Kindheit und Erziehung in Wolfram von Eschenbachs „Parzival“ und in Ulrichs von Zatzikhovens „Lanzelet“ im Vergleich


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

24 Seiten, Note: 1,9


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Hauptteil
1. Erziehung und Rittertum im Mittelalter
a. Der Ritterbegriff
b. Das Ritterideal
2. Erziehung und Rittertum im „Parzival“ Wolfram von Eschenbachs
a. Kurze Inhaltswiedergabe
b. Geburt und Kindheit in Soltane
c. Ritterlehre
3. Erziehung und Rittertum in Ulrichs von Zatzikhovens „Lanzelet“
a. Kurze Inhaltswiedergabe
b. Geburt, Kindheit und Erziehung in der Märchenwelt
d. Ritterlehre
4. Vergleich von Erziehung und Ritterlehre im „Parzival“ und im „Lanzelet“

III. Zusammenfassung und Bilanz

IV. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Das neuzeitliche Publikum lässt sich immer wieder aufs Neue vom mittelalterlichen Rittertum begeistern. Mehr als die Geschichtsschreibung hat dazu aber die Romanliteratur beigetragen. Ihre ersten Meisterwerke knüpften schon eine Verbindung zwischen Roman und Ritter. Wolfram von Eschenbach erzählt in seinem „Parzival“ von seinem Titelhelden „Parzival“ und vom Artusritter Gawan. In seinem Versroman der mittelhochdeutschen höfischen Literatur, der vermutlich im ersten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts entstand, schildert er einerseits die Erziehung des Parzivals vom Unwissenden zum Gralskönig, andererseits die gefahrvollen Bewährungsproben des Artusritter Gawan. Parzivals Erziehung zum Ritter und seine Suche nach dem Gral ist, wie der Erzähler mehrfach betont, Hauptthema der Handlung. Dem Werk wird eine einzigartige Wirkungsgeschichte im Mittelalter nachgesagt werden. Joachim Bumke spricht von einer „literarischen Sensation“, die das Werk gewesen sein soll, so häufig zitiert und kopiert wie kein anderes im 13. Jahrhundert. Wolfram von Eschenbach verarbeitet alle geläufigen Problemstellungen der literarischen Epoche wie Minne- Problematik, „Aventiure“- Forderungen, Herrscher- Idoneität und religiöse Determiniertheit. Damit kommt dem Roman exemplarische Bedeutung für die Themenkomplexe der höfischen Literatur insgesamt zu.

Ein weiteres Beispiel für die Verbindung von Ritter und Roman ist Ulrich von Zaztikhovens „Lancelet“. Er ist eine Nachdichtung eines unbekannten altfranzösischen Artusromans. Der Held des Romans ist der Ritter Lancelot, dessen Geschichte wenig früher auch Chrétien de Troyes in seinem „Le Chevalier de la Charette“ erzählt hatte. Die Thematik ist auch hier Erziehung und Ritterlehre. Lanzelet wird von einer Fee auf eine, nur von Frauen bewohnte Insel, entführt, wo er erzogen wird. In ihm wächst der Wunsch die Welt kennenzulernen, woraufhin er aufbricht, um Ritter zu werden.

In der vorliegenden Arbeit versuche ich, die Darstellung der Erziehung und Ritterlehre im „Parzival“ und im „Lanzelet“ zu skizzieren. Ausgehend von einer kurzen Definition des Ritterbegriff und des Ritterideals, werde ich erst die zwei erwähnten höfischen Romane des Mittelalters einzeln untersuchen. Besondere Beachtung lege ich bei „Parzival“ auf die Elternvorgeschichte, die Kindheit in Soltane und Parzivals Kontakte mit der Ritterwelt. In Zatzikovens „Lanzelet“ gehe ich auf die Elternvorgeschichte und Geburt des Protagonisten, sowie seine Kindheit und Erziehung in der Märchenwelt und anschließend ebenfalls auf die Ritterlehre und das Rittertum ein.

In einem abschließenden vierten Punkt stelle ich beide Romane einander gegenüber und versuche Unterschiede und Gemeinsamkeiten in den Kindheitsmustern und der Ritterlehre aufzuzeigen. Den Abschluss bildet schließlich eine kurze Zusammenfassung mit Bilanz.

II. Hauptteil

1. Erziehung und Rittertum im Mittelalter

a. Der Ritterbegriff

Durch die Verschiebung der Standesverhältnisse im 12. Jahrhundert entstand ein neuer Adelsstand, der Ritterstand. Diese verpflichteten sich der minne und aventuire und entwickelten einen Ehrenkodex, der bis in unsere Tage die Formen des gesellschaftlichen Umgangs beeinflusst. Der Ritter ist dabei zu einer mythischen Figur geworden und alles was das hohe Mittelalter an Lebenskultur und adeliger Gesinnung hervorgebracht hat, verbindet sich mit diesem Namen. Das Wesen der Dichtung im hohen Mittelalter kann als poetische, idealisierende Selbstdarstellung des Ritterstandes interpretiert werden. Dabei wird die Wirklichkeit nicht nur als soziale Realität, sondern auch als moralisch- ästhetische Wirklichkeit verstanden, als eine Lebensform die in der Dichtung poetisch überhöht und verklärt erscheint. Im ritterlichen Tugendsystem sieht man so ein „Strebensziel sittlichen Lebens in der Härte der Wirklichkeit“.[1] Die Grundfigur des höfischen Epos, den aventuire - suchenden Ritter, erklärt man damit aus sozialen Gegebenheiten des niederen Adels.[2] Das Ritterbild der Romantik wurde unangefochten in die Kulturgeschichte hinübergerettet und von Generation zu Generation weitergegeben. Dabei verblasste die Ritterlichkeit zu einem leeren Schema von begriffen, das mit typischen Bildern von ritterlichen Waffen und Kleidern, Burgen und Turnieren überlagert wurde. Schließlich begnügte man sich mit der „höheren Wirklichkeit“ und dem „ritterlichen Idealismus“.[3] Dieses Kulturbild herrscht auch heute in den literaturhistorischen Handbüchern. Die germanistische Forschung hat sich bis heute nicht von „der romantischen Vorstellung vom mittelalterlichen Rittertum völlig entwunden“.[4] Erst in neuster Zeit kam es durch Arno Borst zu einer Wende.[5]

Erst durch die Zusammenarbeit von Historikern und Germanisten, entfaltet die Bedeutung des Wortes „Ritter“ seine völlige Breite. „Ritter“ ist ein Wort der Volkssprachen, das durch mehrere Jahrhunderte hindurch in poetischen texten belegt ist. Um 1200 ist der Rittername zu einem Kultur- und Erziehungsprogramm geworden und zum beherrschenden Bildungsbegriff der höfischen Zeit. Die mittelhochdeutsche Literatur ist voll von „Rittern“, aber nur wenige Belege geben Aufschluss über ihren gesellschaftlichen Rang und ihre gesellschaftliche, soziale Stellung. Dabei stehen in den Texten die Formen riter und ritter nebeneinander. Wahrscheinlich ist riter die ältere Form und wurde aus dem Flämischen entlehnt.[6] Aus der Untersuchung Joachim Bumkes geht hervor, dass die Wörter riter und ritter sowie die Zusammensetzungen ritterlich und ritterschaft vor 1060 in der althochdeutschen und der mittelhochdeutschen Literatur überhaupt nicht vorkamen. Wenn man einen Krieger zu Fuß oder zu Pferde benennen wollte benutzte man Wörter wie degan, kempfo oder wigant. Diese Wörter dienten im neunten Jahrhundert und später zur Übersetzung des lateinischen miles, was einfach „Soldat“ bedeutete, ohne den Gefühlswert von „Held“ oder „aufwendig bewaffneter Reiter“ zu haben. Das waren allerdings nüchterne Wörter ohne Pathos und als das Wort riter um 1060 als Übersetzung von miles aufkam, hatte es die selbe nüchterne Bedeutung. Danach dauerte es bis 1120, bis wieder eine riter - Form vorkam.

[...]


[1] Vgl.: Neumann, Eduard: Der Streit um das ritterliche Tugendsystem. In: Erbe der Vergangenheit. Festgabe für Karl Helm. Tübingen, 1951. S.151.

[2] Vgl.: Köhler, Erich: Ideal und Wirklichkeit in der höfischen Epik. Studien zur Form der frühen Artus- und Gralsdichtung. Beiheft 97 zur ZfrPh. Tübingen, 1956. S. 68.

[3] Vgl.: Naumann, Hans: Deutsche Kultur im Zeitalter des Rittertums. Handbuch der Kulturgeschichte. 1.Abt. Potsdam, 1938. S.4.

[4] Vgl.: Schulte, Aloys: Die Standesverhältnisse der Minnesänger. ZfdA.39. 1895. S.185.

[5] Vgl.: Borst, Arno: Das Rittertum im Hochmittelalter. Idee und Wirklichkeit. Saeculum 10. 1959. S. 213.

[6] Vgl.: Martin, Ernst/ Helten, Rez van: Lit.bl. f. germanistische und romanische Philologie 9. 1888. Sp. 255.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Kindheit und Erziehung in Wolfram von Eschenbachs „Parzival“ und in Ulrichs von Zatzikhovens „Lanzelet“ im Vergleich
Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg  (Ältere deutsche Philologie)
Veranstaltung
Kindheitsmuster im höfischen Roman des Mittelalters
Note
1,9
Autor
Jahr
2009
Seiten
24
Katalognummer
V169562
ISBN (eBook)
9783640879618
Dateigröße
582 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kindheitsmuster, parzival, lanzelet, höfischer roman, kindheit, erziehung, zatzikhoven, eschenbach
Arbeit zitieren
Lisa Schüssler (Autor:in), 2009, Kindheit und Erziehung in Wolfram von Eschenbachs „Parzival“ und in Ulrichs von Zatzikhovens „Lanzelet“ im Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/169562

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