Der Mezzetin im Werk des Antoine Watteau - der Versuch einer ikonographischen Deutung


Hausarbeit, 2006

17 Seiten, Note: 2.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung zu einer ikonographischen Untersuchung

2. “Commedia dell`arte“
2.1. Die Zanni
2.2. „Brighella“

3. Brighellas Entwicklung zum Mezzetin

4. Der Mezzetin kommt zum Jahrmarkt

5. Watteaus Mezzetin- Der Versuch einer ikonographischen Deutung
5.1. „Die italienische Komödie“
5.2. „Italienische Komödianten“
5.3. „Der Traum des Künstlers“
5.4. „Mezzetin“
5.6. Die „mystische Umgebung“
5.7. „Sous un habit de Mezzetin“

6. Schlussbetrachtung zu Watteaus Werken und „seinem“ Mezzetin

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung zu einer ikonographischen Untersuchung

In dieser Hausarbeit soll eine ikonographische Untersuchung der Figur des Mezzetin im Werk des Barockmalers Antoine Watteau (1684-1721) vorgenommen werden. Neben der Figur des Pierrots, soll auch die Figur des Mezzetin zu den Lieblingsfiguren Antoine Watteaus gehört haben. Er tritt in Watteaus Werken nicht so exponiert in Stellung und Körperhaltung auf wie Pierrot, ist aber mindestens so häufig zusammen mit ihm in Bildern von Watteau dargestellt worden. So kommt der Figur des Mezzetin, die sich aus der ursprünglichen Brighella Maske entwickelt hat, eine Bedeutung in Watteaus Bildern zu, die in dieser Arbeit thematisiert werden soll.

In einer allgemeinen ikonographischen Untersuchung sollten Bilder nicht nur als beigegebene Darstellungshilfe oder lediglich als Anschauungsmaterial betrachtet werden. Bilder und insbesondere Theaterbilder können dem Fragenden etwas über den theaterhistoriographischen Zusammenhang erzählen, in dem sie stehen. Sie können durchaus Aufschluss darüber geben, welche Bedeutung das auf den Werken der Maler Dargestellte innerhalb der Theaterwelt haben kann. Wichtig dabei ist nicht nur die Bilder allein zu betrachten, sondern sie in einem Kontext mit anderen Quellen zu sichten. Oftmals lassen sich Bilder allein für sich sehr schwer entschlüsseln und es bedarf eines interdisziplinären Austausches um ihre „Botschaft“ zu verstehen.

Die Figur des Mezzetin hat sich, wie an anderer Stelle gesagt, aus der Brighella Maske entwickelt. Brighella war eine Maske der „Commedia dell`arte“. Ihm verwandt waren auch die Maske des Flautino, Scapino, und die Maske des sich im französischen Theater entwickelten Scaramouche.

In dieser Arbeit soll untersucht werden welchen Charakter die Brighella Figur innerhalb der „Commedia dell`arte“ hatte, wie sie sich im Zuge der Veränderungen der die „Commedia dell`arte“ ausgesetzt war, im Frankreich des 17. Jahrhunderts, mitverändert hat und welche Metamorphose sie erlebte. Watteaus künstlerische Stilisierung der Mezzetin Figur soll aus theaterikongraphischer Sicht betrachtet werden.

Zunächst ist es unerlässlich, die „Commedia dell`arte“ historisch und in ihren Wesenszügen zu beschreiben. Sie ist Geburtsort der Brighella Figur. Brighella selbst wird dargestellt in seiner Erscheinungsweise und in seinem charakterlichen Ausdruck. Zunächst soll die Entwicklung dieser Figur zum Mezzetin untersucht werden, sowie die spezielle Situation der die „Commedia dell`arte“ kurz vor und zu Watteaus Zeiten in Paris ausgesetzt war. Für die ikonographische Untersuchung ist es bedeutsam, kurz die historische Situation der „Commedia dell`arte-Figuren“ im „Théâtre de la Foire“ zur Kenntnis zu nehmen.

Unerlässlich ist ebenfalls genauer zu betrachten, welches stilistischen Mittels sich Watteau bediente, um die Theateratmosphäre in seinen Bildern herzustellen. In welche Umgebung setzte er seine Protagonisten, wie gestaltete er ihre Hintergrundlandschaft? Die Figur des Mezzetin ist selten allein dargestellt, bis auf wenige Ausnahmen, die hier auch Erwähnung finden, ist er immer mit anderen Figuren in einen Kontext gesetzt

In dieser Arbeit werden beispielhaft für die oben erwähnten Fragestellungen, die Werke von Watteau: „Die italienische Komödie“, „ Die italienischen Komödianten“, „ Mezzetin“, „Der Traum des Künstlers“, „Sous un habit de Mezzetin“, und zwei Figuren des Maurice Sands, „Brighella“ und „Mezzetin“ herangezogen.

2. „Commedia dell`arte“

Ausgehend von der Mitte des 16. Jahrhunderts tauchten zweihundert Jahre lang die Figuren der „Commedia dell`arte“ in immer neuen Kombinationen und Situationen in ganz Europa auf Marktplätzen, in Theaterhäusern und an königlichen Höfen auf.

Die „Commedia dell`arte“ bezeichnete das professionelle italienische Stegreiftheater, der Name selbst hatte sich jedoch erst spät durchgesetzt und war vor dem 18. Jahrhundert kaum bekannt. David Esrig beschreibt die „Commedia dell`arte“ als „[…], eines der aufregendsten Phänomene, die das europäische Theater in seiner jahrhundertelangen Entwicklung erlebt hat.“1

Der Name „Commedia dell`arte“ setzt sich aus „Commedia“= Theater, Schauspiel und „Arte“= Handwerk, oder auch Handwerkskunst zusammen. Also kann von Berufstheater oder Schauspieltheater gesprochen werden.2

Die Schauspieler dieses Theaters waren Komödianten, Akrobaten, Tänzer, Musiker und Mimen in einer Person. Jeder dieser Schauspieler spielte ein Leben lang dieselbe Rolle, dieselbe Figur, die dadurch „[…] zu einer verblüffenden Perfektion und Aussagekraft gebracht wurde.3 Im Gegensatz zu der „Commedia erudita“4 war die „Commedia dell`arte“ ein Improvisationsspiel, eine „Commedia all´improvisio“, ein Spiel aus dem Stehgreif für das italienische Volk.5 Ohne Textvorlage, mit nur kurzen Szenarien und Anweisungen für den Handlungsablauf und die Verhältnisklärung der Figuren untereinander, spiegelte die „Commedia dell`arte“ stilisiert menschliche Charaktere und Alltagssituationen, wie kein anderes europäisches Theater. Durch seine Vielfalt im Spiel wurde es „[…] erstmalig auf eine künstlerische Ebene erhoben.“6

Zu dem Ursprung der „Commedia dell`arte“ gibt es wissenschaftliche Debatten. Ingrid Ramm Bonwitt fasst drei mögliche Ursprungsquellen zusammen. Als erste Quelle beschreibt sie die altrömische Atellane, eine Possengattung, die schon im dritten vorchristlichen Jahrhundert als Spiel nach aufgeführten Tragödien gezeigt wurde. Als zweite und dritte Quelle nennt sie die im Mittelalter wandernden Gaukler und Clowns auf Jahrmärkten und Marktplätzen, sowie den Karneval.7

Der Marktplatz blieb als Ursprungsort auch der Ort, der in seiner Anonymität das Überleben der Schauspieltruppen über Jahrhunderte hinweg sicherte.8

Die Figuren der „Commedia dell`arte“ sind regelmäßig wiederkehrende Typen, die sich in ihren wesentlichen Grundzügen niemals veränderten. Den einen Teil der Gruppe bildeten die Zanni (die Diener), den anderen Teil die Vecci (die Alten). Im Zentrum des Geschehens standen die Amorosi (die Verliebten), um deren „Weh und Wohl“ sich das Spiel der anderen bewegte. Die Gestalten der „Commedia dell`arte“ sind stilisiert und repräsentieren einen bestimmten Charakter, verbunden mit einem sozialen Status. In den Figuren des Pantalone, Harlekin, Dottore oder Brighella, aus dem später Mezzetino wurde, verkörperten sich menschliche Charaktereigenschaften und Schicksale.

Als wesentlicher Beitrag zum Spiel der „Commedia dell`arte“ muss die Maske betrachtet werden. Hier ist die Maske nicht nur Gesichtsmaske, sondern stellt den zu spielenden Typus dar und ist die Quintessenz der wesentlichen charakterlichen Eigenschaften.

Die Maske „[…] ist das Unvergängliche, das Unverwechselbare einer Figur.“9

2.1 Die Zanni

Die beiden Zanni waren die Triebkräfte der „Commedia dell`arte“. Auf beiden war die Intrige des Stückes aufgebaut und sie waren Identifikationsfiguren für das Jahrmarktspublikum. Sie gehörten zu den populärsten Figuren der „Commedia dell`arte“. Obwohl gegensätzlich in ihrem Charakter, war es aber genau diese Unterschiedlichkeit, die sie erst zu einem Ganzen werden ließ, oder wie Reinhart Spörri sagt: „Sie ergänzen sich in jeder Bewegung, jedem Blick, jedem Ton, unbewusst leihen sie sich gegenseitig den Rahmen ihrer komischen Vorstellung.“10

Der erste Zanni ist die seit 1571 nachgewiesene Brighella Maske.11 Der zweite Zanni, sein Gegenpart, wurde als Arlecchino bekannt. Die Zanni waren Bauern, meist aus Bergamo stammend, und wurden in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts auf der Suche nach einer neuen Existenz zu Dienern bei reichen alten Leuten. Brighella, der erste Zanni, war der aktive, geschickte, raffinierte und Arlecchino war der passive, der naive, primitive und einfältige Part dieses Duos. Beide blieben trotz ihres niederen sozialen Ranges stets unabhängig und stolz.12

2.2 „Brighella“

Brighella zeichnete sich in seinem Charakter als klug, draufgängerisch und zielstrebig aus, besonders wenn es sich um seine persönlichen Belange handelte. Er war lebendig, charmant zu Frauen, hinterlistig und böse. Brighella war sehr schnell in seinem Denken und Handeln. Zu jeder Situation erfand er die angemessene Antwort. Er konnte fechten, tanzen, singen und war unermüdlich im Erfinden neuer komischer Lazzi.13 Sein Verhältnis zu Frauen war ambivalent. Er liebte sie nicht, aber fühlte sich dennoch zu ihnen hingezogen. Diese Unternehmungen waren jedoch immer zum Scheitern verurteilt, da die Frauen eher Angst vor ihm hatten. Er stand im Zentrum der Intrige; der Gefahr des Todes durch den Strang entging er immer wieder durch neue Einfälle und Ideen, „[…]denn er will die Welt neu einrichten, nach seinem Willen.“14

Ursprünglich trugen die Zanni eine sehr große, bis zu den Knien reichende weite weiße Bluse mit rundem Halsausschnitt, die ein Gürtel unter der Taille zusammenhielt. Die Hose, ähnlich weit wie die Bluse, war so lang, dass die flachen Schuhe fast nicht zu sehen waren. Das Gesicht hat eine seltsame grüne Farbe, wie bei einer Olive, und seine gebrochene Nase sah aus wie der Schnabel eines Geiers. Es wurde von einer Maske mit wirren Barthaaren eingerahmt. Auf dem Kopf trug er einen Hut, mit einer vorn zweigeteilten Krempe die wie Hörner vorstanden, mit einer Feder geschmückt. Eine Holzlatte, das Schwert der Zanni, steckte im Gürtel.

[...]


1 David Esrig, Commedia dell`Arte, Eine Bildgeschichte der Kunst des Spektakels, Nördlingen 1985, S.8.

2 Marcel Kunz und Alessandro Marchetti, Arlecchino & Co, Geschichte der Commedia dell`arte, Textheft, Spielvorlagen: Texte und Materialien, Herstellung der Commedia Masken, Zug 1986, S.5.

3 David Esrig, a.a. O. S.20.

4 Ein Schauspiel, in dem Laien vor gebildetem Publikum nach vorgegebenen Dialogen spielten. Siehe Anmerkung 5.

5 Nils Jockel, Commedia dell`Arte zwischen Straßen und Palästen, Hamburg, 1983, S.8.

6 David Esrig, a.a. O. S14.

7 Ingrid Ramm Bonwitt, Commedia dell`arte, Frankfurt am Main, 1997, S.14-17.

8 David Esrig a.a. O. S. 48.

9 Ebd .a.a. O. S. 72.

10 Reinhart Spörri, Die Commedia dell`Arte und ihre Figuren, Schweiz 1977, S.6.

11 Karl Riha, Commedia dell`Arte, Mit den Figuren Maurice Sands, Frankfurt am Main 1980,S.31.

12 Ingrid Ramm Bonwitt, a.a. O. S. 78.

13 Komische Einlagen und Gags, welche die Zuschauer kennen und erwarten. Siehe Anmerkung 5.

14 Reinhart Spörri, a.a. O. S.10.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Der Mezzetin im Werk des Antoine Watteau - der Versuch einer ikonographischen Deutung
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Theaterwissenschaft)
Veranstaltung
Theater „stillgestellt“: Zur Geschichte des Theaters- und Aufführungsbildes in bildender Kunst und Fotografie.
Note
2.0
Autor
Jahr
2006
Seiten
17
Katalognummer
V170697
ISBN (eBook)
9783640897070
ISBN (Buch)
9783656761822
Dateigröße
455 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
mezzetin, werk, antoine, watteau, versuch, deutung
Arbeit zitieren
Veronique Grawe (Autor:in), 2006, Der Mezzetin im Werk des Antoine Watteau - der Versuch einer ikonographischen Deutung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/170697

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