Betriebskosten

Von der Vereinbarung im Vertrag bis zur Abrechnung


Skript, 2011

95 Seiten


Leseprobe


Gliederung:

I. gesetzliche Grundlagen

II. die notwendigen mietvertraglichen Regelungen

III. Abrechnung, Form und Fristen
1. die Abrechnungsfrist
a) gesetzliche Regelung für Wohnraum
b) Was geschieht, wenn Sie nicht abrechnen? Wie lange dürfen Sie ab rechnen?
c) unverschuldete Verspätung
2. die Form der Abrechnung

IV. Einwendungen des Mieters, Belegeinsicht usw.
1. Einwendungsfrist
2. formelle Einwendungen
3. inhaltliche Einwendungen
a) Umlageschlüssel
b) Einbezug nicht zu tragender Kosten
c) Wirtschaftlichkeitsgebot
4. Belegeinsicht

V. Die einzelnen Betriebskostenarten 45 nach der Betriebskostenverordnung vom 25.11.2003
1. die laufenden öffentlichen Lasten des Grundstücks, hierzu gehört namentlich die Grundsteuer
a) Grundsätzliches
b) Grundsteuer
c) gemischte Nutzung des Gebäudes
2. die Kosten der Wasserversorgung
a) Grundsätzliches
b) In diesem Zusammenhang zu beachtende jüngere Rechtsprechung
c) Eichung
d) gemischte Nutzung des Gebäudes
3. die Kosten der Entwässerung
a) Grundsätzliches
b) gemischte Nutzung des Gebäudes
c) Sprengwasserabzug
4a. die Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage einschließlich der Ab gasanlage
a) Grundsätzliches
b) In diesem Zusammenhang zu beachtende jüngere Rechtsprechung
c) Kosten der Zwischenablesung Zwingende Aufteilung der Kosten nach der Heizkostenverordnung zwischen Verbrauch und Wohnfläche im Verhältnis 70:
4b. die Kosten des Betriebs der zentralen Brennstoffversorgungsanlage
4c. die Kosten der eigenständig gewerblichen Lieferung von Wärme, auch aus An lagen im Sinne des Buchstabens a
a) Grundsätzliches
b) Wärmecontracting
c) In diesem Zusammenhang zu beachtende jüngere Rechtsprechung
4d. die Kosten der Reinigung und Wartung von Etagenheizungen und Gaseinzel feuerstätten
5a. die Kosten des Betriebs der zentralen Warmwasserversorgungsanlage
5b. die Kosten der eigenständig gewerblichen Lieferung von Warmwasser, auch aus Anlagen im Sinne des Buchstabens a
5c. die Kosten der Reinigung und Wartung von Warmwassergeräten
6. die Kosten verbundener Heizungs- und Warmwasserversorgungsanlagen
7. die Kosten des Betriebs des Personen- oder Lastenaufzugs
a) Grundsätzliches
b) In diesem Zusammenhang zu beachtende jüngere Rechtsprechung
c) Vollwartungsverträge
d) Einbeziehung der Erdgeschossmieter
8. die Kosten der Straßenreinigung und Müllbeseitigung
a) Grundsätzliches
b) In diesem Zusammenhang zu beachtende jüngere Rechtsprechung
c) Winterdienst
d) Altmietverträge
e) Sperrmüll
9. die Kosten der Gebäudereinigung und Ungezieferbekämpfung
a) Grundsätzliches
10. die Kosten der Gartenpflege
a) Grundsätzliches
b) Baumfällkosten
11. die Kosten der Beleuchtung
12. die Kosten der Schornsteinreinigung
13. die Kosten der Sach- und Haftpflichtversicherung
a) Grundsätzliches
b) In diesem Zusammenhang zu beachtende jüngere Rechtsprechung
c) gemischte Nutzung des Gebäudes
d) Exkurs: Pflicht des Mieters zum Abschluss einer Haus- oder Haftpflichtversicherung
14. die Kosten für den Hauswart
a) Grundsätzliches
b) In diesem Zusammenhang zu beachtende jüngere Rechtsprechung
c) Pförtner
d) pauschaler Abzug für Verwaltungs- und Instandsetzungsarbeiten
15a. die Kosten des Betriebs der Gemeinschafts-Antennenanlage
a) Grundsätzliches
b) Urheberrechtsgebühren in Altmietverträgen
15b. die Kosten des Betriebs der mit einem Breitbandkabelnetz verbundenen priva ten Verteilanlage
16. die Kosten des Betriebs der Einrichtungen für die Wäschepflege
17. sonstige Betriebskosten
a) Grundsätzliches
b) Wartungskosten
c) einzelne, gängige weitere Kostenarten und ihre Umlagefähigkeit

VI. Betriebskosten im Gewerberaummietrecht

1. Die rechtlichen Rahmenbedingungen

2. In diesem Zusammenhang zu beachtende jüngere Rechtsprechung

I. gesetzliche Grundlagen

Mietrecht ist Vertragsrecht. Das Gesetz selbst ordnet nicht an, wie die Mietzinsstruktur zu gestalten ist, sondern verweist auf die Vereinbarung der Parteien. Der Mieter schuldet daher keine Betriebskosten, wenn das nicht nach dem Mietvertrag so vorgesehen ist, und auch alles weitere muß eindeutig festgelegt werden. Das Gesetz zeigt dann nur noch bestimmte Grenzen auf. Im einzelnen:

Sie können vereinbaren, daß Betriebskosten neben der Miete nicht gesondert berech- net werden (Inklusiv- oder Bruttomiete) oder nur teilweise (Bruttokalt-, Teilinklusivmie- te), daß der Mieter statt konkreter Betriebskosten eine Pauschale neben der Netto- kaltmiete zahlt (Betriebskostenpauschale) oder daß er teilweise eine Pauschale zahlt und teilweise Vorauszahlungen oder eine Inklusivmiete; am häufigsten ist aber die Ver- einbarung einer Nettokaltmiete und genau berechneter Betriebskosten nach Abrech- nung, auf die der Mieter während des laufenden Jahres Vorauszahlungen leistet. Diese Variante macht allen Beteiligten am meisten Arbeit, ist aber am genauesten, weil der Mieter hier (nach der Theorie) nur konkret das zahlt, was auf ihn und seinen Verbrauch entfällt und der Vermieter (in der Theorie) jedenfalls die reine Miete auch erhält, ohne hiervon Kostenbelastungen, die auf den Mieter und seinen Verbrauch entfallen, über- nehmen zu müssen. Die Rendite des Objekts wird so kalkulierbar.

Dem entsprechend verteilen sich die möglichen Vertragsvarianten am Markt: Einzelei- gentümer, die selbst verwalten, scheuen vor den Abrechnungen und Auseinanderset- zungen mit den Mietern eher zurück und vereinbaren Inklusiv- oder Pauschalmieten, während professionelle Vermögensverwaltungen ausschließlich Nettokalt- und Voraus- zahlungsverträge anbieten. Die weiteren Ausführungen betreffen ausschließlich Vo- rauszahlungsverträge.

Folgende gesetzliche Vorschriften befassen sich mit Betriebskosten:

§ 556 BGB. Vereinbarungen über Betriebskosten.

(1) Die Vertragsparteien können vereinbaren, dass der Mieter Betriebskosten trägt. Betriebskosten sind die Kosten, die dem Eigentümer oder Erbbauberechtigten durch das Eigentum oder das Erbbaurecht am Grundstück oder durch den be stimmungsmäßigen Gebrauch des Gebäudes, der Nebengebäude, Anlagen, Einrichtungen und des Grundstücks laufend entstehen. Für die Aufstellung der Betriebskosten gilt die Betriebskostenverordnung vom 25. November 2003 (BGBl. I S. 2346, 2347) fort. Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Vorschriften über die Aufstellung der Betriebskosten zu erlassen.

(2) Die Vertragsparteien können vorbehaltlich anderweitiger Vorschriften vereinba- ren, dass Betriebskosten als Pauschale oder als Vorauszahlung ausgewiesen werden. Vorauszahlungen für Betriebskosten dürfen nur in angemessener Höhe vereinbart werden.

(3) Über die Vorauszahlungen für Betriebskosten ist jährlich abzurechnen; dabei ist der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Die Abrechnung ist dem Mie- ter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrech- nungszeitraums mitzuteilen. Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung einer Nachforderung durch den Vermieter ausgeschlossen, es sei denn, der Vermieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten. Der Vermieter ist zu Teilabrechnungen nicht verpflichtet. Einwendungen gegen die Abrech- nung hat der Mieter dem Vermieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Zugang der Abrechnung mitzuteilen. Nach Ablauf dieser Frist kann der Mieter Einwendungen nicht mehr geltend machen, es sei denn, der Mieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten.

(4) Eine zum Nachteil des Mieters von Absatz 1, Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

§ 556a BGB. Abrechnungsmaßstab für Betriebskosten.

(1) Haben die Vertragsparteien nichts anderes vereinbart, sind die Betriebskosten vorbehaltlich anderweitiger Vorschriften nach dem Anteil der Wohnfläche umzu- legen. Betriebskosten, die von einem erfassten Verbrauch oder einer erfassten Verursachung durch die Mieter abhängen, sind nach einem Maßstab umzule- gen, der dem unterschiedlichen Verbrauch oder der unterschiedlichen Verursa- chung Rechnung trägt.

(2) Haben die Vertragsparteien etwas anderes vereinbart, kann der Vermieter durch Erklärung in Textform bestimmen, dass die Betriebskosten zukünftig ab- weichend von der getroffenen Vereinbarung ganz oder teilweise nach einem Maßstab umgelegt werden dürfen, der dem erfassten unterschiedlichen Ver- brauch oder der erfassten unterschiedlichen Verursachung Rechnung trägt. Die Erklärung ist nur vor Beginn eines Abrechnungszeitraums zulässig. Sind die Kosten bislang in der Miete enthalten, so ist diese entsprechend herabzuset- zen.

(3) Eine zum Nachteil des Mieters von Absatz 2 abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

§ 560 BGB. Veränderungen von Betriebskosten.

(1) Bei einer Betriebskostenpauschale ist der Vermieter berechtigt, Erhöhungen der Betriebskosten durch Erklärung in Textform anteilig auf den Mieter umzule- gen, soweit dies im Mietvertrag vereinbart ist. Die Erklärung ist nur wirksam, wenn in ihr der Grund für die Umlage bezeichnet und erläutert wird.

(2) Der Mieter schuldet den auf ihn entfallenden Teil der Umlage mit Beginn des auf die Erklärung folgenden übernächsten Monats. Soweit die Erklärung darauf be- ruht, dass sich die Betriebskosten rückwirkend erhöht haben, wirkt sie auf den Zeitpunkt der Erhöhung der Betriebskosten, höchstens jedoch auf den Beginn des der Erklärung vorausgehenden Kalenderjahres zurück, sofern der Vermieter die Erklärung innerhalb von drei Monaten nach Kenntnis von der Erhöhung ab- gibt.

(3) Ermäßigen sich die Betriebskosten, so ist eine Betriebskostenpauschale vom Zeitpunkt der Ermäßigung an entsprechend herabzusetzen. Die Ermäßigung ist dem Mieter unverzüglich mitzuteilen.

(4) Sind Betriebskostenvorauszahlungen vereinbart worden, so kann jede Ver- tragspartei nach einer Abrechnung durch Erklärung in Textform eine Anpassung auf eine angemessene Höhe vornehmen.

(5) Bei Veränderungen von Betriebskosten ist der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu beachten.

(6) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

Des weiteren gibt es zwei Verordnungen, eine für Betriebs- und eine für Heizkosten. Im Sozialwohnungsbau gelten zusätzliche spezielle Vorschriften, auf die wir hier nicht näher eingehen wollen.

II. die notwendigen mietvertraglichen Regelungen

Zu einer mietvertraglichen Vereinbarung über Betriebskosten gehört erstens die Regelung, daß der Mieter die Betriebskosten zu tragen hat. Damit ist noch nicht gesagt, welche das sind. Der Gesetzgeber hat mit der für Verträge ab dem 01.01.2004 geltenden BetrKVO festgelegt, was maximal bei Wohnraummiete als Betriebskosten auf den Mieter weitergereicht werden darf. Daher ist eine Bezugnahme auf die BetrKVO im Mietvertrag sinnvoll. Da es sich bei Mietverträgen um AGB handelt, halten wir es für notwendig, die einzelnen Kostenarten zudem schlagwortartig zu bezeichnen oder die BetrKVO als Vertragsbestandteil und Anlage beizufügen.

Zweitens ist festzulegen, daß der Mieter monatliche Vorauszahlungen in einer bestimmten Höhe neben der Miete auf die Betriebskosten zu zahlen hat und über diese nach den gesetzlichen Bestimmungen jährlich abgerechnet wird.

Drittens sollte festgelegt sein, nach welchem Umlageschlüssel die Betriebskosten vom Mieter zu übernehmen sind und abgerechnet werden (qm, Verbrauch, anteilig Verbrauch und Wohnfläche, welcher Anteil usw., pro Wohnung, pro Kopf...).

Es sollte eine Fälligkeitsregelung für Abrechnungsergebnisse enthalten sein.

Sodann sollten Sie sich vorbehalten, die monatlichen Vorauszahlungen je nach dem Ergebnis der Abrechnung auf eine angemessene, die zukünftige Kostenbelastung be- rücksichtigende Höhe anzupassen und ggf. neu entstehende Kosten neu einzuführen.

Schließlich ist es zweckmäßig, im Mietvertrag darauf hinzuweisen, von wann bis wann der Abrechnungszeitraum des Hauses läuft - üblicherweise das Kalenderjahr, aber nicht zwingend. So wird bspw. im süddeutschen Raum ein an der Heizperiode orientierter Abrechnungszeitraum häufig verwandt. Aber auch jeder andere Zeitraum ist zulässig, sofern er exakt ein Jahr beträgt.

Falls in die Abrechnung Betriebskosten anderer Häuser einbezogen werden sollen (Wirtschaftseinheit), empfehlen wir, bereits im Mietvertrag darauf hinzuweisen und konkret zu bezeichnen, was alles zu der Wirtschaftseinheit dazugehört. Die Zusammenfassung mehrerer Objekte zu Wirtschaftseinheiten ist nicht immer unproblematisch, wenn der Mieter a) die Tatsache als solche und b) den Umfang der einbezogenen Objekte aus seinem Mietvertrag nicht erkennen konnte.

III. Abrechnung, Form und Fristen

1. die Abrechnungsfrist

a) gesetzliche Regelung für Wohnraum

Die Abrechnung ist innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Abrechnungszeitraums fällig, also für den Abrechnungszeitraum „Kalenderjahr 2010“ mit Ablauf des Kalenderjahres 2011. § 556 Abs. 3 BGB schreibt hierzu vor:

„Über die Vorauszahlungen für Betriebskosten ist jährlich abzurechnen Die Abrechnung ist dem Mieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen. Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung einer Nachforderung durch den Vermieter ausgeschlossen, es sei denn, der Vermieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten. Der Vermieter ist zu Teilabrechnungen nicht verpflichtet.“

Rechtsfolge einer verspäteten Abrechnung ist hiernach, daß Nachforderungen ausgeschlossen sind. „Nachforderung“ ist nicht, was der Mieter unter dem Strich nachzahlen muß. Das gilt nur, wenn der Mieter sämtliche Vorschüsse erbracht hat. Sind Vorschüsse offen, dann bleiben sie das auch begrifflich; „Nachforderung“ ist nur die darüber hinaus gehende Differenz:

BGH vom 31.10.2007 zum Az. VIII ZR 261/06, Leitsatz zu 3):

„Aufgrund einer nach Ablauf der Abrechnungsfrist (§ 556 Abs. 3 Satz 2 BGB) erteilten Abrechnung kann der Vermieter Betriebskosten bis zur Hö- he der vereinbarten Vorauszahlungen des Mieters auch dann verlangen, wenn der Mieter diese Vorauszahlungen nicht erbracht hat, denn es han- delt sich nicht um Nachforderungen im Sinne von § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB (Fortführung des Senatsurteils vom 9. März 2005, VIII ZR 57/04).“

Abrechnen können Sie nur über das, was Sie erhalten haben, also über die tatsächli- chen Zahlungseingänge und Kosten. Es empfiehlt sich mit Blick auf die vorgenannte Rechtsprechung allerdings, bei offenen Vorauszahlungsforderungen solcherlei in der Abrechnung zu vermerken und zwischen offenen Vorschüssen und Nachzahlungsbetrag zu differenzieren.

Beispiel:

Die monatlichen Vorauszahlungen 2010 beliefen sich auf 100,- Euro. Im Juni und Juli hat der Mieter sie nicht gezahlt, sonst schon, so daß für das Kalenderjahr 2010 insgesamt Vorschüsse iHv. 1.000,- Euro eingegangen sind.

Die Abrechnung sieht nun wie folgt aus:

a) angefallene Kosten 1.375,- Euro
b) geleistete Vorauszahlungen 1.000,- Euro gesamt (Nachzahlung) 375,- Euro

Der Mieter hätte statt der gezahlten 1.000,- Euro jedoch (12 x 100,- Euro =) 1.200,- Euro zahlen sollen. Dann würde sich die Differenz nur auf 175,- Euro be- laufen. Wertete man die gesamten 375,- Euro als „Nachzahlung“ im Sinne des § 556 Abs. 3 BGB, dann würde derjenige Mieter einen Vorteil erzielen, welcher sich nicht rechtstreu verhält und Miete schuldig bleibt. Daher wenden die Gerichte die Vorschrift nur auf die 175,- Euro an. Die fehlenden 200,- Euro bleiben „nicht ge- zahlte Vorauszahlung“. Damit das keiner übersieht, sollte man es vermerken, etwa:

a) angefallene Kosten 1.375,- Euro
b) geleistete Vorauszahlungen 1.000,- Euro gesamt (Nachzahlung) 375,- Euro (darin enthaltene offene Vorschüsse: 200,- Euro)

Wird obige Abrechnung erst im Jahr 2012 erstellt und damit zu spät, könnte der Vermieter also weiterhin die noch offenen 200,- Euro verlangen, die darüber hinaus gehenden 175,- aber nicht.

Wenn im Ergebnis der Abrechnung immer ein Guthaben steht, hat eine Verspätung keine unmittelbaren Konsequenzen. Es ist deswegen günstig, wenn die Vorauszah- lungen ausreichend bemessen sind, um Nachforderungen möglichst zu vermeiden. Sie sollten im Mietvertrag verankern, daß Sie bei Neufestsetzung von Vorschüssen zu- sätzlich zur Kostenprognose für das kommende Jahr auf Basis der Abrechnung einen Zuschlag von 10% berücksichtigen dürfen. Andernfalls könnte es schwierig werden, über die angefallenen Kosten der Vergangenheit hinaus angemessen zu erhöhen, selbst wenn Steigerungen absehbar sind. Das Thema ist nicht unstrittig, allein unter den Berliner Amtsgerichten werden mehrere Auffassungen vertreten. Entscheidungen wie nachstehende führen dann fast zwangsläufig dazu, daß Sie der tatsächichen Kos- tenentwicklung - meist jährliche Steigerungen in erheblichem Umfang - immer hinter- herlaufen:

Anpassung der Vorauszahlungen

AG Schöneberg, Urteil vom 14.10.2009 zum Az. 12 C 314/09

Der Vermieter ist bei einer Anpassung der Nebenkostenvorauszahlungen nach § 560 IV BGB nicht berechtigt, einen „Sicherheitszuschlag“ bis zu 10% festzusetzen.

Ob der Vermieter einen sog. „Sicherheitszuschlag“ im Hinblick auf etwaige Preis- steigerungen verlangen darf, ist umstritten. Das erkennende Gericht hält dies für nicht angemessen. Es mag zwar sein, dass die Betriebskosten - langfristig be- trachtet - steigen, von Jahr zu Jahr sind aber auch Kostenermäßigungen keines- wegs selten. So entwickeln sich insbesondere die Heizkosten je nach Energie- preis- und Temperaturschwankungen höchst unterschiedlich. Deshalb ist es kei- neswegs selbstverständlich, dass die Betriebskosten des nächsten Jahres höher ausfallen als die gerade abgerechneten. Außerdem hat der Vermieter keinen An- spruch auf eine Überdeckung, also eine höhere Vorauszahlung, als sie zur De- ckung der der voraussichtlichen Betriebskosten erforderlich ist. Ein Sicherheitszu- schlag von 10 % erscheint schließlich unter dem Gesichtspunkt der Sicherheits- leistung problematisch, weil damit möglicherweise eine unzulässige, über die Höchstgrenze von § 551 Abs.1 BGB (Regelung betreffend Mietkautionen) hinaus- gehende Sicherheit verlangt wird, obwohl insoweit eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung nach § 551 Abs.4 BGB unwirksam wäre.

Ihr Anspruch auf eine Nachforderung aus der Abrechnung wird fällig, sobald eine ord- nungsgemäße Abrechnung erstellt wurde (BGH Az. VIII ZR 108/02; Vlll ZR 168/03; VIII ZR 78/05). Es ist umstritten, inwieweit das Prüfungsrecht des Mieters Auswirkungen auf die Fälligkeit hat. Er unterliegt nach § 195 BGB der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Zugang der Abrechnung beim Mieter, denn ein Anspruch entsteht mit seiner Fälligkeit (BGH vom 19.12.1990 zum Az. VIII ARZ 5/90).

b) Was geschieht, wenn Sie nicht abrechnen? Wie lange dürfen Sie abrechnen?

Die Zahlungen des Mieters auf „Vorschüsse“ ist nichts, was Sie dauerhaft behalten dürfen, wenn Sie nicht irgendwann auch Rechnung darüber legen. Das ist bereits im Wort „Vorschuß“ oder „Vorauszahlung“ angelegt und findet zudem Niederschlag in § 259 BGB:

§ 259 BGB. Umfang der Rechenschaftspflicht.

(1) Wer verpflichtet ist, über eine mit Einnahmen oder Ausgaben verbundene Ver- waltung Rechenschaft abzulegen, hat dem Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, Belege vorzulegen.

(2) ...

Während des laufenden Mietverhältnisses kann der Mieter sein Geld allerdings nicht zurückfordern (BGH vom 29.03.06 zum Az. Vlll ZR 191/05). Er hat statt dessen andere Rechte: zunächst kann er an den laufenden Vorschüssen ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB ausüben. Zusätzlich kann er auf Erteilung der Abrechnung klagen. Der Anspruch unterliegt der Regelverjährung und beginnt am ersten Tag nach Ablauf der Abrechnungsfrist; er beträgt damit im Ergebnis vier Jahre (LG Neubrandenburg 09.09.2003 zum Az. 1 T 45/03).

Wohnraummiete: Zurückbehaltungsrecht des Mieters hinsichtlich laufender Nebenkostenvorauszahlungen mangels fristgerechter Betriebskostenabrechnung des Vermieters

BGH, Urteil vom 29.03.2006 zum Az. VIII ZR 191/05

In einem bestehenden Mietverhältnis über Wohnraum kann der Mieter nicht die vollständige Rückzahlung der geleisteten Abschlagszahlungen verlangen, wenn der Vermieter nicht fristgerecht über die Betriebskosten eines Abrechnungszeitraums abgerechnet hat. In diesem Fall ist der Mie- ter dadurch hinreichend geschützt, dass ihm bis zur ordnungsgemäßen Abrechnung des Vermieters gemäß § 273 Abs. 1 BGB ein Zurückbehaltungsrecht jedenfalls hinsichtlich der laufenden Nebenkostenvorauszahlungen zusteht (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 9. März 2005 - VIII ZR 57/04, NJW 2005, 1499).

Mit dem Ende des Mietverhältnisses entsteht, wenn immer noch keine Abrechnung vorliegt, sodann ein Anspruch auf Rückzahlung.

Wohnraummiete: Klage des Mieters auf Rückzahlung der Abschlagszahlungen bei nicht fristgerecht abgerechneten Betriebskosten nach Mietende, zulässige nachträgliche Abrechnung und Klage des Vermieters auf Zahlung von Nachforderungen BGH, Urteil vom 09.03.2005 zum Az. VIII ZR 57/04

Rechnet der Vermieter nicht fristgerecht über die Betriebskosten eines Abrechnungszeitraumes ab, so kann der Mieter, wenn das Mietverhältnis beendet ist, sogleich die vollständige Rückzahlung der geleisteten Ab- schlagszahlungen verlangen; er ist nicht gehalten, zuerst auf Erteilung der Abrechnung zu klagen. In einem solchen Fall hindert auch die Rechtskraft eines der Klage des Mieters stattgebenden Urteils den Vermieter nicht da- ran, über die Betriebskosten nachträglich abzurechnen und eine etwaige Restforderung einzuklagen.

Mit der vorstehenden grundlegenden Entscheidung führte der BGH aus, daß der Mieter gegen den Vermieter einen Anspruch auf vollständige Rückzahlung der geleisteten Vorschüsse hat, falls der Vermieter seiner Pflicht zur Abrechnung nicht fristgerecht nachkommt. Der Mieter muß nicht zuerst auf Erteilung der Abrechnung klagen und auch nicht die voraussichtlich angefallenen Betriebskosten vortragen. Der Anspruch ergibt sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB, weil die gesetzliche Abrechnungsfrist sonst weitgehend wirkungslos bliebe.

Dieser Anspruch des Mieters ist allerdings vorläufig und „zur Zeit begründet“. Es steht Ihnen weiterhin frei, eine ordnungsgemäße Abrechnung zu erteilen; sobald sie vorliegt, erledigt sich der Rückzahlungsanspruch des Mieters. Das geht auch noch während des laufenden Prozesses und sogar danach, selbst wenn bereits Rechtskraft eingetre- ten ist.

Beispiel:

Im Jahr 2007 hat der Mieter insgesamt 1.200,- Euro Vorschüsse gezahlt. Im Jahr 2009 endet das Mietverhältnis, das Jahr 2007 ist weiterhin nicht abgerechnet. Der Mieter klagt auf Rückzahlung sämtlicher Vorschußzahlungen 2007 und gewinnt, es ergeht Zahlungsurteil gegen den Eigentümer in voller Höhe. Das Urteil wird im April 2011 rechtskräftig. Im Mai 2011 erhalten Sie Post vom Gerichtsvollzieher, welcher die Zahlung vollstrecken soll. Sodann rechnen Sie über die Betriebskosten 2007 ab, welche sich auf insgesamt 1.415,- Euro beliefen.

Die Nachforderung iHv. 215,- Euro können Sie nicht mehr verlangen, da die Ab- rechnung verspätet ist. Der titulierte Anspruch des Mieters auf Rückzahlung ist je- doch erledigt. Nimmt er seinen Vollstreckungsauftrag nicht zurück, können Sie ne- gative Feststellungsklage oder Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO erhe- ben oder in der Zwangsvollstreckung den Erfüllungseinwand nach § 887 I ZPO geltend machen (hierzu BGH vom 05.11.2004 zum Az. 1Xa ZB 32/04). Denn es ist nach Rechtskraft der Entscheidung ein Umstand eingetreten, welcher - wie ei- ne Zahlung - die Hauptforderung beseitigt, so daß der Titel herauszugeben ist.

Abwandlung: der Mieter vollstreckt seinen Zahlungsanspruch auf 1.200,- Euro, Sie zahlen. Mitte 2012 können Sie endlich über die BK 2007 abrechnen und tun das auch. Damit entfällt der - durch die Vollstreckung bediente - Rückzahlungsanspruch des Mieters und Ihr Anspruch auf Zahlung der - nach Rückzahlung wieder offenen - Vorschüsse lebt wieder auf. Da es sich bei den Beträgen bis zur Höhe der Vorschüsse nicht um eine „Nachzahlung“ aus der Abrechnung handelt, können Sie die 1.200,- Euro nun Ihrerseits wieder herausverlangen.

Die Möglichkeit, abzurechnen, ist kein „Anspruch“. Das Gesetz definiert den „An- spruch“ in § 194 BGB dahin, von jemand anderem ein Tun oder Unterlassen verlan- gen zu können. Daß Sie abrechnen, verlangen Sie nicht vom Mieter. So lange das Mietverhältnis läuft, ist Ihre Möglichkeit abzurechnen also praktisch unverjährbar. Es gibt auch keine 30-Jahres-Grenze: über Betriebskosten von 1965 können Sie im fort- bestehenden Mietverhältnis heute noch abrechnen. Ebenso kann der Mieter die nicht abgerechneten Vorauszahlungen von 1965 heute rückfordern, wenn der Vertrag erst jetzt endete, da der Anspruch auf Rückzahlung erst mit dem Vertragsende entsteht.

In einer weiteren Entscheidung setzte sich der BGH mit der Aufrechnung auseinander: der Vermieter verlangte vom Mieter Nutzungsentschädigung. Der Mieter erklärte die Aufrechnung mit seinem Rückforderungsanspruch auf die geleisteten Betriebskosten- vorschüsse, weil der Vermieter nicht rechtzeitig abgerechnet hatte. Diese Abrechnung erteilte der Vermieter im Prozeß. Nach der (weitgehend) ordnungsgemäßen Abrech- nung schuldete der Mieter nunmehr Betriebskosten, die Wirkung der Aufrechnung entfiel:

Wohnraummiete: Erlöschen der Wirkung einer Aufrechnung mit dem Anspruch auf Rückzahlung nicht fristgerecht abgerechneter Betriebskostenvorschüsse bei nachträglicher Betriebskostenabrechnung BGH, Urteil vom 22.09.2010 zum Az. VIII ZR 285/09

Macht der Mieter den Anspruch gegen den Vermieter auf Rückzahlung ge- leisteter Vorschüsse auf Betriebskosten, über die der Vermieter nicht in- nerhalb der Frist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB abgerechnet hat, im Wege der Aufrechnung geltend, so entfällt die Wirkung der Aufrechnung ex nunc, soweit der Vermieter nachträglich eine wirksame Betriebskostenab- rechnung erteilt und der Mieter hiernach Betriebskosten schuldet (Fort- führung des Senatsurteils vom 9. März 2005, VIII ZR 57/04, NJW 2005, 1499).

Der Rückzahlungsanspruch ist also auch in Aufrechnungssituationen nur vorläufig. Bis zum Verjährungseintritt bleibt der Mieter einem etwaigen Zahlungsanspruch ausge- setzt.

Vor seinem Entstehen kann der Rückzahlungsanspruch nicht verjähren. Wie oben ausgeführt entsteht er erst beim beendeten Mietverhältnis, sofern die Abrechnungs- frist erfolglos abgelaufen ist. Die Verjährungsfrist beginnt am Ende des Jahres, in dem das Mietverhältnis beendet wird. Der Anspruch besteht auch für Abrechnungsperio- den, für die - wegen Verjährung - keine Abrechnung mehr verlangt werden kann (KG vom 22.03.2010 zum Az. 8 U 142/09; AG Peine vom 30.01.2008 zum Az. 16 C 321/ 07). Der Anspruch besteht auch im Gewerbemietverhältnis (KG aaO; OLG Düsseldorf vom 08.05.2008 zum Az. 110 U 8/08). Die Ausschlussfrist für Nachforderungen ge- mäß § 556 BGB gilt für Gewerbemietverträge nicht, die Abrechnung wird jedoch ebenfalls ein Jahr nach Ende der Abrechnungsperiode fällig (BGH vom 17.11.2010 zum Az. XII ZR 124/09 sowie vom 27.01.10 zum Az. XII ZR 22/07).

Das führt zu komplexen Problemen. Machen Sie bspw. Ansprüche wegen nicht ausgeführter Schönheitsreparaturen oder Schäden an der Mietsache geltend, kann der Mieter hiergegen mit einem Anspruch auf Rückzahlung nicht geleisteter Vorauszahlungen aufrechnen und Ihre Forderung erlischt, d.h. sie kann nicht mehr eingeklagt werden. Gelingt es Ihnen später, über die betreffenden Jahre formell wirksam abzurechnen, dann fällt der Rückzahlungsanspruch, mit dem der Mieter aufgerechnet hat, weg. Ihre Forderungen sind aber wegen der kurzen Verjährungsfrist von 6 Monaten gem. § 548 BGB verjährt. Ob man deswegen vor Ablauf der Verjährungsfrist statt auf Zahlung nunmehr auf Feststellung klagen kann, ist ungeklärt.

Es treten weitere prozessuale und die Verjährung betreffende Schwierigkeiten auf, die hier aber nicht weiter vertieft werden sollen.

c) unverschuldete Verspätung

Die versäumte Jahresfrist schließt Nachforderungen aus, es sei denn das Versäumnis geschah unverschuldet:

„Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung einer Nachforderung durch den Vermieter ausgeschlossen, es sei denn, der Vermieter hat die verspätete Geltend machung nicht zu vertreten.“

In diesem Zusammenhang wurde vielfach diskutiert, wie die verspätete Zustellung durch die Post oder andere Briefzusteller zu bewerten ist. Der BGH hat das mit Urteil vom 21.01.2009 zum Az. VIII ZR 107/08 endgültig geklärt. Danach ist ein Sendungsverlust oder eine Verzögerung für den Zugang unerheblich:

Zusendung der Betriebskostenabrechnung per Post

BGH, Urteil vom 21. Januar 2009 zum Az.: VIII ZR 107/08

a) Die Frist zur Abrechnung der Betriebskosten gemäß § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB wird nur dann gewahrt, wenn die Abrechnung dem Mieter noch in- nerhalb der Frist zugeht; die rechtzeitige Absendung der Abrechnung durch den Vermieter genügt nicht.

b) Bedient sich der Vermieter zur Beförderung der Abrechnung der Post, wird diese insoweit als Erfüllungsgehilfe des Vermieters tätig; in einem solchen Fall hat der Vermieter ein Verschulden der Post gemäß § 278 Satz 1 BGB auch dann zu vertreten (§ 556 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 BGB), wenn auf dem Postweg für den Vermieter unerwartete und nicht vor- hersehbare Verzögerungen oder Postverluste auftreten.

Der Lebensgefährte der Vermieterin hatte die Betriebskostenabrechnung am 21. Dezember 2005 als Brief zur Post gegeben, was auch bewiesen werden konnte. Allerdings begründet das keinen Anscheinsbeweis dafür, dass den Mietern die Betriebskostenabrechnung rechtzeitig zugegangen ist. Bei zur Post gegebenen Briefen besteht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kein Anscheinsbeweis für den Zugang der Sendung.

Das gleiche gilt, wenn Sie die Abrechnung per Einschreiben schicken, der Mieter das aber nicht abholt. Ihm ist dann nur die Einschreibe-Benachrichtigung zugegangen, nicht aber die Abrechnung, so daß eine Verfristung eintreten kann:

Verfristung einer Abrechnung trotz rechtzeitiger Zustellung durch Einschreiben, das nicht abgeholt wird

LG Berlin, Urteil vom 27.07.2010 zum Az. 63 S 681/09

Eine Betriebskostenabrechnung ist verfristet, auch wenn der Vermieter die Abrechnung rechtzeitig zur Zustellung durch Einschreiben mit Rück- schein veranlasst, der Postbote den Mieter nicht antrifft, einen Benach- richtigungsschein in den Briefkasten des Mieters einlegt, der Mieter die Einschreibesendung nicht abholt und der davon benachrichtigte Vermieter eine erneute Zustellung unternimmt, die jedoch erst nach dem Jahres- wechsel Erfolg hat.

Die Betriebskostenabrechnung 2007 ist hier erst am 3.1.2010 zugegangen, sodass die Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 S. 2 BGB nicht gewahrt wurde und die Beklagte nicht zur Nachzahlung verpflichtet ist.

Der Zugang kann auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) für einen frühe- ren Zeitpunkt im Dezember 2008 unterstellt werden. Dabei kann als wahr un- terstellt werden, dass am 4.12.2008 eine Benachrichtigung über die Niederlegung eines Schreibens bei der Post in den Briefkasten des Mieters eingelegt worden ist.

Zugegangen im Sinne des § 130 BGB ist eine Willenserklärung, sobald sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse damit zu rechnen ist, er könne von ihr Kenntnis erlangen. Danach ist fristgerecht allein der von der Postzustellerin gefertigte Benachrichtigungsschein zugegangen. Dieser Zettel unterrichtet den Empfänger, dass für ihn eine Ein- schreibesendung bei der Post zur Abholung bereit liegt. Er enthält aber keinen Hinweis auf den Absender des Einschreibebriefs und lässt den Empfänger im Un- gewissen darüber, welche Angelegenheit die Einschreibesendung zum Gegen- stand hat.

Der Zugang eines Schriftstücks trotz unterlassener Abholung kann nur dann fin- giert werden, wenn sich aus dem Bestehen von besonderen Rechtsbeziehungen zwischen Absender und Empfänger ergibt, dass der Empfänger Schriftstücke, ü- ber deren Niederlegung er unterrichtet wird, abholen muss. Dazu reicht allein das Bestehen eines Mietvertrages nicht aus. Der bevorstehende Ablauf der Abrech- nungsfrist zum 31.12.2008 genügt auch nicht, denn darüber musste sich der Mie- ter keine Gedanken machen und sich dieser Frist nicht bewusst sein. Es kann schon nicht unterstellt werden, dass der durchschnittliche Mieter überhaupt Kenntnis von der Abrechnungsfrist und den Folgen ihrer Versäumung hat; selbst bei Kenntnis müsste er sich des bevorstehenden Ablaufs aber nicht bewusst sein. Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung muss derjenige, der auf- grund bestehender oder angebahnter vertraglicher Beziehungen mit dem Zugang rechtserheblicher Erklärungen zu rechnen hat, geeignete Vorkehrungen treffen, dass ihn derartige Erklärungen auch erreichen; tut er dies nicht, so wird darin viel- fach ein Verstoß gegen die durch Vertrag begründeten Sorgfaltspflichten gegen- über seinem Partner liegen.

Eine andere Frage ist, ob dieser Sorgfaltsverstoß innerhalb der vertraglichen oder vorvertraglichen Beziehungen so schwer wiegt, dass es gerechtfertigt ist, den Ad- ressaten nach Treu und Glauben so zu behandeln, als habe ihn die infolge seiner Sorgfaltsverletzung nicht zugegangene Willenserklärung doch erreicht. Unzweifel- haft besteht eine solche Obliegenheit des Mieters ohne besondere Umstände grundsätzlich nicht; derartige Umstände, die für eine andere Bewertung im kon- kreten Fall sprechen, liegen hier nicht vor, wie etwa vorangegangene Korrespon- denz über die bevorstehende Abrechnung oder ähnliches. Eine treuwidrige Verei- telung des Zugangs, mit der Folge, dass dieser fingiert werde, besteht daher nicht.

Schließlich liegen auch nicht die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands nach § 556 Abs. 3 S. 3 BGB vor. Danach ist die Geltendmachung einer Nachfor- derung durch den Vermieter nach Ablauf der Abrechnungsfrist dann nicht ausge- schlossen, wenn er die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten hat. Soweit die Klägerin sich auf die rechtzeitige Absendung auf dem Postwege beruft und meint, die Verzögerungen nicht zu vertreten zu haben, führt dies zu keinem ande- ren Ergebnis Nach der Begründung (des Gesetzgebers) soll eine rechtzeitige Absendung der Abrechnung zur Wahrung der Abrechnungsfrist nicht genügen, sondern der Zugang der Abrechnung beim Mieter erforderlich sein. Dies dient e- benso wie der Ausschluss von Nachforderungen der Abrechnungssicherheit für den Mieter. Die Vorschriften sollen eine zeitnahe Abrechnung gewährleisten, damit der Mieter in einem überschaubaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Abrech- nungszeitraum entweder über ein sich zu seinen Gunsten ergebendes Guthaben verfügen kann oder Gewissheit darüber erlangt, ob und in welcher Höhe er mit ei- ner Nachforderung des Vermieters rechnen muss.

Damit wäre nicht vereinbar, den Ausnahmefall, dass der Vermieter die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten hat, generell dann anzunehmen, wenn auf dem Postweg für ihn unerwartete und nicht vorhersehbare Verzögerungen oder Postverluste aufgetreten sind. Denn Verzögerungen oder Verluste auf dem Post- weg sind in der Regel für den Vermieter nicht vorhersehbar, so dass das im Er- gebnis darauf hinaus liefe, dass in allen Fällen des Postversands - abgesehen von Ausnahmesituationen (z.B. Poststreik) - entgegen der ausdrücklichen Absicht des Gesetzgebers doch die rechtzeitige Absendung der Abrechnung zur Fristwahrung genügen würde.

Raum für eine unverschuldete Verspätung ist daher nur in solchen Fällen, in denen bspw. die Grundsteuer 2007 erst im Jahr 2010 erhoben oder nachträglich mit Rück- wirkung geändert wird o.ä. Diese können Sie dem Mieter dann unverzüglich nachbe- lasten.

Geht die Abrechnung nur einem von mehreren Mietern zu, so wirkt sie (nur) diesem gegenüber. Eine Abrechnung kann daher im gleichen Mietverhältnis einem gegenüber verfristet und einem anderen gegenüber rechtzeitig sein:

Anspruch des Vermieters auf Nachzahlung von Betriebskosten, wenn nur einer von mehreren Mietern die Abrechnung erhalten hat

BGH, Urteil vom 28. April 2010 zum Az.: VIII ZR 263/09

Der Vermieter ist nicht daran gehindert, die nach § 556 Abs. 3 BGB geschuldete Abrechnung der Betriebskosten, die eine Nachforderung zu seinen Gunsten ausweist, nur einem von mehreren Mietern gegenüber vorzunehmen und lediglich diesen auf Ausgleich des sich hieraus ergebenden Nachzahlungsbetrags in Anspruch zu nehmen.

Mieter einer Wohnung waren die Beklagte und ihr Ehemann. Im Mietvertrag ist ei- ne monatliche Vorauszahlung für Betriebs-, Heiz- und Wasserkosten vereinbart. Mit einem an beide gerichtetem Schreiben rechnete die Klägerin die Nebenkosten für das Abrechnungsjahr 2005 ab. Aus der Abrechnung ergab sich ein Nachzah- lungsbetrag, wovon ein Teilbetrag von 254,89 € auf in diesem Schreiben nicht nä- her aufgeschlüsselte Heizkosten entfiel. Die Einzelheiten der Berechnung des Heizkostensaldos ergeben sich jedoch lediglich aus einer für das Jahr 2005 erstellten Heizkostenabrechnung, die nur an die Beklagte adressiert wurde und ist auch nur dieser zuging. Die Beklagte und ihr Ehemann lehnten einen Ausgleich des von der Klägerin geforderten Nachzahlungsbetrags ab.

Der BGH verurteilte die Beklagte zur Zahlung des Nachzahlungsbetrages. Er be- tonte dabei, dass der Vermieter nicht gehindert ist, die nach § 556 Abs. 3 BGB geschuldete Abrechnung der Betriebskosten, die eine Nachforderung zu seinen Gunsten ausweist, nur einem Mieter gegenüber zu erteilen und lediglich diesen auf Ausgleich des Nachzahlungsbetrags in Anspruch zu nehmen. Denn mehrere Mie- ter eine Wohnung haften grundsätzlich für die Mietforderungen einschließlich der Nebenkosten als Gesamtschuldner. Der Vermieter kann daher nach seinem Belieben jeden Schuldner ganz oder teilweise in Anspruch zu nehmen. Die Übermittlung einer formell ordnungsgemäßen Abrechnung an den Mieter dient dazu, die Fälligkeit des sich aus der Abrechnung ergebenden Saldos herbeizuführen. Diese Fälligstellung sei kein Umstand, der einheitlich gegenüber allen Gesamtschuldnern erfolgen müsse. Allerdings könne der Vermieter von den Mietern, denen die Abrechnung nicht selbst zuging keine Nachzahlung fordern, weil die Nachforderung diesem Mieter gegenüber gerade nicht fällig gestellt worden ist.

2. die Form der Abrechnung

Zwingender Inhalt ist nach ständiger Rechtsprechung

- die Angabe des Abrechnungszeitraums und der Zeit, die hiervon auf den Mieter entfällt,
- eine übersichtliche Zusammenstellung der Gesamtkosten,
- die Angabe des Umlageschlüssels und eine Berechnung der auf den betreffen- den Mieter entfallenden Anteile der Gesamtkosten mit Hilfe dieses Schlüssels,
- die Anrechnung der vom Mieter im Abrechnungszeitraum gezahlten Vorauszah- lungen und
- das Ergebnis, also die Nachzahlung oder das Guthaben des Mieters.

Das kann von Jahr zu Jahr unterschiedlich kompliziert sein. Immer wieder problema- tisch sind Flächenabweichungen von Jahr zu Jahr, der Vorwegabzug von Gewerbe, das Abrechnen von Wirtschaftseinheiten über mehrere Objekte und generell die Vers- tändlichkeit und Nachvollziehbarkeit der Abrechnung insgesamt und einzelner Positio- nen. Ferner ist zu Bedenken, daß grundsätzlich eine sog. „Ist-Abrechnung“ geschul- det wird, also eine solche über die tatsächlich geleisteten Vorauszahlungen, nicht die nach vertrag geschuldeten („Soll-Abrechnung“). Letztere ist nur zulässigh, wenn der Mieter keinerlei Vorauszahlungen leistete. Die nachfolgenden Entscheidungen aus neuerer Zeit geben einen Überblick über die formellen Anforderungen:

Ist- statt Soll-Abrechnung

BGH, Urteil vom 27.11.2002 zum Az. VIII ZR 108/02

Eine Abrechnung, in der lediglich die geschuldeten Vorschüsse aufgeführt sind, entspricht jedenfalls dann den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Betriebskostenabrechnung, wenn zum Zeitpunkt der Erteilung der Abrechnung der Mieter für den Abrechnungszeitraum keinerlei Vorauszahlungen erbracht hat, die offenen Vorauszahlungsansprüche vom Vermieter bereits eingeklagt sind und auch noch keine Abrechnungsreife im Sinne des § 20 Abs. 3 Satz 4 NMV 1970 eingetreten ist.

Anforderungen an eine Nebenkostenabrechnung

OLG Köln, Urteil vom 11.06.2010 zum Az. 1 U 66/09

1. Die Nebenkostenabrechnung muß eine Zusammenstellung der Gesamt- kosten, die Angabe und Erläuterung der zu Grunde gelegten Vertei- lungsschlüssel, die Berechnung des jeweiligen Mieteranteils sowie den Abzug der Vorauszahlungen enthalten. Der Mieter muß anhand der Ab- rechnung in der Lage sein, den Anspruch des Vermieters nachzuvollzie- hen, also gedanklich und rechnerisch nachzuprüfen.

2. Die Positionen Grundsteuer sind ordnungsgemäß aufzuschlüsseln, da sonst ein inhaltlicher Mangel der Abrechnung vorliegt.

Der Mieter minderte seine Miete um monatlich 10%. Das LG wies die Klage auf Nebenkostennachzahlung mangels Prüfbarkeit ab. Das OLG gab der Berufung teilweise statt. Zwar sei der Anspruch auf Nachzahlung von Nebenkosten über- wiegend nicht fällig. Eine Teilfälligkeit sei jedoch hinsichtlich derjenigen Positionen gegeben, die für den Mieter nachvollziehbar, also gedanklich und rechnerisch nachprüfbar, sind. Die unklaren Kostenpositionen konnten hier von den zutreffend abgerechneten unterschieden werden. Der Leitsatz zu Ziffer 2) betrifft einen fehler- haften Verteilungsschlüssel.

Definition der formellen Wirksamkeit und Anforderungen an die Verständlichkeit des Abrechnungsschlüssels

BGH, Urteil vom 19. November 2008 zum Az.: VIII ZR 295/07 (Fortführung des Senatsurteils vom 9. April 2008, VIII ZR 84/07)

1. Die Abgrenzung zwischen formeller Wirksamkeit einer Betriebskosten- abrechnung gemäß § 556 BGB einerseits und deren inhaltlicher Richtig- keit andererseits richtet sich danach, ob der durchschnittliche Mieter in der Lage ist, die Art des Verteilerschlüssels der einzelnen Kostenpositi- onen zu erkennen und den auf ihn entfallenden Anteil an den Gesamt- kosten rechnerisch nachzuprüfen (formelle Wirksamkeit). Ob die abge- rechneten Positionen dem Ansatz und der Höhe nach zu Recht beste- hen oder sonstige Mängel der Abrechnung vorliegen, etwa ein falscher Anteil an den Gesamtkosten zugrunde gelegt wird, betrifft die inhaltli- che Richtigkeit der Betriebskostenabrechnung.

2. Allgemein verständliche Verteilungsmaßstäbe bedürfen keiner Erläute- rung.

3. Auf die Ausschlussfrist des § 556 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB ist § 204 Abs.

1 Nr. 1 BGB nicht entsprechend anwendbar.

unverständlicher Verteilerschlüssel

BGH, Urt. v. 9. April 2008 - VIII ZR 84/07

1. Ist in der Abrechnung über die Vorauszahlungen für Betriebskosten (§ 556 Abs. 3 BGB) der Verteilerschlüssel unverständlich, liegt ein formeller Mangel vor, der zur Unwirksamkeit der Abrechnung führt (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 17. November 2004 - VIII ZR 115/04, NJW 2005, 219, unter II 1 b).

2. Auf die Ausschlussfrist des § 556 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB ist § 212 Abs.

1 Nr. 1 BGB nicht entsprechend anwendbar.

Bei einer Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2003, die mit einer Nachzahlung endete, war einer der Verteilerschlüssel wie folgt erläutert: "Umlage nach Qua- dratmeter Wohnfläche*Monate". Dazu heißt es: "Gesamtsumme 3816,00", "Ihr Anteil 1176,00"; in der Zeile darunter war die Zahl "12,00" aufgeführt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 95 Seiten

Details

Titel
Betriebskosten
Untertitel
Von der Vereinbarung im Vertrag bis zur Abrechnung
Veranstaltung
Berliner Seminare für Verwalter und Vermieter
Autoren
Jahr
2011
Seiten
95
Katalognummer
V172623
ISBN (eBook)
9783640926145
ISBN (Buch)
9783640926251
Dateigröße
912 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Betriebskosten, Betriebskostenabrechnung, Abflußprinzip, Leistungsprinzip, Wirtschaftlichkeitsgebot, Mietvertrag, Mietrecht, Vorauszahlung, Abrechnungsfrist, Einwendungsfrist, Belegeinsicht, Grundsteuer, Wasserkosten, Entwässerungskosten, Heizkosten, Wärmecontracting, Contracting, Aufzugskosten, Straßenreinigung, Müllbeseitigung, Gebäudereinigung, Ungezieferbekämpfung, Gartenpflege, Beleuchtung, Schornsteinfeger, Sach- und Haftpflichtversicherung, Terrorversicherung, Hauswart, Hausmeisterkosten, Gemeinschaftsantenne, Breitbandkabel, sonstige Betriebskosten, Wachschutz, Verwaltungskosten, TÜV-gebühren, Wartungskosten, § 556 BGB, § 556a BGB, § 560 BGB, BetrKVO, Umlageschlüssel, Abrechnungszeitraum, Heizperiode, Kalenderjahr, Wirtschaftseinheit, Verjährung, Anpassung von Vorauszahlungen, Sicherheitszuschlag, Zurückbehaltungsrecht, Rückforderung, EInwendungsausschluß, Verfristung, Zustellung, Soll-Abrechnung, Ist-Abrechnung, formelle Wirksamkeit, Verteilerschlüssel, Vorwegabzug, Nutzergruppen
Arbeit zitieren
Tobias Scheidacker (Autor:in)Dr. Sascha Lambert (Autor:in), 2011, Betriebskosten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/172623

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Titel: Betriebskosten



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