Phasen der Akkulturation von Expatriates


Diplomarbeit, 2003

133 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

1. Einführung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Aufbau der Arbeit

2. Theoretischer Rahmen der Akkulturation von Expatriates
2.1 Die Auslandsentsendung
2.2 Kultur
2.3 Vorbereitendes Training
2.4 Phasen der Anpassung
2.5 Modelle kultureller Anpassung
2.5.1 Kulturelle Anpassung als Modell der Transition
2.5.2 Kulturelle Anpassung als Modell der Kommunikation
2.5.3 Kulturelle Anpassung als Modell der Stressentwicklung
2.5.4 Kulturelle Anpassung als Modell des Lernens
2.6 Arten des Lernens
2.6.1 Behavioristisches Lernen
2.6.2 Kognitives Lernen
2.6.3 Modelllernen
2.6.4 Erfahrungslernen
2.6.5 Action Learning
2.6.6 Lernen durch soziale Einflüsse / Lernen durch
Sozialisation
2.6.7 Zusammenfassung speziell im Hinblick auf die Akkulturation
von Expatriates
2.7 Das Modell von Lehner
2.7.1 Dimensionen des Modells des Kulturerlernens
2.7.1.1 Interne vs. Externe Ausrichtung des Lernens
2.7.1.2 Aktives vs. Passives Lernverhalten
2.7.2 Phasen des Modells des Kulturerlernens
2.7.2.1 Beobachtung
2.7.2.2 Testen
2.7.2.3 Austausch mit Peers
2.7.2.4 Erwartung der Rückkehr
2.8 Hypothesen zur Akkulturation von Expatriates

3. Empirische Untersuchung
3.1 Konzeption der empirischen Studie
3.1.1 Grundlegende Vorgangsweise
3.1.2 Potentielle Fehler bei der Untersuchung
3.2 Merkmale der Untersuchungsobjekte
3.2.1 Merkmale der teilnehmenden Unternehmen
3.2.2 Merkmale der teilnehmenden Expatriates
3.3 Maße
3.4 Ergebnisse der Untersuchung
3.4.1 Modell des Kulturerlernens von Lehner
3.4.2 Faktoren, welche die Anpassung beeinflussen
3.5 Folgerungen aus der empirischen Untersuchung

4. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

5. Literaturverzeichnis

Anhang
A Fragebogen an Untersuchungsteilnehmer
B Fragebogen an Personalverantwortliche im Stammunternehmen
C Aufbau der Faktoren
D Korrelationstabellen

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abb. 1: Aufbau der Arbeit

Abb. 2: Methoden interkulturellen Trainings

Abb. 3: Das Modell des Erfahrungslernens

Abb. 4: Phasenmodell des Kulturerlernens

Abb. 5: Matrix Zufriedenheit mit Informationen und Wunsch nach

mehr Informationen vom Stammunternehmen (Hypothese 10)

Tab. 1: Synopse von Entsendungszielen für Mitarbeiter

Tab. 2: Korrelation von externer Lernausrichtung und Entsendungsdauer

(Hypothesen 1 und 1a)

Tab. 3: Korrelation von aktivem Verhalten gegenüber Einheimischen und

Entsendungsdauer (Hypothese 2a)

Tab. 4: Korrelation von externer Lernausrichtung und der Anpassung an

die Gastkultur (Hypothese 3)

Tab. 5: Korrelation von Qualität der Verhältnisse zu Einheimischen und

der Anpassung an die Gastkultur (Hypothese 4)

Tab. 6: Korrelation von Anpassung der Familie und Anpassung des

Entsandten (Hypothese 5)

Tab. 7: Korrelation von Zufriedenheit mit Situation und Anpassung

an die Gastkultur (Hypothese 6)

Tab. 8: Korrelation von kultureller Neuheit und Anpassung an die

Gastkultur (Hypothese 7)

Tab. 9: Korrelation von Wissen über die Gastkultur vor der Entsendung

und Anpassung an die Gastkultur

Tab. 10: Korrelation von Anzahl bzw. Dauer früherer Entsendungen und

der Anpassung an die Gastkultur (Hypothese 10)

1. Einführung

1.1 Problemstellung

Die zunehmende Verflechtung der Weltwirtschaft zwingt Unternehmen zu einer immer intensiveren Auslandsorientierung. Die Gründe für die Internationalisierung sind vielfältig, sie reichen von verbesserten Transport- und Kommunikationsmöglichkeiten hin zu den für neue Produkte gestiegenen Produktionskosten, welche größere Absatzmärkte erfordern. Vielfach versuchen Unternehmen auch sich durch Investitionen im Ausland unterschiedlichen Anforderungen besser anzupassen. Die Nutzung von Rationalisierungsvorteilen, die Verringerung von Währungsrisiken oder die Anpassung an rechtliche Bestimmungen bewegen Firmen zum Aufbau oder zum Erwerb von Tochtergesellschaften im Ausland. In der Regel ist mit solch einer Investition auch die Entsendung von Führungskräften verbunden, zum Beispiel um die neue Unternehmenseinheit an die Erfordernisse des Stammhauses auszurichten oder um die lokalen Mitarbeiter einzuschulen (vgl. z. B. Scherm, 1999; Wirth, 1992).

Auslandseinsätze stellen hohe Anforderungen an die Entsandten. Diese müssen unter teils divergenten politischen, wirtschaftlichen, rechtlichen, sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen ihrer Tätigkeit nachgehen. Dabei müssen berufliche wie private Anpassungsprobleme bewältigt und soziale Kontakte aufgebaut werden; auch die mitgereiste Familie soll nach Möglichkeit bei der Anpassung unterstützt werden. Angesichts der Schwierigkeiten, welche Auslandstransfers an die Entsandten und ihre Familien stellen, ist es nicht überraschend, dass viele Auslandseinsätze scheitern. Obwohl in der Literatur die Quoten der vorzeitig abgebrochenen Auslandsentsendungen stark schwanken (vgl. z. B. Black, 1988; Black et al., 1992; Copeland/Griggs, 1985; Harzing, 1995; Mendenhall/Oddou, 1988; Tung, 1981), so wird doch klar, dass viele Auslandsentsendungen nicht nach Wunsch der Entsandten verlaufen. Bedenkt man ferner, dass viele Mitarbeiter ihren Entsendungsvertrag zwar erfüllen, sich aber nicht an die Gastkultur anpassen und so die vom Stammunternehmen erwarteten Leistungen nicht erbringen können (vgl. Stahl, 1998, S. 2), so wird die Problematik einer nicht erfolgreichen Anpassung und damit auch von nicht erfolgreichen Auslandseinsätze noch deutlicher.

1.2 Zielsetzung

Die Anpassung bei einem Auslandseinsatz war zwar in den letzten Jahren ein beliebtes Forschungsthema, in Ermangelung einer eigenständigen Theoriebildung wurden zur Beschreibung des Anpassungsgeschehens aber Ansätze aus anderen Forschungsrichtungen herangezogen (vgl. Stahl, 1998, S. 70). Dazu gehören u. a. die Kulturanthropologie, Entwicklungspsychologie, Migrationsforschung, Sozialisationsforschung, Stressforschung oder die Lernpsychologie.

Die vorliegende Arbeit versucht die Anpassung von Expatriates aus einer lerntheoretischen Perspektive zu beschreiben. Aus einer lerntheoretischen Sichtweise entstehen Anpassungsprobleme vor allem durch das Versagen von Verhaltensroutinen im Gastland, welche sich im Heimatland bewährt hatten (vgl. Furnham/Bochner, 1986). Eine gelungene Anpassung – und damit eine Lösung dieser Probleme – ist durch ein Lernen neuer, im Gastland erfolgreicher Verhaltensroutinen möglich. Lehner (1995) beschreibt in seinem Modell des Kulturerlernens, dass die Annahme neuer Verhaltensweisen durch ein Durchlaufen von drei aufeinanderfolgenden Phasen erfolgt: Nachdem der Entsandte bei Einheimischen neue Verhaltensweisen beobachtet hat probiert er diese auch aus. Bei einer positiven Reaktion der Umwelt auf sein neues Verhalten wird er diese auch weiterhin verwenden. Mit Peers, also Landsleuten, welche auch als Entsandte im Gastland tätig sind, werden neue Verhaltensweisen diskutiert, und es wird versucht, bestehende Unklarheiten zu beseitigen. Dieses Modell des Kulturerlernens ist auch die Grundlage der vorliegenden Arbeit.

Ziel dieser Arbeit ist es, nach einer Vorstellung des theoretischen Rahmens der Arbeit, Lehners Modell des Kulturerlernens zu überprüfen. So soll veranschaulicht werden, wie Entsandte mit dem Fortgang ihres Aufenthalts ihr Umfeld und damit ihren Lernfokus verändern, was Folgen für die Anpassung hat, und von Seiten des entsendenden Unternehmens unterstützt, aber auch behindert werden kann. Daneben soll untersucht werden, ob zwischen verschiedenen Faktoren, wie zum Beispiel der Anzahl früherer Auslandsentsendungen, und einer erfolgreichen Anpassung ein Zusammenhang besteht. Auf diese Weise soll deutlich gemacht werden, dass bestimmte Faktoren, welche sowohl durch Entwicklungen vor als auch während der Entsendung bestimmt werden, die Anpassung an die Gastkultur beeinflussen und deshalb vom entsendenden Unternehmen berücksichtigt werden sollten.

1.3 Aufbau der Arbeit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die vorliegende Arbeit über die Akkulturation von Expatriates aus einer lerntheoretischen Sichtweise besteht aus vier Teilen, welche wiederum in einzelne Kapitel unterteilt sind. Abb. 1 zeigt eine Übersicht des Aufbaus der Arbeit:

Im 1. Teil dieser Arbeit werden nach einem Überblick über die Bedeutung von Auslandsentsendungen und über die Problematik einer nicht erfolgreichen Anpassung die Ziele der Arbeit beschrieben.

Der 2. Teil beschreibt die Rahmenbedingungen einer Auslandentsendung. Grundlage der Schwierigkeiten bei Auslandsentsendungen ist die meist von der Heimatkultur abweichende Kultur des Entsendungslandes. In den ersten drei Kapiteln wird beschrieben, welche Aspekte einer Auslandsentsendung von Kulturunterschieden betroffen sind, und welche Möglichkeiten es für Unternehmen gibt, ihre Expatriates auf einen Auslandseinsatz vorzubereiten. In den Kapiteln 4 und 5 werden typische Phasen und verschiedene Sichtweisen4 kultureller Anpassung dargestellt. Verschiedene Arten des Lernens werden im Kapitel 6 vorgestellt und auf ihre Anwendbarkeit bei der Akkulturation von Expatriates überprüft. Im Kapitel 7 erfolgt eine umfangreiche Darstellung des Modells des Kulturerlernens von Lehner, welches auch die Grundlage für die vorliegende Arbeit ist. Im 8. Kapitel werden die sich aus dem vorgestellten Rahmen der Akkulturation ergebenden Hypothesen gebildet.

Die Beschreibung der empirischen Untersuchung über das Akkulturationsverhalten von Expatriates wird im 3. Teil beschrieben. Nach einer Beschreibung der grundlegenden Vorgangsweise, der Untersuchungsobjekte, der Vorbereitung und der Durchführung der Studie und der bei der Untersuchung verwendeten Maße werden im 4. Kapitel die durch Literaturrecherche aufgestellten Hypothesen überprüft und interpretiert. Im 5. Kapitel werden aus diesen Ergebnissen abgeleitete Folgerungen vorgestellt.

Teil 4 beinhaltet eine Zusammenfassung der theoretischen Grundlagen und der praktischen Ergebnisse der vorliegenden Arbeit.

Zur Kennzeichnung der Lern- und Anpassungsvorgänge bei einer Auslandsentsendung verwende ich in meiner Arbeit die Begriffe „Akkulturation“, „Adaption“ oder (interkulturelle) „Anpassung“ synonym für den Vorgang und für das Ergebnis der Veränderung, durch welche sich ein Fremder in einer unbekannten kulturellen Umgebung orientiert oder mit anderen Worten für die Integration in eine neue Kultur.

In der Arbeit werden die Begriffe Entsandter und Expatriate synonym verwendet, womit Frauen und Männer in gleicher Weise gemeint sind. Es werden zwar immer mehr Frauen mit einem Entsendungsauftrag in das Gastland geschickt, die Zahl der männlichen Entsandten überwiegt aber immer noch stark (vgl. Tung, 1998,
S. 127f.). Auf eine sprachliche Differenzierung wird zugunsten einer besseren Lesbarkeit verzichtet.

2. Theoretischer Rahmen der Akkulturation von Expatriates

2.1 Die Auslandsentsendung

Wenn man von einer Auslandsentsendung spricht, so ist damit meist der freiwillige, für eine bestimmte Dauer und meist auf Basis eines Vertrages oder Auftrags durchgeführte Transfer von bestimmten Menschen in ein anderes Land gemeint (vgl. Kühlmann, 1995c, S. X; Ward/Bochner/Furnham, 2001, S. 21). Neben Geschäftsleuten werden u. a. auch Studenten, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, Soldaten und Diplomaten ins Ausland entsendet.

Die Auslandsentsendung kann aus vertrags-, arbeits-, versicherungs- und steuerrechtlichen Gründen je nach Dauer differenziert werden (vgl. Scherm, 2001, S. 239). Wirth (1992, S. 209ff.) differenziert nach seiner Studie mit 15 deutschen Unternehmen grundsätzlich zwischen zwei Arten von Entsendungen:

- Delegation mit einer Entsendungsdauer von 3 bis 24 Monaten und einem Arbeitsvertrag mit der Stammfirma,
- Versetzung mit einer Entsendungsdauer von mindestens 2 Jahren und einem Anstellungsvertrag mit der Auslandsgesellschaft.

Van Roessel (1988, S. 61f.) fügt diesen kurz- und langfristigen Aufenthalten noch die Kategorie des Besuchs mit Aufenthalten von ein bis zwei Wochen und des Arbeitseinsatzes für wenige Monate, zum Beispiel zur Inbetriebnahme einer technischen Anlage, hinzu. Um Überschneidungen der Begriffe zu vermeiden wird im Rahmen dieser Arbeit in Anlehnung an Kenter (1989, S. 1925) nur dann von einer Entsendung gesprochen, wenn diese eine Anpassung an lokale Erfordernisse verlangt. Weiters wird in dieser Arbeit das Hauptaugenmerk auf Entsendungen mit einer begrenzten Aufenthaltsdauer gelegt, da sich der Expatriate nur in diesem Fall auch auf seine Rückkehr und damit auf sein Leben nach der Auslandsentsendung vorbereiten kann.

Die Ermittlung einer „optimalen“ Entsendungsdauer ist nicht ohne Schwierigkeiten möglich, da diese sehr stark von verschiedenen Merkmalen abhängig ist. Solche sind zum Beispiel die Kultur des Ziellandes, die Branche des entsendenden Unternehmens oder der Managementlevel des entsendeten Mitarbeiters (vgl. Scherm, 1999, S. 194; Stahl, 1998, S. 147; Wirth, 1992, S. 146).

In einer großen Zahl von Publikationen zum Thema „Auslandsentsendung“ wird beschrieben, dass sehr viele Entsendungen vorzeitig abgebrochen werden (vgl.
z. B. Black, 1988; Black et al., 1992; Copeland/Griggs, 1985; Mendenhall/Oddou, 1985; Mendenhall/Oddou, 1988). Diese Studien bescheinigen Expatriates aus den USA Abbruchquoten im Auslandseinsatz von 20-50 Prozent. In Anlehnung an Harzing (1995, S. 459ff.) kann man allerdings davon ausgehen, dass die in diesen Studien genannten Abbruchquoten hauptsächlich durch unkorrektes Übernehmen von früheren Untersuchungsergebnissen entstanden, wobei nur eine Studie, nämlich die von Tung (1981) auf soliden, empirischen Ergebnissen aufbaute. Tungs Untersuchung erwies, dass nur 7 Prozent der 80 untersuchten US-amerikanischen Unternehmen eine mehr als 20 %ige Abbruchrate hatten. Keines der 29 von ihr untersuchten europäischen Unternehmen hatte eine höhere Abbruchrate als 15 Prozent, 59 Prozent der untersuchten europäischen Unternehmen hatten eine geringere Abbruchrate als 5 Prozent. Ein ähnlich positives Ergebnis brachte die Studie auch für die 35 untersuchten japanischen Unternehmen; keines dieser Unternehmen hatte eine mehr als 20 %ige Abbruchquote, 76 % hatten eine geringere Abbruchrate als 5 %. Die Abbruchquoten amerikanischer Expatriates waren also zwar höher als die europäischer und japanischer Kollegen, trotz eine möglichen Veränderung der Höhe dieser Quoten in den letzten 20 Jahren kann aber davon ausgegangen werden, dass sie nicht so hoch sind wie die in vielen Studien genannten 20-50 %. Harzing fasst es treffend zusammen mit „... there is very little empirical proof for the persistent claim of high expatriate failure rates when measured as premature returns. “ (1995, S. 471).

Die Determinante der Entsendungsdauer sind die Ziele, welche eine Firma mit einer Auslandsentsendung erreichen will. Es existieren zahlreiche Untersuchungen über Motive, die Unternehmen dazu veranlassen Mitarbeiter in ausländische Tochtergesellschaften zu entsenden. Dabei kehren einige Motive immer wieder, welche sich in drei grundlegende Gruppen einteilen lassen (vgl. Kenter, 1989, S. 1926ff.; Scherm, 1999, S. 145f.; Stahl et al., 2000, S. 340; Van Roessel, 1988, S. 66ff.; Wirth, 1992, S. 124ff.).

- Wissenstransfer. Darunter versteht man hauptsächlich Ziele wie die Übertragung von technologischen Wissen und von Managementkenntnissen. Dieser Transfer erfolgt zu Beginn der Internationalisierung zumeist vom Stammunternehmen zur Tochterfirma, kann später aber auch von der Tochterfirma zum Stammunternehmen verlaufen. Man kann dazu aber auch das Ziel einer Besetzung offener Positionen mit Stammhausmitarbeitern aufgrund eines Mangels an qualifizierten Arbeitskräften im Zielland zählen (vgl. Kenter, 1989, S. 1926f.; Scherm, 1999, S. 145; Stahl et al., 2000, S. 340; Van Roessel, 1988, S. 66; Wirth, 1992, S. 125f.).
- Koordination, Kontrolle und Steuerung der Unternehmenseinheiten. Unter diesem Zielbündel versteht man einerseits die Harmonisierung von Systemen wie zum Beispiel Kommunikation, Planung, Controlling oder Rechnungslegung. Andererseits bezieht sich diese Koordination, Kontrolle und Steuerung aber auch auf die Mitarbeiter im ausländischen Tochterunternehmen, das heißt, dass in allen Unternehmensteilen eine einheitliche Form gemeinsamer Grundannahmen geschaffen werden soll (vgl. Kenter, 1989, S. 1927ff.; Scherm, 1999, S. 145f.; Stahl et al., 2000, S. 340; Van Roessel, 1988, S. 68ff.; Wirth, 1992, S. 126). Bergemann und Sourisseaux (1992, S. 150) beschreiben dieses Ziel als Vermittlung der im Land des Stammunternehmens erfolgreichen Unternehmensphilosophie und Unternehmenskultur.
- Personalentwicklung. Grundlegend unterscheidet man zwischen der Personalentwicklung von lokalen und der von entsandten Führungskräften. Während lokalen Mitarbeitern Wissen aus der Stammfirma beigebracht werden soll (vgl. Van Roessel, 1988, S. 71; Wirth, 1992, S. 128ff.), sollen entsandte Führungskräfte allgemeine Führungs- und Fachkenntnisse erweitern und internationale Erfahrung sammeln. Dazu gehört das Kennenlernen internationaler Probleme, fremder Managementmethoden und fremder Verhaltens- und Denkweisen (vgl. Scherm, 1999, S. 146; Van Roessel, 1988, S. 72). Das Ziel der Personalentwicklung ist vorrangig bei der Entsendung von Nachwuchsführungskräften zu finden, diese sollen sich im Ausland behaupten und sich so für höhere Aufgaben im Stammhaus qualifizieren (Kenter, 1989, S. 1929; Van Roessel, 1988, S. 71).

Es verfolgen aber nicht nur die Unternehmen bestimmte Ziele mit einer Auslandsentsendung, auch die entsandten Mitarbeiter wollen davon profitieren. In mehreren Untersuchungen wurden verschiedene Motive festgestellt (vgl. Tab. 1), allerdings wurden diese Motive in den einzelnen Untersuchungen nicht als gleich bedeutend für die Entsandten eingestuft (vgl. Brandenburger, 1995, S. 70f.; Kenter, 1989, S. 1932f.; Stahl et al., 2000, S. 341f.; Van Roessel, 1988, S. 175ff.; Wirth, 1992, 136ff.). Man kann aber wohl aus diesen fünf Studien schließen, dass Mitarbeiter mit der Entsendung besonders ein Zielbündel aus Interesse an der Aufgabe, Karrierevorteilen und mehr Selbständigkeit und Verantwortung verfolgen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.2 Kultur

Der Begriff Kultur wird im heutigen Sprachgebrauch häufig verwendet, der ihm zugrunde gelegte Inhalt ist aber je nach Standpunkt sehr verschieden. Kroeber und Kluckhohn haben bereits 1963 mehr als 150 Definitionen von Kultur präsentiert. Durch die vielen Studien, welche seitdem in diesem Bereich gemacht wurden (vgl. z. B. Adler, 2002; Hall, 1989, Hofstede, 1980; Trompenaars, 1994) kann man davon ausgehen, dass sich die Zahl der Definitionen inzwischen noch vergrößert hat.

Bestimmte Kennzeichen von Kultur sind jedoch in fast allen Kulturdefinitionen enthalten, diese Kennzeichen habe ich zu einer für meine Arbeit maßgeblichen Definition von Kultur zusammengefasst:

Kultur wird erlernt und beinhaltet jene Normen, Werte, Einstellungen und Verhalten, die von den Mitgliedern einer Gruppe geteilt werden und ihr Wahrnehmen, Denken und Handeln bestimmen. Durch diese Verhaltensweisen unterscheiden sich die Mitglieder einer Gruppe von denen einer anderen Gruppe. Kulturen sind meist sehr gefestigt, sie ändern sich daher nur langsam.

In Anlehnung an Hofstede kann man Kultur in verschiedene Ebenen aufteilen (2001, S. 15ff.). Es gibt die nationale Ebene, wozu die Länder gehören, in welchen jemand gelebt hat, regionale und/oder ethnische und/oder religiöse und/oder linguistische Zugehörigkeit. Daneben kann man unter anderem differenzieren in Geschlechtsebene, Generationsebene, Sozialklassenebene und organisationaler Ebene. Die Organisationskultur betrifft die Mitglieder einer Organisation und bezieht sich auf die Art und Weise, wie Angestellte durch ihre Arbeitsorganisation sozialisiert wurden (siehe dazu Kap. 2.6.6).

Bei einer bestimmten Kultur kann es sich demnach um ein Volk, wie das der Finnen, oder um einen ganzen Kulturkreis handeln, wie dem der islamischen Religion. In der kulturvergleichenden Managementforschung werden zwar oft die Begriffe „Kultur“ und „Nation“ synonym verwendet (vgl. z. B. Bittner/Reisch, 1994, S. 14; Usunier/Walliser, 1993, S. 29), gerade das Beispiel der islamischen Religion zeigt aber, dass Kulturgrenzen nicht zwangsläufig mit Staatsgrenzen übereinstimmen müssen. Andererseits gibt es heutzutage auch schon viele Nationen die multikulturell sind, wie zum Beispiel die USA.

Oft wird Kultur auch mit einem Eisberg verglichen, bei dem nur die Spitze aus dem Wasser ragt. Die bekanntesten Formen dieses „sichtbaren“ Teils von Kultur sind zum Beispiel die Sprache, Kleidung, Essgewohnheiten, Führungsstile und andere Verhaltensweisen. Der größte Teil von Kultur ist jedoch unter der Oberfläche und den Mitgliedern der Kultur nicht bewusst. Solche unbewusste Formen einer Kultur sind u. a. Werte, Normen oder Grundannahmen (vgl. Schein, 1995, S. 29ff.).

Kommt es zum Kontakt von Mitgliedern verschiedener Kulturen, so können zwar wahrnehmbare Merkmale wie Verhaltensweisen erkannt werden, nicht aber die Werte und Grundannahmen auf die sich diese Merkmale begründen und damit die Bedeutung dieser Verhaltensweisen. So kann es dazu kommen, dass beim Mitglied der anderen Kultur ein bekanntes Merkmal erkannt wird, man sich aber nicht darüber bewusst ist, dass es etwas anderes bedeutet als man selbst damit verbinden würde. Adler (2002, S. 89) bezeichnet diese Fehlinterpretation als projected similarity. Es liegt eine interkulturelle Überschneidungssituation vor, in der für eine bestimmte Kultur typische, selbstverständliche und als verbindlich angesehene Kulturstandards mit ähnlichen, aber abweichenden Merkmalen einer anderen Kultur in Berührung kommen, was zu Fehlinterpretationen und Missverständnissen führen kann (vgl. Dülfer, 1991, S. 172; Herbrand, 2000, S. 20; Holzmüller, 1997, S. 59ff.; Thomas, 1993, S. 380f.).

Die Wahrscheinlichkeit solch interkultureller Probleme und damit die Schwierigkeit der Anpassung steigt mit dem Grad der Unterschiedlichkeit der aufeinandertreffenden Kulturen (Scherm, 1999, S. 204). Mendenhall und Oddou (1985, S. 43) bestätigen diese Aussage mit ihrem Konzept der cultural toughness, sie wird von Black et al. (1991, S. 312) auch als culture novelty beschrieben. In einer neueren Studie stellte Tung (1998, S. 141) allerdings keinen Zusammenhang zwischen der kulturellen Distanz und dem Erfolg im Ausland fest. Sie setzt dabei allerdings eine erfolgreiche Anpassung mit einer erfolgreichen Auslandsentsendung (bezogen auf das Erreichen der von der entsendenden Firma gesteckten Ziele) gleich. Diese auf den ersten Blick unterschiedlichen Ergebnisse führen zu der Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen erfolgreicher Anpassung und erfolgreicher Auslandsentsendung gibt oder ob dieser Unterschied dadurch begründet werden kann, dass heutige Expatriates vielleicht erfolgreicher sind als frühere – zum Beispiel durch eine bessere Vorbereitung?

Kulturforscher wie Edward Hall (1989), Wendy Hall (1995), Hofstede (1980), Kluckhohn und Strodtbeck (1961) oder Trompenaars (1994) entwickelten verschiedene Theorien, die unterschiedliche Dimensionen zur Beschreibung einer Kultur beinhalteten. Ich werde nur kurz auf die Arbeit von Hofstede eingehen, da seine Untersuchung auf arbeitsbezogene Werthaltungen eingeht und die wohl am meisten diskutierte Studie von den genannten Forschern ist. Seine Dimensionen können zwar nicht alle kulturbedingten Verhaltensweisen erklären, reichen aber für allgemeine Kulturvergleiche meiner Meinung nach aus.

Hofstede untersuchte 117.000 IBM-Mitarbeiter in 66 Ländern und kam so auf vier Dimensionen, auf denen sich die Angehörigen verschiedener Kulturen unterschieden.

Machtdistanz ist das Ausmaß, in dem Mitglieder einer Kultur die Ungleichverteilung von Macht akzeptieren. Kulturen mit einem hohen Machtdistanzwert sind durch ein starkes Machtgefälle und damit durch Gehorsam und Unterordnung gekennzeichnet.

Unsicherheitsvermeidung gibt Aufschluss über den Umgang mit neuen, unstrukturierten Situationen. Ist der Wert der Unsicherheitsvermeidung hoch, so neigen die Menschen in dieser Kultur dazu, Unsicherheit durch Regelwerke, Normen, Rituale oder technologische Lösungen zu bewältigen.

Individualismus vs. Kollektivismus beschreibt die Beziehung der Individuen zur Gemeinschaft, also in welcher Form Menschen zusammen leben. In individualistischen Ländern stehen die Rechte und Wünsche des Einzelnen im Vordergrund, während in kollektivistischen Ländern stark zwischen Gruppenmitgliedern und Außenstehenden getrennt wird.

Maskulinität vs. Feminität orientiert sich daran, ob und wie stark die Mitglieder einer Kultur an typisch männlichen, also klar geschlechtertrennenden, Aktivitäten und Einstellungen interessiert sind. Da diese Bedeutung von Maskulinität und Feminität nicht mehr zu den heutigen Bedeutungen dieser Wörter passt, benannte Adler (2002, S. 61 u. S. 70) diese Dimension in „Karriereerfolg“ und „Lebensqualität um. In maskulinen Kulturen bzw. in Kulturen, deren Mitglieder stark karriereorientiert sind, dominieren Themen wie Leistung, Wettbewerb und eine strenge Geschlechterrollenteilung, in femininen Kulturen bzw. in Kulturen, deren Mitglieder sich an einer hohen Lebensqualität orientieren, sind Werte wie Gefühle und Beziehungen wichtig.

Hofstede fasst die untersuchten Länder aufgrund ihrer Ausprägungen auf den vier Dimensionen in homogene Ländercluster zusammen, welche in dieser Weise gut voneinander abgrenzbar sind: Lateinamerikanische Länder, nordische Länder, germanische Länder, angelsächsische Länder, Länder aus dem fernen Osten und zwei geografisch gemischte Cluster mit Ländern aus Südamerika, Südeuropa und dem nahen Osten (vgl. Hofstede, 1980).

Mit Gegensätzen in den Werteorientierungen sind laut Hofstede (2001, S. 375ff.) grundlegende Unterschiede in der Unternehmensführung, wie zum Beispiel Führungsstile, der Weg zur Entscheidungsfindung, Änderungs- und Risikobereitschaft, Mitarbeitermotivation oder Anreizsysteme verbunden. Alle diese Aspekte sind potentielle Konfliktbereiche bei einer Auslandsentsendung; die Kenntnis unterschiedlicher Werte und Grundhaltungen in der fremden Kultur kann also den Erfolg eines Entsandten wesentlich beeinflussen und muss deshalb bei der Transferplanung berücksichtigt werden.

Es ist daher von Seiten des entsendenden Unternehmens darauf zu achten, dass der Expatriate entsprechend auf diese kulturellen Unterschiede vorbereitet wird. Dies erscheint besonders wichtig, wenn man die Auswirkungen realistischer Erwartung auf den Anpassungsverlauf bedenkt (siehe dazu Kap. 2.6.6). Ein vorbereitendes interkulturelles Training kann genauso wie frühere Auslandserfahrungen die Bildung von präzisen Erwartungen erleichtern und so die Unsicherheit im Ausland reduzieren (vgl. Black et al., 1991, S. 306f.).

2.3 Vorbereitendes Training

Vorbereitendes Training wird unter der Annahme durchgeführt, dass ein gut vorbereiteter Mitarbeiter sich besser an eine fremde Kultur und das dortige soziale System anpassen und so produktiver arbeiten kann (vgl. z. B. Black/Mendenhall, 1990, S. 130f.; Dadder, 1987, S. 14; Dowling et al., 1994, S. 126ff.; Mendenhall et al., 1995, S. 440).

Ein vorbereitendes Training umfasst allgemein alle Maßnahmen, welche Fähigkeiten vermitteln sollen, durch welche ein Mitarbeiter beim Zusammentreffen mit einer fremden Kultur effektiv handeln und damit die von seiner Firma gesetzten Ziele erreichen kann (vgl. z. B. Scherm, 1999, S. 218f.; Thomas/Hagemann, 1992, S. 174; Wirth, 1992, S. 178ff.; Wirth, 1998, S. 156ff.).

Ziele von vorbereitendem Training können nach dieser Definition unterschiedlich sein: Löber (1984, S. 78f.) erachtet die Vermittlung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse des Gastlandes als wichtig, Stahl (1998, S. 32) sieht die Vermittlung länderbezogener Kenntnisse, den Abbau von Stereotypen, die Aneignung sozial-kommunikativer Kompetenzen und die Bewusstwerdung der eigenen Werte als Ziele interkulturellen Trainings, Brislin und Cushner (1996) sind der Meinung, dass interkulturelles Training ein Grundgerüst erstellen soll, mit dessen Hilfe man Interaktionen besser verstehen soll.

Generell unterscheidet man bei vorbereitendem Training zwischen fachlicher, sprachlicher und interkultureller Vorbereitung, wobei die letztgenannte den Trainingsteilnehmer mit den wichtigsten kulturellen Werten, Normen und Einstellungen einer anderen Kultur vertraut machen und sein Bewusstsein für die eigene kulturelle Prägung erwecken soll. Wirth (1992, S. 179) schreibt, dass vorbereitende Sprachkurse vor allem sehr wichtig für die erste Phase des Auslandsaufenthaltes sind, da mangelnde Sprachkenntnisse die Arbeitsleistung während der Phase der Einarbeitung vermindern und die Integration in die Gesellschaft allgemein erschweren können. Dem ist aus meiner Sicht zwar generell zuzustimmen, es verbleibt aber ein Aspekt kritisch anzumerken: Wenn der Expatriate die Sprache des Entsendungslandes nicht fließend spricht, wird die Einarbeitung kaum in der Landessprache vollzogen werden, da die Gefahr des Nichtverstehens und in weiterer Folge unkorrekten Erlernens besteht (um eine Sprache fließend zu sprechen wird ein vorbereitender Sprachkurs zumeist nicht ausreichen), sondern zum Beispiel auf Englisch, das heutzutage die global am weitesten verbreitete Fremdsprache ist und von einigen multinationalen Firmen sogar als Unternehmenssprache verwendet wird (vgl. Katzner, 2002, S. 39f.). Deshalb würde ich einen vorbereitenden Kurs in der Landessprache eher als Grundstock sehen, auf dem im Entsendungsland aufgebaut werden kann.

Neben diesen drei Arten der Vorbereitung erscheint mir auch eine Vorbereitung auf das Leben als Expatriate wichtig. Damit meine ich Aspekte, welche nicht nur mit der unterschiedlichen Kultur begründet werden können, sondern vor allem mit dem Status als Expatriate, also zum Beispiel der neue Arbeitsplatz, neue Kollegen, die Expatriate-Gemeinschaft oder die gesellschaftliche Stellung. Gerade wegen der Bedeutung realistischer Erwartungen (siehe dazu Kap. 2.6.6) denke ich, dass die Vorbereitung auf einen Auslandseinsatz um diese Perspektive erweitert werden sollte.

Verwunderlich ist, dass es trotz des theoretisch erwiesenen Zusammenhangs zwischen vorbereitendem Training und erfolgreicher Anpassung der Expatriates (vgl. z. B. Eschbach et al., 2001; Selmer, 2002; Tung, 1981) große Defizite bei der Trainingsgestaltung der Unternehmen gibt. Tung stellte 1981 in einer Studie in den USA fest, dass nur 32 Prozent der von ihr befragten Unternehmen Vorbereitungsmaßnahmen für zu entsendende Mitarbeiter getroffen hatten. In einer neueren Studie mit amerikanischen Expatriates kam sie 1998 zu dem Ergebnis, dass diese heutzutage besser auf eine Auslandsentsendung vorbereitet sind als früher (vgl. Tung, 1998).

Ähnliche Ergebnisse gibt es bei Untersuchungen von deutschen Expatriates. Van Roessel (1988, S. 191ff.) stellte fest, dass bei den von ihm befragten Unternehmen eigentlich nur eine sprachliche Vorbereitung standardmäßig durchgeführt wurde, eine fachliche oder eine interkulturelle Vorbereitung dagegen nur sporadisch. Auch Wirth (1992, S. 179f.) kommt zu dem Ergebnis, dass interkulturelles Training eher die Ausnahme als die Regel ist. Die Untersuchung von Domsch und Lichtenberger (1991, S. 382) konstatiert, dass bis zu 70 % der von ihnen befragten Expatriates keine Vorbereitungsmaßnahmen in Anspruch nehmen konnten. Zwar schreibt Wirth (1998, S. 156), dass in den letzten Jahren eine Tendenz zu mehr kultureller Vorbereitung auszumachen ist, die Studie von Stahl et al. (2000, S. 343ff.) relativiert diese positive Tendenz aber wieder: Nur knapp mehr als die Hälfte der untersuchten deutschen Expatriates waren mit der fachlichen und kulturellen Vorbereitung auf ihren Auslandseinsatz zufrieden. Dabei gaben 31 % der mit der fachlichen und 26 % der mit der kulturellen Vorbereitung Unzufriedenen als Ursache ihrer Unzufriedenheit Mängel bei der Vorbereitung an, der Rest (68 bzw. 74 %) beklagte das völlige Fehlen fachlicher bzw. kultureller Vorbereitung.

Die befragten 30 deutschen international tätigen Unternehmen waren zum Untersuchungszeitpunkt fast durchwegs Großunternehmen mit mehr als 10.000 Arbeitnehmern, sie zählten zu den national umsatzstärksten Unternehmen und fast alle Personalverantwortlichen waren in Erfahrungskreisen der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (vgl. Stahl et al., 2000, S. 338), man konnte also erwarten, dass die in diesen Unternehmen für Auslandsentsendungen zuständigen Mitarbeiter über Entwicklungen und Forschungsergebnisse auf diesem Gebiet gut informiert hätten sein sollen. Das Ergebnis der Studie lässt mit Rücksicht auf die Befragten und auf frühere Studien folgende Rückschlüsse zu:

- Es hat (zumindest im deutschsprachigen Raum) keine Tendenz zu einer Verbesserung der Vorbereitung auf einen Auslandseinsatz gegeben.
- Es besteht zwar ein Bewusstsein für die Bedeutung der Vorbereitung auf einen Auslandseinsatz, es gibt aber eine Differenz zwischen theoretischem Wissen und der Durchführung in der Praxis.

Die Gründe für diese Differenz zwischen Theorie und Praxis lassen sich aus den Argumenten für eine Ablehnung von vorbereitendem Training von in verschiedenen Studien befragten Personalverantwortlichen erkennen (vgl. Holzmüller, 1997, S. 56; Mead, 1994; S. 409f.; Mendenhall/Oddou, 1985, S. 39f.; Stahl, 1998, S. 32f.; Van Roessel, 1988, S. 193; Weber, 1991, S. 59ff.; Wirth, 1992, S. 192ff.):

- Zeitmangel
- Hohe Kosten und schwierige Planbarkeit des Trainings
- Zweifel an der Effektivität des Trainings
- Fehlende Wahrnehmung kultureller Differenzen
- Fehlendes Bewusstsein für mögliche Nachteile durch schlechte Vorbereitung.

Interkulturelles Training kann zwar auch zur Effizienzsteigerung von multikulturellen Teams oder als Vorbereitung auf Verhandlungen mit ausländischen Geschäftspartnern verwendet werden, meistens wird es jedoch nur zur Vorbereitung für einen Auslandseinsatz genutzt (vgl. Thomas/Hagemann, 1992, S. 174). In der heutigen globalen Wirtschaft mit einer immer weiter steigenden Anzahl von ausländischen Geschäftskontakten und internationalen Kooperationen wäre es meiner Meinung nach durchaus überlegenswert, eine systematische Entwicklung interkultureller Kompetenz (wenn auch in einem finanziell geringeren Umfang als bei Expatriates) für diese erweiterte Gruppe von Mitarbeitern einzuführen, um deren Effizienz zu erhöhen.

Eine andere Gruppe, auf die das interkulturelle Training standardmäßig erweitert werden sollte ist die Familie des Expatriates. Adler (2002, 310ff.) schreibt, dass bei einem Auslandseinsatz die Familie (und dabei vor allem der Partner) des Entsandten zumindest ebenso großen Belastungen ausgesetzt ist wie der Entsandte selbst. Diese Anpassungsprobleme der Familie betreffen auch das entsendende Unternehmen, weil die Anpassung des Expatriates in starkem Zusammenhang steht mit der Anpassung des Partners (vgl. Black, 1988, S. 287ff.). Allerdings wird der Partner (oder die Familie allgemein) nur selten in vorbereitende Trainings miteinbezogen (vgl. Wirth, 1992, S. 179ff.). Diese Nichtbeteiligung kann man nach meinem Erachten dem mangelnden Bewusstsein der Personalverantwortlichen für mögliche Nachteile zuschreiben, welche aus einer fehlenden Vorbereitung der Familie entstehend können.

Gudykunst et al. (1983/1996, S. 65ff.) stellen ein Klassifikationsmodell vor (vgl. Abb. 2), in das sich alle zur Zeit gängigen Trainingsarten einordnen lassen. Sie kombinieren dabei einen Ansatz über den Lernstil (erfahrungsorientiert/didaktisch) mit einem Ansatz über das Lernziel (kulturspezifisch/kulturallgemein). Generell ist anzumerken, dass interkulturelles Training nicht nur vorbereitend, sondern auch während des Auslandseinsatzes stattfinden sollte (vgl. Thomas/Hagemann, 1992, S. 174; Wirth, 1998, S. 162). Dieses den Auslandsaufenthalt und damit die Anpassung begleitende Training stellt in der Praxis aber eher die Ausnahme dar (vgl. Wirth, 1992, S. 180).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.4 Phasen der Anpassung bei einer Auslandsentsendung

Ziel der Anpassung ist es, ohne die eigene kulturelle Identität aufzugeben die Besonderheiten der Gastkultur wahrzunehmen, sich adäquat zu verhalten und eigene Einstellungen nicht als besser anzusehen als die von Gastlandbewohnern; kurz, eine Akzeptanz der fremden Kultur, ohne die eigene kulturelle Identität zu verleugnen (vgl. z. B. Berry et al., 1986, S. 305; Furnham/Bochner, 1986, S. 200ff.; Löber, 1984, S. 102). Dieses Ziel des Nebeneinanders der beiden Kulturen wird aber nicht immer erreicht; in der Literatur werden grundsätzlich drei abweichende Entwicklungen beschrieben:

- Die eigene Kultur wird überbetont, das heißt, sie wird stärker erhalten und gefördert als dies im Heimatland der Fall wäre (vgl. Löber, 1984, S. 102; Marx, 2001, S. 66; Pezaro, 1991, S. 75).
- Die fremde Kultur wird idealisiert, das heißt, dass die Werte des Heimatlandes als minderwertig angesehen werden, während alle Aspekte der Kultur des Gastlandes verherrlicht werden. Dieses going native führt oft nicht nur zu einem Akzeptanzverlust bei den Einheimischen, sondern auch zu großen Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in die heimische Kultur nach dem Ende der Auslandsentsendung (vgl. Bittner/Reisch, 1994, S. 134; Löber, 1984, S. 102; Marx, 2001, 67f.).
- Die eigene Kultur wird marginalisiert ohne dass der Auslandsentsandte sich in die fremde Kultur integriert, das heißt, er wird kulturlos (vgl. Bittner/Reisch; 1994, S. 134).

In der wissenschaftlichen Literatur existiert eine Vielzahl von Phasenmodellen, welche den Anpassungsverlauf bei einem Auslandsaufenthalt zu beschreiben versuchen. Die meisten dieser Modelle basieren gemeinhin auf zwei einander ähnlichen Konzepten: Lysgaards Modell des U-förmigen Anpassungsverlaufs und Obergs Kulturschock-Modell.

Lysgaard (1955, zitiert nach Kühlmann, 1995a, S. 10ff.) stellte bei einer Befragung von norwegischen Fulbright-Stipendiaten in den USA fest, dass je nach Aufenthaltsdauer zum Untersuchungszeitpunkt die Studenten sich selbst als unterschiedlich gut angepasst beschrieben. Aus diesen Erkenntnissen schloss er, dass auf eine Phase gehobener Stimmung zu Beginn des Aufenthalts eine Phase der Frustration folge, welcher wiederum eine Phase mit einem Anstieg der Zufriedenheit folgen würde. Gullahorn und Gullahorn (1963) erweiterten dieses Anpassungsmodell um die Wiedereingliederung in die Heimatkultur und den dabei erfolgenden neuerlichen Kulturschock und kamen so zu einem W-förmigen Modell.

Oberg (1960, zitiert nach Kühlmann, 1995a, S. 6f.) stellte in seinem Modell des Kulturschocks fest, dass es nach einer Phase der Begeisterung für die fremde Kultur (Honeymoon) und einer „Quasi-Urlaubsatmosphäre“ (vgl. Löber, 1984, S. 99) zu einer Phase des Kulturschocks mit Gefühlen von Nichtverständnis und Unfähigkeit als Folge der Unterschiedlichkeit zwischen Heimat- und Gastkultur kommt. Dieser Krisenphase folgt eine Phase der Erholung und mit der abschließenden Phase der Anpassung wird die Akkulturation abgeschlossen.

Der Kulturschock ist demnach eine Art Berufskrankheit mit bestimmten Symptomen, wie zum Beispiel Stress (vgl. dazu Kap. 2.5.3), welche Menschen trifft, die ins Ausland entsendet werden (vgl. Oberg, 1960, zitiert nach Kühlmann, 1995a, S. 7). wobei Kulturschock nicht unbedingt nur negativ gesehen werden muss: Adler (2002, S. 264) zum Beispiel sieht ihn als positiven Beweis dafür, dass sich der Auslandsentsandte wirklich mit der fremden Kultur eingelassen hat.

Von anderen Autoren wie zum Beispiel von Bennett (1994) werden Anpassungsmodelle mit einer variierenden Anzahl von Phasen vorgestellt; allen, und damit auch Obergs und Lysgaards Konzepten, ist aber gemeinsam, dass sie sowohl in konzeptueller als auch in methodischer Hinsicht Mängel aufweisen und den Anpassungsverlauf bei einer Auslandsentsendung maximal beschreiben, nicht aber erklären können (vgl. Black/Mendenhall, 1991, S. 231f.; Furnham/Bochner, 1986, S. 161ff.; Kühlmann, 1995a, S. 8 u. S. 11; Ward, 1996, S. 125 u. S. 131).

Grove und Torbiörn entwickelten aus den Dimensionen „Orientierungsklarheit“, „Verhaltensangemessenheit“ und „Mindestanspruchsniveau“ ein neueres theoretisches Modell des Anpassungsverlaufs (1994). Dieses erklärt nach meiner Meinung zwar die Phasen der Anpassung und deren Zustandekommen besser als frühere Modelle, seine U-ähnliche Form lässt aber auf den gleichen Mangel an empirischer Bestätigung wie für frühere U-förmige Modelle des Anpassungsverlaufs schließen.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der praktische und theoretische Nutzen von Verlaufsmodellen der Anpassung aufgrund schwacher empirischer Bestätigung und eingeschränkter Erklärungskraft nur gering ist (vgl. Black/Mendenhall, 1991, S. 231f.; Kühlmann, 1995a, S. 8 u. S. 11f.). Die Modelle beschreiben zwar Phasen der Anpassung, erklären zumeist aber nicht wie und warum Individuen von einer Phase in die nächste gelangen. In der Fachliteratur wird deshalb häufig versucht die Anpassung an eine fremde Kultur durch Ansätze aus anderen Forschungsbereichen zu erklären; vier solcher Ansätze werden im folgenden Kapitel beschrieben.

2.5 Modelle kultureller Anpassung

In der wissenschaftlichen Literatur ist die Anpassung bei einem Auslandseinsatz eine viel beschriebene Thematik; es wurde zwar eine große Anzahl qualitativer wie quantitativer Daten gesammelt, aber keine umfassende Theorie gebildet, mit welcher Einzelbefunde eingeordnet und Beziehungen erklärt werden können. Dieses Fehlen einer eigenständigen Theorie läßt sich nach meiner Meinung darauf zurückführen, dass eine solche aufgrund der vielen sie betreffenden Forschungsbereiche wohl zu komplex wäre. Um Auslandsentsendungen zu analysieren werden deshalb häufig Überlegungen aus anderen Disziplinen herangezogen. Allen diesen Theorien ist gemeinsam, dass sie entsprechend ihrem Stammgebiet die Beschreibung und Erklärung des Anpassungsgeschehens auf bestimmte Aspekte einschränken (vgl. Kühlmann, 1995a, S. 13).

In der Folge werden vier Ansätze vorgestellt, welche das Anpassungsgeschehen aufbauend auf transitionstheoretischen, kommunikationstheoretischen, stresstheoretischen und lerntheoretischen Überlegungen darstellen. Neben diesen gibt es zwar auch noch Anpassungsansätze aus anderen Perspektiven, wie zum Beispiel aus der Entwicklungspsychologie oder der Eigenschaftstheorie (vgl. Kühlmann, 1995a), die Beschreibung aller würde aber den Rahmen dieser Diplomarbeit übersteigen. Ich habe mich auf diese vier beschränkt, weil ich damit zeigen will, dass es nicht nur einen gültigen Erklärungsansatz für bestimmte Phänomene des Auslandseinsatzes gibt, sondern dass man zu deren Beschreibung oft auch andere Sichtweisen in Betracht ziehen muss.

2.5.1 Kulturelle Anpassung als Modell der Transition

Ein Auslandsaufenthalt kann immer auch als ein Sonderfall einer Transition angesehen werden, wobei man unter Transition eine wesentliche Veränderung des bisherigen Umfelds und die damit verbundene Empfindungs- und Verhaltensänderungen versteht. Andere Beispiele für eine Transition wären das Ende des Studiums und der darauf folgende Übergang in die Berufswelt, der Übergang vom Arbeits- ins Pensionsleben oder der Wechsel des Arbeitsplatzes. Bei aller Vielfalt der verschiedenen Arten von Transitionen ist diesen aber gemeinsam, dass sie von der betroffenen Person Umstellungen in ihrem Empfinden und Verhalten verlangen (vgl. Kühlmann, 1995a, S. 3; Mayrhofer, 1996, S. 182f.).

Ähnlich wie der Begriff der „Transition“ ist auch der Begriff eines „kritischen Lebensereignisses“ (Filipp, 1990). Darunter versteht man eine subjektiv bedeutsame Veränderung der Lebenssituation, die vom Betroffenen eine Neuorganisation seiner Umweltbeziehungen erfordert und die sowohl positive Konsequenzen, wie einen Lerngewinn, als auch negative Konsequenzen, wie zum Beispiel Stress, haben kann. Allerdings bezieht sich dieser Begriff mehr auf jeweils einzelne Ereignisse, während ein Auslandsaufenthalt eher eine Vielzahl von Geschehnissen darstellt, beginnend mit der Ankunft im Gastland, dem Kennenlernen der Kultur, dem Kennenlernen der Kollegen u. ä.

Van Maanens Konzept des Breaking-In (1977, S. 16) stellt zwar speziell auf den Wechsel in eine neue Organisation ab, beschreibt meiner Meinung nach aber mit dem Aufbau neuer Beziehungen, dem Verlernen alter und Erlernen neuer Verhaltensweisen und der Übernahme neuer Verantwortungsbereiche eine wichtige Eigenschaft aller Transitionen, nämlich dass jede Transition Sozialisation erfordert.

Nicholson (1990) unterteilt einen Transitionszyklus in die Phasen der Vorbereitung, der Begegnung mit dem Neuen, der Anpassung und der Stabilisierung, wobei die Anpassung von der persönlichen Änderung und der Änderung der Rolle abhängig ist. Diese beiden Veränderungen sind die Dimensionen seines Sozialisationsmodells der Rollentransition (1984), in diesem unterscheidet er je nach Aktivitätsgrad bei der Änderung von Rolle und Persönlichkeit vier verschiedene Arten der Anpassung:

[...]

Ende der Leseprobe aus 133 Seiten

Details

Titel
Phasen der Akkulturation von Expatriates
Hochschule
Johannes Kepler Universität Linz  (Institut für Unternehmensführung)
Note
1
Autor
Jahr
2003
Seiten
133
Katalognummer
V17203
ISBN (eBook)
9783638218313
ISBN (Buch)
9783638699730
Dateigröße
1473 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Phasen, Akkulturation, Expatriates
Arbeit zitieren
Mag. Martin Amstler (Autor:in), 2003, Phasen der Akkulturation von Expatriates, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17203

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