Maschinengesang: Der Zusammenhang zwischen Menschen, Maschinen und der Entstehung von Krautrock an ausgewählten Beispielen

Experimentelle Entwicklung des Krautrock am Beispiel von Popol Vuh, Can, Faust, Berliner Kosmikelektroniker und Kraftwerk


Hausarbeit (Hauptseminar), 2010

20 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Was ist Krautrock?
a.Einordnung Genre
b.Einordung Musik- und Zeitgeschichte

3. Die wichtigsten Audio-Maschinen
a.Das Tonstudio
b.Synthesizer
c.Effektgeräte
d.Sampling

4. Mensch und Maschine im Krautrock
a.Popol Vuh
i.Kompositorischer Experimentalismus
ii.Besonderheit der Gruppe: Filmmusik
iii.Kompositionsimpulse zwischen Mensch und Maschine
b.Faust
i.Intuitiver Experimentalismus
ii.Maschinelle Nachahmung von Natur
iii.Grundlage der Musikrichtung „Industrial“
c.Can
i.Kollektiver Experimentalismus
ii.Einsatz moderner Techniken
iii.Die „Inner Space Studios“ als Grundlage für Experimente
d.Die Berliner „Kosmikelektroniker“
i.„Zodiac Free Arts Lab“ und „Electronic Beat Studios“
ii.Tangerine Dream: Entwicklung zur elektronische Musik
iii.Kluster: Intuitives Spiel mit Maschinen
iv.Klaus Schulze: Reine Maschinenmusik
e.Kraftwerk
i.Instrumenteller Experimentalismus: Organisation
ii.Verstärkter Einsatz von Maschinen: „Ruckzuck“ (1970)
iii.Klangarbeit in den „Klingklang-Studios“
iv.Elektronischer Minimalismus: „Autobahn“
v.Grenzverwischung: „Die Mensch-Maschine“

5. Fazit

6. Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Spätestens als Kraftwerk mit ihrer Hitsingle „Autobahn“ 1974 die internationale Popbühne betraten, konnten auch Laien erahnen, wie groß der Einfluss von Maschinen, beziehungsweise wie wichtig das Zusammenspiel von Menschen und Maschinen, in der Popmusik[1] geworden war. Doch die größten audiotechnischen Entwicklungen und Experimente lagen zu diesem Zeitpunkt bereits in der Vergangenheit: die Erfindung und Markteinführung von Mischpulten, Synthesizern, Sequenzern und Effektgeräten waren längst von statten gegangen. Die ständig wachsenden technischen Möglichkeiten durch immer neue musikalische Gerätschaften oder „Musikmaschinen“, eröffneten für Musiker und Bands damaliger Zeit neue Betätigungsfelder: die Erforschung und Ausreizung dieser neuen Möglichkeiten. Parallel zu Musikbereichen wie Klassischer Musik, Jazz oder Schlager- und herkömmlicher Popmusik, sowie universitären Phänomenen wie der „Musique concrete“, entstand in diesen Jahren eine neue Musikkultur in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Vielzahl von Musikern und musikalischen Projekten konzentrierten sich auf Experimente mit Audio-Equipment und schufen damit ein Phänomen, das schnell internationale Aufmerksamkeit erlangte und durch den Begriff „Krautrock“ bezeichnet in die Popmusik- und Kulturgeschichte einging.

In der vorliegenden Arbeit wird anhand der archetypischsten Vertreter des Genres gezeigt, in wieweit der spezielle und kreative Umgang mit oder in Anlehnung an Maschinen für die Musik, das Selbstverständnis sowie das Image der Bands entscheidend waren. Dabei werden praktische, zeitgeschichtliche und theoretische Aspekte berücksichtigt. Zuvor erhält der Leser eine kurze Einführung in das Phänomen des „Krautrock“ sowie die Entstehung, Beschaffenheit und Funktion der wichtigsten audiotechnischen Gerätschaften. Zudem wird dargelegt, welche Impulse und weitreichende Konsequenzen für die Popmusik des 21.Jahrhunderts ihr Umgang mit Maschinen initiierte.

2. Krautrock

Die Genrebezeichnungen „Krautrock“ ist eine der seltsamsten in der Popmusikgeschichte des 20.Jahrhunderts. Die weite Auslegung des Begriffs bezeichnet experimentelle Popmusik aus Deutschland zwischen 1968 und 1978. Bei genauerer Betrachtung wird national wie international jedoch ein relativ kleiner Kanon von Musikprojekten maßgeblich für das Phänomen verantwortlich gemacht. Kraftwerk, Can, Cluster, Tangerine Dream, Amon Düül II, Faust, oder Neu! finden sich herkömmlicherweise in Zusammenhang mit dem Begriff „Krautrock“ aufgelistet. Beim Versuch neben regionalen (alle Projekte wurden in Deutschland gegründet) und zeitgeschichtlichen (alle Projekte waren im Zeitraum zwischen 1966 und 1974 aktiv), noch weitere gemeinsame Parameter zu bestimmen, gehen Expertenmeinungen weit auseinander. Die oben genannten Gruppen haben jedoch zumindest ihre grundsätzlich experimentelle Ausrichtung gemeinsam, wenn auch in unterschiedlicher Ausführung. Die Münchner Amon Düül II beschäftigten sich beispielsweise eher inhaltlich - durch textliche Bezugnahme auf Mythologie und Zeitgeist, sowie durch bewusste Auflösung der Songstrukturen - als technisch mit experimenteller Weiterentwicklung von Popmusik. Tangerine Dream aus Berlin arbeiteten wiederum zwar bevorzugt mit Synthesizern und elektronischem Equipment, verzichten aber weitestgehend auf musikalische Strukturen und befassen sich inhaltlich (soweit aus Songtiteln und Albumbezeichnungen hervorgeht) mit einer Art Flucht in eine moderne Mythologie des Weltraums, ohne jedoch gleichzeitig wirklich inhaltlich Bezug darauf zu nehmen[2]. Die Düsseldorfer Band „Neu!“ zählt ebenfalls zu den am häufigsten genannten Krautrockbands und wird trotzdem in der vorliegenden Arbeit nicht ausführlich behandelt werden können. Die Formation um Thomas Dinger, Klaus Dinger und Michael Rother ist in Sachen Instrumentierung, Komposition und Bandverständnis jedoch wesentlich näher an den Genres „Punk“ oder „Wave“, wenngleich das monotone Schlagzeugspiel von Klaus Dinger oft als typisch „kraut“[3] [4] bezeichnet wird.

Im Anschluss werden die wichtigsten technischen Entwicklungen bezüglich Musikproduktion aufgelistet, um einen Eindruck der Mittel und Möglichkeiten der Komponisten und Experimente zu geben.

3.a Das Tonstudio

Das Tonstudio besteht im Normalfall aus Mikrophonen, Aufnahmegeräten und einem Mischpult. Nach der Erfindung und Verbreitung des Mikrophons, waren mehrspurige Aufnahmegeräte (Tonband-Rekorder) und Mischpulte die größte und entscheidendste Errungenschaft für die Bearbeitung von Audiosignalen. Mit mehrspurigen Aufnahmegeräten war es möglich, mehrere Instrumente getrennt voneinander aufzuzeichnen. Frühe Klassik-, Folklore-, Schlager- und Jazzaufnahmen versuchten alle Instrumente gleichzeitig in einer Gesamtsumme aufzunehmen. Die Aufnahme (mit u.U. Spiel- oder Aufnahmefehler) konnte danach jedoch nicht mehr bearbeitet werden und war somit das Endprodukt des Aufnahmevorgangs.

Für die Verwaltung des Studios, also des Ortes der Aufnahme von Audiosignalen jeglicher Art, ist das Mischpult aus drei Gründen essentiell. Das Mischpult separiert erstens die einzelnen Instrumente auf verschiedene Kanalspuren, und ermöglicht somit alle Instrumente akustisch getrennt voneinander aufzunehmen. Etwaige Fehler und Aufnahmestörungen können später unabhängig von anderen Spuren (bzw. Instrumenten oder Audiosignalen) bearbeitet werden. Diese separierte Bearbeitung einzelner Spuren bietet zweitens Spielraum für Experimente, denn natürlich können alle Spuren getrennt voneinander mit Effekten verfälscht, editiert und in Lautstärke und Geschwindigkeit beliebig verändert werden. Drittens verfügen (hochwertige) Mischpulte über integriertes Werkzeug zur Feinbearbeitung der Audiosignale: Kompressoren (um bestimmte Frequenzbereiche des Audiosignals zu verstärken bzw. komprimieren), Equalizer oder EQ (um bestimmte Störfrequenzen oder Signalverzerrungen zu korrigieren), sowie die separate Bearbeitung verschiedener Frequenzbereich (Tiefen, Mitten, Höhen) und die Aufteilung im Klang-Panorama (links und rechts).

In jedem Tonstudio ist demnach das Mischpult der Punkt, an dem alle Soundspuren zusammenlaufen. Über die Bedienung des Mischpults sind Komponisten in der Lage von einem Art Cockpit aus alle bereitstehenden Maschinen (Instrumente, Aufnahme- und Effektgeräte) zu koordinieren. Für Irmin Schmidt, einen Mitbegründer der Gruppe Can, ist „das Tonstudio das wichtigste Musikinstrument im 21.Jahrhundert“[5] - das Mischpult ist die Kommandozentrale davon. Die ersten Mischpulte finden sich in den 30er Jahren in Radiostationen. Erst Mitte der 60er, durch erhöhte Nachfrage aufgrund des anhaltenden Booms der Popmusik, werden beispielsweise von Rupert Neve Mischpulte in Serie[6] und auch für Amateure (bzw. Privatpersonen und –gruppen die nicht zu Radiostationen oder großen Aufnahmestudios gehörten) bezahlbar und technisch bedienbar.

3.b Synthesizer

Synthesizer sind elektronische Tasteninstrumente, die zur Tonerzeugung ausschließlich „Oszillatoren, Modulatoren, Verstärker und Filter“[7] nutzen. Im Gegensatz dazu ist bei E-Pianos (wie z.B. Wurlitzer, Fender Rhodes o.ä.) die zugrundeliegende Tonerzeugung mechanischer Art, die dabei entstehende Energie wird in elektrische Signale umgewandelt. Die ersten elektronischen Klangerzeuger entstanden bereits in den 20er Jahren. Der russische Physikprofessor Lev Sergejewitsch Termen erfand zum Beispiel 1919 das Theremin: ein Gerät das durch die Positionierung eines Gegenstands zu einer Antenne Tonhöhe und Lautstärke eines elektrischen Tonsignals verändern konnte. Ab 1950 experimentierten Elektrotechniker der im „RCA-Labor der Radio Company of America“[8] mit synthetischer Klangerzeugung, die dabei konstruierten Maschinen füllten jedoch ganze Räume aus und gingen deshalb nicht in Massenproduktion. Ab 1960 konnten mit Synthesizern in Echtzeit Töne moduliert werden, die Experimente fanden jedoch noch immer in Forschungslabors statt. Den ersten „spielbaren“ analogen Synthesizer stellte 1964 Robert Moog her. Der erste Synthesizer für die Massen war der 1969 veröffentlichte Minimoog[9], welcher erstens transportabel und zweitens erschwinglich war, für Musiker wie The Beatles, Tangerine Dream oder Kraftwerk.

Diese Synthesizer hatten für den praktischen Gebrauch einige Tücken: ihre Bedienung setzte ein elektroakustisches Grundverständnis voraus, um die Tonmodulationen in gewünschte akustische Form zu bringen. Außerdem waren die einzelnen kreierten Klänge nicht speicherbar, die Komponisten mussten sich darum die genauen Einstellungen der einzelnen Module merken und live variieren. Zudem kamen erst 1975 polyphone Synthesizer auf den Musikmarkt, welche im Stil eines E-Pianos mehrere Töne gleichzeitig spielen konnten. Davor waren die Synthesizer lediglich monophon, konnten also immer nur jeweils einen Ton oder Klang ausgeben[10]. Die bekanntesten Hersteller von Synthesizern sind Moog, Korg, Roland oder Oberheim.

[...]


[1] Der Begriff „Popmusik“ wird in dieser Arbeit sehr weit gefasst und steht für populäre Musik in Abgrenzung von Klassischer Musik, Jazz und Schlager. Dementsprechend beeinhaltet der Begriff sämtliche Formen von Rock-, Folk-, Blues-, elektronischer oder Experimentalmusik mit Ausrichtung auf den nationalen oder internationalen Musikmarkt.

[2] Koch, Albrecht. Angriff auf’s Schlaraffenland. Berlin: 1987. Ullstein Verlag. S.75

[3] Cope, Julian. Krautrock Sampler. London: 1995. Headheritage. S.136

[4] Dedekind, Henning. Krautrock. Höfen: 2008. Koch International GmbH. S.280

[5] Interview im Jugendformat „On3 – Startrampe“ des Bayrischen Fernsehens auf „BR Alpha“ vom 28.02.2010

[6] Siehe hierzu: http://rupertneve.com/company/history/

[7] Ackermann, Philipp. Computer und Musik. Wien: 1991. Springer Verlag. S.25

[8] Ebd. S.26

[9] Siehe dazu: http://www.moogmusic.com/history.php

[10] Ackermann, Philipp. Computer und Musik. Wien: 1991. Springer Verlag. S.27

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Maschinengesang: Der Zusammenhang zwischen Menschen, Maschinen und der Entstehung von Krautrock an ausgewählten Beispielen
Untertitel
Experimentelle Entwicklung des Krautrock am Beispiel von Popol Vuh, Can, Faust, Berliner Kosmikelektroniker und Kraftwerk
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Veranstaltung
Mensch und Maschine
Autor
Jahr
2010
Seiten
20
Katalognummer
V172075
ISBN (eBook)
9783640917990
ISBN (Buch)
9783640918119
Dateigröße
487 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Krautrock, Popol Vuh, Faust, Can, Kraftwerk, Synthesizer, Zodiac Free Arts Lab, Kosmikelektronik, Klaus Schulze, Tangerine Dream, Soundeffekte, Psychedelic Rock, Experimentelle Musik, Elektronische Musik, Elektro, Autobahn, Kosmik
Arbeit zitieren
Florian Kreier (Autor:in), 2010, Maschinengesang: Der Zusammenhang zwischen Menschen, Maschinen und der Entstehung von Krautrock an ausgewählten Beispielen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/172075

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