Das Islam-Bild in den deutschen Medien

Vergleich der Darstellung anhand der Berichterstattung in der FAZ und der SZ zum Schweizer Minarettverbot und dem Lettre-International-Gespräch mit Thilo Sarrazin.


Bachelorarbeit, 2010

92 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretische Grundlagen

3 Hypothesen

4 Empirische Untersuchung

5 Ergebnisse der Untersuchung

6 Auswertung

7 Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Webverzeichnis

8 Codierbuch

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Muslimische Bevölkerung in DE nach Glaubensrichtungen, 2005

Abbildung 2: Moschee mit Minarett in Duisburg/Marxloh

Abbildung 3: Artikelanzahl nach Publikation

Abbildung 4: Veröffentlichung derArtikel nach Monat

Abbildung 5: Darstellungsformen in derSarrazin-Berichterstattung

Abbildung 6: Darstellungsformen in derMinarettverbot-Berichterstattung

Abbildung 7: Ressort-Übersicht der FAZ-Berichterstattung

Abbildung 8: Ressort-Übersicht der SZ-Berichterstattung

Abbildung 9: Wie steht derAutor dem Sarrazin-Interview gegenüber?

Abbildung 10: Wie steht derAutor dem Minarettverbot gegenüber?

Abbildung 11: Codierbogen

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Auflagenstärke überregionaler Tageszeitungen

Tabelle 2: Relevante Artikelanzahl vor der systematischen Aussortierung

Tabelle 3: Relevante Artikelanzahl nach der systematischen Aussortierung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Anfang Januar 2010 entging Kurt Westergaard, einer der Zeichner der Mohammed-Karikaturen, nur knapp einem Anschlag. Ein 28-jähriger Somalier drang mit einer Axt und einem Messer in Westergaards Haus in der Nähe von Arhus ein. Das rechtzeitige Erscheinen der Polizei vereitelte die Tat und rettete Westergaard das Leben. Der dänische Geheimdienst PET attestierte der Tat einen terroristischen Hintergrund, und schnell wurde bekannt, dass der Angreifer Verbindungen haben soll zu den radikal-islamischen Al-Shabaab-Milizen und zur Führung des Terror-Netzwerks El Kaida in Ostafrika[1]. Die Islamische Konferenz (OIK) in Jaddah verurteilte die Tat: ,,If the alleged attempt on the life of the Danish cartoonist is proven to have been committed as a reaction to the infamous cartoons of 2005, then it should be rejected and condemned by all Muslims“.[2]

Urs Meier, Geschäftsführer der Reformierten Medien, macht den Karikaturstreit, dessen Nachbeben heute noch wahrzunehmen ist, viereinhalb Jahre nach der Veröffentlichung des Muhammeds ansigt, zum Exempel des Konflikts zwischen der abendländisch-aufklärerischen Kultur und den religiös-kulturellen motivierten Geltungsansprüchen innerhalb des Islams. Die Karikaturen seien zur „Chiffre für einen angeblich vom Westen gegen die islamische Welt geführten Krieg“ geworden.[3] In diesem Streit standen sich gegenüber „einerseits Meinungsfreiheit und andererseits Respektierung religiöser Gefühle und Regeln“[4] Fundamentalistisch orientierte Muslime in aller Welt verlangen die allgemeine Geltung islamischer Gebote. Dieser Position entgegen stehe ein abendländisch­aufklärerisches Freiheits- und Toleranzethos, welches alle religiös-kulturellen Geltungsansprüche relativiere.

Eine andere Position bezieht Prof. Dr. Kai Hafez[5]. Seiner Meinung nach ist der Karikaturstreit kein Beweis für einen tief liegenden, kulturellen Konflikt zwischen dem Westen und der muslimischen Welt. Vielmehr haben „cultural warriors“ den Konflikt instrumentalisiert, um ihrer Wut auf die westliche Zivilisation auszudrücken. „Cultural conflict is not simply there - it must be constructed“, konklusiert Hafez. „Global media heated the conflict by (...) creating the impression that the whole Muslim world was on the march.“[6]

Welcher Standpunkt dem Betrachter logischer erscheinen mag - bereits seit längerem hat sich das Verhältnis zwischen der islamischen Welt und dem Westen, also der abendländisch-christlichen Kultur, zu einem beherrschenden Thema in Politik und Gesellschaft entwickelt und wird in Zukunft „entscheidende, wenn nicht sogar schicksalhafte Bedeutung gewinnen“[7]. Dieser vermeintliche Konflikt der Kulturen, den der US-amerikanische Politikwissenschaftler Samuel Phillips Huntington bereits 1996 in seinem Buch Clash of Civilizations and the Remaking of World Order weitläufig und nicht nur mit Sicht auf den Islam skizziert, fördert heute immer neue Schlagzeilen zutage. Der Karikaturstreit und die Hetze auf Sir Salman Rushdie, der sich mit seinem Buch Die Satanischen Verse einen Mordaufrufvom iranischen Revolutionsführer Chomeini eingehandelt hat, waren in derVergangenheit die namhaftesten Konfrontationen.

Ende 2009 sorgten zwei weitere Ereignisse für enormes journalistisches Interesse und ein hohes Maß an Polarisierung, sowohl in den verschiedenen Publikationen als auch bei dessen Publikum. Den Anfang machte Thilo Sarrazin, SPD-Politiker und Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank, im Kulturmagazin Lettre International. Das Gespräch mit ihm, „Klasse statt Masse“, wurde, durch Sarrazins polemische Darstellung der Verhältnisse in Berlin lebender Migranten, schnell zum Medienereignis. Etwa zwei Monate darauf, die Wogen an Ablehnung gegenüber oder Solidarisierung mit Sarrazin durch die emsigen Kommentatoren war gerade abgeebbt, wurde das Ergebnis der eidgenössischen Volksabstimmung in der Schweiz bekannt. Die Initiative, die unter dem Titel „Gegen den Bau von Minaretten“ gestartet war, wurde mit 56 Prozent der Wahlstimmen bejaht. Das sogenannte Minarettverbot war geboren. Die Empörung islamisch-geprägter Staaten folgte prompt, und die deutschen Feuilletonisten zerbrachen sich den Kopf, inwieweit Plebiszite in Demokratien legitim seien.

1.1 ZielderArbeit

Diese Arbeit soll anhand eines Vergleichs der Berichterstattung das medial­vermittelte Bild der islamischen Religion in Deutschland erfassen. Die Demonstration findet anhand von zwei überregionalen Qualitätstageszeitungen statt, der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, und bezieht sich auf die Darstellung der oben erwähnten Ereignisse, dem Interview mit Thilo Sarrazin und der eidgenössischen Volksabstimmung in der Schweiz.

Für die Analyse haben die beiden genannten Ereignisse zwei grundlegende Prämissen: Zum einen stellen sie jeweils einen Konflikt dar, der im Zusammenhang mit der Religionsgemeinschaft Islam steht, zum anderen bieten beide Artikel viel Potenzial für zustimmende oder ablehnende Kommentierung.

Mithilfe der Methodik einer qualitativen Inhaltsanalyse werden die Artikel der beiden Publikationen zu den zwei genannten Themen analysiert. Durch Meinungsbeiträge wie Kommentare oder Stellungnahmen in Leitartikeln lässt sich der Tenor erkennen, mit dem die jeweilige Zeitung ein bestimmtes Bild des Islams für ihren Rezipienten zeichnet. Es wird die Frage gestellt, welche Publikation den Bemerkungen Sarrazins oder dem Minarettverbot eher bejahend oder ablehnend gegenübersteht. Auch die Differenzierung innerhalb einer Redaktion soll Beachtung finden: Vermittelt die jeweilige Zeitung ein einheitliches Bild des Islams oder existieren konträre Meinungen parallel nebeneinander?

Diese Differenzierung ist von großer Relevanz, gerade vor dem Hintergrund der Agenda-Setting-These. Anhänger dieser in der Kommunikationsforschung anerkannten Theorie[8] gehen davon aus, dass die Medienagenda in hohem Maße festlegt, mit welcher Themenagenda sich das Volk emotional und kognitiv auseinandersetzt. Vor allem bei einem derart heiklen Thema wie dem Islam ist bewusst daraufzu achten, welches Bild die Medien konstruieren.

Diese Arbeit wird keine Antwort darauf geben, inwiefern die Aussagen Sarrazins und das Verbot für Minarette in der Schweiz legitim sind. Auch auf eine Stellungnahme zu den Ereignissen wird verzichtet. Dies ist weder Teil der hier gestellten Frage noch im Rahmen dieser Arbeit behandelbar. Wohl aber wird der Versuch unternommen, die entsprechenden Sachverhalte klar darzustellen. So wird ein informationelles Fundament gewährleistet, das die Zeitungsartikel, sowie die Meinungen und Absichten derjeweiligen Autoren zu verstehen hilft.

1.1.1 Gliederung

Damit die Inhaltsanalyse durchgeführt werden kann, müssen zunächst relevante Begriffe definiert und entsprechende Sachverhalte erklärt werden. Zunächst wird das Augenmerk auf das Forschungsinteresse gerichtet, aus dessen Grund diese Arbeit motiviert ist, und den Forschungsüberblick, eine Abhandlung mit wissenschaftlichen Arbeiten, welche den Islam in deutschen Medien thematisieren.

Im zweiten Kapitel werden theoretische Grundlagen geschaffen. Vorab wird die Zeitung als publizistisches Erzeugnis erläutert. In den Unterpunkten wird erklärt, warum die Wahl der Publikationen auf die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) und die Süddeutsche Zeitung (SZ) fiel. Ein Skizze des publizistischen Profils inklusive der politischen Ausrichtung beider Zeitungen runden die Definition ab. Es folgt eine Auseinandersetzung mit dem vorläufig relativ abstrakten Begriff Islam. Neben der Entstehung, der Geschichte und den Grundbegriffen der monotheistischen Religion Islam soll vor allem ein Blick geworfen werden auf den Islam in Deutschland. Ebenso sei hingewiesen auf den Exkurs zum Thema Minarett. Er soll helfen, dem Schweizer Minarettvotum ein Faktenhintergrund zu bieten.

In den nachstehenden Punkten werden die zwei für die qualitative Inhaltsanalyse relevanten Sachverhalte inhaltlich detailliert aufgearbeitet. Aus den Profilen der FAZ und der SZ sowie den im Forschungsüberblick gewonnenen Erkenntnissen über das Islam-Bild in den deutschen Medien und schließlich den dargelegten Sachverhalten, dem Gespräch mit Thilo Sarrazin und dem Minarettverbot in der Schweiz, werden die Hypothesen abgeleitet.

Diese Hypothesen werden dann in der qualitativen Inhaltsanalyse, die auf der konzipierten Grundlage von Zeitungsberichten der zwei Publikationen durchgeführt wird, überprüft. Aus diesen Ergebnissen lässt sich schließlich eine Interpretation für diejeweilige Berichterstattung ableiten, ehe im letzten Punkt die Schlussbetrachtung das Thema noch einmal zusammenfassen soll.

1.1.2 Forschungsinteresse

Ein allumfassendes Islam-Bild der deutschen Medien zu analysieren und skizzieren, ist aufgrund des Zeitrahmens nur bedingt möglich. Nach Überlegungen habe ich mich dazu entschlossen, die Medienwahl auf Printmedien zu reduzieren, speziell die überregionalen Tageszeitungen Süddeutsche Zeitung und Frankfurter Allgemeine Zeitung. Die nächsten Punkte werden die Bedeutung der Zeitungsmedien für die Gesellschaft erläutern. Vorwegzunehmen ist, dass Medien, insbesondere die überregionalen Tageszeitungen, eine meinungsbildende Funktion sowohl bei Journalisten als auch normale Rezipienten innehaben.

Der Sachverhalt, dass Medien über eine meinungsbildende Funktion verfügen, birgt Potenzial wie Gefahr gleichermaßen. Bezogen aufdas Thema Islam besteht das Potenzial in aufklärender Informationen und Dialogbereitschaft, aber auch in offenem und diskretem Disput. Die Gefahr besteht hingegen in der medial­gestützten Konstruktion von Feindbildern aufgrund von eindimensionaler, undifferenzierter und polarisierender Berichterstattung[9]. Daher empfinde ich die Analyse des Islam-Bildes in Deutschland, respektive in den deutschen Medien, als dringend notwendig und von großer Wichtigkeit. Durch die Analyse der Berichterstattung der genannten Ereignisse soll aufgezeigt werden, ob und, wenn, von welchem ideologisch-geprägten Standpunkt aus die SZ und die FAZ möglicherweise diese zwei, den Komplex Islam nicht wenig tangierenden Themen betrachten.

Gerade aus medien-ethischer Sicht sind Themengefüge, die sich religiöse Rechte oder ethische Minderheiten zum Thema machen, von großer Relevanz: Zum einen muss und sollte vermieden werden, alle Anhänger einer Glaubensgemeinschaft durch willkürliche Verallgemeinerung oder aufgrund unzulässiger Abstraktion gleichzusetzen mit Untergruppen dieser Religion, die sich durch antidemokratische oder fundamentalistische Aktivitäten hervortun. Gleichzeitig darf eine offene Streitkultur in den Medien, eine fundierte Streitkultur wohlgemerkt, die den Dialog fördert und Wahrheiten unabhängig welchen politischen oder ethischen Lagers auch immer zulässt, nicht weichen zum Schutz religiösem Geltungsanspruchs.

Aber auch aus gesellschaftlich-soziologischer Sicht ist diese Thematik von enormer Tragweite: Wenn davon die Rede ist, dass in den Medien das „Feindbild

Islam offenbar bereits voll ausgebildet“[10] ist und dem Deutungsmuster entsprechen würde, das in Deutschland während des Kalten Krieges dem Kommunismus zugeschrieben wurde[11], so ist umso mehr darauf zu achten und darauf hin zu arbeiten, dass eine gewollt oder ungewollt konstruierte Medienrealität nicht das gesellschaftliche Miteinander zwischen Deutschen, Deutschen nicht-deutscher Herkunft und Ausländern trübt oder gar zerstört. Denn im Gegensatz zum „kommunistischen Gespenst“ von damals ist die islamische Gemeinschaft heute bereits ein Teil der deutschen Gesellschaft.

Die Agenda der Medien muss diesen Drahtseilakt vollziehen zwischen dem Anspruch auf Wahrheit, der auch unangenehm sein kann, und zugleich Respektierung religiöser Gefühle und Vermeidung illegitimen Verallgemeinerungen. Inwieweit differenziert das Vorgehen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und das der Süddeutschen Zeitung ist, wird in diesem Zusammenhang erforscht.

1.2 Forschungsüberblick: Der Islam in den Medien

Eine Vielzahl von Wissenschaftlern und Forschern setzen sich bereits mit der Frage auseinander, mit welchen unterschiedlichen Nuancen der Islam in den Medien dargestellt wird. Aufgrund der enormen Themenbreite, die die einzelnen Medienbilder spezieller Islamthemen in Europa auffächert[12], soll der Fokus bei diesen Ausführungen, aufgrund der thematischen Eingrenzung, auf Überlegungen und Forschungen gelegt werden, die sich mit dem Islam-Bild speziell in Deutschland beschäftigten.

Eine viel beachtete und umfangreiche Studie zum dem Islam-Bild in den deutschen Medien führte der Islamwissenschaftler Kai Hafez durch. In seiner Studie Das Nahost- und Islambild der deutschen überregionalen Presse

untersucht er das Portrait von Nahost- und Islam in ausgewählten Printmedien (sowohl in Tageszeitungen als auch in Wochenmagazinen) zwischen 1955 und 1994. Hierbei ordnete Hafez den untersuchten Beiträgen Ereignistypen zu. Beiträge ließen sich „durch eine positive, neutrale oder negative Valenz beschreiben“, da sie nach Hafez entweder „besondere Erfolge, reguläre gesellschaftliche Abläufe oder Gewalt bzw. Konfliktgeschehen betrafen“[13]. Hierbei wurden die Hauptereignisse und -themen eines Beitrags in zuvor definierte semantische Wortfelder eingeordnet (positiv: Erfindungen und

Entdeckungen usw.; neutral: Wahlen und Staatsbesuche usw.; negativ: Anschlag und Ausnahmezustand usw.). Die Ergebnisse seiner Untersuchung zeigen, dass der Islam „neben den hohen Werten bei Berichten über gewaltsame Konflikte (negativ 48,3%) auch einen relativ hohen Anteil an Berichten über gewaltlose Konflikte (negativ-neutral[14] 12,8%)“[15] aufwies. Demnach ist der prozentuale Anteil der sogenannten Negativvalenzen beim Thema Islam „weitaus höher“ als beim Thema Nahostkonflikt (im Durchschnitt: Nahostkonflikt 31,4 Prozent; Islam 48,3 Prozent). Hafez fasst zusammen, dass beim Thema Islam, so gravierend wie bei nahezu keinem anderen Thema, „Gewaltsamkeit oder Konflikthaftigkeit des Geschehens (...) die dominierenden Elemente zur Überwindung der medialen Aufmerksamkeitsschwelle“[16] seien.

Interessant ist die Feststellung, dass die Wochenzeitschriften stem und Der Spiegel den Islam ungleich stärker mit Gewaltereignissen in Verbindung bringen würden (Stern 51,4 Prozent; Spiegel 64,1 Prozent) als die Tageszeitungen. Die zwei überregionalen Tageszeitungen, die Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit sind, kamen auf 37,5 (FAZ) und 40,3 Prozent (SZ)[17]. Es fällt hierbei auf, dass die FAZ, die, wie im Verlauf dieser Arbeit herausgestellt wird, als konservativ-rechts gilt, weniger negativ über den Islam berichtet als die als liberal-links geltende SZ und dass die FAZ im Zeitraum von 1955 bis 1994 eine weitaus intensivere Berichterstattung zum Themenkomplex Islam mit (230 Artikel) angeboten hat als die SZ (159 Artikel)[18]. Die Tageszeitungen seien nach

Hafez die einzigen Medien „wenn überhaupt“, die „existierende zwischenstaatliche oder -gesellschaftliche Beziehungen im Bereich von Politik, Ökonomie, Kultur und Wissenschaft“ in ihre Agenda aufnehmen würden[19].

Ebenso bemerkte Hafez in seinem Aufsatz Antisemitismus, Philosemitismus und Islamfeindlichkeit: ein Vergleich ethnisch-religiöser Medienbilder, dass die Wahrnehmung des Islams, der Muslime, des Orients oder der Türkei in den deutschen Medien zu einem gesellschaftlich beachteten Themenkomplex avanciert[20] sei. Langzeituntersuchungen der deutschen Presse[21] hätten dabei ergeben, dass der Islam zu denjenigen Themen der Auslandsberichterstattung zu zählen ist, „mit den höchsten Belastungen durch negative Ereignisvalenzen“[22]. Zu den im Fokus der Medien stehenden Themen gehören demnach u.a. Gewalt- und Glaubensfragen, Kleidung und Sitten oder Religionsunterricht. Dieses Negativbild des Islam in der deutschen Presse sei nicht zu kritisieren, weil es bestimmte Arten der Auslegungen des Islams benenne („frauenfeindlich, dogmatisch und archaisch“[23] ). Vielmehr gehe es um die Unausgewogenheit: Positives würde verschwiegen werden, es würde sich beharrlich geweigert werden, den Anteil der Muslime in Deutschland in Ökonomie, Politik und Kultur anzuerkennen[24]. Des Weiteren versucht Hafez, Parallelen zwischen dem Antisemitismus und der heutigen Islamfeindlichkeit zu ziehen. In diesem Kontext wird erklärt, dass Vorurteile und Aversion gegenüber dem Islam in Deutschland heute genauso „salonfähig“ wären wie der Antisemitismus im 19. und frühen 20. Jahrhundert: „Unwissen über den Islam und die einseitige Zuspitzung des Islambildes auf Probleme des Fundamentalismus und des Dogmatismus sind (...) ein zentrales Problem der Mainstream-Medien, einschließlich der sog. Elitepresse, also derführenden überregionalen Printmedien“[25].

Christoph Butterwegge, Professor für Politikwissenschaften und Mitglied der Forschungsstelle für interkulturelle Studien an der Universität Köln, konkretisiert die von Hafez thematisierten Qualitätsprobleme der Medien. Arbeiternehmer in der Medienbranche stünden immer stärker unter Zeitdruck, wodurch keine Gelegenheit mehr bestehe zur eigentlich erforderlichen beruflichen Weiterbildung oder sorgfältiger Recherche, der steigende Konkurrenzdruck im Bereich des Privatrundfunks sowie die wirtschaftliche Konzentration der Printmedien würde die Qualität der Berichterstattung beeinträchtigen. Diese Tendenz sei nicht nur bei den Privatsendern zu beobachten. Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk versuche „durch Anpassung an kommerzielle Programme, Verflachung seines inhaltlichen Profils und Übernahme von Elementen des Sensationsjournalismus“ konkurrenzfähig zu bleiben.[26]

Für Butterwegge sind Massenmedien Filter von Informationen, die das Bewusstsein der Menschen beeinflussen und ein Zerrbild der Realität aufbauen würden. Über Ausländer in Deutschland werde demnach nur in Ausnahmefällen berichtet, die „möglichst spektakulär sein und katastrophische Züge tragen“ sollten. Dadurch entstehe ein medial-konstruiertes und gleichzeitig deformiertes Bild von Zuwanderern, die ausschließlich mit „Unordnung, Chaos und Gewalt“ assoziiert werden.[27] Dieses Bild würde vor allem auf Musliminnen und Muslime aus der Türkei zutreffen, wodurch der islamische Fundamentalismus als „schäfster [sic!] Feind abendländischer Demokratien“ erscheine.[28]

In der Publikation Mythos Globalisierung konkretisiert Hafez die oben angesprochene Unausgewogenheit der Berichterstattung. Diese Dysbalance resultiert demnach aus der starken Fixierung der Auslandsberichterstattung, die das chaotische und krisenbehaftete Weltgeschehen abbilde. Hafez erklärt, dass jede Auslandsberichterstattung, die mit einer entsprechenden Minderheit in Verbindung gebracht werden kann, „ein innergesellschaftliches 'Zweitbild'“[29] entwickle. Die Welt hätte beispielsweise die eingangs erwähnte Rushdie-Affäre als Bestätigung für den angeblichen Kulturdifferenzialismus zwischen der islamischen Welt und dem Westen verstanden.[30] Hafez kommt zu der Annahme, dass die Darstellung von Ausländern in den Medien ein „Amalgam aus Bildern“ sei, die sich zum einen aus den Bildern der erwähnten Auslandsberichterstattung entwickeln und zum anderen aus den Bildern der in Deutschland lebenden Ausländer bzw. Deutsche mit nicht-deutscher Herkunft.[31] Gleichzeitig sei umstritten, dass die Medien als eine Art geistige Brandstifter der Ausländerfeindlichkeit fungieren. Vor dem Hintergrund der Globalisierung, der grenzüberschreitenden Kommunikation in aller Welt, fasst Hafez schließlich zusammen, dass sich weder die Medieninhalte qualitativ noch die Einstellung gegenüber Fremden messbar differenziert oder geändert hätte.[32]

Ebenso wird in einer Studie über das Islam-Bild in ARD und ZDF bemerkt, dass sich speziell Magazinsendungen, resultierend aus der gängigen journalistischen Praxis, auf Negativaspekte konzentrieren müssten. Hergeleitet aus einer stimmigen Begründung sei dies aber nicht[33]. Die Kulturalisierung politischer Themen[34] und die Fokussierung auf Negativaspekte in der Berichterstattung über Muslime berge die Gefahr, „eine sehr einseitige öffentliche Debatte und (...) eine Art 'Islamverdrossenheit' beim Publikum zu erzeugen“.[35]

Der Aufsatz „Islamismus und Medien - eine unheilvolle Symbiose“ in Jörgen Klußmanns Publikation „Terrorismus und Medien. Eine komplexe Beziehung“ wäre für die Betrachtung auch interessant gewesen. Die Publikation war im Zeitraum der Recherchearbeiten jedoch nicht zu beschaffen. Aufgrund des suggestiven Titels lässt sich vermuten, dass Klußmann in seinen Betrachtungen zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen istwie Hafez.

Anhand der bisherigen wissenschaftlichen Untersuchungen zum Thema Islam in den Medien lassen sich zentrale Tendenzen festhalten. Die hier genannten Forschungsergebnisse haben gemeinsam, dass in den Medien Themen über den Islam vor allem negativ konnotiert sind. Sowohl in Wochenmagazinen (stern, Der Spiegel) und überregionalen Tageszeitungen (FAZ und SZ) als auch in dem Sendungsportfolio der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten (ARD und ZDF) wird das Thema Islam nur selten neutral oder positiv dargestellt. Es überwiegen die Berichte über Konflikte, Gewalt oder Integrationsprobleme, während positiv­assoziierte Darstellungen - wenn überhaupt - nur einen Bruchteil der Themenagenda ausmachen. Relativierend sei jedoch auf Hafez erwähnte Eingrenzung hinzuweisen, dass sich Nachrichtenmagazine speziell auf Negativaspekte konzentrieren müssten. Medienethisch ist hierzu kritisieren, dass gerade Nachrichtenmagazine oder Politikdiskussionen, speziell bei Boulevard­Medien, in vielen Fällen dem Sensationalismus verfallen, dem „hemmungslosen, spekulativen Voyeurismus“[36]: Über Ausländer in Deutschland würden die Massenmedien nur im spektakulären, negativ konnotierten Ausnahmefall berichten. Dadurch wird die Assoziation geknüpft zwischen Zuwanderern auf der einen und Unordnung, Chaos und Gewalt auf der anderen Seite.[37]

2 Theoretische Grundlagen

Der qualitativen Inhaltsanalyse wird zuvor eine theoretisches Fundament zur Seite gestellt. Neben Definitionen zu Grundbegriffen wie Tageszeitung oder Vokabeln wie Islam oder Islamismus wird die Auswahl der zu analysierenden Medien diskutiert. Schließlich werden die zwei Ereignisse, die das Thema dieser Arbeit darstellen, detailliert skizziert. Ein Exkurs zum Gegenstand Minarett soll darüber hinaus Grundlagen und Geschichte jener Bauwerke zu verstehen helfen.

2.1 Die Tageszeitung

Eine Tageszeitung wird definiert als ein mehrmals wöchentlich erscheinendes Printmedium. Ihre Aktualität und Publizität sowie Periodizität und Universalität sind ihre essenziellen Merkmale[38]. Der Zeitungsmarkt in Deutschland besteht aus verschiedenen Angeboten, die sich differenzieren lassen hinsichtlich der Merkmale Erscheinungshäufigkeit (Tages- oder Wochenzeitung), Verbreitungsgebiet (überregional, regional, lokal) und Vertriebsart (Straßenverkaufs- und Abonnementzeitung). Derzeit erscheinen in Deutschland 349 Tageszeitungen mit einer Gesamtauflage von 23,2 Mio. verkauften Einheiten.

Tageszeitungen wird ein ausgeprägtes Informationsprofil zugesprochen: „Kein anderes Medium liefert Themen in einer solchen Bandbreite wie die Tagespresse. Die Funktion, ein Schaufenster für das Wichtigste zu sein, unterscheidet sie von zielgruppenorientierten Medien, die auf konkrete Informationswünsche ausgelegt sind.“[39] Die Tagespresse berichtet über politische Ereignisse und wirtschaftliche Entwicklungen, über Aktuelles und Brisantes in Kultur, Unterhaltung und Sport. Diese Universalität der Berichterstattung gewährleiste dem Rezipienten ein hohes Maß an

Orientierung[40]. Der Medienwissenschaftler Michael Schaffrath erklärt, dass in freiheitlich-demokratischen Systemen „das privatwirtschaftlich organisierte Zeitungswesen als ein Teil der Öffentlichkeit“ gilt. Dieser Teil „informiert, meinungsbildend [wirkt], unterhält, kritisiert (...)“.[41]

Auch im Pressegesetz[42] der Bundesrepublik wird dieser Auftrag der Presse definiert: „Die Presse erfüllt eine öffentliche Aufgabe, indem sie insbesondere in Angelegenheiten von öffentlichen Interesse Nachrichten beschafft und verbreitet, Stellung nimmt, Kritik übt oder auf andere Weise an der Meinungsbildung mitwirkt“. Zudem müssen sämtliche Nachrichten vor ihrer Veröffentlichung auf Wahrheitsgehalt, Inhalt und Herkunft geprüft werden. Die Pressefreiheit wird im Grundgesetz (Art. 5) gewährleistet.[43]

In der Medienwissenschaft werden sechs Qualitätsdimensionen für guten Journalismus definiert. Neben Aktualität, intersubjektiv nachprüfbare Richtigkeit, Transparenz der Quellenlage und Themenvielfalt sind auch von großer Bedeutung die Ausgewogenheit und Unabhängigkeit von diversen Interessengruppen und die Relevanz im Sinne einer möglichst vollständigen Standpunktbetrachtung eines Themas.[44] In Hinblick auf die Güte der journalistischen Erzeugnisse kristallisieren sich drei Kernprobleme heraus:

1. Die Erhaltung unabhängiger Berichterstattung bei Gefährdung durch subtile Einschränkungen der Berichterstattungsfreiheit,
2. die Sicherstellung von Qualität journalistischer Arbeitsergebnisse bei Gefährdung durch Verknappung essenziell notwendiger Ressourcen, z.B. Finanzierung, sowie
3. die Erhaltung der Gesellschaftsfunktion journalistischer Tätigkeit, Öffentlichkeit herzustellen, die gefährdet ist u.a. durch interne wie externe Einflussnahme und verändertes Rezipientenverhalten in der jüngsten Generation (siehe z.B. Nutzungsmuster im Internet).[45]

Ebenso hat der Deutsche Journalisten Verband (DJV) 2002 in seiner Charta zur Qualität im Journalismus Qualitätsansprüche benannt[46], die sich im Kern weitgehend mit den aufgezählten Qualitätsstandards decken.

2.1.1 AuswahlderMedien

Diesem qualitativen Anspruch werden in Deutschland die Süddeutsche Zeitung und die FrankfurterAllgemeine Zeitung gerecht. Sie haben nicht nur die höchsten Auflagen aller überregionalen Zeitungsangebote (vgl. Tabelle 1), sondern dienen auch alsjournalistisches Leitmedium.[47]

Laut der Studie „Journalismus in Deutschland 2005“ sind sowohl die Süddeutsche Zeitung als auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung die am häufigsten genutzten Medien deutscher Journalisten. Die Süddeutsche Zeitung (35 Prozent) und Der Spiegel (34 Prozent) werden hierbei als „mit Abstand wichtigstes Orientierungsmedium“ unter Pressevertretern angeführt. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung rangiert auf dem dritten Platz (15 Prozent)[48]. Die Verfasser der Studie gehen dabei davon aus, dass „die von Journalisten regelmäßig genutzten Medien eine Art interjournalistische Meinungsführer darstellen“[49]. Dieser Aspekt ist gerade vor dem Hintergrund wichtig, dass in der heutigen Mediengesellschaft Umweltbeobachtungen und Rezeption von Massenmedien primär zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen[50] und ebenso reale Meinungsführer (Menschen aus dem persönlichen Umfeld) von virtuellen Meinungsführern (also z.B. Menschen in den Medien) abgelöst werden.

Eine Analyse regionaler Zeitungsangebote, die in ihrer Vielfalt zusammengenommen eine höhere Zahl an Rezipienten erreichen und gegebenenfalls mit verschiedenartigen Tenors die beiden thematisierten Ereignisse verfolgt hätten, wäre interessant, ist aufgrund der Machbarkeit und des zeitlichen wie quantitativen Rahmens dieser Arbeit allerdings nicht möglich.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Auflagenstärke überregionaler Tageszeitungen (Quelle: IVW[52] ; Tabelle für die Arbeit optimiert)[51]

Neben der Aufgabe als Leitmedium zu fungieren und der Tatsache, dass die SZ und die FAZ die meist verkauften überregionalen Qualitätszeitungen sind, ergibt sich eine andere, brisante Komponente aus deren politische Ausrichtung. Wie in den folgenden zwei Punkten beschrieben wird, wird der SZ-Redaktion ein eher links-liberales Meinungsportfolio zugesprochen. Die FAZ hingegen wird ausgewiesen als ein konservativ-liberales Medium.

Von der Analyse wurden diverse überregionale Zeitungsangebote ausgeschlossen. Die auflagenstarke Straßenverkaufszeitung Bild wird für einen Vergleich nicht berücksichtigt, da die Qualitäts- und Quantitätsunterschiede in der Berichterstattung und der Kommentierung gegenüber der FAZ und der SZ zu gravierend scheinen. Die Tageszeitungen Die Welt und Frankfurter Rundschau werden aus zwei Gründen nicht zu einem Vergleich herangezogen: Zum einen erreichen beide Publikationen nicht annähernd die Verkaufsauflage wie die FAZ und die SZ, sie dienen also weniger als Leitmedium als die zwei für die Analyse berücksichtigten Publikationen. Zum anderen repräsentieren sie in der politischen Landschaft einmal das rechte (Die Welt) und einmal das linke Spektrum (Frankfurter Rundschau). Dadurch würden die beiden Publikationen, so lässt sich vermuten, letztlich nur das Bild ihrer jeweils gemäßigten Pendants rekonstruieren, ggf. weniger abgestuft. Es sei jedoch bemerkt, dass eine klare Linie bei der politischen Differenzierung einzelner Publikationen dennoch nicht leicht zu ziehen und problematisch ist. Die Elitepublizistik, zu der FAZ und SZ zählen, hielte sich heute vorzugsweise in der neuen Mitte auf, und politisch­publizistische Lager erscheinen häufig simuliert, bemerkt Lutz Hachmeister, Hochschullehrer für Journalistik an der Universität Dortmund[53]. Dennoch oder gerade deswegen ist es von publizistischer Bedeutung, inwiefern die zwei Medien mit dem Themenkomplex Islam umgehen.

2.1.2 Profil Süddeutsche Zeitung

Die Süddeutsche Zeitung (kurz SZ) erreicht mit einer Auflage von rund 420.000 verkaufen Exemplaren[54] pro Tag die größte Leserschaft der überregionalen Qualitätszeitungen. Am 06. Oktober 1945 wurde die erste Ausgabe veröffentlicht. Die SZ gilt als „liberale Zeitung“[55] und wird der klassischen ,,linksliberale[n] Fraktion“ zugeordnet[56]. Der Medienwissenschaftler Jürgen Wilke ordnet die SZ im politischen Spektrum der bundesdeutschen Tagespresse als gemäßigt links ein.[57] Den Posten als Chefredakteur hat seit 1996 Hans Werner Kilz.

2.1.3 Profil Frankfurter Allgemeine Zeitung

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (kurz FAZ) ist die zweitgrößte überregionale Qualitätszeitung mit rund 360.000 verkauften Exemplaren[58] pro Tag. Die erste Ausgabe erschien am 01. November 1949. Sie wird als liberal-konservativ[59] beschrieben, im „publizistischen Lager“ sei die FAZ der „Springer-Presse“ näher als der klassischen, linksliberalen Fraktion[60]. Wilke definiert das politische Profil der FAZ als gemäßigt rechts[61]. Im Gegensatz zur Süddeutschen Zeitung bestimmt nicht ein einzelner Chefredakteur die Linie der Zeitung, sondern ein Gremium von fünf Herausgebern, die nach dem Kollegialitätsprinzip zusammenarbeiten. Die fünf derzeitigen Herausgeber sind Werner D'Inka, Berthold Kohler, Günther Nonnenmacher, Frank Schirrmacher und Holger Steltzner.

2.2 Der Islam

Im Folgenden wird der Begriff Islam erläutert, die Entstehung und die Geschichte des Islams kurz skizziert. Nachdem diese Grundlagen geschaffen sind, folgt ein

Abriss des Islams in Europa und Deutschland. Diese Darstellung hilft, sowohl dem Schweizer Votum als auch den Aussagen von Thilo Sarrazin einen Hintergrund zu bieten. Zunächst ist jedoch eine Definition des Begriffs und die Problematik diverser Abgrenzungen wichtig. Zudem werden die Begriffe Islam und Islamismus, häufig synonym benutzt, klar voneinander getrennt bzw. die Schwierigkeiten der Begriffstrennung dargestellt.

Die in dieser Arbeit bereits verwendete Gegenüberstellung von „dem Islam“ auf der einen Seite und „dem Westen“ auf der anderen Seite ist problematisch. Der Westen ist eine geographische Bezeichnung, wohingegen mit dem Islam eine Glaubensgemeinschaft charakterisiert wird, die sich spannt über arabische Länder wie Iran oder Saudi-Arabien, aber auch in Zentralasien, China und Indonesien vertreten ist. In dieser Arbeit wird der Begriff des Westens als Synonym stehen für die abendländisch-christliche Kultur und dessen Werte, wie sie auch in Deutschland vorherrschen. Der Begriff Islam wird dementsprechend als Identifikation für die Kultur und Werte des Islams verwendet.[62]

2.2.1 Definition und Grundsätze des Islam

Der Islam ist nach dem Christentum die größte monotheistische Religion der Erde. Mit rund 1,57 Milliarden Anhängern sind 23 Prozent der Weltpopulation (geschätzt auf etwa 6,8 Milliarden) islamischen Glaubens[63]. Der Begriff Islam leitet sich vom vierten Stamm der Wurzel s-l-m ab, was „heil sein“, „unversehrt sein“ bedeutet. Das arabische Stammverb (aslama) heißt „sich Gott hingeben“, „den Islam annehmen“. Dessen Partizipialform ist „Muslim“: „derjenige, der sich Gott hingibt“[64]. Im Gegensatz zum Christentum, mit dem Schisma zwischen der östlichen Orthodoxie und der Westkirche im Jahre 1054, entstand der Islam erst in der Mitte der ersten Jahrtausends. Ausgangspunkt war der Prophet Mohammed, der um 570 n. Chr. in Mekka (Saudi-Arabien) geborene Sohn des arabischen Kaufmann Abdullah vom Stamm der Quraisch. Er stiftete Anfang des 7. Jahrhunderts den Islam in der Stadt Mekka, die als religiöses Zentrum des Islams gilt. Innerhalb selbstständiger islamischen Gemeinschaften fungiert der Imam (Vorbeter) als religiöse Instanz und ist dessen geistliches Oberhaupt und Leiter.

Im Islam wird Allah verehrt als einziger Gott und Schöpfer aller Dinge sowie Herrscher über die Welt. Nach Auffassung des Islam wird der Mensch rein und unschuldig geboren und ist selbst für seinen Glauben und seine Taten verantwortlich. Viele Muslime sind der Überzeugung, dass am Ende des Lebens eine Art göttliches Gericht darüber entscheidet, ob das Jenseits gottesnah (Paradies) oder gottesfern (Hölle) sein wird.

Der Koran gilt als wichtigste Grundlage des Islams. Es ist das oberste heilige Buch und die Hauptquelle des islamischen Rechts und dient als Lehr- und Gesetzbuch. Für Muslime enthält er die unverfälschten Worte Allahs, die lediglich durch „das Instrument Mohammad in klarer arabischer Sprache vernehmbar wurde[n]“[65]. Der Mensch wird im Koran beschrieben als „von Natur gut“, er ändere sich erst durch Umwelteinflüsse.[66] Jeder gläubige Muslim hat fünf Pflichten zu beachten. Neben dem Glaubensbekenntnis, dem täglichen Gebet und dem Almosengeben gehören das Fasten dazu (dreißigtägiges Fasten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang im Monat Ramadan) und die Wallfahrt nach Mekka, die jeder Moslem mindestens einmal im Leben angetreten sein soll.[67] Zu den Verboten zählen hingegen u.a. der Verzehr von Schweinefleisch als auch der Genuss von Alkohol. Die Sunna, die Richtschnur für das religiöse Leben und die Gemeinschaft der Muslime, enthält Überlieferungen von der Lebensweise und Ansprüche des Propheten Mohammeds sowie seiner Anhänger.[68]

Mitte des 10. Jahrhunderts spalteten sich die Schiiten (Schia bedeutet Abspaltung, Partei) von den Muslimen, den später sogenannten Sunniten, ab. Diese Spaltung führt bis heute zu Unterschieden in der Ausübung des Glaubens (die Schiiten haben z.B. ein besonderes Verhältnis zum Leiden und Märtyrertum).[69] Ausgangspunkt war die Frage, ob nach dem Tod Mohammeds im Jahre 632 ein Kalif dessen Amt übernehmen könne. Die Sunniten, die etwa 85 bis 90 Prozent aller Muslime ausmachen, entschieden sich für die Ernennung, da der Inhalt der Sunna durch die ersten vier rechtmäßigen Kalifen weitergegeben wurde. Die Schiiten erkannten dagegen nur Ali an, den Vetter und Schwiegersohn Mohammeds sowie dessen Nachkommen als Gemeindeoberhaupt.[70]

Jene Kalifen, die Nachfolger Mohammeds, machten es sich zur Aufgabe, durch Kämpfe ihren Glauben zu verbreiten. Zur Zeit der größten Ausdehnung reichte die Einflusssphäre des Islams von den Pyrenäen bis nach Indien und China. Mitte des 17. Jahrhunderts, vor allem nach der missglückten zweiten Belagerung Wiens durch das Osmanische Reich, setzte eine rückläufige Bewegung ein. Der Einfluss, den der Islam auf das Abendland ausübte, war dennoch von großer Bedeutung. Genannt seien hier die Mathematik und die arabischen Ziffern. Gegenwärtig ist der Islam in 24 Ländern der Welt Staatsreligion.

2.2.2 Der Islam in Deutschland

Die Geschichte des Islams als Glaubensgemeinschaft in Deutschland begann im Jahre 1731. Der Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. ließ für türkische Gardesoldaten einen Raum in der Nähe der Potsdamer Garnisonskirche zu einer Moschee umbauen. Preußisch-deutsche Muslime kämpften Mitte des 18. Jahrhunderts in den Feldzügen Friedrichs II. an dessen Seite und waren später tätig als Kaufleute, Diplomaten, Forscher und Schriftsteller[71]. Nach der Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei verstärkt. Diese Beziehung erreichte ihren Höhepunkt in der deutsch-türkischen Waffenbrüderschaft während des Ersten Weltkriegs[72]. Kaiser Wilhelm II. ließ 1914, vier Jahre vor seiner Abdankung, die Wünsdorfer Moschee bei Zossen/Berlin errichten, ehe 1922 die islamische Gemeinde in Berlin gegründet wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen sowohl muslimische Flüchtlinge aus den damaligen Sowjetrepubliken (Aserbeidschan und Turkmenistan u.a.) und dem ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland wie auch in großer Zahl Gastarbeiter aus der Türkei und Marokko in den 60er und 70er Jahren[73].

[...]


[1] Vgl. o.V. (2010), Web: Anschlag auf Mohammed-Karikaturisten

[2] Vgl. o.V. (2010), Web: The OIC General Secretariat condemns the reported attempt on the life of Danish cartoonist

[3] Meier, U. (2007), S. 31

[4] ebd., S. 32

[5] Hafez ist Professor für Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt und hat bereits mehrere Publikationen zur Thematik Islam in den Medien veröffentlicht.

[6] Vgl. Hafez, K. (2007), Religion and Freedom of Expression - an Essential Cultural Difference between the West and the Muslim World? Reflections on the Danish Cartoon Crisis - Speech held at the Conference for Goethe Institute and the Area Studies Centre of Europe, University of Karachi

[7] Zehetmair, H. (2005), S. 9. Kritisch ist anzumerken, dass der Herausgeber der Publikation „Der Islam - Im Spannungsfeld von Konflikt und Dialog“ die Hans-Seidel­Stiftung ist. Sie steht politisch der christlich-konservativen CSU nahe.

Die Agenda-Setting-These ist dennoch nicht frei von Kritik, da in diversen Details noch Forschungsbedarf besteht. So etwa in Bezug auf den Einfluss der Themenpräsentation, die individuell unterschiedliche Verarbeitung eines Themas durch den Rezipienten etc.

[9] Vgl. Kuske, S. (1994), S. 251f

[10] ebd., S. 275. Hierbei ist anzumerken, dass der Aufsatz, in dem die Autorin von einem negativen Bild des Islams in Deutschland ausgeht, sieben Jahre vor den Anschlägen des 11. Septembers 2001 geschrieben wurde.

[11] Vgl. ebd., S. 273ff. Kuske vergleicht den Islam mit dem Kommunismus, da dieser jahrzehntelang die Funktion des negativen Gegenparts zum Westen dargestellt hätte. Nach Kuske füllten die islamischen Ländern die nach der Auflösung der Sowjetunion entstandene Lücke des Feindbildes im Westen.

[12] Siehe z.B. „Perceptions of Arab Politics and Culture in European Mass Media: Towards a Reform of Foreign Reporting“ aus der Publikation „The Role of NGOs in the Development of Civil Society: Europe and the Arab Countries“ oder auch „Impressions of Islam and the Muslim World in the European Media“ aus „Europe and the Muslim World: The Role of Dialogue“.

[13] Hafez, K. (2002), S. 35

[14] Als negativ-neutral bezeichnet Hafez gewaltlose Konflikte wie etwa Krisen, Bankrott, Beleidigung, Polemik (etc.). Vgl. ebd., S. 60

[15] ebd., S. 95

[16] ebd., S. 95

[17] ebd., S. 366

[18] Vgl. ebd., S. 366

[19] ebd., S. 297

[20] Hafez, K. (1999): S. 123

[21] Hafez verweist hierbei auf das Ergebnis seiner unveröffentlichten quantitativen Langzeitanalyse im Rahmen eines Habilitationsprojekts. Es ist anzunehmen, dass es sich hierbei um die bereits erwähnte Untersuchung „Das Nahost- und Islambild der deutschen überregionalen Presse“ handelt.

[22] ebd., S. 125

[23] ebd., S. 127

[24] Hafez wird acht Jahre später zu dem gleichen Urteil kommen, wenn es darum geht, das Islam-Bild der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten zu analysieren (siehe folgende Seiten).

[25] ebd., S. 130

[26] Vgl. Butterwegge, C. (1999), S. 78f.

[27] ebd., S. 67f.

[28] ebd., S. 68

[29] Hafez, K. (2005): S. 186

[30] ebd., S. 186f.

[31] ebd., S. 186

[32] Vgl. ebd., S. 188

[33] Vgl. Hafez, K., Richter, C. (2007), S. 42

[34] In der Untersuchung wird geschrieben von der „'Islamisierung' politischer Sachverhalte in den Magazinsendungen“, die auffällig und problematisch sei. So eine Thematisierungsentscheidung durch die Redaktion führe zum Aufbau und der Verfestigung eines kulturalistischen Weltbildes. Fraglich bliebe z.B., weshalb „das Europamagazin 'den Islam' immer wieder im Zusammenhang mit der Türkei“ thematisiere, obgleich dies nur ein Randthema der EU-Integration der Türkei sei.

[35] ebd., S. 43

[36] Weischenberg, S. (2001), S. 268

[37] Vgl. Butterwegge, C. (1999), S. 68

[38] Mast, C. (2004), S.19

[39] ebd., S.70

[40] ebd., S.70

[41] Schaffrath, Michael (2004), S. 484

[42] Vgl. Fechner, F., Mayer, J. (2009), S. 293ff.

[43] Siehe z.B. Fechner, F., Mayer, J. (2009), S. 2

[44] Vgl. Bunjes, M. u.a. (2009): S. 7; Optional ließen sich die Dimensionen Verständlichkeit und Unterhaltsamkeit sowie Schwierigkeiten der Wahrheitsfindung und Engagement hinzufügen.

[45] Vgl. ebd., S. 6

[46] Vgl. o.V. (2002), Web: Deutscher Journalisten-Verband: Charta - Qualität im

[47] Journalismus

[48] 1533 Journalisten (=n) wurden nach ihren regelmäßig genutzten Medien befragt. Mehrfachnennungen waren möglich.

[49] Weischenberg, S., Malik, M., Scholl, A. (2006), S. 359; Im Vergleich zu den Befragungen 1993 zeige sich allerdings, dass einzelne Medien im Jahre 2005 deutlich seltener genannt wurden. Daher könne heute von einem einzelnen Leitmedium der Journalisten keine Rede sein.

[50] Vgl. Noelle-Neumann, E. (2009), S. 439

[51] Die Zahlen zeigen die verkauften Auflagen der Publikationen Die Welt und Welt Kompakt.

[52] Vgl. Internetseite der IVW - Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern.

[53] Hachmeister, L., Siering, F. (2002), S.32

[54] Vgl. o.V. (2010), Web: IVW.de

[55] Meyn, H. (2004), S.94

[56] Hachmeister, L., Siering, F. (2002), S.32

[57] Vgl. Wilke, J. (2009), S. 472

[58] Vgl. o.V. (2010), Web: IVW.de

[59] Meyn, H. (2004), S.95

[60] Vgl. Hachmeister, L., Siering, F. (2002), S.32

[61] Vgl. Wilke, J. (2009), S. 472

[62] Die steigende Bedeutung kultureller Identifikation sowohl im Islam als auch im Westen stuft Hafez als „weitaus bedrohlicher“ ein als die angebliche Unverträglichkeit der Kulturen. „Ungeachtet der Probleme, die die Definition essentialistischer Zivilisations­und Kulturbegriffe mit sich bringt: Als subjektives Gebilde (...) existieren 'der Islam' und 'der Westen' tatsächlich“. Vgl. Hafez, K. (1997), S. 19

[63] o.V. (2009), Web: Mapping the Global Muslim Population, S. 1

[64] Vgl. Tworuschka, M. (1996), S. 165

[65] Schimmel, A. (1990), S. 27

[66] ebd., S. 30

[67] ebd., S. 32ff.

[68] Vgl. Tworuschka, M. (1996), S. 167

[69] Bedingt durch die Umstände des Todes Husains (Alis Sohn), der vergeblich um seine Imamatswürde kämpfte. Vgl. ebd., S. 180

[70] Vgl. ebd., S. 179f.

[71] Vgl. Schleßmann, L. (1996), S. 233

[72] Zemke, R. (2008), S. 17

[73] Vgl. Schleßmann, L. (1996), S. 233

Ende der Leseprobe aus 92 Seiten

Details

Titel
Das Islam-Bild in den deutschen Medien
Untertitel
Vergleich der Darstellung anhand der Berichterstattung in der FAZ und der SZ zum Schweizer Minarettverbot und dem Lettre-International-Gespräch mit Thilo Sarrazin.
Hochschule
Fachhochschule des Mittelstands
Note
2,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
92
Katalognummer
V170673
ISBN (eBook)
9783640895199
ISBN (Buch)
9783640894659
Dateigröße
1317 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Islam, Deutschland, Medien, FAZ, SZ, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Islam-Bild, deutschen Medien, Minarettverbot, Lettre International, Thilo Sarrazin, Vergleich
Arbeit zitieren
Marian Wehmeier (Autor:in), 2010, Das Islam-Bild in den deutschen Medien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/170673

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