunidad Autónoma entsprechend „País Vasco“. Auf Baskisch bezeichnet der Begriff Euskadi26 gegenwärtig die spanische Autonome Region. Der erste Artikel des Autonomiestatuts des Baskenlandes wurde vom spanischen Parlament und Senat am 18. Dezember 1979 verabschiedet und besagt:

“El Pueblo Vasco o Euskal-Herria, como expresión de su nacionalidad, y para acceder a su autogobierno, se constituye en Comunidad Autónoma dentro del Estado Español bajo la denominación de Euskadi o País Vasco, de acuerdo con la Constitución y con el presente Estatuto, que es su norma institucional bisica.”27

Das País Vasco erstreckt sich an der spanischen Nordatlantikküste zwischen der autonomen Region Kantabrien und den südlichen Pyrenäen. Die Autonome Gemeinschaft des Baskenlandes umfasst die drei Provinzen Vizcaya mit der Hauptstadt Bilbao, Guipúzcoa mit der Hauptstadt San Sebastián und Álava mit der Hauptstadt Vitoria.28 Die Hauptstadt Álavas ist auch gleichzeitig der Sitz der Eusko Jaurlitza, der baskischen Regierung, des Lehendakaris (baskischer Ministerpräsident) und des baskischen Parlaments.29 Die drei Territorien machen mit ca. 7.200 km2 ungefähr 3,5 % der Gesamtfläche Spaniens aus. In diesem Gebiet leben heute ca. 2,5 Millionen Menschen, was wiederum ungefähr 7 % der Gesamtbevölkerung Spaniens ausmacht.30 Sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart, stellt für die baskischen Nationalisten die eigenständige Region „Navarra“ ein Mitglied ihrer ethnisch-kulturellen Gemeinschaft dar. Laut Artikel 2, Absatz 2 des Autonomiestatuts von 1979, besteht die Möglichkeit, dass sich die Autonome Region Navarra bei einer entsprechenden Mehrheit im navarresischen Parlament in die Autonome Gemeinschaft des Baskenlandes eingliedern könnte.31

“El territorio de la Comunidad Autónoma del País Vasco quedará integrado por los Territorios Históricos que coinciden con las provincias, en sus actuales límites, de Alava, Guipúzcoa y Vizcaya, así la de Navarra, en el supuesto de que esta ultima decida su incorporación de acuerdo con el procedimiento establecido en la disposiciyn transitoria cuarta de la Constituciyn.”32

Die in Artikel 2, Absatz 2 erwähnte vierte Übergangsbestimmung der spanischen Verfassung bezieht sich letztendlich auf Artikel 143 der spanischen Verfassung, welcher besagt:

“En el ejercicio del derecho a la autonomía reconocido en el artículo 2 de la Constitución, las provincias limítrofes con características históricas, culturales y económicas comunes, los territorios insulares y las provincias con entidad regional histórica podrán acceder a su autogobierno y constituirse en Comunidades Autónomas con arreglo a lo previsto en este Título y en los respectivos Estatutos.”33

Als Autonome Gemeinschaft innerhalb des spanischen Staates bildet Navarra die autonome Nafarroako Foru Komunitatea (span. Comunidiad Foral de Navarra), die Forale Gemeinschaft Navarra.34

Der französische Ausdruck Pays Basque beschreibt wiederum - wie auch der allgemeine deutsche Begriff „Baskenland“ - sowohl das spanische als auch das französische Gebiet, in dem sich Basken angesiedelt haben.35 Die im äußersten Südwesten des französischen Staates gelegenen baskischen Gebiete bilden seit 1790 zusammen mit der Provinz Béarn das Département Pyrénées-Atlantiques. Das Département ist Teil der Region Aquitaine und stellt demnach - im Gegensatz zum spanischen País Vasco - keine eigene autonome politisch- administrative Verwaltungseinheit dar. Die auf französischem Staatsgebiet liegenden baskischen Provinzen setzen sich folgendermaßen zusammen: an der Atlantikküste liegt Labourd (span. Labort) mit der Hauptstadt Bayonne. Im Osten befindet sich die Nachbarprovinz Basse Navarre (span. Baja Navarra) mit der Hauptstadt St. Jean Pied de Port. Ganz im Osten liegt wiederum Soule (span. Sola) mit dem Verwaltungszentrum in der Stadt Mauleon. Laut einer Volkszählung aus dem Jahr 1999 leben im gesamten Département Pyrénées- Atlantiques circa 600.000 Einwohner, von denen sich allein in Labort fast die Hälfte niedergelassen hat.36

Ähnlich wie der deutsche und der französische Begriff bezeichnet der Terminus Euskal Herria das gesamte Gebiet in dem Baskisch gesprochen wird. Die Grenzen dieses Gebietes sind demnach nicht administrativ begrenzt, sondern beschreiben vielmehr einen ethnischen, kulturellen, historischen und insbesondere sprachlichen Raum.37 Erstmals taucht der Begriff Euskal Herria schriftlich im 16. Jahrhundert auf und charakterisierte schon damals das Baskenland in seiner kulturellen und territorialen Gesamtheit. Die Grenzen der ethnisch-kulturellen Gemeinschaft der Basken erstrecken sich über den westlichen Kamm der Pyrenäen. Insgesamt umfasst das gesamte Gebiet der euskaldunes (Baskisch Sprechenden) circa 20.950 km2 und ist damit so groß wie das deutsche Bundesland Sachsen-Anhalt bzw. ungefähr halb so groß wie die Schweiz.38 Als wohl wichtigstes identitätsstiftendes und damit verbindendes Element fungiert - nicht zuletzt im baskischen Nationalismus - seit jeher die baskische Sprache: das „Euskera“39. Aus diesem Grund soll im folgenden Abschnitt genauer auf die baskische Sprache eingegangen werden.

1.2 Europas älteste Sprache - Das Euskera

“No parece exagerado afirmar que el máximo elemento cohesionador del entramado humano vasco, es sigue siendo el euskaldún. [...]. El euskera se suele presentar como signo clave de nuestra identidad, [...], es básicamente un instrumento de creación de cultura y un instrumento vivo, capaz de seguir haciendo lo que ha hecho desde la noche de los tiempos.”40

Schon seit dem 16. Jahrhundert interessieren sich Sprachwissenschaftler für die Herkunft und die Geschichte der baskischen Sprache - dem „Euskera“. Unzählige Vermutungen, Theorien und Mythen sind im Laufe der Jahrhunderte zusammengetragen worden, um sie letztendlich doch wieder verwerfen zu müssen. Fest steht jedoch, dass das Euskera die letzte überlebende vorindoeuropäische Sprache ist. Somit stellt das Baskische gleichzeitig die älteste Sprache Westeuropas dar. Allerdings ist es bisher nicht gelungen, eine Beziehung des Baskischen zu einer anderen Sprache herzustellen, geschweige denn, die Herkunft dieser Sprache zu bestimmen.41 Im Jahre 1545 wurde erstmals von dem aus Guipúzcoa stammenden Esteban de Garibay der Versuch unternommen, die Ursprünge der baskischen Sprache zu erforschen. Bis dato erschien kein einziges Buch auf Baskisch.42 Danach folgte im Jahr 1571 das Werk von Bernard Dechapare (bask. Beñat Etxepare) mit dem Titel „Linguae vasconum primitiae“.

Ionnes Leizarraga übersetze 1571 das Neue Testament ins Baskische.43 Fast zwei Jahrhunderte später - im Jahre 1729 - verfasste der Jesuitenpater Manuel de Larramendi unter dem Titel „Lo imposible vencido“ die erste baskische Grammatik.44 Eine wirklich wissenschaftliche Analyse des Euskera begann jedoch erst mit Wilhelm von Humboldt. Durch ihn entstand zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Theorie des sogenannten „Vasco-Iberismus“. Laut dieser Theorie stellt die baskische Sprache ein Relikt einer iberischen Sprache dar, welche in vorrömischer Zeit auf der gesamten Iberischen Halbinsel gesprochen wurde. Bis in das 20. Jahrhundert wurde diese Annahme auch von anderen berühmten Sprachwissenschaftlern wie Hugo Schuchardt oder Menéndez Pidal vertreten.

Durch die Dekodierung des iberischen Alphabets im Jahr 1943 wurde die „Vasco- Iberismus-These“ jedoch endgültig widerlegt. Neben dieser Theorie wurden auch lange Zeit Verbindungen zwischen dem Baskischen und dem Berberischen, dem Georgischen oder selbst mit afrikanischen und nordamerikanischen Indianersprachen vermutet. Sowohl diese Hypothesen, als auch die prominente Theorie einer baskisch-kaukasischen Verwandtschaft, wurden in den letzten Jahrzehnten allerdings verworfen.45 Zwar gehen die Meinungen unter Linguisten bezüglich des Ursprungs des Baskischen oder einer Verwandtschaft zu anderen Sprachen seit jeher auseinander. Einig ist man sich allerdings darin, dass das Euskera seine ursprüngliche Grammatik - trotz der Aufnahme von einigen Fremdwörtern - über die Jahrtausende beibehalten konnte. So geht man davon aus, dass die Nähe des gegenwärtigen Euskera zur antiken Form des Baskischen nach wie vor sehr ausgeprägt ist.46 Trotz einer über 2.000 jährigen Kontaktaufnahme zu anderen Sprachen und Kulturen des europäischen Kontinents, konnte das Euskera bis heute lebendig gehalten werden. Weder die römisch-lateinische, noch die arabische, keltische, fränkische, französische oder spanische Sprache / Kultur haben es jemals geschafft das Baskische vollständig zu verdrängen. Sicherlich ist die Zahl der Baskisch-Sprecher im Laufe der Geschichte gesunken. Nichtsdestotrotz hat das Euskera bis in das 21. Jahrhundert überdauert und erfährt gegenwärtig eine Wiederbelebung.47

Das Überleben der baskischen Sprache kann sicherlich nur durch mehrere Aspekte erklärt werden. Neben geographischen und sozio-ökonomischen Ursachen, wirkte sich hierbei vor allem eine linguistische Komponente aus. Zwischen dem Baskischen und den romanischen und indogermanischen Sprachen bestand schon immer eine äußerst große typologische Distanz.48 Insbesondere im grammatikalischen Bereich bestehen extreme Differenzen zu den romanischen Sprachen. So lautet die Grundregel für den baskischen Satzbau: Subjekt - Objekt - Prädikat. Das Verb übt hierbei eine maßgebliche Funktion aus. So existieren im Euskera mehr als 15000 verschiedene Verbformen. Des Weiteren verfügt das Baskische über insgesamt 14 verschiedene Fälle, wobei selbst unter diesen noch zwischen Lebewesen und Gegenständen unterschieden werden muss. Sprachwissenschaftler zählen das Baskische - wie auch das Finnische und Ungarische - auf Grund seiner speziellen Deklination zu den sogenannten Ergativ-Sprachen.49 Zu guter Letzt sucht man im Baskischen vergeblich nach Präpositionen und Artikeln.50 Infolgedessen ist es nicht weiter verwunderlich, dass die spezielle Eigenheit des Euskera in allen linguistischen Bereichen eine vollständige sprachliche Assimilierung verhindern konnte. Auch die schleppende Romanisierung der baskischen Gebiete und die erst im 16. Jahrhundert vollständig abgeschlossene Christianisierung der baskischen Gebiete, ermöglichten einen Fortbestand des Euskera. Gegenwärtig können von den knapp drei Millionen Einwohnern in den sieben baskischen Territorien noch ca. 22,4 % als Euskaldunes - also als Baskischsprecher - bezeichnet werden.51

Heute ist das Baskische in Euskadi bzw. Hegoalde am stärksten in der östlichen Hälfte Vizcayas, in Guipúzcoa und in einigen wenigen Orten Álavas vertreten. Auch im westlichen Teil Iparraldes wird noch vereinzelt Baskisch gesprochen.52 Um einen Fortbestand des Baskischen zu gewährleisten, sei nochmals an die Akademie der Baskischen Sprache erinnert. Mit der „Euskaltzaindia“ wurde im Jahre 1919 ein eigenes Norminstitut für den Erhalt und die Weiterentwicklung der baskischen Sprache gegründet.53 Artikel 6, Absatz 4 der Verfassung sieht hier wie folgt vor:

“La Real Academia de la Lengua Vasca-Euskaltzaindia es institución consultva [!] oficial en lo referente al euskera.”54

Mit Hilfe dieser Institution wurde im 20. Jahrhundert schließlich die baskische Hochsprache - das Euskera Batua (Einheitsbaskisch) - erarbeitet.55 Zuvor existierten innerhalb des Baskenlandes regional unterschiedliche Dialekte. Zudem ist das Baskische in Spanien neben dem Kastilischen als Amtssprache offiziell anerkannt.56 Dies belegt auch Artikel 6 des Autonomiestatuts:

“El Euskera, lengua propia del Pueblo Vasco, tendrá, como el castellano, carácter de lengua oficial en Euskadi, y todos sus habitantes tienen el derecho a conocer y usar ambas lenguas.”57

Während das Euskera durch den spanischen Staat anerkannt wird, findet in Frankreich durch eine rigide Minderheitenpolitik nicht einmal eine offizielle Zählung der Sprecherzahl des Baskischen statt. Die überwiegende Mehrheit der Baskisch sprechenden Bevölkerung beherrscht zusätzlich die Nationalsprache des jeweiligen Landes.58 Erwähnt sei an dieser Stelle noch die seit 1980 als offizielle Bildungseinrichtung anerkannte Ikastola (bask. Schule). Neben der Ikastola bestehen mittlerweile auch öffentliche Bildungswege in denen vermehrt bilingualer Unterricht angeboten wird. Der Überlebenskampf des „Sprachschatzes Europas“ geht demnach auch im 21. Jahrhundert beharrlich weiter. Laut einer soziolinguistischen Studie der Baskischen Regierung aus dem Jahr 1991 ist es für die baskische Jugend allerdings weniger entscheidend das Euskera aktiv anzuwenden. Vielmehr sei es wichtig das Euskera zu kennen und zu verstehen.59 Trotz der Zurückdrängung des Baskischen durch die spanische Kultur im 19.

Jahrhundert und die repressiven Maßnahmen des Franquismus im 20. Jahrhundert, konnte die älteste Sprache Europas bis heute lebendig gehalten werden60. Die Gründe für die bedeutende Funktion und das Überleben des Euskera hat Kerstin Römhildt äußerst treffend konstatiert:

„Die baskische Sprache ist nicht nur Ausdruck der (traditionellen) baskischen Kultur und als solche Teil der baskischen Identität, sie ist darüber hinaus ein Symbol für ein bestimmtes baskisches Selbstverständnis.“61

Dieser Beurteilung sollte noch angefügt werden, dass das Euskera nicht nur im 21. Jahrhundert für die baskische Kultur und das eigene Selbstverständnis von Bedeutung ist. Schon seit den ersten geschichtlichen Aufzeichnungen nimmt das Euskera eine entscheidende identitätsstiftende und verbindende Funktion innerhalb der baskischen Lebensgemeinschaft ein. Nicht zuletzt seit dem 19. Jahrhundert - dem zentralen Zeitraum für diese Arbeit - ist das Euskera unweigerlich mit der baskischen Identität verbunden. Inwiefern sich die baskische Identität im Laufe der Jahrhunderte entwickelt hat, welche besonderen geschichtlichen Ereignisse nachhaltigen Einfluss nahmen und auf welchem Nährboden sich der baskische Nationalismus überhaupt entwickeln konnte, soll im folgenden Kapitel über die baskische Geschichte genauer veranschaulicht werden.

2. Die Geschichte der Basken

„Nie ist der Baske im Grunde seines Wesens kriegslustig und eroberungssüchtig gewesen; nie ist es ihm eingefallen, den fremden Eindringling weiter als über die gesteckten Grenzen seines Landes hinaus zu verfolgen. Aber um so eifersüchtiger wachte er stets mit starken Armen über die Berge seiner Heimat, deren Grenzlinien umschrieben waren im Umkreis der Ausläufer der westlichen Pyrenäen, an deren steilragender Felsenküste die brandenden Wogen des Kantabrischen Meeres zerschellten, und im Inneren des Landes, bis zu der Stelle, an der das letzte ´baseŕietxe´62, die typische einsame Siedlungsstätte der baskischen Familie, die Scheidegrenze zwischen baskischer und fremder Zunge verkündete.“63

Die zentrale Epoche für das Verständnis des baskischen Nationalismus stellt zweifelsohne das 19. Jahrhundert dar. Dennoch soll in diesem Kapitel der „historische Rahmen“ etwas weiter gespannt werden. Ausgehend von der Prähistorie, dem Mittelalter, dem Zeitalter des Foralwesens und dem Zeitraum bis in das 18. Jahrhundert endet die Veranschaulichung der baskischen Geschichte im Zeitalter der „Gründung“ des baskischen Nationalismus. Mit Hilfe eines gesamthistorischen Überblicks soll es gelingen, einen möglichst authentischen Eindruck von der baskischen Identität und dem Selbstverständnis dieses Volkes zu erhalten. Um die Entstehung des baskischen Nationalismus angemessen nachvollziehen und bewerten zu können, ist es meiner Meinung nach unabdingbar, sich in eine baskische Perspektive hineinzuversetzen. Da sich die Gegenwart erst mit dem Bewusstsein der Vergangenheit begreifen lässt, erscheint eine detailliertere Auseinandersetzung mit der baskischen Gesamthistorie durchaus sinnvoll. Dies gilt umso mehr für den baskischen Nationalismus, dessen „Gründung“ zwar im 19. Jahrhundert anzusiedeln ist, seine identitätsstiftenden Wurzeln jedoch wesentlich weiter in der Geschichte zurückreichen.

Im späteren Verlauf werden vorzugsweise die baskischen Gebiete Hegoaldes untersucht werden.64 Der Fokus soll hierbei vor allem auf Vizcaya und zum Teil auf Guipúzcoa liegen, da sich in diesen Gebieten die wohl deutlichsten politischen und sozio-ökonomischen Entwicklungen vollzogen haben. Im ehemals eigenständigen Königreich Navarra vollzog sich sowohl innerhalb der Gesellschaft als auch in den politisch-administrativen Bereichen im Vergleich zu den übrigen baskischen Regionen eine andere Entwicklung. Des Weiteren nahm die Entstehung des baskischen Nationalismus hauptsächlich in Vizcaya ihren Anfang. Aus diesem Grund wird mit der Betrachtung des 19. Jahrhunderts größtenteils die vizcainische Situation genauer beschrieben werden.

2.1 Die baskische Prähistorie

Selbst für die aktuelle Wissenschaft scheint die Herkunft der Basken nach wie vor ein unlösbares Rätsel zu sein. Die Basken selbst glauben indes mit Vorliebe an die These, dass sie die ersten - und damit eigentlichen - Europäer wären.65 Unter älteren Basken trifft man des Weiteren häufig auf die Annahme, dass Gott den ersten Menschen aus baskischen Knochen kreiert hätte. Die Wissenschaft geht jedoch davon aus, dass die Basken schon seit Menschengedenken in dem Gebiet an den Abhängen der Westpyrenäen zwischen dem Pic d´Anie, den Flüssen Ebro und Adour und dem Golf von Vizcaya leben.66 Letztendlich kann aber niemand genau sagen, wie weit die baskische Geschichte in die Vergangenheit zurückreicht oder woher die Basken tatsächlich stammen. Einig ist man sich hingegen darin, dass das Gebiet der Pyrenäen eines der am längsten bewohnten Gebiete der Erde ist.67 Die Entdeckung des „Menschen von Tautavel“ stellt den bisher ältesten archäologischen Fund dar. Dieser menschliche Vorfahre soll vor rund 450.000 Jahren in der Höhle von Arago in den französischen Pyrenäen gelebt haben.68 Die ersten Spuren für eine menschliche Besiedelung des Baskenlandes sind schätzungsweise zwischen 100.000 und 150.000 Jahren alt. Im heutigen französischen Teil des Baskenlandes wurde in einer Höhle nahe der Ortschaft Isturitz ein Teil eines Neandertalerschädels gefunden. 40.000 Jahre vor unserer Zeit hat sich der „Cro-Magnon-Mensch“ in zahlreichen Höhlen im Baskenland niedergelassen.69 Der eindeutigste Beweis für menschliches Vorkommen im Bereich des Baskenlandes ist ca. 7000 Jahre alt. Hierbei handelt es sich um ein menschliches Skelett aus dem Mesolithikum und stammt aus der Höhle von Urtiaga in Guipúzcoa. Der berühmte Archäologe José Miguel Barandiaran70 vermutete, dass es sich bei diesem Skelett um eine Weiterentwicklung des Cro- Magnon-Menschen handelte, womit die Theorie der Einwanderung der Basken aus anderen geographischen Räumen Europas einen Dämpfer erhielt.71 Da zudem in vielen anderen Höhlen (z.B. in Santimamiñe, Arenaza, Berriatúa, Deba, Urdax u.v.m.) weitere Überreste des Cro-Magnon-Menschen gefunden wurden, wird die Annahme Barandiarans von der jüngsten Forschung bestätigt. Mittlerweile ist sich die Wissenschaft weitgehend einig, dass die Basken keinen Migrationshintergrund besitzen und demnach auch niemals außerhalb des Pyrenäengebiets gelebt haben dürften. Durch die abgeschiedenen Täler in den Bergen der Pyrenäen konnten sich die baskischen Vorfahren weitgehend unberührt von der indo-europäischen Migration entwickeln.72 Ein in der Literatur häufig erwähntes Charakteristikum des baskischen Menschentyps ist die auffällig hohe Zahl der Blutgruppe „0“.

Neben den Basken haben nur die Iren, die Schotten und die Kretinen eine ähnlich einseitig ausgeprägte Blutgruppenverteilung auf der Welt. Die darüber hinaus weltweit größte Häufigkeit von Blut mit dem Rhesusfaktor „Negativ“ zeugt von der weit zurückreichenden prähistorischen Geschichte des baskischen Volkes. Neben einigen physiologischen Besonderheiten der Basken - wie eine überaus kräftige Statur, größere Nasen und Ohren73 - haben Genwissenschaftler eine einzigartig hohe Persistenz der paläontologischen DNA-Frequentierung im baskischen Erbgut entdeckt. Ferner unterscheiden sich die Basken hinsichtlich ihrer genetischen Veranlagung wesentlich von den übrigen Europäern.74 Wie zu einem späteren Zeitpunkt zu sehen sein wird, dienten die genetischen Merkmale vor allem dem baskischen Nationalismus in seiner Argumentation der rassischen Differenzierung. Gegenwärtig geht die Wissenschaft jedoch davon aus, dass es sich bei den baskischen Merkmalen um rein anthropologische Besonderheiten des baskischen Menschentypus handelt.75

Für die wissenschaftliche Forschung beginnt die baskische Geschichtsschreibung im Großen und Ganzen mit dem Zeitalter des Neolithikums um 3500 v.Chr.. Das Neolithikum initiierte im gesamten Baskenland eine kulturelle und agrarische Revolution. Diese Epoche brachte die Bewohner der Pyrenäenregionen durch die Züge der Transhumanz in Kontakt mit anderen Völkern. Somit gewannen die Basken durch kulturellen Austausch neue Erkenntnisse in der Landwirtschaft und in der Domestizierung von Nutzvieh. Die wichtigste Errungenschaft des Neolithikums stellte die baskische Hirtenwirtschaft dar. Sie sollte noch bis zur Romanisierung eine der wichtigsten wirtschaftlichen Einnahmequellen der Basken darstellen. Darüber hinaus hatte der kulturelle Austausch ebenso Einfluss auf religiöse Zeremonien - wie beispielsweise die Bestattung von Toten in den berühmten Dolmen76. Auch im Bereich des Bauwesens wurden mit der Technik des Megalithbaus neue Wege beschritten.77 Das Zeitalter der Metalle um 2000 v.Chr. - und die damit verbundene Verbreitung der Bronze - hatte hingegen nur einen geringen Einfluss auf das Leben der baskischen Bevölkerung. Mit dem Einzug der Kelten während der Eisenzeit um 900 v.Chr., setzten sich wiederum in einigen baskischen Gebieten neue Erkenntnisse in den Bereichen der Landwirtschaft (Kultivierung von Getreide, Zucht von Rindern und Pferden) und Bautechnik durch. Die kulturellen und wirtschaftlichen Errungenschaften des Neolithikums überlebten auf Grund des orographischen Geländes der Pyrenäen allerdings in den weitesten Teilen des Baskenlandes bis zur Romanisierung.78

Aus gleichem Grund konnte man bis zur Ankunft der Römer um das Jahr 200 v.Chr. noch nicht von einem geschlossenen Stammesbund ausgehen. Vielmehr lebten in den heutigen baskischen Gebieten mehrere verschiedene Stämme, welche untereinander über gemeinsame sprachliche und ethnische Merkmale verfügten. Der klassische Autor Strabon berichtete von den Autrigonen, Karistiern, Vardulern, Beronen und Vaskoniern die den heutigen spanischen Teil des Baskenlandes besiedelten. Im nördlichen Bereich der Pyrenäen ließen sich vor allem die Tebelli und weitere vereinzelte Stämme nieder, welche zusammenfassend als Aquitanier bezeichnet wurden. Die verschiedenen - durch die Pyrenäen teilweise voneinander isolierten Stämme - sprachen unterschiedliche Dialekte. Interessant ist die Tatsache, dass die damaligen Dialektgrenzen zu einem großen Teil mit den heutigen Provinzgrenzen des Baskenlandes deckungsgleich sind79. Die baskischen Völker und ihre vereinzelten nicht-baskischen Nachbarn80 waren in Klans und Stämme untergliedert. Innerhalb einer Gemeinschaft existierte kein Privatbesitz, alle Mitglieder waren sozial und wirtschaftlich gleichgestellt und bekräftigten durch Blutsbande ihre soziale Verbundenheit. Schon damals hatte die Familie einen wichtigen Stellenwert in der baskischen Kultur.81 Es wird davon ausgegangen, dass die Basken vor dem ersten Kontakt mit den Römern bereits Erfahrung mit den Indoeuropäern und den Karthagern sammeln konnten. Solange sich diese aber nicht im baskischen Siedlungsgebiet niederlassen wollten, kam es auch zu keinerlei Konflikten mit den Einheimischen dieser Region.82

2.2 Die baskische Frühgeschichte und das Mittelalter

Die Ankunft der Römer um das Jahr 200 v. Chr. sorgte für eine gewisse Stabilisierung unter den verschiedenen Stämmen und Volksgruppen. Die römische Politik erschwerte große Völkerbewegungen und ethnische Vermischungen und wirkte somit konservierend auf die bestehenden Zustände.83 Da die Römer an den baskischen Gebieten kaum interessiert waren, kam es in den späteren Jahren der Romanisierung der Iberischen Halbinsel auch zu keinen nennenswerten Auseinandersetzungen.84 Das zerklüftete Land der Vascones85 war für die Römer wirtschaftlich nicht sonderlich fruchtbar und militärisch schwer zugänglich, weshalb sie vielmehr an den südlichen Regionen der Provinzen Álava und Navarra interessiert waren.86 Die römische Epoche war höchstwahrscheinlich die längste friedliche Zeit in der baskischen Geschichte. Noch heute wird unter Basken diese Zeitspanne als Beweis angesehen, dass ein friedliches und konstruktives Zusammenleben auch mit größeren Mächten möglich ist.87 Zudem profitierten die Basken von den fortschrittlichen Entdeckungen der Römer. So erlernten sie unter anderem die Kultivierung von Oliven und Trauben, nutzten die von den Römern angelegten Straßen und handelten mit den Römern in neu gegründeten Städten wie Pamplona und Bayonne.88 Wie schon unter den Kelten konnten sich die baskischen Stämme durch die friedlichen Beziehungen zu den Römern ihre Sprache, ihre Kultur und ihre Religion bewahren. Welches Ausmaß die baskisch-römischen Beziehungen letztendlich annahmen, konnte bis heute nicht geklärt werden. Sicher ist man sich hingegen darin, dass die Romanisierung vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht unterschiedlich verlief. So entwickelte sich das südliche Baskenland im Ebrotal wesentlich rasanter. Im nördlich gelegenen atlantischen Bereich des Baskenlandes blieb hingegen die Hirtenwirtschaft die häufigste Einnahmequelle.89

In Folge des Untergangs des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert, änderte sich auch die bisher friedliche Situation in den baskischen Gebieten. Auf Grund einer verstärkten sozialen Differenzierung (pax romana) kam es vermehrt zu Aufständen der baskischen Bevölkerung in den ländlichen Gebieten. Hier wird deutlich, dass die Basken schon in ihrer jungen Geschichte vehement auf soziale Benachteiligungen und wirtschaftliche Vorrangstellung bestimmter Bevölkerungsschichten reagierten. An die Stelle eines friedlichen Zusammenlebens traten zunehmend gewalttätige Konflikte. Die unter dem Terminus bagaudae bekannt gewordenen kriegerischen Aufstände der unteren Gesellschaftsschichten nahmen in den folgenden Jahren immer mehr zu. Insbesondere verarmte Bauern und geflohene Sklaven schlossen sich zusammen, um sich gegen das Römische Imperium und die Unterwerfung durch die Großgrundbesitzer aufzulehnen. Letztendlich führten die Kämpfe zu einer schrittweisen Auflösung der bisherigen Stammesgliederung. Die verschiedenen baskischen Stämme wurden erstmals gezwungen sich zusammenzuschließen, um ihre Kultur und ihre Identität zu bewahren.90 Ab dem 5. Jahrhundert n. Chr. zerfiel langsam aber sicher die römische Herrschaft auf der Iberischen Halbinsel. Einerseits war das Römische Imperium zusehends durch mehrere Frontenkriege91 in ganz Europa geschwächt. Andererseits führten die Völkerwanderungen im 5. Jh. zum endgültigen Untergang des Römischen Reiches. Mit der Ankunft der Schwaben, Alanen und der Westgoten im Jahr 409 n.Chr. wurde auch die Herrschaft der Römer über Iberien unwiederbringlich beendet.

Nach der großen Völkerwanderung grenzte das baskische Gebiet im Norden an das Reich der Franken und im Süden an das westgotische Reich. Da für den Zeitraum zwischen dem 5. und dem 6. Jahrhundert keine verlässlichen Quellen existieren, kann davon ausgegangen werden, dass die Basken in dieser Epoche als ein unabhängiges Volk klassifiziert werden können. Im Gegensatz zur Römischen Herrschaft kam es in den folgenden Jahrhunderten mehrfach zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Basken und den germanischen Eindringlingen. Immer wieder versuchten sowohl die Franken im Norden als auch die Westgoten im Süden die baskischen Gebiete vollständig zu unterwerfen. In Folge der kriegerischen Erfahrungen im Kampf gegen die Römer trafen die Franken und Westgoten allerdings nicht mehr auf einzelne baskische Bergstämme.92 Erstmals kam es zu gemeinsamen Aktionen der verschiedenen baskischen Gruppen, die sich im Laufe der Schlachten gegen die Westgoten immer weiter miteinander vereinten.93 Somit konnten sich die Basken in den meisten Gebieten ihre Freiheit und Selbstständigkeit erhalten. Darüber hinaus bewahrten sich die Basken auch weiterhin ihre Sprache und ihre Religion. Im Gegensatz zu allen anderen Bewohnern der Iberischen Halbinsel blieben die Basken ihrer kulturellen Identität treu.94 Trotz einer spürbaren Zunahme der kriegerischen Auseinandersetzungen im 7. Jahrhundert n. Chr. gelang es den Westgoten während ihrer gesamten Herrschaft niemals, die Basken vollständig zu unterwerfen. Neben dem Zusammenschluss der verschiedenen baskischen Stämme entwickelten die Basken bis zum 8. Jahrhundert eine eigene politische Organisation. Dies ermöglichte ihnen neben ihren überfallartigen Angriffen, nun auch planmäßig kriegerische Aktionen durchzuführen.95 Der jahrhundertelange erbitterte baskische Widerstand wurde selbst in den Chroniken der westgotischen Könige erwähnt. In diesen heißt es abschließend: perdomuit feroces vascones [„dominó a los feroces vascos“]96, die wilden Basken beherrschen.

Mit dem Einfall der Araber auf die Iberische Halbinsel im Jahre 711 n.Chr. ergab sich für die Basken zunächst eine Situation die einem „Drei-Fronten-Krieg“ gleichkam. Als sich der islamische Feldherr Musa im Jahre 714 n.Chr. mit seinen Truppen den südlichen Grenzen des baskischen Territoriums näherte, befand sich der westgotische König Roderich gerade in einer erneuten kriegerischen Auseinandersetzung mit den Basken. Im Verlauf der nächsten Jahrzehnte ging die Macht der Iberischen Halbinsel jedoch mehr und mehr von den christlichen Westgoten an die Araber über. Ähnlich wie die Römer ließen sich die Araber nicht im hohen Norden des baskischen Territoriums nieder, sondern siedelten sich im fruchtbareren Süden - insbesondere im navarrischen Ebrotal - an. Die Situation der Basken änderte sich indes nicht grundlegend. Vielmehr nutzten sie die Konflikte zwischen den fränkischen bzw. westgotischen Christen und den Arabern dazu, ihre eigene Identität zu bewahren.97 Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang zwei symbolträchtige Schlachten der Basken gegen ihre Widersacher. Zum einen sei die Schlacht gegen die Araber im Jahre 732 n. Chr. zu erwähnen. In der Schlacht bei Tolosa de las Naves98 erteilten die Basken dem muslimischen Heer von Abd al-Rahman eine der schlimmsten Niederlagen auf iberischem Boden.99 Fälschlicherweise wird des Öfteren angenommen, dass sich der baskische Widerstand gegen die Muslime auf ihren christlichen Glauben zurückzuführen sei. Zwar waren die Basken mittlerweile mehrheitlich zu Christen geworden, doch verteidigten sie - wie so oft in ihrer Geschichte - vor allem ihre Kultur, ihre Sprache und auf diese Weise auch ihre eigene Identität. Im Gegensatz zu allen anderen Bewohnern der Iberischen Halbinsel, hielten die Basken lange Zeit an ihren eigenen Göttern fest. Genannt seien hier der Herr des Waldes „Baxajaun“ und der Gott „Mari“. Zudem verehrten die Basken Sonne und Mond. Die Wissenschaft ist sich häufig jedoch uneinig, auf welchen Zeitraum die Christianisierung der Basken letztendlich datiert werden kann. Man findet sowohl Angaben über den Zeitraum zwischen dem 4. und dem 7. Jahrhundert n. Chr., als auch für die Epoche zwischen dem 10. und dem 13. Jahrhundert.100 Einen interessanten Ansatz verfolgt diesbezüglich der Historiker Michael Kasper. Er unterscheidet zwischen einer individuellen und einer sozialen Dimension. Im Falle der Basken geht Kasper von einer sozialen Dimension aus. Dies bedeutet einerseits, dass durchaus gewisse christliche Infrastrukturen im Baskenland schon früher existiert haben könnten. Andererseits sei damit noch längst nicht bewiesen, dass sich dadurch auch alle Basken dem christlichen Glauben angeschlossen haben. Nicht zuletzt durch die fremde Sprache Euskera und die starke Zerstreuung der baskischen Bevölkerung konnte sich das Christentum nur sehr schwerlich und verzögert in den baskischen Region durchsetzen. Selbst wo es dem christlichen Glauben gelang, sich in der Gesellschaft zu etablieren, blieb es nicht von typisch baskischen Bräuchen und Ritualen unbeeinflusst.101

Das nur einzelne Schichten in der baskischen Bevölkerung zum Christentum konvertierten, zeigte sich letztlich in der Schlacht der baskischen Stammeskämpfer gegen das christlich-fränkische Heer Karl des Großen. Auch heute noch besitzt die Schlacht bei Roncesvalles im Jahre 778 n.Chr. eine wichtige symbolische Bedeutung102, und fand unter anderem ihren dichterischen Niederschlag im Heldenlied Rolands (La Chanson de Roland). Nachdem Karl der Große auf die von den Arabern besetzte Stadt Zaragoza verzichtete, beschloss seine Nachhut auf dem Rückweg gen Frankreich die Stadt Pamplona zu plündern und zu zerstören. Somit brachte er die Wut der Basken auf sich, die sein Heer beim Roncesvalles-Pass aus dem Hinterhalt angriffen und der Armee Karls des Großen die einzige Niederlage in seiner Geschichte zufügten.103

Bis in das 9. Jahrhundert konnten die Basken somit erfolgreich ihr eigenes Selbstverständnis und ihre Unabhängigkeit gegenüber den Römern, den Franken und Westgoten, sowie den Arabern verteidigen.104 Des Weiteren kam es zu mehreren Übergriffen der Wikinger und der Normannen. Doch auch diesen Angriffen widersetzten sich die Basken nachdrücklich. Selbst einiger Niederlagen zum Trotz, waren die Basken immer in der Lage von den Siegern zu lernen. Schon in ihrer frühen Geschichte verstanden sie es, sich jeder neuen Situation anzupassen und sich weiterzuentwickeln.105 So lernten sie nicht nur im landwirtschaftlichen Bereich und in der Baukunst von den Römern, sondern verfeinerten zudem ihre kriegerischen Fähigkeiten in den jahrhundertelangen Konflikten mit ihren Nachbarn.

Die stetigen Kämpfe gegen das gotische Asturien im Westen, das Emirat von Córdoba im Süden und das fränkische Königreich Frankreich im Norden gingen selbstverständlich nicht spurlos an der baskischen Gesellschaft vorbei. Immer mehr Menschen zogen in befestigte Städte, es bildete sich eine militärische Kommandostruktur heraus und aus Stammesführern wurden Generäle.106 In Folge der gesellschaftlichen Veränderungen wurde im 9. Jahrhundert - genauer von 816 n.Chr. bis 851 n. Chr.

[...]


1 Humboldt, Wilhelm von: “Schriften zur Altertumskunde und Ästhetik. Die Vasken“. In:

Andreas Flitner, Klaus Giel (Hrsg.): Wilhelm von Humboldt. Werke in fünf Bänden II. 5. Auflage. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft: 2002. S. 426.

2 Vgl. ebd. S. 418 f.

3 Vgl. Ziesemer, Wilhelm: Das Land der Basken - Skizzen aus der Heimat der ältesten Europäer. Mit 64 Tiefdruckbildern. Berlin: Verlag der Reimar Hobbing GmbH: 1934. S. 29.

4 Vgl. Humboldt, Wilhelm von: S. 418 f.

5 Vgl. Humboldt, Wilhelm von: S. 420.

6 Vgl. Zabaleta-Gorrotxategi, J. Iñaki: Wilhelm von Humboldts Forschungen über die baskische Nation und Sprache und ihre Bedeutung für seine Anthropologie. Köln: Philosophische Fakultät der Universität zu Köln: 1998. S. 203.

7 In der Literatur auch Euskara genannt.

8 „Baskisch-Sprecher“.

9 Vgl. Kasper, Michael: Baskische Geschichte. 2. Auflage. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft: 2008. S. 1.

10 Vgl. Niebel, Ingo: Das Baskenland. Geschichte und Gegenwart eines politischen Konflikts. Wien: Promedia: 2009. S. 15.

11 Auf einer persönlichen Reise durch das Baskenland wurde die Zweisprachigkeit ebenfalls deutlich.

12 Vgl. Niebel, Ingo: S. 34.

13 Vgl. Caro Baroja, Julio: Los Vascos. Etnología. San Sebastián: Biblioteca Vascongada de los Amigos del País: 1949. S. 527 ff.

14 Vgl.http://www.txistulari.com/index.php?option=com_content&task=view&id=24&Itemid=35& lang=eu [Stand 18.03.2010].

15 Vgl. http://www.bertsozale.com/castellano/index.php [Stand: 18.3.2010].

16 Vgl. http://www.euskaldantzarienbiltzarra.com/euskera/html/nuestras.htm [Stand: 18.3.2010].

17 Vgl. Caro Baroja, Julio (1949): S. 508-527.

18 Labayen, Ramón; Javier Torres Ripa: Cultura Vasca. Forum Deusto, 5. Bilbao: Universidad de Deusto: 1994. S. 169.

19 Kurlansky, Mark: Die Basken. Eine kleine Weltgeschichte. Aus dem Englischen von Holger Fliessbach. Hildesheim: Claasen: 2000. S. 198.

20 In manchen Bereichen ist von den ursprünglich baskischen Bezeichnungen jedoch nicht

abzusehen. Insbesondere in Kapitel 5 besitzen die baskischen Termini eine höhere Aussagekraft. In diesem Fall soll - nach Möglichkeit - die spanische Bedeutung hinzugefügt werden.

21 Vgl. Granja Sainz, José Luis de la: El Nacionalismo Vasco. Un siglo de historia. Madrid: Tecnos: 1995: S. 23-31.

22 Römhildt, Kerstin: „Nationalismus und ethnische Identität im ´spanischen´

Baskenland“. In: Prof. Dr. Jürgen Jensen (Hrsg.): Interethnische Beziehungen und Kulturwandel. Ethnologische Beiträge zu soziokultureller Dynamik. Band 5. Münster - Hamburg: Lit Verlag: 1994. S. 138.; siehe auch: Niebel, Ingo: S. 34.

23 ETA (Euskadi Ta Askatasuna) = „Baskenland und Freiheit“.

24 Um den geopolitischen Aufbau des baskischen Territoriums besser nachvollziehen zu können, sei an dieser Stelle auf Abbildung 1 a.) und b.) im Anhang dieser Arbeit hingewiesen.

25 Auch im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird sich der Terminus „Baskenland“ o.ä. vorzugsweise auf die baskischen Gebiete (Vizcaya, Guipúzcoa, Álava) in Spanien beziehen. Auf einen wissenschaftlichen Einbezug Navarras und/oder der baskischen Territorien (Labourd, Soule, BajaNavarra) in Frankreich wird speziell hingewiesen.

26 Zum Ende des 19. Jahrhunderts bezeichnete Sabino Arana Goiri das Baskenland mit dem

Neologismus „Euzkadi“. Da Sabino Arana das „s“ auf kastilischen Ursprung zurückführte, ersetzt er das „s“ durch das eher baskisch anmutende „z“. Mittlerweile hat sich die Schreibweise „Euskadi“ vermehrt durchgesetzt, weshalb auch in dieser wissenschaftlichen Arbeit auf die neuere Schreibweise zurückgegriffen wird. Vgl. Niebel, Ingo: S. 17 f.

27 Vgl. http://www.lehendakaritza.ejgv.euskadi.net/r48-2312/es/contenidos/informacion/ estatuto_guernica/es_455/adjuntos/estatuto_ley.pdf [Stand: 18.03.2010].

28 Vgl. Römhildt, Kerstin: S. 19.

29 Vgl. Niebel, Ingo: S. 16.

30 Die genaue Verteilung der baskischen Bevölkerungszahlen und der Flächengröße des Baskenlandes wird mit Abbildung 2 im Anhang besser verständlich.

31 Vgl. Römhildt, Kerstin: S. 19.

32 Vgl. http://www.lehendakaritza.ejgv.euskadi.net/r48-2312/es/contenidos/informacion/ estatuto_guernica/es_455/adjuntos/estatuto_ley.pdf [Stand: 18.03.2010].

33 Vgl.http://noticias.juridicas.com/base_datos/Admin/constitucion.t8.html#a143 [Stand:

18.03.2010].

34 Vgl. Niebel, Ingo: S. 17

35 Vgl. Kasper, Michael: S. 1.

36 Vgl. Niebel, Ingo: S. 15

37 Vgl. Kasper, Michael: S. 1.

38 Vgl. Niebel, Ingo: S. 15

39 In der wissenschaftlichen Literatur trifft man ebenso häufig auf die Begriffe euskara, eskuara, euskera, uskara, vascuence, vazcuenz, lengua vasca oder langue basque u.v.m.. Um sprachliche Konfusionen zu verhindern, wird im weiteren Verlauf ausschließlich auf die Bezeichnung euskera zurückgegriffen. Vgl. Caro Baroja, Julio: Ser o no ser vasco. Espasa selección. Edición de Antonio Carreira. Madrid: Espasa-Calpe:1998. S. 64 und http://www.euskomedia.org/aunamendi/47905?epi=31237&q=euskera+dialecto&numreg=4&star =0&idi=es [Stand: 18.03.2010].

40 Labayen, Ramón; Javier Torres Ripa: Cultura Vasca. Forum Deusto, 5. Bilbao: Universidad de Deusto: 1994. S. 30 ff.

41 Vgl. Kasper, Michael: Baskische Geschichte. S. 6 f.

42 Vgl. Kurlansky, Mark: S. 34 f.

43 Vgl. Naglo, Kristian: Rollen von Sprache in Identitätsbildungsprozessen multilingualer Gesellschaften in Europa: eine vergleichende Betrachtung Luxemburgs, Südtirols und des Baskenlands. Arbeiten zur Sprachanalyse; 50. Frankfurt am Main: Lang: 2007. S. 179.

44 Vgl. Kurlansky, Mark: S. 35. und Niebel, Ingo: S. 26.

45 Vgl. Naglo, Kristian: S. 180.und Kasper, Michael: S. 7 f.

46 Vgl. Kurlansky, Mark: S. 31.

47 Vgl. Labayen, Ramón; Javier Torres Ripa: S. 29 f.

48 Vgl. Kasper, Michael: S. 8ff.

49 Vgl. Niebel, Ingo: S. 26- 29. und Caro Baroja, Julio: Ser o no ser vasco. Espasa selección. Edición de Antonio Carreira. Madrid: Espasa-Calpe: 1998. S. 56 ff.

50 Vgl. Kurlansky, Mark: S. 31.

51 Vgl. ebd. S. 8 ff.; Nicht-Baskisch-Sprecher werden als Erdaldunes bezeichnet.

52 Vgl. Dietrich, Wolf; Horst Geckeler: Einführung in die spanische Sprachwissenschaft. 3., durchg. und akt. Aufl.: Berlin: Erich Schmidt Verlag: 2000. S. 29.

53 Vgl. Niebel, Ingo:. S. 34.

54 Vgl. http://www.lehendakaritza.ejgv.euskadi.net/r48-2312/es/contenidos/informacion/ estatuto_guernica/es_455/adjuntos/estatuto_ley.pdf [Stand: 18.03.2010].

55 Vgl. Kasper, Michael: S. 11.; Das Euskera Batua ist im Großen und Ganzen auf den baskischen Dialekt Guipúzcoas zurückzuführen. Vgl. Kausen, Ernst (2001): URL: homepages.fh- giessen.de/kausen/wordtexte/Baskisch.doc [Stand: 18.03.2010].

56 Vgl. Dietrich, Wolf; Horst Geckeler: S. 29.

57 Vgl. http://www.lehendakaritza.ejgv.euskadi.net/r48-2312/es/contenidos/informacion/ estatuto_guernica/es_455/adjuntos/estatuto_ley.pdf [Stand: 18.03.2010].

58 Vgl. Kausen, Ernst (2001): Baskisch. und http://homepages.fh- giessen.de/kausen/wordtexte/Baskisch.doc [Stand: 18.03.2010].

59 Vgl. Niebel, Ingo: S. 32-37.

60 Das Diagramm in Abbildung 3 im Anhang verdeutlicht die Aufteilung der Sprecher im Baskenland.

61 Römhildt, Kerstin: S. 130.

62 In Abbildung 4 ist ein typisch bäuerlich-baskisches Familienhaus dargestellt.

63 Vgl. Ziesemer, Wilhelm: S. 13 f.

64 Die baskischen Gebiete Iparraldes fielen im 15. Jahrhundert an die französische Krone und lagen demnach ab dieser Zeit nicht mehr im Einflussbereich des spanischen Königshauses.

65 Vgl. Kurlansky, Mark: S. 37.

66 Vgl. Lang, Josef: Das baskische Labyrinth. Unterdrückung und Widerstand in Euskadi. 2., erweiterte Auflage. Frankfurt am Main: isp-Verlag: 1988. S. 19.

67 Vgl. Facaros, Dana & Michael Pauls: Bilbao & the Basque Lands. London: Cadogan Guides: 2008. S. 20.

68 Vgl. http://www.culture.gouv.fr/culture/arcnat/tautavel/es/index.html [Stand: 20.03.2010].

69 zu erwähnen ist hier insbesondere die berühmte Höhle von Altamira in Kantabrien, Spanien.

70 1889-1991.

71 Vgl. Kasper, Michael. S. 12 f.

72 Vgl. Facaros, Dana & Michael Pauls. S. 20.

73 Die Studien Wilhelm von Humboldts bieten hier einen überaus detaillierten Einblick in die physiologischen Besonderheiten des baskischen Volkes.

74 Vgl. ebd. S. 20.

75 Vgl. Kasper, Michael: S. 12 f.

76 Gemeinschaftsgräber, die von senkrechten Steinen verschlossen und von einer Steinplatte bedeckt wurden.

77 Auf Grund des orographischen Geländes erfolgten diese kulturellen Weiterentwicklungen innerhalb der baskischen Gesellschaft jedoch nicht immer zeitgleich.

78 Vgl. Kasper, Michael: S. 13 ff.

79 Eine Verteilung der baskischen Dialekte ist in Abbildung 5 im Anhang grafisch erkennbar gemacht.

80 In Hegoalde die Iberer und Keltiberer; in Iparralde die Gallier.

81 Vgl. ebd. S. 16 f.

82 Vgl. Kurlansky, Mark: S. 38 f.

83 Vgl. Kasper, Michael: S. 16 f.

84 Vgl. Helmerich, Antje: Nationalismus und Autonomie. Die Krise im Baskenland 1975-1981.

Stuttgart: ibidem-Verlag: 2002. S. 73. Mark Kurlansky spricht sogar von einem kompletten Fehlen von Kriegsnachrichten und schließt daraus, dass es keinerlei nennenswerte Kriege zwischen den Römern und den Basken gab. Vgl. Kurlansky, Michael: S. 45 und Kasper, Michael: S. 17.

85 Vgl. Kurlansky, Mark: S. 41 f.

86 Vgl. Lang, Josef: S. 19.

87 Vgl. Kurlansky, Mark: S. 47.

88 Vgl. Facaros, Dana & Michael Pauls: S. 21 f.

89 Vgl. Kasper, Michael: S. 18 f.

90 Vgl. ebd. S. 23. f.

91 Zahlreiche Angriffe von barbarischen Stämmen erschwerten die Situation für die Römer in Westeuropa zusätzlich.

92 Vgl. Kurlansky, Mark: S. 47 ff.; Vgl. Kasper, Michael: S. 25 ff.

93 Vgl. Helmerich, Antje: S. 73.

94 Vgl. Kurlansky, Mark: S. 49 f.

95 Vgl. Kasper, Michael: S. 27 f.

96 Vgl. Letamendía Belzunce, Francisco (Ortzi): Historia de Euskadi : el nacionalismo vasco y ETA. Paris: Ruedo Ibérico: 1975. S. 12.; siehe auch: Kurlansky, Mark: S. 47 f.

97 Vgl. Kurlansky, Mark: S. 50 ff. und Kasper, Michael: S. 27 f.

98 Die Araber waren zu diesem Zeitpunkt schon bis in das fränkische Poitiers vorgedrungen. Siehe hierzu: Lang, Josef: S. 20.

99 Vgl. ebd. S. 20.

100 Vgl. Kurlansky, Mark: S. 51 f. und Kasper, Michael: S. 20 ff.

101 Vgl. Kasper, Michael: S. 20 ff.

102 Verwiesen sei hier auf das im Jahre 1580 erbaute Denkmal (Pasajes San Juan) des Sieges der Basken gegen Karl den Großen.

103 Vgl. Kurlansky, Mark: S. 52 ff. und Kasper, Michael: S. 28.

104 Vgl. Römhildt, Kerstin: S. 21.

105 Vgl. Facaros, Dana & Michael Pauls. S. 22 f.

106 Vgl. Kurlansky, Mark: S. 56.

Ende der Leseprobe aus 117 Seiten

Details

Titel
Die Erfindung Euskadis - Die Gründung des baskischen Nationalismus zur Jahrhundertwende
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen  (Romanische Philologie)
Note
1,5
Autor
Jahr
2010
Seiten
117
Katalognummer
V175669
ISBN (eBook)
9783640966660
ISBN (Buch)
9783640966899
Dateigröße
3309 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
erfindung, euskadis, gründung, nationalismus, jahrhundertwende
Arbeit zitieren
Florian Aurisch (Autor:in), 2010, Die Erfindung Euskadis - Die Gründung des baskischen Nationalismus zur Jahrhundertwende, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/175669

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