Linkshändigkeit. Ursprung, Bewertung, Umschulung


Seminararbeit, 2001

25 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0 VORÜBERLEGUNGEN

1 BEWERTUNG DER HÄNDIGKEIT - GESTERN UND HEUTE
1.1 ETYMOLOGISCHE BETRACHTUNG VON „RECHTS“ UND „LINKS“
1.2 DAS SCHMUTZIGE HANDELN MIT DER LINKEN HAND
1.3 DIE ÜBERLIEFERTE SYMBOLIK
1.4 DAS GESELLSCHAFTLICHE BILD DES LINKSHÄNDERS
1.5 GEFÜHLSWELT EINES LINKSHÄNDERS

2 HÄNDIGKEIT UND FUNKTIONELLE ASYMMETRIE
2.1 DAS MENSCHLICHE GEHIRN - SEINE LATERALITÄT
2.2 HÄNDIGKEIT DES MENSCHEN
2.3 FAZIT

3 SCHWIERIGKEITEN IN DER HÄNDIGKEITSBESTIMMUNG
3.1 ALLTAGSBEOBACHTUNGEN
3.2 BESTIMMUNGSMÖGLICHKEITEN ZUR HÄNDIGKEIT

4 MÖGLICHE THEORIEN ZUR HÄNDIGKEIT
4.1 DIE UMWELTTHEORIEN
4.1.1 Schwert-und-Schild-Hypothese
4.1.2 Theorie nach Robert Collins
4.2 FRÜHKINDLICHE HIRNSCHÄDEN
4.3 GENETISCHE MODELLE
4.4 ZWILLINGE UND HÄNDIGKEIT
4.5 HORMONTHEORIE NACH GESCHWIND UND GALABURDA
4.6 ZUSAMMENFASSUNG

5 UMSCHULUNG DER ANGEBORENEN HÄNDIGKEIT
5.1 PRIMÄRFOLGEN
5.1.1 Gedächtnisstörungen
5.1.2 Konzentrationsstörungen
5.1.3 Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten
5.1.4 Links-Rechts-Unsicherheit
5.1.5 Feinmotorische Störungen
5.1.6 Sprachstörungen
5.2 SEKUNDÄRFOLGEN
5.3 RÜCKSCHULUNG ALS HILFE!?

6 SCHLUSSGEDANKEN

7 QUELLENVERZEICHNIS

8 ANHANG

8.1 FRAGEBOGEN ZUR HÄNDIGKEIT VON FRAU DR. SATTLER

8.2 HANDDOMINANZTEST VON STEINGRÜBER UND LIENERT

0 Vorüberlegungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten1

Dieses Bild, hat es etwas mit dem Thema der Seminararbeit zu tun!? Beim Betrachten ist für die meisten klar, was sie sehen. Einen Vogel bzw. eine Ente. Doch schaut man es genauer an mit veränderter Blickrichtung, so sieht man einen Hasen. Frau Dr. Sattler meint zu diesem Ente-Hase-Test, dass Linkshänder spontan den Hasen wahrnehmen und Rechtshänder die Ente, was auf die unterschiedliche Blickrichtung von Links- und Rechtshändern zurückzuführen ist.2 Natürlich ist dies keine hinreichende Methode für die Bestimmung der Händigkeit, doch dieses Bild gibt einen kleinen Einblick in die Unterschiedlichkeit von Links- und Rechtshändern. Diese Unterschiedlichkeit birgt viele Probleme und Schwierigkeiten in sich und kann zu unvorhersehbaren Komplikationen führen. Ich selbst kenne die Schwierigkeiten die Linkshändigkeit mit sich bringt aus meinem eigenen Umfeld. Meine Schwester (11J.) hat von klein an vieles mit links getan. Dies führte dazu, dass sowohl meine Eltern als auch meine Großeltern versuchten sie umzuschulen. Sie hatten allerdings keinen Erfolg, denn sie schreibt mit ihrer linken Hand. Als ich mich für dieses Thema der Seminararbeit entschloss legte ich besonderen Augenmerk auf ihre Hände. Hierbei zeigte sich, dass sie vieles mit der linken Hand tut. Aber beim Schneiden mit der Schere, bzw. dem Messer oder beim Malen benutzt sie die rechte Hand. In der Schule musste sie im Handarbeitsunterricht das Häkeln und Stricken mit der linken Hand lernen, was ihr verständlicherweise große Probleme bereitete. Hinsichtlich der Linkshändigkeit meiner Schwester und ihrer Schwierigkeiten taten sich viele Fragen auf.

Woher kommt Linkshändigkeit? Wie geht man damit um? Was passiert, wenn Kinder umgeschult werden? Ändert sich die Hirnorganisation bei Linkshändern?

Aus diesem Grund habe ich mich mit dieser Thematik auseinandergesetzt und versucht einen kleinen Überblick über das Phänomen der Linkshändigkeit, die Umschulungsfolgen und eine mögliche Rückschulung zu geben.

1 Bewertung der Händigkeit - gestern und heute

Was bedeutet „Händigkeit“ überhaupt? Gemeint ist: Die Bevorzugung einer Hand zu den meisten ausgeführten Tätigkeiten.

Aus Höhlenmalereien und verschiedenen überlieferten Zeichnungen lässt sich schließen, dass von prähistorischer Zeit an ein großer Teil der Menschen tatsächlich Rechtshänder waren. Dies ist auch heute noch der Fall, denn ca. 90% aller Menschen sind Rechtshänder. Die Linkshändigkeit liegt bei ca. 7-8% der Menschen, es liegt also eine starke Präferenz der rechten Hand vor. Beobachtet man Tiere, so zeigt sich zwar auch eine leichte Bevorzugung einer Extremität, jedoch ist das Verhältnis von „Rechts- zu Linkshändern“ ausgeglichen. Weshalb sind dann Menschen überwiegend Rechtshänder? Woher kommt der geringe Anteil von Linkshändern?3

1.1 Etymologische Betrachtung von „ Rechts “ und „ Links “

Bereits beim Betrachten der Wörter zeigt sich die unterschiedliche Bewertung von „rechts“ und „links“. Mit „rechts“ verbinden wir Worte wie Recht, richtig, stark und gut. Im Gegensatz dazu kommt es bei dem Begriff „links“ zu Assoziationen wie linkisch, unbeholfen und falsch.4 Wirft man einen Blick auf das Lateinische, so finden sich bei dem Wort „sinistra“ (links) Übersetzungsmöglichkeiten wie ungeschickt; unheilvoll; böse und unbeholfen. Das Wort „dextra“ (rechts) wird mit Treue; Mut und Tapferkeit übersetzt.5 Der Begriff „sinistra“ wird den Worten linkisch oder teuflisch gleichgesetzt, obwohl er dem lateinischen Ursprung nach „links“ bedeutet. Auch im Englischen macht sich die positive Behaftung des Wortes rechts (right) ebenso bemerkbar. „Right“ wird mit Gesetzmäßigkeit, Korrektheit und Männlichkeit übersetzt. Die Aufwertung des Wortes „rechts“ und die Abwertung des Wortes „links“ wird also in verschiedenen Sprachen deutlich.

Im Deutschen manifestiert sich die „negative“ Bewertung von „links“ durch folgende Redewendungen: „link sein“; „linkisch“, „jemanden linken“, „das mache ich doch mit links“, „jemanden links liegen lassen“, „zwei linke Hände haben“.6 Dies zeigt sich auch im Umgang zwischen Erwachsenen und Kindern, denn wenn Erwachsene von „der schönen Hand“ sprechen, möchten sie die rechte Hand des Kindes bekommen.

1.2 Das schmutzige Handeln mit der linken Hand

Die menschliche Sprache unterliegt einer ständigen Veränderung, doch scheint die Abwertung der linken Hand schon länger zu bestehen. Gibt es dafür eine plausible Erklärung? Folgendes schlägt Sagan (1977) als Erklärung vor: „In den vorindustriellen Gesellschaften wurde - und wird noch heute - die bloße Hand für die persönliche Hygiene benützt, auch für die Reinigung nach dem Stuhlgang. Eine derartige Benützung der Hand ist nicht nur unästhetisch, sondern auch gefährlich, da auf diese Weise Krankheiten verbreitet werden können. Diese Nachteile konnten vermindert werden, indem man für das Grüßen und Essen ausschließlich die andere Hand benützte: Rechtshänder benützen also nur die linke Hand für die Toilettenhygiene. Sie wurde aus diesem Grunde bald als nicht <<stubenrein>> angesehen. Die rechte Hand dagegen wurde für die feineren und schwerer zu lernenden Handlungen bzw. Fertigkeiten gebraucht, nach und nach für alles Ehrenwerte, Reine, Edle, Wichtige.“7 Dennoch kann dies nicht erklären, woher die Abwertung der linken Hand auf der ganzen Welt kommt. Denn es gibt keine Kultur, die Linkshändigkeit als Normalität ansieht.

1.3 Dieüberlieferte Symbolik

Gibt es schon in den Texten des Alten Testaments oder des Neuen Testaments eine Grundlage für die Abwertung der linken Hand? Bei einem Blick in das Alte Testament ist keine Bevorzugung der rechten Hand zu spüren. Es kommt auch nicht zu einer Abwertung der linken Hand. Vielmehr werden der linken Hand im Buch Richter besondere Fähigkeiten zugesprochen:

„Unter diesen Männern befanden sich siebenhundert besonders auserlesene Männer; sie waren allesamt Linkshänder und konnten einen Stein haargenau schleudern, ohne je das Ziel zu verfehlen.“8 (Ri 20,16)

Im Gleichnis des Jüngsten Gerichtes bei Matthäus zeigt sich allerdings eine Abwertung der linken Seite.

„Er wird die Schafe zu seiner Rechten versammeln, die Böcke aber zu seiner Linken; Dann wird er sich auch an die auf der linken Seiten wenden und zu ihnen sagen: Weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist!

(Mt 25,33. 41).

Diese Abwertung im Neuen Testament verfestigt sich in der späteren Liturgie. Denn in den Schriften des Kirchenvaters Augustinus kommt es zu einer generellen Abwertung der linken Seite. Die daraus erwachsene selbstverständliche Aufwertung der rechten Seite zeigt sich später in der christlichen Kunst. Als Beispiel dient das folgende Bild von Albrecht Dürer:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Von Christus aus gesehen werden rechts die Gerechten von Engeln ins Licht geführt und links die Verdammten in den Höllenschlund getrieben. Diese Aufteilung findet sich in vielen christlichen Darstellungen wieder.10

Diese Beurteilung von links und rechts hat sich auf die Sitzordnung in der Kirche übertragen: auf der linken Seite sitzen die Frauen und rechts die Männer. Ebenso ist die Aufteilung im Parlament wohl kaum ein bedeutungsloser Zufall, denn in der gesetzgebenden Nationalversammlung 1791 in Paris saßen die Anhänger der konstitutionellen Monarchie rechts und die Republikaner links. Diese Platzverteilung ist bis heute gültig. Diese Aufteilung der politischen Parteien hat den Linkshändern wiederum einen negativen Touch gegeben.11

1.4 Das gesellschaftliche Bild des Linkshänders

Haben sich die Wortbedeutungen, die Sagen und die kirchliche Bewertung der linken Seite auf das gesellschaftliche Bild des Linkshänders ausgewirkt? Dies könnte beim Betrachten der folgenden Zitate tatsächlich der Fall sein.12:

- Cesare Lombroso, ital. Kriminologe, 19. Jh.: "Linkshändigkeit ist ein Merkmal der Degeneration."
- Abram Blau, amerikanischer Psychoanalytiker, 20. Jh.: "Linkshändigkeit wirdverursacht durch ein angeborenes Gebrechen, durch falsche Erziehung oder emotionalen Negativismus." -
- Abram Blau: "Linkshändigkeit ist vergleichbar mit Widerspenstigkeit beim Essen oder der Verdauung, Zurückbleiben in der Sprachentwicklung und allgemeinen Perversionen, sofern ein Kind mit seinen begrenzten Ausdrucksmitteln sie zeigen kann." - "Linkshändigkeit ist nicht nur...ein neurotisches Symptom sondern auch...eines der Zeichen einer infantilen Psychoneurose."
- Sir Cyril Burt, englischer Kinderpsychologe, 20. Jh.: "Sie (linkshändige Kinder, Anm. der Verfasserin) schielen, sie stottern, sie schlurfen und taumeln, sie watscheln wie Robben auf dem Land. Sie sind linkisch im Haus und ungeschickt in ihren Spielen, Tölpel und Pfuscher auf der ganzen Linie." - [Linkshändige Mädchen...] " besitzen häufig eine starke, eigensinnige, und beinahe männliche Veranlagung: anhand vieler kleiner verräterischer Symptome, neben der ungeschickten Führung ihrer Hände - durch ihre lässige Kleidung, ihren ungraziösen Gang, ihre jungenhaften Eigenarten und Eigenheiten - demonstrieren sie wortlos eine persönliche Verachtung des Gesetzes der weiblichen Anmut und Eleganz."

Überträgt sich diese Abwertung der Linkshändigkeit auch auf den Linkshänder selbst? Spüren Linkshänder diese Abwertung innerhalb der Gesellschaft? Die folgenden Textbeispiele sprechen wohl für sich selbst!

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2 Händigkeit und funktionelle Asymmetrie

Wie unterscheidet sich die Gehirnorganisation von Links- und Rechtshändern bzw. unterscheidet sie sich überhaupt und wenn ja in welchem Maße?

2.1 Das menschliche Gehirn - seine Lateralität

Beim Menschen gibt es zwei Hemisphären, die durch14 einen Balken miteinander verbunden sind. Die Organisation der Hemisphären ist beim Menschen kontralateral angelegt, d.h. periphere Reize auf der einen Körperseite werden von der gegenüberliegenden Seite verarbeitet. Die Kreuzung der meisten Nerven geschieht im oberen Rückenmark (medulla oblongata). Ebenso gibt es im visuellen System eine Kreuzung, allerdings nur eine partielle Kreuzung der Sehnerven im Chiasma opticum. Die linke Hälfte des Gesichtsfeldes wird in der rechten Hemisphäre ausgewertet und umgekehrt. Eine Besonderheit des Menschen ist der Cortex, die großflächige Großhirnrinde. Sie ist Voraussetzung für das Bewusstsein des Menschen und ermöglicht die Informationsverarbeitung. Durch die Großhirnfunktion ist der Mensch vielseitiger und anpassungsfähiger, dies wird er vor allem durch die menschliche Sprache. Die menschliche Sprache bietet unendliche Möglichkeiten der Informationsgewinnung und des Informationsaustausches.15

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]


1 Aus: Sattler J.: Das linkshändige Kind in der Grundschule, Donauwörth 19998, S.117.

2 Vgl. ebd.

3 Vgl. Springer S., Deutsch G.: Linkes -rechtes Gehirn: Funktionelle Asymmetrien, Heidelberg-Berlin-NewYork 19932, S.111.

4 Vgl. Olsson B., Rett A.: Linkshändigkeit, Bern-Stuttgart-Toronto 1989, S.14.

5 Vgl. Langenscheidts Schulwörterbuch Latein.

6 Vgl. Sattler, J.: Der umgeschulte Linkshänder oder Der Knoten im Gehirn, Donauwörth 1995, S.124.

7 Olsson B., Rett A.: Linkshändigkeit, Bern-Stuttgart-Toronto 1989, S.15.

8 Die Bibel - Einheitsübersetzung.

9 Aus: Sattler, J.: Der umgeschulte Linkshänder oder Der Knoten im Gehirn, Donauwörth 1995, S.122.

10 Vgl. Sattler, J.: Der umgeschulte Linkshänder oder Der Knoten im Gehirn, Donauwörth 1995, S.117-124.

11 Ebd. S.125.

12 http://www.linkshaenderseite.de/allgemei.html.

13 http://www.linkshaenderseite.de/allgemei.html

16

14 Vgl. Sattler, J.: Der umgeschulte Linkshänder oder Der Knoten im Gehirn, Donauwörth 1995, S.25-47.

15 Vgl. Olsson B., Rett A.: Linkshändigkeit, Bern-Stuttgart-Toronto 1989, S.19-29.

16 Aus: Sattler, J.: Der umgeschulte Linkshänder oder Der Knoten im Gehirn, Donauwörth 1995, S.26.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Linkshändigkeit. Ursprung, Bewertung, Umschulung
Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg  (Philosophische Fakultät III Lehrstuhl Sonderpädagogik I)
Veranstaltung
Neuropsychologische Aspekte von Lernstörungen
Note
2
Autor
Jahr
2001
Seiten
25
Katalognummer
V16865
ISBN (eBook)
9783638215848
ISBN (Buch)
9783638644754
Dateigröße
885 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Linkshändigkeit, Ursprung, Bewertung, Umschulung, Neuropsychologische, Aspekte, Lernstörungen
Arbeit zitieren
Sandra Schmidt (Autor:in), 2001, Linkshändigkeit. Ursprung, Bewertung, Umschulung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16865

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