Frühförderung. Die heilpädagogische Übungsbehandlung nach von Oy und Sagi


Seminararbeit, 2003

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1. Was ist HPÜ? – Definition der Heilpädagogischen Übungsbehandlung

2. Wesen und Bedeutung des Spiels für das behinderte und das nichtbehinderte Kind
2.1 Was macht das Spiel zum Spiel? - Definition Spiel
2.2 Für das nichtbehinderte Kind
2.3 Für das behinderte Kind
2.4 Spiel und Übung
2.5 Spiel und Lernen
2.6 Spielformen (nach Schenk-Danzinger)
2.7 Besonderheiten im Spiel des behinderten Kindes

3. Methode der heilpädagogischen Übungsbehandlung
3.1 Voraussetzungen
3.2 Bedingungen für alle Begegnungen in der HPÜ
3.3 Durchführung

4. Praxis der Heilpädagogischen Übungsbehandlung
4.1 Raum – Material – Person – Orientierung
4.2 Methodisch-didaktische Überlegungen
4.3 Auswahl und Einsatz von Spielzeug und Spieltätigkeiten

5. Kritische Überlegungen.

Literatur

Einleitung

„Spielend spielen lernen“

C.M. Oy / A. Sagi

Die Methode der Heilpädagogischen Übungsbehandlung wurde von Clara Maria von OY und Alexander Sagi konzipiert. Im Jahre 1975 erschien dazu in erster Auflage das „Lehrbuch der heilpädagogischen Übungsbehandlung“. Mittlerweile existiert es bereits in seiner 10. Auflage.

In ihm werden Erfahrungen und Überlegungen aufgezeigt, wie das Spiel des Kindes als methodische Hilfe für das entwicklungsverzögerte und geistig behinderte Kind eingesetzt werden kann. OY selbst bezeichnet ihre Methode als „Methode mit Herz“, mittels derer bei den Kindern neue Kenntnisse, Fähigkeiten und sinnvolle Verhaltensweisen in Einzel- und Gruppensituationen geweckt, entwickelt und gefestigt werden. Im konzentrierten aufeinander Hören soll unter Berücksichtigung der individuell verschiedenen Möglichkeiten – so wie es die Persönlichkeit des behinderten Menschen unter den gegebenen Umständen verlangt – eine systematische ganzheitliche Förderung erreicht werden. Ein wichtiger Bestandteil ist die Zusammenarbeit mit den Eltern.

In meinen Ausführungen möchte ich das Konzept der Heilpädagogischen Übungsbehandlung nach C.M. Oy und A. Sagi vorstellen. Nach einer allgemeinen Definition gehe ich auf das wesentliche Merkmal ein, dem Spiel. Anschließend wird die Methode der HPÜ differenzierter beschrieben und durch Überlegungen für die Praxis näher beleuchtet. Zum Schluss nehme ich persönlich Stellung zur konzipierten Methode der beiden Autoren des oben aufgeführten Buches.

1. Was ist HPÜ? – Definition der Heilpädagogischen Übungsbehandlung

Die Heilpädagogische Übungsbehandlung, kurz auch HPÜ genannt, ist nach Clara Maria von OY und Alexander SAGI eine, Methode der systematischen Hilfe für entwicklungsgestörte und geistig behinderte Menschen, vor allem für Kinder und Jugendliche. Im Spiel und durch das Spiel werden bei den Kindern neue Kenntnisse, Fähigkeiten und sinnvolle Verhaltensweisen angeregt. Dies geschieht durch ein ausgewogenes Angebot von Übungseinheiten und unter Beachtung der individuellen Möglichkeiten. In Einzel- und Gruppensituationen werden die geweckten Prozesse weiterentwickelt und gefestigt.

Bei der HPÜ werden alle Fähigkeiten gefördert: also emotionale, sensorische, motorische, soziale und kognitive Fähigkeiten. Somit ist das Konzept der Heilpädagogischen Übungsbehandlung grundsätzlich auf die Gesamtförderung des Kindes ausgerichtet.

Betrifft die Störung nur Teilbereiche (Teilleistungsschwächen unterschiedlicher Ursachen) sollen diese durch ein vielfältiges Angebot an Erfahrungs- und Handlungsmöglichkeiten in der optischen, akustischen sowie taktilen Erfassung und Differenzierung der Umwelt ausgeglichen werden.

Ein Integrativer Bestandteil der HPÜ ist die Zusammenarbeit mit den Eltern der entwicklungsgestörten Kinder.

2. Wesen und Bedeutung des Spiels für das behinderte und das nichtbehinderte Kind

2.1 Was macht das Spiel zum Spiel? - Definition Spiel

Entwicklungspsychologisch betrachtet zeichnet sich das Spiel des Kindes durch folgende Merkmale aus: Der Sinn des Spiels liegt in sich selbst. Eigene Ideen werden kreativ umgesetzt, was den Spielenden Spaß und Freude bereitet. Kinder spielen von sich aus, d.h. sie sind intrinsisch motiviert. Das Spiel ist jede Tätigkeit, die um ihrer selbst willen getan wird. Es ist dem Entwicklungstand des Kindes entsprechend und ein spontanes und angeborenes Verhalten, was nicht unmittelbar zweckmäßig und lebenserhaltend erscheint. Beim Spielen werden alle Sinne angeregt, das Sozialverhalten geschult wie auch der Umgang mit Erfolg und Misserfolg. Äußerst wichtige Merkmale sind die Zweckfreiheit, die Folgenlosigkeit und der fehlende Leistungsdruck.

Für die Entwicklung des Kindes ist das Spiel von besonderer Bedeutung. Funktionen (motorische, sprachliche, soziale, kognitive) werden entwickelt, Handlungskompetenzen aufgebaut, das Erkennen des Sinns von Erlebnissen und die Verarbeitung von Situationen, Ängsten u.v.m. wird unterstützt.

Wird das Kind aber ganz oder teilweise längere Zeit am Spielen gehindert, so weist es nachher schwere Entwicklungsschäden auf.

2.2 Für das nichtbehinderte Kind

Die Aktivität und die Initiative zum Spiel entwickeln sich beim nichtbehinderten Kind gleichsam von selbst. Dabei muss Raum, Spielmaterial, Zeit, Ruhe, eine spannungsfreie Atmosphäre und zeitweise die Bereitschaft zum Mitspielen gewährt werden.

Durch Beobachtung, Nachahmung und Übung lernt das Kind spielend den Umgang mit den Dingen seiner erreichbaren Umgebung und entwickelt so ein Verhältnis zur Umwelt.

Spiel hat keinen materiellen Zweck, keinen Leistungs- oder Erfolgszwang. Sein Wert besteht in der spielerischen Tätigkeit an sich. Für spätere Fähigkeiten hat das Spiel eine enorme Bedeutung: Körperliche Geschicklichkeit, die Beherrschung der Sprache als Ausdrucks- und Informationsmittel, die Einübung von sozialen Verhaltensweisen, die Entwicklung von Verhaltensstrategien beim problemlösenden Denken und Handeln werden geschult. Das Spiel ist keine Lehre, sondern eine Erprobung. Nichtsdestotrotz lernt das Kind im Spiel, erwirbt mit seiner Tätigkeit Fähigkeiten und Fertigkeiten, macht neue Erfahrungen und wird gleichzeitig auf Erwachsenenalter vorbereitet.

2.3 Für das behinderte Kind

Nach OY/SAGI (1994) sind die Möglichkeiten der Entwicklung und Bildung im Spiel für das behinderte Kind, das sich selbst überlassen bleibt, sehr gering oder gar nicht vorhanden. Der Grund dafür liegt in der häufig fehlenden Eigenaktivität und Initiative sowie der mangelnden Fähigkeit zur Nachahmung und zur Übung.

Bei behinderten Kindern muss dies - was sich bei nichtbehinderten Kindern spontan entwickelt - erst geweckt, planvoll entwickelt und systematisch aufgebaut werden. Durch das Spiel soll das behinderte Kind in Kontakt zu seiner Umwelt treten und sich aus seiner Passivität und Ich-Verhaftung lösen. Vorab geschieht dies unter Mitwirkung einer Bezugsperson, später immer selbständiger.

Der Therapeut muss dem Kind helfen, die ihm möglichen Entwicklungsschritte im Spiel zu vollziehen, im Spiel neue Ausdrucksmittel zu finden und die Möglichkeit haben eigene Probleme zu verarbeiten Hierzu ein Beispiel, in welchem dies deutlich wird.

„Ulrich ist sechs Jahre alt und geistig behindert. Erhat große Angst vor Hunden. Eines Tages entdeckt er in einem Puppenhaus einen kleinen schwarzen Plastikhund und beginnt mörderisch zu schreien. In der nächsten Spielstunde wirft er diesen Hund in eine Zimmerecke. In der darauffolgenden Woche nimmt er den Hund und sperrt ihn in die Hundehütte ein. In der vierten Spielstunde setzt Ulrich den Hund auf den Balkon des Puppenhauses. In der fünften Stunde lässt er den Hund durch die Küche spazieren, in der sechsten das Puppenhaus bewachen. In der siebten Stunde hockt Ulrich neben dem Hund auf dem Boden und bellt.“ (C.M.,OY/A.SAGI(1994:74))

Durch eine gemachte Erfahrung hatte der sechsjährige Junge große Angst gegenüber Hunden. Mit Hilfe des Heilpädagogen wird das geistig behinderte Kind behutsam durch das vorbereitete und angebotene Spiel zu Eigenaktivität und Initiative, zur Nachahmung und Übung geführt. Entsprechend der Ausgangssituation des Kindes wurde der Raum vorbereitet, entsprechendes Spielmaterial, Zeit und Ruhe zur Verfügung gestellt. In der spannungsfreien fröhlichen Atmosphäre und die Bereitschaft des Erwachsenen, sich an dem Spiel zu beteiligen, wurde dem Jungen die Möglichkeit geboten eine Entwicklung zu vollziehen, die er allein noch nicht machen konnte.

2.4 Spiel und Übung

Auch in der Übung ist das Spiel von Bedeutung. Übung ist das unermüdliche Wiederholen und Vervollkommnen von motorischen und sensomotorischen Tätigkeiten. Dabei ist für das Kind kein hohes Maß an Anregung nötig.

Nach dem von KLENNER 1971 erstmalig vorgetragenen Konzept der Heilpädagogischen Übungsbehandlung „geht es beim Üben um das Ausbilden bestimmter Funktionen zu Fertigkeiten und im weiteren Übungsverlauf zu Fähigkeiten. Letztere sind eine Voraussetzung für den selbständigen und virtuosen Umgang im alltäglichen Leben.“ (D. LOTZ (1994: 155))

In der HPÜ gilt es Übungen in Spiel zu verwandeln bzw. umgekehrt spielend zu üben. So lautet das Richtziel: „Das Kind soll spielend spielen lernen.“ (C.M.,OY/A.SAGI (1994: 77))

Als methodische Hilfe bedeutet das Spiel die Wiederholung einer Betätigung mit dem Mittel „Spiel“, um Kenntnisse, Fertigkeiten und soziale Verhaltensweisen auszubauen. Demnach ist das Spiel das Mittel und die Übung die Methode.

Extremformen schließen sich dabei allerdings aus. Das bedeutet, dass Freies Spiel (ungelenkt) auf Dauer dem behinderten Kind nicht helfen wird. Nur in der Beobachtungsphase ist der Einsatz dieses sinnvoll. Aber auch die systematische Übung, bei der das Kind über einige Zeitabschnitte nicht mehr die Freiheit besitzt über die Behandlung selbst zu bestimmen, verliert ihr wichtigstes Mittel und kann wegen fehlender Motivation nicht zum Erfolg führen.

Statt langweiliger Wiederholungen sollen die einzuübenden Fertigkeiten mit immer neuen Spiel-Material-Angeboten lebendig, erfrischend und fröhlich mit einer gewissen Leichtigkeit durchgeführt werden.

2.5 Spiel und Lernen

Das Kind kommt im Spiel durch Erfahrungen zu neuen Kenntnissen, Fertigkeiten und Verhaltensweisen. Es hat also etwas gelernt.

Dies ist aber nur dann produktiv, wenn das Gelernte von konkreten Situationen abstrahiert und auf eine möglichst große Zahl ähnlicher Situationen übertragen werden kann. Praktischen Ziel der HPÜ ist somit der Transfer oder die Übungsübertragung. Beispielsweise kann das an einem bestimmten Schuh geübte Schleifenbinden nun auf alle anderen Schuhe mit Schnürsenkeln übertragen werden.

2.6 Spielformen (nach Schenk-Danzinger)

Nach der Einteilung von Schenk-Danziger werden vier Arten von Spielen unterschieden.

So gibt es Funktionsspiele, „die das Kind aus Freude an der Bewegung und an zufällig bewirkten Veränderungen ausführt.“

(C.M.,OY/A.SAGI (1994: 99))

Funktionsspiele können ohne und mit Spielmaterial ablaufen, so zum Beispiel das Spielen des Kindes mit dem eigenen Körper (es kriecht, läuft, klettert, hüpft u.a.) oder die Auseinandersetzung des Kindes mit seiner dinglichen Umwelt (Papier zerknittern, Behälter öffnen und schließen u.a.)

Durch die Funktionsspiele erwirbt das Kind einen Erfahrungsschatz hinsichtlich der Materialqualität der dinglichen Umwelt. Es beginnt zu koordinieren, zu kategorisieren und stellt erste „Wenn-dann-Beziehungen“ her.

Eine weitere Kategorie bilden die Rollenspiele, bekannt auch unter den Bezeichnungen: Illusions-, Darstellungs-, Deutungs- oder Nachahmungsspiel. Als Beispiele seien hier die Nachahmung von „Zeitung lesen“ und „im Garten arbeiten“ genannt, welche die frühesten Formen von Rollenspielen sind. Später kommt es zum „So-tun-als-ob man eine Katze wäre“ oder zu „Familie spielen“. Diese Spielform ermöglicht dem Kind sich mit Personen, deren Tätigkeiten und Beziehungen zueinander auseinander zusetzen und verschiedene Formen sozialen Verhaltens zu erproben. So ist es eine geeigneter Weg frühzeitig unterlässliche Bedingungen der späteren Gruppen- und Gemeinschaftsfähigkeit einzuüben, wobei sich gleichzeitig auch der emotionale Bereich des Kindes entwickelt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Frühförderung. Die heilpädagogische Übungsbehandlung nach von Oy und Sagi
Hochschule
Universität Leipzig  (Förderpädagogik)
Note
1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
22
Katalognummer
V17476
ISBN (eBook)
9783638220491
ISBN (Buch)
9783638645249
Dateigröße
402 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Konzept, Frühförderung
Arbeit zitieren
Nadja Hinze (Autor:in), 2003, Frühförderung. Die heilpädagogische Übungsbehandlung nach von Oy und Sagi, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17476

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