Die Determinationshypothese aus der Perspektive lokaler Berichterstattung


Examensarbeit, 2004

85 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Aufgabenstellung

3. Forschungsstand
3.1 Entstehung und Entwicklung der Determinationshypothese
3.2 Die kritische Begleitung der Determinationshypothese
3.3 Zusammenfassung

4. Das Freiburger Beispiel
4.1 Vorbemerkung
4.2 Untersuchungsgegenstand und Methode
4.3 Struktur der untersuchten Printmedien in Freiburg
4.3.1 personelle und finanzielle Kapazitäten
4.3.2 Kommunikationsfluss
4.3.3 Die Journalisten und ihr Umgang mit den PR-Quellen
4.4 Belege für und gegen die Determinationshypothese
4.5 Informationsmasse
4.6 Inhaltliche Struktur der BZ

5. Diskussion und Kritik

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

8. Anhang
8.1 Fragebogen und Auswertung
8.2 Synopse von Polizeipressemitteilungen und BZ-Berichten
8.3 Tabellen zu Polizei-, PIA- und Uni-PMs und BZ

1. Einleitung

‚Mediengesellschaft’ und ‚Mediendemokratie’ sind wichtige Schlagwörter unserer Zeit, die eine Facette der Gesellschaft beschreiben. Tatsächlich spielen die Medien im gesell- schaftlichen Leben eine herausragende Rolle, sie sind quasi omnipräsent. Ob Fernsehen, Hörfunk, Internet oder Printmedien, sie alle garantieren einen kontinuierlichen Informati- onsfluss als ständigem Begleiter der Menschen.

Vor allem wegen der bedeutenden Fortschritte in der Digitaltechnik hat sich in den ver- gangenen Jahren dabei eine immense Beschleunigung in der Weitergabe von Informatio- nen ergeben. Per einfachem Knopfdruck lassen sich Nachrichten in Sekundenschnelle in nahezu jeden Winkel der Erde transportieren, wofür selbst in jüngerer Vergangenheit noch Stunden, Tage oder sogar Wochen nötig waren.

Ohne Zweifel haben die Massenmedien einen gewichtigen Einfluss auf viele gesellschaft- liche Bereiche. Doch nicht immer wird das Potenzial der Massenkommunikation unein- geschränkt positiv gesehen. Vor allem in Bezug auf die politische Berichterstattung wer- den die Medien oftmals mit dem Stichwort der ‚vierten Gewalt’ belegt. Dahinter steckt unter anderem die Annahme, dass die Medien einen eigenständigen Machtfaktor in der Gesellschaft darstellen und somit Journalisten zumindest theoretisch in der Lage sind, die politischen Geschehnisse zum Beispiel bei Wahlen mehr oder weniger direkt zu beein- flussen. Auf der anderen Seite beinhaltet der Ausdruck der ‚vierten Gewalt’ aber auch den positiven Aspekt, dass Journalisten eine erwünschte Kontrollfunktion übernehmen können, die dazu dient, negative Entwicklungen in der Gesellschaft aufzuspüren und durch Aufklärung diesen entgegenzuwirken.

Nicht zuletzt wegen der großen gesellschaftlichen Bedeutung stößt das Phänomen der Massenkommunikation auch in der Forschung auf reges Interesse, das durchaus interdis- ziplinären Charakter hat, da verschiedene Fachbereiche wie zum Beispiel die Kommuni- kations-, die Sprach- oder die Sozialwissenschaft tangiert werden. Prinzipiell lässt sich festhalten, dass die Massenkommunikation ein äußerst komplexes und vielschichtiges Feld darstellt, in dem es der Forschung grundsätzlich darum geht, das Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren zu erfassen, zu beschreiben und zu verstehen. Dazu gehören beispielsweise die Themengenerierung, die Informationsbeschaffung und die Interaktion der beteiligten Gruppen.

Ein Teilaspekt der Forschung beschäftigt sich seit einigen Jahren mit dem Verhältnis von Public Relations (PR) und Journalismus. Vorrangiges Ziel bei den dazugehörigen Arbei- ten war und ist es, herauszufinden, wie stark der Einfluss der Öffentlichkeitsarbeit z.B. von Parteien, Regierungen, Verbänden, Wirtschaftsunternehmen und anderen gesell- schaftlichen Institutionen auf den Journalismus ist.

Dabei etablierte sich im Laufe der Zeit die so genannte Determinationshypothese, die ganz allgemein gesprochen besagt, dass die Arbeit der Journalisten von der PR dominiert wird und dass Journalisten prinzipiell eine hohe Bereitschaft zeigen, das ihnen von der PR angebotene Material kritiklos und ohne eigene zusätzliche Rechercheleistung zu über- nehmen. Seit Mitte der 70er Jahre wurden viele Studien durchgeführt, die diese Annahme belegen sollten. Zu Beginn der 90er Jahre setzte dann aber eine Gegenbewegung ein, die sich zum Teil sehr kritisch mit der bis dahin nahezu unangefochtenen Determinationshy- pothese auseinandergesetzt hat, wovon im Folgenden noch zu sprechen sein wird.

2. Aufgabenstellung

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Determinationshypothese und deren Aussagekraft unter Berücksichtigung bestehender Arbeiten und eigener empirischer Daten zu untersu- chen. Auch wenn die Zahl solcher Untersuchungen bereits recht hoch ist, so ist eine stän- dige Weiterbeschäftigung mit diesem Thema schon deshalb notwendig, da es sich bei dem Journalismus und der PR um dynamische Systeme handelt, die einem ständigen Wandel unterliegen und die Bewertung potenzieller Abhängigkeiten sich bereits nach wenigen Jahren erheblich ändern kann.

Da viele der bekannten Studien überregionale Medien zum Gegenstand hatten, wurden für diese Arbeit speziell die lokalen Printmedien am Beispiel der Stadt Freiburg ausge- wählt. Als Datengrundlage dienen sowohl ein Fragebogen, der das subjektive Empfinden der jeweiligen Redaktionsleiter widerspiegeln soll, als auch eine Input-Output-Analyse.

Grundsätzlich soll damit die Frage beantwortet werden, ob die Determinationshypothese haltbar ist oder ob differenziertere Modelle in der Betrachtung des Verhältnisses von Journalismus und PR notwendig sind. Dazu soll zunächst ein grober Überblick über den Forschungsstand gegeben werden. Anschließend erfolgt dann die Darstellung der Daten- erhebung in Freiburg und deren Ergebnisse, um schließlich in eine Diskussion über die Determinationshypothese zu münden.

3. Forschungsstand

3.1 Entstehung und Entwicklung der Determinationshypothese

Da die Anzahl der Untersuchungen zum Verhältnis von Journalismus und PR inzwischen eine recht beachtliche Dimension erreicht hat, soll hier erst gar nicht der Anspruch erho- ben werden, eine umfassende Darstellung aller thematisch relevanter Arbeiten zu präsen- tieren. Vielmehr geht es darum, im Rahmen eines groben, chronologisch geordneten Überblicks die Entwicklung der Determinationshypothese zu skizzieren und wichtige Einschnitte in der dazugehörigen Diskussion zu markieren.

Peter Szyszka registriert die Anfänge der Diskussion um die Öffentlichkeitsarbeit schon im 19. Jahrhundert, indem er ausführt, dass „Wuttke bereits 1866 auf die weitreichende Einflußnahme preußischer ‚Preßbüreaus’ auf die Tagespresse in der Gründerzeit des redaktionellen Journalismus verwiesen“ hat (Szyszka 1997: 209). Darüber hinaus er- wähnt Szyszka auch Arbeiten von „Schöne“, „Dovifat“ und „Kapp“ aus dem ersten Drit- tel des 20. Jahrhunderts, die ebenfalls bereits den Einfluss der PR auf die Presse themati- sieren (Szyszka 1997: 209/210). Barbara Baerns, die in der Forschungsliteratur gemein- hin als Begründerin der Determinationshypothese angesehen wird, gibt in ihrem Buch „Öffentlichkeitsarbeit oder Journalismus?“ einen Überblick über einige weitere Arbeiten, die vorwiegend in die Zeit der 70er Jahre einzuordnen sind, auf die hier aber nicht näher eingegangen werden soll. (Baerns 1985: 38-41)

Als Ausgangspunkt oder Wegbereiter der Determinationshypothese wird neben Baerns in der Literatur auch immer wieder die Studie von Peter Nissen und Walter Menningen (1977) genannt. Diese untersuchten über einen Zeitraum von knapp zwei Monaten den Niederschlag aller landespolitischen Pressemitteilungen (PMs) von Regierung, Fraktio- nen, Landtag und Parteien in drei überregionalen Tageszeitungen von Schleswig-Holstein (Nissen/Menningen 1977: 160). Auf der Basis des um die nicht für die eigentliche Veröf- fentlichung bereinigten Angebots an PMs stellten sie fest, dass zwischen 45 und 63,9 Prozent der ausgewerteten PMs Eingang in die Zeitungen gefunden haben (Nis- sen/Menningen 1977: 161). Außerdem konnten sie nachweisen, dass die Transformati- onsleistung der Journalisten in Bezug auf die verwendeten PMs ausgesprochen gering war. Unter Transformationsleistung versteht man dabei alle Formen der qualitativen und quantitativen Überarbeitung einer PM, von der Kürzung, über die Ergänzung, der Kritik, der Nachrecherche bis hin zur Kommentierung des verwendeten Materials. Nissen und Menningen konnten in ihrer Studie allerdings in erster Linie nur Kürzungen der PMs und nur in den seltensten Fällen Ergänzungen beobachten (Nissen/Menningen 1977: 165). Daher gelangten sie als Fazit zu einer Aussage, die wohl als erste konkrete Ausformulie- rung der Determinationshypothese angesehen werden kann: „Die Vorstellung vom eigen- ständigen, durch selbständige Recherche Nachrichten und Informationen produzierenden Journalisten ist mit einigem Recht als Mythos zu bezeichnen“ (Nissen/Menningen 1977: 168).

Nur zwei Jahre später veröffentlichte Baerns einen Artikel, in dem sie ganz ähnliche Er- gebnisse präsentierte. Als Fallstudie hatte sie 1974 „alle schriftlichen und mündlichen Pressemitteilungen“ eines großen Unternehmens gesammelt und den Niederschlag dieses Materials in diversen Zeitungen ausgewertet, wobei sie analog zu Nissen und Menningen feststellte, dass ein Großteil der Beiträge in den Zeitungen über das Unternehmen nahezu wortgleich mit den PMs übereinstimmten oder zumindest an die PR-Informationen ange- lehnt waren (Baerns 1979: 310). Aus dieser Arbeit zog sie dann den Schluß:

Die Ergebnisse bestätigten im untersuchten Einzelfall die Vermutung, daß Öffent- lichkeitsarbeit die Berichterstattung inhaltlich zu strukturieren vermag, wenn Journalisten auf selbständige Recherche verzichten. Folglich entsteht kein dialogi- sches Kommunikationsverhältnis, wie behauptet wird, sondern der Informations- fluß verläuft eher einseitig (Baerns 1979: 310/311).

In diesem Artikel findet sich im Übrigen auch der Ursprung des Begriffes „Determinati- onshypothese“, wenn Baerns schreibt, „daß es sich lohnt, der These weiter nachzugehen, daß Öffentlichkeitsarbeit publizistische Aussagen tagesaktueller Medien determiniert […]“ (Baerns 1979: 312), wobei auch Nissen und Menningen diese Terminologie bereits verwenden (Nissen/Menningen 1977: 168). Daher ist es sicherlich nicht ganz korrekt, wenn man den Begriff der Determinationshypothese in erster Linie Baerns zuschreibt.

Während die obere Schlussfolgerung von Baerns noch als relativ ‚weich’ einzustufen ist, wenn sie davon spricht, dass der Informationsfluß „eher einseitig“ verläuft und dass PR ganz grundsätzlich in der Lage ist, Medieninhalte zu beeinflussen, so wird sie in ihrem bereits erwähnten Buch von 1985 wesentlich stärker in ihrer Aussage. Aufgrund einer weiteren und wesentlich umfangreicheren Input-Output-Analyse über Öffentlichkeitsar- beit in der Nordrhein-westfälischen Landespolitik aus dem Jahr 1978 (Baerns 1985: 87), die der PR ebenfalls einen hohen Einfluß auf die Journalisten bescheinigt, formuliert Baerns nun, dass Öffentlichkeitsarbeit sowohl „die Themen“, als auch „das Timing“ gänzlich „unter Kontrolle“ hat (Baerns 1985: 98). Weiterhin vertritt sie die These, „Öf- fentlichkeitsarbeit sei fähig, journalistische Recherchekraft zu lähmen und publizistischen Leistungswillen zuzuschütten“ (Baerns 1985: 99).

Man kann daher, wie das in der Literatur auch immer wieder gemacht wurde, die Deter- minationshypothese sowohl in einer ‚schwachen’ als auch in einer ‚starken’ Variante auslegen, je nachdem, ob man davon ausgeht, PR würde nur einen mäßigen Einfluss aus- üben oder die Journalisten vollständig kontrollieren, wobei die Aussagen Baerns wie dar- gestellt beides zulassen.

In einer Studie, die ebenfalls auf einer Input-Output-Analyse beruhte und die lokale Be- richterstattung über zwei Messen in fünf Münchner Tageszeitungen berücksichtigte, konnte Romy Fröhlich (1992) weitere Belege für die Determinationshypothese finden und sie damit zusätzlich untermauern.

3.2 Die kritische Begleitung der Determinationshypothese

Anfang der 90er Jahre setzte dann eine Bewegung ein, die unter anderem durch die Ein- beziehung zusätzlicher Parameter die Determinationshypothese kritisch beleuchtete, um herauszufinden, ob diese wirklich als allgemeingültig angesehen werden kann.

Zunächst sei dabei eine Studie von Henrike Barth und Wolfgang Donsbach erwähnt, die 1992 veröffentlicht wurde. Ihr Ansatz bestand darin, den Einfluss der PR in Abhängigkeit vom Nachrichtenwert zu untersuchen. Sie gingen dabei davon aus, dass „ein hoher Nach- richtenwert“ einerseits „zu einer stärkeren Beachtung durch die Medien“ führt, aber dass gleichzeitig auch „die Botschaften der PR-Akteure weniger stark in die Medieninhalte“ durchdringen (Barth/Donsbach 1992: 153). Um diese These zu verifizieren, untersuchten sie den Niederschlag von vier Pressekonferenzen verschiedener Firmen und Institutionen anhand von 197 Beiträgen in „148 Zeitungen“ (Barth/ Donsbach 1992: 156). Dabei wur- de unterschieden in „Krisen-Pressekonferenzen, d.h. Pressekonferenzen, die aufgrund einer Krise, eines unerwartet eingetretenen Ereignisses stattfanden“ und in „Aktions- Pressekonferenzen, die ohne äußere Veranlassung anberaumt wurden, um das Image ei- ner Institution oder eines Produktes positiv zu beeinflussen“ (Barth/Donsbach 1992: 153). Tatsächlich konnten sie feststellen, dass über die Krisen-Pressekonferenzen mehr Beiträge in den Zeitungen erschienen sind und dass diese zugleich auch erheblich um- fangreicher waren. Außerdem, und das ist das eigentlich entscheidende, wurde bei den Krisen-Pressekonferenzen „deutlich seltener die zentrale Botschaft der Veranstalter“ wiedergegeben und die Beiträge enthielten Informationen, die auf eigene Recherche der Journalisten zurückzuführen waren (Barth/Donsbach 1992: 157/162). Im Gegenzug ge- lang es jedoch den Veranstaltern der Aktions-Pressekonferenzen, „ihre eigenen Themen als dominante Artikelinhalte zu etablieren“ (Barth/Donsbach 1992: 162). Barth und Donsbach kamen aufgrund ihrer Ergebnisse daher zu der Auffassung, dass die Dominanz der Öffentlichkeitsarbeit nur dann gegeben ist, „wenn PR für die Medien ein Ereignis inszeniert, das nicht aus einer akuten Krisensituation heraus entsteht […] (Barth/Donsbach: 163), womit die pauschale Aussage der Determinationshypothese zu- mindest relativiert wurde.

1993 ist es dann Pierre Saffarnia, der eine weitere Studie vorlegt, welche die Annahmen der Determinationshypothese allerdings nicht bestätigen kann. „Am Beispiel der innenpo- litischen Berichterstattung in der unabhängigen österreichischen Tageszeitung ‚Kurier’“ hatte er über einen Zeitraum von zwei Wochen „Niederschlag und Verwendung von allen der Redaktion zugegangenen innenpolitischen PR-Texten auf Seite 2“ untersucht (Saffarnia 1993: 415). Im Gegensatz zu anderen Studien fand er dabei jedoch heraus, dass weit weniger als die Hälfte der Beiträge auf PR-Aktivitäten zurückzuführen sind und eine starke journalistische Eigenleistung in Form mehrheitlich eigenständig recherchierter Artikel sowie erhebliche Transformationsleistungen hinsichtlich des verwendeten PR- Materials zu beobachten waren (Saffarnia 1993: 417/418). In der Bewertung seiner Er- gebnisse agiert Saffarnia dann jedoch recht verwirrend. Auf der einen Seite spricht er davon, dass „ein ziemlich stark gestütztes theoretisches Konstrukt“ wie die Determinati- onshypothese nur schwerlich durch seine Studie ins Wanken gebracht werden könnte (Saffarnia 1993: 419), kommt aber dann auf der anderen Seite im Laufe der Diskussion zu der Überzeugung:

Eine Betrachtung des zweifellos komplexen Verhältnisses von Wechselwirkungen zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus darf sich nicht allein auf die ur- sprüngliche Determinierungshypothese stützen. In diesem Falle plädiere ich eher dafür, diesen Ansatz ad acta zu legen (Saffarnia 1993: 423).

Es wird jedoch insgesamt deutlich, dass Saffarnia zwar die Nachteile der Determinati- onshypothese erkennt, aber dennoch das Konstrukt nur in Teilen und nicht als Ganzes in Frage stellt.

Ähnlich verhält es sich mit Claudia Schweda und Rainer Opherden, die 1995 ein umfang- reiches und viel zitiertes Buch mit dem Titel „Journalismus und Public Relations“ veröf- fentlicht haben (Schweda/Opherden 1995). Darin findet sich neben einem theoretischen und einem empirischen Teil auch eine recht umfassende Darstellung des Forschungs- stands, die insbesondere Arbeiten zur lokalen Berichterstattung in den 70er und 80er Jah- ren erfasst (Schweda/Opherden 1995: 93 ff.). Die Studie von Schwedia und Opherden beschäftigte sich mit der Lokalpolitik in Düsseldorf, wobei die Pressemitteilungen der Ratsfraktionen exklusive der Republikaner und deren Niederschlag über vier Monate im Jahre 1992 in drei Düsseldorfer Zeitungen analysiert wurden. Darüber hinaus wurde je- doch auch „die gesamte lokalpolitische Berichterstattung“ unabhängig von PR-initiierten Themen berücksichtigt, um so ein umfassenderes Bild zu bekommen (Schwedia/Opherden 1995: 121 f.). Dabei zeigte sich, dass auch in diesem Fall „hohe Übernahmequoten der Pressemitteilungen festzustellen“ waren, wobei die etablierten Parteien bessere Chancen auf Veröffentlichungen hatten als die kleineren (Schwedia/Opherden 1995: 206). Die abgedruckten PMs waren jedoch „häufig auf hinte- ren Seiten“ anzutreffen und wurden „stark gekürzt und ebenso stark inhaltlich verändert“, was deren Bedeutung aus Sicht der Autoren eindeutig relativiert (Schwedia/Opherden 1995: 207). Viel entscheidender aber war die Tatsache, dass die Gesamtschau erbrachte, dass „lediglich 18 Prozent der Berichterstattung auf Pressemitteilungen als mindestens einer Informationsquelle“ zurückgingen (Schwedia/Opherden 1995: 206). Aus diesem Grund gelangten Schwedia und Opherden auch zu der Auffasung, dass der Determinati- onshypothese von Baerns zumindest in ihrer starken Auslegung zu widersprechen sei (Schwedia/Opherden 1995: 209).

Szyszka (1997) setzt sich dann ohne eigene empirisch gestützte Studien auf der theoreti- schen Ebene mit der Determinationshypothese auseinander. Seine Überlegungen führen ihn dahin, dass er die Hypothese zwar nicht gänzlich anzweifelt, aber „deren problemge- rechte Interpretation im Kontext anderer, beziehungs- und einflußkonstituierender Vari- ablen“ einfordert (Szyszka 1997: 222). Dazu benennt er beispielsweise eine notwendige Differenzierung nach „Medientyp, Medienarbeitsfeld und Medienakteur“ (Szyszka 1997: 217). Zusätzlich müssen aus seiner Sicht auch „konstellationsvariable Determinanten journalistischer Arbeit“ berücksichtigt werden wie zum Beispiel „ressortbedingte Unter- schiede im Informationsbezug“, „räumliche Bindung zum Mitteilungsobjekt“, „Professi- onsstatus eines Ressorts“ und einige mehr, wovon später noch die Rede sein wird (Szyszka 1997: 218f.).

Bentele et al. (1997) kritisieren an den bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Studien, dass diese zu einseitig angelegt gewesen seien und sich in erster Linie für den Einfluss der PR auf den Journalismus interessiert hätten, ohne dabei zu beachten, dass ebenso in der umgekehrten Richtung Einflüsse „vom Mediensystem in Richtung auf die PR hin“ existierten, wofür sie unter anderem „zeitliche Routinen“, „Nachrichtenfaktoren“ und „Präsentationsroutinen“ als Beispiele anführen (Bentele et al. 1997: 239). Aus diesem Grund entwickelten sie für künftige empirische Untersuchungen das „Intereffikations- Modell“, um eine differenzierte Betrachtung der beiden Systeme PR und Journalismus und deren Wechselwirkungen zu ermöglichen. Wie dieses Modell aussieht, zeigt die fol- gende grafische Darstellung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Das Intereffikationsmodell (Bentele et al 1997: 242)

Zur Erklärung dieses Modells soll ein ausführliches Zitat von Bentele (2003) dienen, das die wesentlichen Elemente kompakt zusammenfasst:

Im Intereffikationsmodell (Intereffikation = gegenseitige Ermöglichung), das eine komplexe Gesamtbeziehung von gegenseitigen Einflüssen, Anpassungen, Erwar- tungen und Orientierungen modelliert, werden Induktionen (kommunikative An- regungen, die Resonanzen hinterlassen) und Adaptionen (Anpassungshandeln) sowohl der PR-Seite wie auch der journalistischen Seite unterschieden. Zu den Induktionsleistungen vonseiten des PR-Systems in Richtung auf das journalisti- sche System gehört die Themengenerierung (Issue-building, Agenda-building), die Bestimmung über den Zeitpunkt der Information (Timing), also die beiden Dimensionen, die innerhalb der ‚Determinationshypothese’ untersucht worden sind, aber auch die Bewertung von Sachverhalten, Personen, Ereignissen etc. Zu den Adaptionen des PR-Systems gehören Anpassungen an zeitliche, sachliche und soziale (z.B. redaktionelle) Regeln oder Routinen des Journalismus, beispielswei- se Anpassungen an die Zeiten des Redaktionsschlusses. Auch ‚Aktualität’ als journalistischer Qualitätsfaktor stellt eine Adaptionsvorgabe für das PR-System dar (Bentele 2003: 65/66).

Als „Induktionsleistungen“ der Journalisten wertet Bentele die „Selektion“, „Platzie- rung“, „Gewichtung“ und „Eigenbewertung“ der an sie herangetragenen Informationen und als „Adaptionsprozesse“ die „Orientierung an organisatorischen, sachlich- thematischen und zeitlichen Vorgaben des PR-Systems“ (Bentele 2003: 66). Dieses Intereffikationsmodell sollte allerdings in erster Linie wohl kaum als eigentlicher Gegen- entwurf zu der Determinationshypothese angesehen, sondern vielmehr als Ergänzung und Verfeinerung betrachtet werden, um künftigen Studien präzisere Aussagen über das Ver- hältnis von Journalismus und PR zu ermöglichen.

Mit dem Eintritt in das neue Jahrtausend ist es dann Alexandra Schantel (2000), die eine ungewohnt scharfe, ja geradezu vernichtende Kritik an quasi sämtlichen Aspekten der Forschung zur Determinationshypothese übt und zu dem Schluss kommt:

Was als Determination des Journalismus durch Öffentlichkeitsarbeit ausgegeben wird, ist größtenteils das Resultat einer auf den impliziten Prämissen der Determi- nationshypothese beruhenden, tendenziösen Interpretationen, deren Untersu- chungsdesign derartige Schlussfolgerungen gar nicht zulässt (Schantel 2000: 85).

Dabei beklagt sie insbesondere, dass viele Studien nur auf den PR-induzierten Teil der Berichterstattung eingegangen sind und gleichzeitig „eine Analyse der Gesamtberichter- stattung“ außer Acht gelassen haben, wobei eine solche Analyse zwingend notwendig sei, um überhaupt Aussagen über eine mögliche Determinierung der Journalisten zu treffen (Schantel 2000: 73). Ein weiterer interessanter Ansatz Schantels besteht darin, dass sie eine grundlegende Prämisse der Determinationshypothese anzweifelt, laut derer die ei- genständige Arbeit des Journalisten qualitativ wertvoller eingeschätzt wird, als die Über- nahme von PR-Botschaften:

Journalistische Eigenrecherche oder Kritik ist für die Orientierung in der funktio- nal differenzierten Gesellschaft nicht notwendigerweise von höherem Wert als Öffentlichkeitsarbeit, da die Nützlichkeit (= Anschlussfähigkeit) der öffentlich gemachten Botschaften keine Eigenschaft dieser Botschaften, sondern Resultat einer Unterscheidung der systemischen Beobachter ist (Schantel 2000: 72/73).

Zudem bestreitet sie eine mögliche Konkurrenzsituation von Journalismus und PR auf- grund deren gemeinsamen Abhängigkeit voneinander (Schantel 2000: 72). Schließlich legt sie anhand eine komplexen und stark verschachtelten PR-Modells dar, dass die De- terminationshypothese allenfalls dazu geeignet sei, einen winzigen Teilaspekt des Ver- hältnisses von PR und Journalismus zu beschreiben, wobei sie gleichzeitig dem Intereffikationsmodell einen wesentlich größeren Geltungsbereich einräumt (Schantel 2000: 80).

Doch auch wenn damit deutlich wird, dass der Weg in der Forschungsliteratur langsam weg von der ursprünglichen Annahme eines immensen Einflusses der PR und hin zu neu- eren, differenzierteren Modellen wie dem der Intereffikation geht, der auch bei Barbara Pfetsch und Stefan Wehmeier beschrieben wird (Pfetsch/Wehmeier 2002: 79 ff.), so hält sich dennoch die Grundidee der Determinationshypothese hartnäckig bis in die jüngste Vergangenheit. Denn zum Beispiel sehen Wolfgang Donsbach und Arnd Wenzel (2002), die für ihre sehr umfangreiche Studie jedoch bereits das Intereffikationsmodell als Grundlage wählen, die Determination von Journalisten als „das vorherrschende Paradig- ma in der Kommunikationsforschung“ (Donsbach/Wenzel 2002: 374) und sprechen da- von, „dass die Determinierung von Journalismus durch Öffentlichkeitsarbeit noch keine Gefährdung der journalistischen Unabhängigkeit erreicht hat“ (Donsbach/Wenzel 2002: 375). Damit implizieren sie, obwohl sie selbst die Determinationshypothese in ihrer Un- tersuchung nicht bestätigen können und dem Intereffikationsmodell den Vorzug geben, dass ein übermäßiger Einfluss der PR durchaus eine potenzielle Bedrohung darstellt.

3.3 Zusammenfassung

Wenngleich hier, wie bereits zu Beginn erwähnt, nur ein kleiner Ausschnitt aus der über- aus umfangreichen Forschungsliteratur zu dem Verhältnis von Journalismus und PR prä- sentiert wurde, konnten dennoch anhand einiger ausgewählter Beispiele die Grundlinien aufgezeigt werden, die für die Entstehung, Entwicklung und Weiterentwicklung der De- terminationshypothese von Bedeutung waren.

In erster Linie ist es den Arbeiten von Baerns und Nissen/Menningen zu verdanken, dass hierzulande eine umfangreiche Debatte über das Verhältnis von PR und Journalismus angestoßen wurde. Während sich aufgrund von deren Ergebnissen die Vorstellung etab- lierte, dass PR die Arbeit der Journalisten maßgeblich beeinflusst und sich dies auch nicht zuletzt wegen vieler weiterer Untersuchungen zunächst eindeutig zu bestätigen schien, setzte vor allem in den vergangenen zehn Jahren eine Bewegung ein, die immer größere Zweifel an der Allgemeingültigkeit der Determinationshypothese aufkommen ließ. Zahl- reiche weitere Parameter wurden den Studien hinzugefügt, die dazu führten, dass neue Modelle entwickelt wurden und die ursprüngliche Hypothese in ihrer Aussage zumindest relativiert wurde.

Allerdings bleibt jedoch der Eindruck zurück, dass viele Fragen noch offen sind, was dann auch den Anstoß dazu gab, unter Zusammenführung der bisherigen Forschungser- gebnisse und eigener empirischer Untersuchungen die Zukunft oder das mögliche endgül- tige Aus der Determinationshypothese zu analysieren.

4. Das Freiburger Beispiel

4.1 Vorbemerkung

Die folgenden Untersuchungen sind sicherlich nicht mit den groß angelegten Studien anderer bereits erwähnter Autoren vergleichbar, da eine solche den Umfang einer studen- tischen Arbeit bei weitem sprengen würde. Betrachtet man zum Beispiel die Studie von Donsbach und Wenzel (2002), so waren diese nur dank eines vielköpfigen Teams, darun- ter allein sechs Studenten, in der Lage, 486 Pressemitteilungen und 823 Artikel mittels eines dreigeteilten Codebuchs eingehend zu analysieren (Donsbach/Wenzel 2002: 378/379). Dennoch wurde hier davon ausgegangen, dass sich auch mit einem im Umfang reduzierten Ansatz in Kombination mit den Resultaten bestehender Studien brauchbare Ergebnisse erzielen lassen.

Da sich viele der im letzten Kapitel genannten Arbeiten vorrangig auf überregionale Be- richterstattung bezogen, erschien es sinnvoll, den Fokus auf lokale Medien zu legen, zu- mal davon auszugehen ist, dass sich das Verhältnis von PR-Treibenden und Journalisten nicht zuletzt aufgrund der räumlichen Nähe anders darstellt als auf überregionaler Ebene, worauf auch Szyszka hinweist:

Im lokalen Raum hat der Journalist die Möglichkeit, Informationen aus eigenem Erleben einzuschätzen und zu bewerten – auch solche von Öffentlichkeitsarbeit. Im überregionalen politischen und wirtschaftlichen Raum dagegen sind seine Kol- legen weitgehend auf fremdvermittelte Information und Einschätzung angewiesen (Szyszka 1997: 219/220).

Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass im Gegensatz zur lokalen Ebene Journa- listen bei der Informationsverarbeitung im überregionalen Bereich sehr oft auf Agenturen und deren Meldungen zurückgreifen oder zurückgreifen müssen, was auch häufig in den genannten Arbeiten eine Rolle gespielt hat. Eine solche, den Primärkommunikatoren, wie PR-Treibende auch bezeichnet werden, nach geschaltete Zwischeninstanz existiert im Lokalen nicht. Dadurch hat der Journalist eine wesentlich engere Beziehung zu seinen Informanten und Informationen, als das in dem anonymen Raum des Agenturwesens der Fall ist. Gleichzeitig warnt Szyszka aber auch davor, dass „der vermeintliche Vorteil räumlicher Nähe“ dann zum Nachteil werden kann, „wenn persönliche Beziehungen zwi- schen Journalist und Berichterstattungsobjekt journalistische Handlungsspielräume ein- schränken“ (Szyszka 1997: 220).

Die Medienlandschaft der ‚kleinen’ Großstadt Freiburg mit ihren rund 200 000 Einwoh- nern eignet sich durchaus für die angestrebte Untersuchung, da die Zahl der Medien über- schaubar, aber dennoch groß genug ist, um ein differenziertes Bild zu erarbeiten.

4.2 Untersuchungsgegenstand und Methode

Als Untersuchungsgegenstand wurden diejenigen Printmedien ausgewählt, welche auf eine breite, alle wesentlichen Bereiche des öffentlichen lokalen Geschehens erfassende, Berichterstattung ausgelegt und nicht auf einzelne Themenfelder wie zum Beispiel die Kultur beschränkt sind. Dazu gehören die Tageszeitung Badische Zeitung (BZ), die wö- chentlich erscheinenden Anzeigenblätter Freiburger Wochenbericht und Stadtkurier so- wie die Sonntagszeitung Der Sonntag in Freiburg (Der Sonntag). Nicht mit aufgenom- men wurden das von der Stadt Freiburg herausgegebene Amtsblatt, monatlich oder in größeren Zeitabständen erscheinende Zeitschriften und Magazine sowie Rundfunkanstal- ten und Fernsehstationen, da dafür eine wesentlich umfangreichere Gesamtanlage der Studie notwendig gewesen wäre.

Der Untersuchungszeitraum beläuft sich auf 14 Tage und umfasst alle in der Zeit vom 21. Juni bis 5. Juli 2004 erschienenen Ausgaben der jeweiligen Zeitungen. Dieser Zeitraum wurde deshalb gewählt, da er kurz nach der am 15. Juni 2004 erfolgten Kommunalwahl und noch vor dem so genannten Sommerloch lag. Gerade in Bezug auf den Kommunal- wahlkampf stand zu befürchten, dass die dazu gehörige intensive Berichterstattung ande- re Themen überlagern könnte und es wurde im Vergleich zu anderen Arbeiten bewusst vermieden, auf die politische PR und deren Resultate einen Schwerpunkt zu legen.

Für allgemeine Informationen zu den Zeitungen bezüglich Anzahl der Mitarbeiter, Auf- lagenhöhe sowie für subjektive Einschätzungen zum Beispiel hinsichtlich des Umgangs mit Informationsangeboten von PR-Treibenden wurde ein Fragebogen entwickelt, der an die jeweiligen Redaktionsleiter verschickt wurde. Die einzelnen Fragen sowie eine tabel- larische Übersicht zu den Antworten der Redaktionen finden sich im Anhang unter 8.1. Die dazugehörige Auswertung folgt im nächsten Abschnitt.

Weiterhin wurde eine Input-Output-Analyse vorgenommen, die den Input der örtlichen Polizeipressestelle und den dazu gehörigen redaktionellen Output der BZ berücksichtigte. Die Pressemitteilungen dieser und anderer Institutionen lassen sich inzwischen sehr leicht erhalten, da sie per email verschickt werden und man sich ohne Probleme in die entspre- chenden Verteiler eintragen lassen kann. Darüber hinaus lässt sich ganz allgemein in vie- len Fällen die Pressearbeit von Firmen, Institutionen, Verbänden und Parteien gut recher- chieren, da auf deren Homepages im Internet häufig Pressebereiche zu finden sind, in denen man, je nach Sorgfalt der Bearbeitung, Pressemitteilungen und zum Teil auch Be- richterstattung gut einsehen kann. Ebenso bieten viele Zeitungen auf ihren Internetseiten zum Teil gute Recherchemöglichkeiten an, was die gesamte Arbeit hinsichtlich der Input- Output-Analysen inzwischen erheblich erleichtert.

4.3 Struktur der untersuchten Printmedien in Freiburg

Basierend auf den Angaben aus den Fragebögen, soll hier zunächst die Struktur der aus- gewählten Medien untersucht und durch allgemeine Angaben ergänzt werden.

Analog zu den Beobachtungen Szyszkas zeigte sich auch in Freiburg nach dem Zweiten Weltkrieg eine kontinuierliche Ausdifferenzierung des Freiburger Mediensystems (Szyszka 1997: 214). 1946 erschien erstmals die Badische Zeitung, die bis heute die ein- zige Abonnementtageszeitung vor Ort mit einer lokalen Auflage von 34000 Exemplaren ist und damit quasi eine Monopolstellung einnimmt. Wenige Jahre später wurde der Frei- burger Wochenbericht gegründet (1952), der als so genanntes Anzeigenblatt kostenlos einmal pro Woche mit einer Auflage von 113000 Exemplaren an die Freiburger Haushal- te verteilt wird. Ein weiteres, wöchentlich erscheinendes Anzeigenblatt folgte dann 1983 mit dem Stadtkurier. Neben den Anzeigenblättern etablierte sich zusätzlich von 1998 an eine Sonntagszeitung unter dem Titel Der Sonntag in Freiburg, die als Ableger der BZ im Gegensatz zu der zeitweilig parallel erschienen Zeitung zum Sonntag bis heute exis- tiert. Daneben gab und gibt es einige Zeitungen und Zeitschriften, die zum Beispiel wie der Kultur Joker auf einzelne Themenbereiche beschränkt sind und die hier wie bereits erwähnt keine Rolle spielen werden. Nicht zu vergessen sind auch die zum Teil erst we- nige Jahre alten Rundfunksender und Fernsehstationen wie Antenne Südbaden, TV Süd- baden, Radio Regenbogen oder S4 Radio Breisgau, die jedoch vorwiegend regionalen Charakter besitzen.

In der Gesamtschau zeigt sich damit deutlich, dass sich der Medienmarkt Stück für Stück verbreitert hat und neue Marktnischen erschlossen wurden. Offensichtlich treffen die verschiedenen Medienangebote auf eine ausreichende Publikumsresonanz, so dass eine Koexistenz am Markt zumindest derzeit möglich erscheint. Dies überrascht vor allem bei den beiden Anzeigenblättern, die sogar am gleichen Tag an die Haushalte verteilt werden.

4.3.1 personelle und finanzielle Kapazitäten

Wirft man einen Blick auf die Zahl der in den einzelnen Redaktionen tätigen Mitarbei- tern, wird schnell deutlich dass die personellen und damit auch finanziellen Kapazitäten sehr unterschiedlich sind, was sicherlich für die Determinationshypothese eine wichtige Kennzahl ist.

Schon Saffarnia (1993) erkannte eine Korrelation zwischen den finanziellen Kapazitäten und der Qualität journalistischer Arbeit:

Auch die allgemein schlechte finanzielle Ausstattung der Redaktionen und damit die wenig ausgeprägte redaktionelle Infrastruktur verhindert oftmals die Möglich- keit zu – oder zumindest die Lust der Redakteure auf – geistig-schöpferische jour- nalistische Aktivitäten, wodurch die Übernahme von Informationseinheiten von außen mehr als nur nahe liegt (Saffarnia 1993: 413).

Auch wenn für eine solche These eine in absoluten Zahlen ausgedrückte Bezugsgröße fehlt, von welcher Größenordnung der finanziellen Ausstattung an eine unabhängige, qualitativ hochwertige und von außen nur wenig determinierte journalistische Arbeit be- ginnt, kann man dennoch im vorliegenden Beispiel anhand der Relationen einige Aussa- gen treffen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Zahl der Mitarbeiter in den Redaktionen

Ohne Zweifel muss die BZ als Tageszeitung über eine größere personelle Ausstattung verfügen als die anderen Zeitungen, die nur einmal pro Woche erscheinen. Doch insbe- sondere im Vergleich zu den Wochenblättern kann die BZ mit 9 Redakteursstellen und insgesamt 27 freien Mitarbeitern, die sich laut eigenen Angaben der BZ in 7 ‚feste Freie’ und 20 weitere ‚freie Freie’ aufsplitten lassen, auf überproportional mehr personelle Res- sourcen zurückgreifen als der Wochenbericht oder der Stadtkurier. Hinzu kommt, dass die BZ drei Stellen für ein Sekretariat aufweisen kann, was weiteren Freiraum für die journalistische Tätigkeit schafft. Auffallend hoch ist auch die Anzahl der Mitarbeiter bei Der Sonntag in Freiburg, welcher ebenfalls wie die Anzeigenblätter nur wöchentlich erscheint. Einschränkend sei hier allerdings gesagt, dass die Angabe von neun Redakteu- ren nur bedingte Gültigkeit hat. Denn ein Blick auf deren Homepage (URL: www.der- sonntag-in-freiburg.de/team/redaktion [Stand: 6. Oktober 2004] ) zeigt, dass die Redak- teure ressortübergreifend eingesetzt werden, also zum Beispiel gleichzeitig für Sport, Kultur und Lokales zuständig sein können. Da in dieser Arbeit jedoch nur Lokalnachrich- ten außerhalb von Bereichen wie Kultur und Sport berücksichtigt werden, muss die Zahl der Redakteure beim Sonntag grob geschätzt auf höchsten fünf bis sechs Stellen gedank- lich reduziert werden. Dennoch ist der Sonntag damit gegenüber den Anzeigenblättern personell immer noch eindeutig besser positioniert und auch gegenüber der BZ dürften erhebliche Vorteile in diesem Bereich bestehen, wenngleich ein exakter Proportionalitäts- faktor nur äußerst schwer zu ermitteln sein dürfte, da man nicht ohne weiteres von der Zahl der Ausgaben auf die Zahl der Mitarbeiter schließen kann. Dazu wären weitere Pa- rameter, wie Umfang der einzelnen Ausgaben, inhaltliche Struktur und einige mehr er- forderlich, die darüber hinaus noch normiert werden müssten. Gleichzeitig muss man auch den Anteil, den die freien Mitarbeiter an der Gesamtberichterstattung tragen, mit einbeziehen. Dieser ist beim Wochenbericht mit 70 Prozent am höchsten, während der Sonntag mit 10 Prozent am wenigsten auf seine freien Mitarbeiter zurückgreift, wie fol- gende Abbildung zeigt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.3 : Prozentualer Anteil der freien Mitarbeiter an der Gesamtberichterstattung

Insgesamt lässt sich daher, wenn auch nur abgeschätzt, festhalten, dass der Sonntag von seinen personellen Kapazitäten her gegenüber den anderen Wochenzeitungen eindeutig im Vorteil ist und mit der BZ vergleichbar sein dürfte. Die Anzeigenblätter, die sich nicht stark voneinander unterscheiden, bilden in dieser Beziehung gemeinsam das Schlusslicht. Basierend auf der Annahme, dass bessere personelle Kapazitäten einhergehen mit einem höheren Maß an journalistischer Eigenständigkeit und Unabhängigkeit, ist deshalb davon auszugehen, dass mögliche Determinationseffekte beim Sonntag und der BZ geringer ausfallen als bei den Anzeigenblättern.

4.3.2 Kommunikationsfluss

Als nächstes war danach gefragt, wie viele schriftliche Informationen schätzungsweise im Durchschnitt täglich in den Redaktionen eingehen, womit sämtliches Material von der Einladung über die Pressemitteilung bis hin zu Infomaterial, Terminhinweisen und weite- res gemeint war. Damit sollte abgeschätzt werden, mit welchem quantitativen Informati- onsangebot die Redaktionen täglich konfrontiert sind.

Während sich die Angaben dazu bei der BZ, dem Wochenbericht und dem Stadtkurier in einem vergleichbaren Rahmen bewegten und zwischen 60 und 150 lagen, gab der Sonn- tag einen äußerst niedrigen Wert von 10-50 an. Allerdings handelt es sich dabei wirklich nur um grobe Schätzwerte, da die Redaktionsleiterin der BZ in einem persönlichen Ge- spräch auch einmal die Zahl 300 mit Blick auf die täglich einlaufenden Informationen nannte.

Doch auch wenn man diese vermutlich eher an der unteren Grenze der tatsächlich über- mittelten Informationen als Grundlage nimmt, kann man sicherlich von einer derart gro- ßen ‚Informationsflut’ sprechen, dass es für die Redaktionen, insbesondere für die wö- chentlich erscheinenden Zeitungen, völlig unmöglich ist, alle an sie von Außen herange- tragenen Informationen zu veröffentlichen. Damit sind Journalisten jedoch dazu gezwun- gen, die Informationen zu selektieren, worauf auch in der Forschungsliteratur immer wieder hingewiesen wurde. Ein solcher Selektionsvorgang widerspricht jedoch in gewis- ser Weise der Determinationshypothese, da es ja eine eigenständige und selbst bestimmte Entscheidung des Journalisten ist, welche Information er veröffentlicht oder nicht. Dabei wird er in erster Linie vermutlich von dem Kriterium geleitet, welche Information für sein Publikum von größerem Interesse ist, auch wenn es sich dabei im Zweifel eher um eine mehr oder weniger intuitive Annahme handeln dürfte, da das Publikumsinteresse als solches eine nur schwer objektivierbare Größe darstellt und allenfalls in groben Zügen bestimmt werden kann.

Interessant waren auch die Antworten auf die Frage, auf welchen Kommunikationswegen der PR-Input verläuft, die in Abbildung 4 wiedergegeben werden.

Sieht man vom Stadtkurier ab, der von einer recht gleichmäßigen Verteilung auszugehen scheint, fällt auf, dass die elektronische Kommunikation per email inzwischen die Über- hand gewonnen hat und die meisten Informationen auf diesem Weg in die Redaktionen einlaufen, während der Postweg und das Faxgerät nur noch eine sehr untergeordnete Rol- le spielen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 85 Seiten

Details

Titel
Die Determinationshypothese aus der Perspektive lokaler Berichterstattung
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Note
1,5
Autor
Jahr
2004
Seiten
85
Katalognummer
V168640
ISBN (eBook)
9783640864720
ISBN (Buch)
9783640864683
Dateigröße
1063 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
determinationshypothese, perspektive, berichterstattung
Arbeit zitieren
Sascha Fiek (Autor:in), 2004, Die Determinationshypothese aus der Perspektive lokaler Berichterstattung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/168640

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die Determinationshypothese aus der Perspektive lokaler Berichterstattung



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden