Das Ehe- und Frauenbild im "Ackerman aus Böhmen" von Johannes von Tepl


Hausarbeit, 2010

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Das Ehebild
2.1. Die Ehe in der Bibel
2.1.1. Altes Testament
2.1.2. Neues Testament
2.2. Die Ehe allgemein im Mittelalter
2.2.1. Ablauf und Voraussetzungen einer Hochzeit
2.2.2. Die Munt
2.2.3. Ehebruch und Scheidung
2.3. Die Ehe im „Ackermann aus Böhmen“

3. Das Frauenbild
3.1. Die Frau im Mittelalter
3.1.1. Eva und die Frau im Mittelalter
3.1.2. Arbeit und Bildung
3.1.3. Erb- und Vermögensrecht im Mittelalter
3.1.4. Idealbild und Schutz der mittelalterlichen Frau
3.2. Die Rolle der Frau im „Ackermann aus Böhmen“

4. Schluss

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Ackermann aus Böhmen ist eines der bekanntesten Werke des Mittelalters und war deshalb des Öfteren Untersuchungsgegenstand der Forschungsliteratur. Diese Untersuchungen konzentrierten sich jedoch meistens auf die herausragende rhetorische Leistung, die in dem Werk des Johannes von Tepl vorliegt.

Diese Arbeit wird einen anderen Weg gehen. Sie wird sich nicht mit den rhetorischen oder stilistischen Feinheiten des Ackermanns aus Böhmen beschäftigen, sondern ihr Hauptaugenmerk auf inhaltliche Komponenten legen. Das Thema wird dabei das Ehe- und Frauenbild sein. Um dieses im Ackermann aus Böhmen vollständig analysieren zu können, ist es zuvor wichtig, darzustellen wie die Ehe und die Frau im Mittelalter allgemein aufgefasst wurden. Bei der Ehe wird zuvor auch noch die Ehe in der Bibel zusammenfassend dargestellt, da die biblischen Vorgaben für die Menschen im Mittelalter von großer Bedeutung waren.

Bei der Darstellung von der Ehe in der Bibel und im Mittelalter und der Frau im Mittelalter wird dabei rein beschreibend vorgegangen. Auf persönliche Meinungen oder Deutungen, aus welchen Traditionen diese Begebenheiten entstanden sind, wird verzichtet.

Bei der Analyse des Ehe- und Frauenbild im Ackermann aus Böhmen jedoch wird darauf eingegangen, inwiefern es mit den allgemeinen Vorstellungen des Mittelalters übereinstimmt und sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede werden herausgestellt.

2. Das Ehebild

Die Ehe spielt insofern eine wichtige Rolle im Ackermann aus Böhmen, als dass das Streitgespräch zwischen dem Ackermann und dem Tod nur deshalb zustande kommt, weil der Ackermann den Verlust seiner Ehefrau Margarethe beklagt. Bevor auf das Ehebild im Ackermann aus Böhmen eingegangen wird, wird zunächst das Ehebild in der Bibel und allgemein im Mittelalter dargestellt.

2.1. Die Ehe in der Bibel

Da das Ehebild des Mittelalters grundlegend von der Kirche und somit auch von den Überlieferungen der Bibel geprägt war, ist es wichtig auch das Ehebild in der Bibel kurz darzustellen. Hierbei muss man zwischen dem Alten und dem Neuen Testament unterscheiden.

2.1.1. Altes Testament

Auch wenn die Institution der Ehe noch nicht namentlich im Alten Testament erwähnt wird, gibt es doch bereits in der Schöpfungsgeschichte Hinweise wie die Beziehung zwischen Mann und Frau geschaffen sein sollte. So heißt es im ersten Buch Mose 2,24: „Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen, und sie werden ein Fleisch.“ Dieses Zitat zeigt, dass es schon in der Bibel gewollt ist, dass der Mann und auch die Frau ihr Elternhaus verlassen, um eine eigene Familie zu gründen. Auch wenn diese Lebensgemeinschaft nicht mit dem Begriff Ehe benannt wird, ist es doch deutlich zu erkennen, dass zumindest ein Vorgänger der Ehegemeinschaft beschrieben wird. Die Funktion dieser Lebensgemeinschaft im Alten Testament wird besonders erkennbar im ersten Buch Mose 1,28: „Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde […]“. Mann und Frau sollen sich vermehren und somit einerseits eine Familie gründen und andererseits den Fortbestand des menschlichen Geschlechts sichern.[1]

Schon im Alten Testament findet man eine Ablehnung gegenüber der Polygamie und des Ehebruchs. So heißt es in der Bibel „Mein Sohn, warum willst du dich an der Fremden ergötzen und herzest eine andere?“ (Spr 5,20) und „Aber wer mit einer Verheirateten die Ehe bricht, der ist von Sinnen; wer sein Leben ins Verderben bringen will, der tut das.“ (Spr 6,32). Die Regeln, die mit der Ehe oder eheähnlichen Lebensgemeinschaft einhergehen, werden zum Teil auch in den Zehn Geboten deutlich. So heißt es im zweiten Buch Mose „Du sollst nicht ehebrechen.“ (2.Mose, 20,14) und „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Rind, Esel noch alles, was dein Nächster hat.“ (2.Mose, 20,17). Ehebruch hatte im Alten Testament in etwa die gleiche Bedeutung wie heute. Es beinhaltete also Untreue in der Beziehung zwischen Mann und Frau. Ehebruch beging dabei sowohl der untreue Teil der Lebensgemeinschaft, als auch der Partner, mit dem er sich einließ. Bestraft wurde der Ehebruch mit dem Tod.

2.1.2. Neues Testament

Im Neuen Testament finden sich einige Stellen, an derer man die Einstellung Jesus zur Ehe und auch zur Ehescheidung feststellen kann. Er lehnt die Scheidung einer Ehe ab und befürwortet somit sowohl die Ein- als auch die Dauerehe. So sind seine Worte im Evangelium nach Johannes wie folgt überliefert: „Wer sich scheidet von seiner Frau und freit eine andere, der bricht die Ehe; und wer die von dem Manne Geschiedene freit, der bricht auch die Ehe.“ (Luk 16,18). Negwer führt an, dass Jesus jedoch eine Ausnahme machte. Sollte die Frau die Ehe bereits gebrochen haben, steht es dem Mann frei, getrennt von ihr zu leben. Dies erlaube aber keine neue Heirat des Mannes.[2] Moses hatte dem Mann noch zugesprochen, sich von einer Frau zu scheiden. In diesem Falle musste er seiner Frau einen Scheidebrief ausstellen. Im Evangelium nach Markus ist überliefert, dass Pharisäer Jesus nach eben diesem Scheidebrief befragten und wie es sich damit verhielte. „Jesus aber sprach zu ihnen: Um eures Herzens Härtigkeit willen hat er euch dies Gebot geschrieben; aber von Anbeginn der Schöpfung hat Gott sie geschaffen als Mann und Weib.“ (Mark 10,5). Seine klare Ablehnung der Scheidung macht er noch deutlicher durch seinen Ausspruch „Was denn Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.“ (Mark 10,9). Die absolute Ablehnung von der Ehescheidung findet sich auch bei Paulus.

„Paulus verkündet die absolute Unauflösbarkeit der zwischen Christen geschlossenen Ehe; er präzisiert, wenn er dieses Gebot ausspreche, so tue er das nicht aufgrund seiner eigenen Autorität, sondern im Namen des Herrn Jesu Christi, […]“[3]

Die Ehe zu Zeiten des Alten und Neuen Testaments war patriarchalisch. Die religiöse Stellung der Frau war für Jesus der dem Mann jedoch gleichbedeutend. Negwer stellt heraus, dass Jesus auch einer Ehebrecherin vergibt und im Allgemeinen zu vielen Frauen eine gute bis freundschaftliche Beziehung hatte. Ebenfalls auffällig sind die durchschnittlich viele Wunder, die Jesus an Frauen oder auf Wunsch von Frauen beging.[4]

Zu Fragen der Ehe und der Stellung der Frau geht insbesondere Paulus in seinen Briefen etwas näher ein. Auch für ihn steht außer Frage, dass die Frau dem Mann untergeordnet ist. Gleichzeitig betont er aber auch, dass beide im religiösen Sinne gleichberechtigt sind (vgl. Gal 3,27-28). Die Herrschaft des Mannes bedeutet keine willkürliche, alles erlaubende Herrschaft. Paulus vergleicht sie mit der Beziehung zwischen Jesus Christus und der Kirche (vgl. Eph 5,22-24). Dies beinhaltet zum einen, dass der Mann darauf achtet, dass seine Frau gottesfürchtig und fromm lebt, aber auch dass er sie liebt wie sich selbst. So schreibt Paulus an die Epheser: „Ihr Männer, liebet eure Frauen, gleichwie auch Christus geliebt hat die Gemeinde und hat sich selbst für sie gegeben […]“ (Eph 5,25) und

„So sollen auch die Männer ihre Frauen lieben wie ihren eigenen Leib. Wer seine Frau liebt, der liebt sich selbst. Denn niemand hat jemals sein eigen Fleisch gehaßt; sondern nährt es und pflegt es, gleichwie auch Christus die Gemeinde.“ (Eph 5,28-29).

Verglichen zum Alten Testament ist bezüglich des Neuen Testaments also hauptsächlich die Änderung bezüglich der Ehescheidung zu betonen. Eine vor Gott eingegangene Ehe zwischen Mann und Frau kann von keinem Menschen wieder geschieden werden. Dies findet sich auch bei Hermann Volk: „Die in den Stand der Ehe treten, empfangen also nicht nur dieses Sakrament, vielmehr verbindet die Gnade dieses Sakraments beide unauflöslich.“[5]

2.2. Die Ehe allgemein im Mittelalter

Um das Ehebild im Ackermann aus Böhmen untersuchen zu können, ist es von Bedeutung auch das allgemeine Ehebild im Mittelalter, also zur Entstehungszeit des Ackermann aus Böhmen, darzustellen. Hierzu gibt es einige Quellen, die sich je nach Entstehungsort leicht unterscheiden können, so dass anzunehmen ist, dass es regionale Unterschiede gab. Auf diese wird im Folgenden jedoch nicht eingegangen, da dies den Rahmen dieser Arbeit überschreiten würde. Stattdessen wird versucht ein relativ einheitliches Bild der Ehe im Mittelalter darzustellen ohne auf regionale Besonderheiten einzugehen. Außerdem werden die Eheverhältnisse von Herrschern oder hohen Adligen nicht in besonderem Maße berücksichtigt, da sie für den Ackermann aus Böhmen keine Relevanz besitzen.

2.2.1. Ablauf und Voraussetzungen einer Hochzeit

Zu Anfang soll vorgestellt werden, wie Emil Friedberg 1864 in einer Vorlesung an der Universität Berlin den Ablauf einer Hochzeit in der mittelalterlichen Stadt beschreibt.

Der Vater des Bräutigams hält beim Vater der Braut um deren Hand für seinen Sohn an und die Braut selber hat ebenfalls ihre Einstimmung gegeben. Die Väter trinken auf das Wohl des Paares, während dieses einen kurzen Kuss tauscht. Nach dieser Verlobung fängt die Braut mit ihren weiblichen Verwandten und Bekannten an die Brautausstattung zu nähen. Was sie selber nicht herstellen können, wird von Handwerkern produziert. Die sogenannten Hochzeitbitter übertrugen die Einladungen an die Gäste, nachdem sie von dem Brautpaar Wein eingeschenkt bekommen hatten. Wie viel sie bekamen, war gesetzlich festgelegt. Es war nicht unüblich am Tag vor der Hochzeit eine kleine Feier abzuhalten. Am Hochzeitstag selber versammeln sich sowohl die Braut mit ihrem Gefolge in ihrem Haus als auch der Bräutigam mit seinen Gästen in seinem Haus. Nach einem kleinen Festmahl zieht der Zug des Bräutigams zum Haus der Braut. Als die Glocken der Pfarrkirche läuten, machen sie sich alle gemeinsam auf den Weg zur Kirche. Zuerst liefen die Spielleute, dann die Braut mit ihren Freundinnen und schließlich der Bräutigam mit seinen Bekannten und Verwandten. Ebenso begleiteten Spaßmacher und Gaukler den Zug, um die Stimmung aufzuheitern. Vor der Kirchentür steht der Geistliche, vor den Braut und Bräutigam treten müssen. Er verkündet, dass hier eine Ehe geschlossen werden soll. Er fragt jeden der beiden, ob sie die Ehe eingehen wollen, lässt sie die Eheringe austauschen und erklärt die beiden zu einem Ehepaar. Alle gehen in die Kirche hinein, Braut und Bräutigam genießen das Abendmahl und danach ist die kirchliche Trauung zu Ende. Nun zieht der Zug entweder zurück zum Hochzeitshaus oder zum Rathaus mit dem Unterschied, dass Braut und Bräutigam nun nebeneinander gehen. Dort gibt es nun für alle Gäste ein Festmahl. Nach diesem öffnet das Brautpaar die Geschenke und eröffnet anschließend den Hochzeitstanz. Es war nicht unüblich, dass auch noch einige Tage nach der eigentlichen Hochzeit weiter gefeiert wurde. Am nächsten Sonntag gehen die beiden schließlich gemeinsam zur Kirche, worüber von Magistraten Zeugnisse ausgestellt werden. Diese dienten als Beweis der Ehe.[6]

Diese Vorstellung einer Eheschließung im Mittelalter scheint auf eine lang geplante Hochzeit zutreffen, jedoch war dies nicht immer der Fall. Die Voraussetzungen, dass eine Ehe anerkannt wird, waren von wesentlich anderer Natur. Zuvor ist jedoch herauszustellen, dass die Ehe eine anerkannte und anzustrebende Institution im Mittelalter war. So war es in manchen Regionen sogar üblich, Ehelosigkeit als Strafe zu verhängen.[7]

Wichtig für die Eheleute war die Unberührtheit und Keuschheit. Dies traf natürlich insbesondere auf die jungen Frauen zu. Dies rührt unter anderem wohl auch daher, dass bei ihnen ein Fehlen ihrer Unschuld leichter zu bemerken ist. „Sexualität wurde unmittelbar mit der Ehe verbunden und war nur hier erlaubt; alles andere galt als ‚Unzucht‘ (fornicatio).[8] Teilweise wurde Sex mit einer Jungfrau durch weltliche Gerichte bestraft, wenn es angezeigt wurde oder die beiden wurden zu einer anschließenden Hochzeit gezwungen.[9] Es war vor allem für die Geistlichen von großer Bedeutung, dass außerhalb der Ehe kein Geschlechtsverkehr stattfand, da er als etwas Sündiges und Schlechtes betrachtet wurde. Nur „[..] [d]ie Ehe neutralisiert […] die ungeordnete böse Begierlichkeit als Folge der Erbsünde durch die Güter der Ehe.“[10]

Es war sehr bedeutend, ob die Verwandten, in den meisten Fällen die Eltern, der Brautleute der Hochzeit zustimmten. Eine Ehe ohne Zustimmung der Eltern war nicht rechtskräftig.[11] Hierbei spielte der Stand der Frau keinerlei Rolle. Auch, ob sie sich einen Mann zur Ehe oder für ein sexuelles Verhältnis ausgesucht hatte, war unbedeutend. In beiden Fällen war ihr Verhalten „in höchsten Maße für sie selbst und ihre Familie entehrend.“[12] Folgte eine Frau dennoch freiwillig einem Mann, ohne dass sie das Einverständnis ihrer Eltern hatte, konnte dies erhebliche Konsequenzen haben. So war es möglich, dass sie ihre Freiheit verlor. Wurde diese unrechtmäßige Ehe im Nachhinein zu einer rechten Ehe umgewandelt, ging der gesamte Besitz der Frau zum Mann über.[13] Dies stellte die letzte Rettung der Frau dar, um ihre Ehre zu behalten und somit auch einen Ehemann zu erhalten. Sollte die Ehe als unrechtmäßig bestehen bleiben, konnte der Mann die Frau jederzeit entlassen. Er musste zwar ein Bußgeld bezahlen, jedoch behielt er seine Ehre und konnte sich eine rechtmäßige Ehefrau suchen. Die Entlassene jedoch hatte ihre Ehre und die der Familie beschmutzt.[14] Dies ist der Fall, wenn die Frau in die Heirat eingewilligt hatte. Nun gab es aber auch Vorfälle, bei denen die Frau nicht nur gegen den Willen ihrer Eltern oder Verwandten, sondern auch gegen ihren eigenen Willen geraubt wurde. In diesem Fall musste der Mann eine wesentlich höhere Summe an die Eltern der Frau entrichten. Diese verringerte sich, wenn die Jungfräulichkeit der Frau noch bestand. „Zahlte der Räuber nicht, wurde er den Eltern des Mädchens überlassen, zur Bestrafung nach deren Belieben.“[15] In diesem Fall galten alle Kinder dieser Verbindung nicht als Erben des Mannes, sondern sie unterstanden dem Vater der Frau, da dieser immer noch im Besitz der Munt über die Frau war.

2.2.2. Die Munt

Damit kommen wir zu der wohl wichtigsten Voraussetzung, die man im Mittelalter erfüllen musste, damit eine Ehe als rechtmäßig anerkannt wurde, die Muntübertragung. Die Frau oder das Mädchen unterstand vor der Heirat der Vormundschaft ihres Vaters. Diese Rechte verkauft er nun an den Bräutigam. Nur dann hat der Mann das Recht, seine Kinder als Erben einzusetzen und über die Besitztümer der Frau zu verfügen. Der Ehemann steht nach der Muntübertragung über der Frau und besitzt eine Hausherrengewalt. Er hatte ebenfalls das Züchtigungsrecht über die Frau. Das heißt, dass er seine Frau ohne rechtliche Konsequenzen schlagen konnte. Dies ging aber keinesfalls so weit, dass er sie töten oder dauerhaft schwer schädigen konnte. Wenn diese Vormundschaft des Mannes über die Frau heute als frauenfeindlich angesehen wird, war dies im Mittelalter nicht der Fall. Man muss berücksichtigen, dass das Züchtigungsrecht nicht beinhaltete, dass ein Mann als Tyrann seine Frau quälte. Er hatte vielmehr einen Erziehungsauftrag und war dafür verantwortlich, dass seine Frau weder ihre Ehre noch jene der Familie in Verruf bringt. Man muss weiterhin beachten, dass der Mann sich mit der Muntübertragung dazu verpflichtete für den Schutz und den Wohlstand seiner Frau zu sorgen. „Ein moralisches Verhalten des Mannes gegenüber seiner Frau war gleichsam die konsequente Pflicht, die aus seinem Recht erwuchs.“[16] Die Munt beinhaltete diese zwei Aspekte, Herrschaftsgewalt des Mannes über die Frau und zugleich die Pflicht der Frau Schutz zu gewährleisten, und diese waren im Mittelalter unzertrennlich.[17] Diese Muntehe war sogleich eine Einehe, wie auch schon in der Bibel die Forderung bestand, dass man nur einen Ehepartner haben soll. So gab es beispielsweise im mittelalterlichen Köln ein Gesetz, das besagte, dass ein Mann oder eine Frau, die sich zweimal verlobt hatten, drei Monate Turmstrafe erhielten.[18]

2.2.3. Ehebruch und Scheidung

Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen den Regelungen des Mittelalters und der Bibel ist das Verbot des Ehebruchs, wobei man davon ausgehen kann, dass er trotzdem des Öfteren stattfand. Bei dieser Problematik ist vor allem der kirchliche Einfluss zu bemerken. Weltliche Gerichte ließen beim Ehebruch die Betroffenen zunächst selber urteilen und handeln. „[…] [D]as kirchliche Recht weitete den Begriff des Ehebruchs auf die Verlobten sowie auf einen rein gedanklichen Vollzug aus und verhängte schwere Strafen […]“[19] Nach und nach nahmen sich auch die weltlichen Gerichte des Ehebruchs an. Zumeist wurde als Strafe eine Wergeldzahlung verhängt.[20] „Eine Frau, die ihre Ehe brach, wurde als Hure (meretrix) beschimpft.“[21]

Ebenso wie in der Bibel versuchte vor allem die Kirche Scheidungen zu verbieten, während viele weltliche Gerichte noch einige Gründe für die Scheidung anerkannten. Diese wurden jedoch nach und nach weniger, so dass „die Unauflöslichkeit der Ehe […] immer strikter gehandhabt“[22] wurde. In diesem Zusammenhang wurden auch Witwen, insbesondere von der geistlichen Welt, dazu angehalten in ein Kloster zu gehen oder ein ähnlich geistliches Leben zu führen.[23]

Über das alltägliche Eheleben an sich kann man nur schwer allgemeine Äußerungen machen. Wie auch heute wird es erhebliche Unterschiede gegeben haben zwischen den einzelnen Ehepaaren. In den meisten Fällen gab es jedoch eine Arbeitsteilung, die jedoch nicht immer strikt eingehalten wurde. So waren die Männer für die Ernährung und den Schutz der Familie verantwortlich und die Frauen kümmerten sich um den Haushalt und die Kinder.

Auch wenn die Ehe an sich in der Gesellschaft anerkannt war, gab es im Mittelalter einige Autoren und Autorinnen, die die Ehe als freiheitsraubend und einengend empfanden. So gab es eine nicht definierbare Ausbreitung der Misogamie und Misogynie bei einigen Männern.[24] Diese Eheschmäh trat aber auch bei Frauen auf. Hierbei handelte es sich aber sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen um Einzelerscheinungen. Doch auch wenn diese Meinung nicht von allen geteilt wurde, war sie zumindest bekannt. Es gab auch seitens einiger Geistlicher negative Äußerungen über die Ehe. So galt sie bei diesen wenigen Meinungen als teuflische Versuchung. Dies trifft allerdings nicht auf die allgemeine Auffassung der Ehe zu.

Daß dem Kloster vom religiösen Standpunkt aus ein höherer Wert zukam als dem laikalen Leben, steht außer Zweifel. Das beeinträchtigte jedoch weder den Zugang zum ewigen Seelenheil noch den gesellschaftlichen Wert der Ehe als laikale Lebensform. Geistliche und weltliche Lebensformen verkörperten vielmehr zwei als komplementäre Ergänzung verstandene Funktionen gesellschaftlichen Daseins. […] [Es] galt […] die Ehe als der respektierte Normalfall sozialen, teilweise sogar nicht bloß weltlichen Lebens.[25]

2.3. Die Ehe im „Ackermann aus Böhmen“

Im Ackermann aus Böhmen sind zwei verschiedene Eheauffassungen vorzufinden. Wie bereits im Kapitel 2.2 Die Ehe allgemein im Mittelalter ausgeführt, gab es auch allgemein zu dieser Zeit gegensätzliche Meinungen. So trat neben der häufigeren Ansicht, dass die Ehe als weltliche Lebensform eine erstrebenswerte Institution darstellt die bereits erwähnte Eheschmäh von Ehegegnern auf.

Der Ackermann, der den Tod anklagt, weil er seine Ehefrau zu sich nahm, wertet die Ehe als positiv. Schon die Anklage ist eine Verbindung zu den mittelalterlichen Eheverhältnissen. Der Ackermann würde gerne seine Frau rächen, die er zuvor nicht schützen konnte, wie es die munt verlangt. Auch wenn er keine Rache übt, weist er auf sein Recht hin, welches ihm diese Vergeltung zuspricht: „[…] dannocht dulde ich vnd rich es nitt, als jch zu recht solte.“[26] Dieser Schutzaspekt der munt ist im Ackermann aus Böhmen deutlich zu erkennen. Der zweite Teil der munt jedoch ist seitens des Ackermannes nicht zu finden. Es gibt keinerlei Anzeichen darauf, dass der Ackermann über seine Ehefrau herrscht. Stattdessen leben die beiden in gegenseitiger Liebe, die natürlich auch im realen Mittelalter existierte, jedoch war die Liebe nicht vorwiegendes Kriterium bei der Partnerwahl.

[...]


[1] Vgl Negwer, Joseph: Die Ehe und die Familie in der Heiligen Schrift des Alten und Neuen Testaments. Düsseldorf: Verbandsverlag weiblicher Vereine 1957. S. 17.

[2] Vgl. Negwer, Jospeh: Die Ehe und die Familie. a.a.O. S. 105

[3] Munier, Charles: Ehe und Ehelosigkeit in der Alten Kirche. 1.-3. Jahrhundert. Bern: Verlag Peter Lang AG 1987. S. XII.

[4] Vgl. Negwer, Joseph: Die Ehe und die Familie. a.a.O. S.118f.

[5] Volk, Hermann: Das Sakrament der Ehe. Münster: Verlag Regensberg 1952. S.22.

[6] Vgl. Friedberg, Emil: Ehe und Eheschließung im deutschen Mittelalter. Berlin: Druck und Verlag von F.G. Mittler und Sohn 1864. S. 30-37.

[7] Vgl. Goetz, Hans-Werner: Frauen im frühen Mittelalter. Frauenbild und Frauenleben im Frankenreich. Weimar, Köln, Wien: Böhlau Verlag 1995. S. 193.

[8] ebd. S. 232.

[9] Vgl. ebd. S. 177-178.

[10] Bußmann, Magdalena: Die Frau – Gehilfin des Mannes oder eine Zufallserscheinung der Natur? Was die Theologen Augustinus und Thomas von Aquin über Frauen gedacht haben. In: Lundt, Bea (Hrsg.): Auf der Suche nach der Frau im Mittelalter. Fragen, Quellen, Antworten. München: Wilhelm Fink Verlag 1991. S. 123.

[11] Vgl. Goetz, Hans-Werner: Frauen im frühen Mittelalter. a.a.O. S. 174.

[12] Esmyol, Andrea: Geliebte oder Ehefrau? Konkubinen in frühen Mittelalter. Köln, Weimar, Wien: Bröhlau Verlag 2002. S. 66.

[13] Vgl. ebd. S. 66-67.

[14] Vgl. Esmyol, Andrea: Geliebte oder Ehefrau? a.a.O. S. 68.

[15] ebd. S. 112.

[16] Goetz, Hans-Werner: Frauen im frühen Mittelalter. a.a.O. S. 214.

[17] ebd. S. 39.

[18] Vgl. Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter. München: Verlag C.H. Beck. 2. Aufl. 1985. S. 154.

[19] Goetz, Hans-Werner: Frauen im frühen Mittelalter. a.a.O. S. 42.

[20] Vgl. ebd. S. 238.

[21] Esmyol, Andrea: Geliebte oder Ehefrau? a.a.O. S. 50.

[22] Goetz, Hans-Werner: Frauen im frühen Mittelalter. a.a.O. S. 186.

[23] Vgl. ebd. S. 58.

[24] Vgl. Bock, Gisela: Frauen in der europäischen Geschichte. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. München: Verlag C.H. Beck 2005. S. 34.

[25] Goetz, Hans-Werner: Frauen im frühen Mittelalter. a.a.O. S. 191-192.

[26] Johannes von Tepl: Der Ackermann. Frühneuhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Hrsg., übers., komm. von Christian Kiening. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH & Co. 2002. S. 40.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Das Ehe- und Frauenbild im "Ackerman aus Böhmen" von Johannes von Tepl
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Veranstaltung
Johannes von Tepl: Der Ackermann aus Böhmen
Note
1,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
22
Katalognummer
V169070
ISBN (eBook)
9783640871940
ISBN (Buch)
9783640871971
Dateigröße
404 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
ehe-, frauenbild, ackerman, böhmen, johannes, tepl
Arbeit zitieren
Jana Hölters (Autor:in), 2010, Das Ehe- und Frauenbild im "Ackerman aus Böhmen" von Johannes von Tepl, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/169070

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