Einfluss der Faultline-Stärke auf die Gruppenleistung und die Zufriedenheit


Lizentiatsarbeit, 2010

193 Seiten, Note: 6.00


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Relevanz und Ziel der Arbeit
1.2 Aufbau der Arbeit

2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Leistung in der Gruppe
2.1.1 Einleitung und Relevanz
2.1.2 Definition ‚Gruppe’
2.1.3 Potentielle versus tatsächliche Gruppenleistung
2.1.4 Prozessverluste und Prozessgewinne
2.1.5 Einfluss des Aufgabentyps
2.1.6 Einfluss der Gruppenstruktur
2.1.7 Einfluss der Diversität
2.2 Diversität
2.2.1 Einleitung und Relevanz
2.2.2 Definition ‚Diversität’
2.2.3 Übersicht Forschungsstand
2.2.4 Relevante Theorien in Bezug auf die Gruppendiversität
2.2.4.1 Ähnlichkeits-Attraktions-Paradigma von Byrne (1971)
2.2.4.2 Theorie der Sozialen Identität von Tajfel und Turner (1986) - Theorie der Sozialen Kategorisierung (Tajfel, 1981; Turner et al., 1987)
2.2.4.3 Theorie der Selbstkategorisierung von Turner (Turner et al., 1987)
2.2.5 Haupttraditionen der Diversitätsforschung
2.2.5.1 Erste Perspektive: Social Categorization Perspective
2.2.5.2 Zweite Perspektive: Information/Decision-making Perspective
2.2.6 Das Categorization-Elaboration Model (CEM)
2.2.7 Faultlines
2.3 Zufriedenheit in der Gruppe
2.3.1 Einleitung und Relevanz
2.3.2 Definition ‚Zufriedenheit’
2.3.3 Empirische Befunde
2.4 Fragestellung und Hypothesen

3. Methode
3.1 Stichprobe
3.2 Design
3.3 Ablauf des Experimentes
3.4 Manipulation der Faultline-Stärke
3.5 Messinstrumente und Variablen
3.5.1 Persönlichkeitsfragebogen NEO-FFI-30
3.5.2 Fragebogen zur Erfassung aktueller Motivation (FAM)
3.5.3 Gruppenleistung: ‚Gestrandet in der Wüste’ - Aufgabe
3.5.4 Fragebogen zu Konstrukten der Diversitätsforschung
3.5.5 Manipulationscheck Faultline
3.5.6 Zufriedenheit
3.5.7 Berliner Intelligenzstruktur-Test (BIS)
3.5.8 Elaboration von Informationen
3.5.9 Demographische Angaben und weitere Variablen
3.6 Statistische Auswertung

4. Ergebnisse
4.1 Vorgängige Analysen
4.1.1 Überprüfung der Manipulation
4.1.2 Berechnung des ‚within-group agreement’ (rwg) Indexes
4.2 Hypothesenprüfung
4.2.1 Hypothese 1: Einfluss der Faultline-Stärke auf die subjektiv wahrgenommene Diversität
4.2.2 Hypothese 2a: Einfluss der Faultline-Stärke auf die Gruppenleistung
4.2.3 Hypothese 2b: Mediatorhypothese (Elaboration)
4.2.4 Hypothese 2c: Moderatorhypothese (subjektiv wahrgenommene Diversität)
4.2.5 Hypothese 3a: Einfluss der Faultline-Stärke auf die Zufriedenheit
4.2.6 Hypothese 3b: Mediatorhypothese (Elaboration)
4.2.7 Hypothese 3c: Moderatorhypothese (subjektiv wahrgenommene Diversität)
4.3 Weitere Auswertungen
4.3.1 Qualitative und quantitative Auswertung der wahrgenommenen Unterschiede
4.3.2 Kontrollvariable: Wissen über das Überleben in der Wüste
4.3.3 Kontrollvariable: Kennen der Gruppenmitglieder
4.3.4 Kontrollvariable: Filmen der Gruppenaufgabe

5. Diskussion
5.1 Diskussion der Ergebnisse
5.1.1 Diskussion der Manipulation der Faultline-Bedingung
5.1.2 Diskussion der Hypothesenprüfung
5.1.3 Diskussion weiterer Auswertungen
5.2 Stärken und Schwächen der Arbeit
5.2.1 Stärken
5.2.2 Schwächen
5.3 Weitere Implikationen für die Forschung
5.4 Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Danksagung

Anhang A: Skalendokumentation

Anhang B: Studienmaterialien

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Das Categorization-Elaboration Model (CEM) von van Knippenberg et al. (2004, S. 1010)

Abb. 2: Anordnung der starken Faultline-Bedingung

Abb. 3: Anordnung der schwachen Faultline-Bedingung

Abb. 4: Mediatormodell Faultline-Stärke, Elaboration und Gruppenleistung

Abb. 5: Moderatormodell nach Baron und Kenny (1986) zur Hypothese 2c

Abb. 6: Effekte der Faultline-Stärke und der subjektiv wahrgenommenen Diversität (Intragruppen-Ähnlichkeit ‚Gruppe’, IAG) auf die Gruppenleistung, zweifaktorielle Varianzanalyse

Abb. 7: Effekte der Faultline-Stärke und der subjektiv wahrgenommenen Diversität (Intragruppen-Unterschiedlichkeit, IU) auf die Gruppenleistung, zweifaktorielle Varianzanalyse

Abb. 8: Mediatormodell Faultline-Stärke, Elaboration und Zufriedenheit

Abb. 9: Moderatormodell nach Baron und Kenny (1986) zur Hypothese 3c

Abb. 10: Effekte der Faultline-Stärke und der subjektiv wahrgenommenen Diversität (Intragruppen-Ähnlichkeit ‚Gruppe’, IAG) auf die Zufriedenheit, zweifaktorielle Varianzanalyse

Abb. 11: Effekte der Faultline-Stärke und der subjektiv wahrgenommenen Diversität (Intragruppen-Unterschiedlichkeit, IU) auf die Zufriedenheit, zweifaktorielle Varianzanalyse

Abb. 12: Selbst eingeschätzte Beeinflussung durch die Videoaufzeichnung

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Mittelwerte, Standardabweichungen und einfache Korrelationen zwischen den Variablen auf Gruppenebene

Tab. 2: Mittelwerte und Standardabweichungen der Gruppenleistung in Abhängigkeit der Faultline-Stärke und der subjektiv wahrgenommenen Diversität (Intragruppen- Ähnlichkeit ‚Gruppe’)

Tab. 3: Effekte der Faultline-Stärke und der subjektiv wahrgenommenen Diversität (Intragruppen-Ähnlichkeit ‚Gruppe’) auf die Gruppenleistung, zweifaktorielle Varianzanalyse

Tab. 4: Mittelwerte und Standardabweichungen der Gruppenleistung in Abhängigkeit der Faultline-Stärke und der subjektiv wahrgenommenen Diversität (Intragruppen- Unterschiedlichkeit)

Tab. 5: Effekte der Faultline-Stärke und der subjektiv wahrgenommenen Diversität (Intragruppen-Unterschiedlichkeit) auf die Gruppenleistung, zweifaktorielle Varianzanalyse

Tab. 6: Mittelwerte und Standardabweichungen der Zufriedenheit in Abhängigkeit der Faultline-Stärke und der subjektiv wahrgenommenen Diversität (Intragruppen- Ähnlichkeit ‚Gruppe’)

Tab. 7: Effekte der Faultline-Stärke und der subjektiv wahrgenommenen Diversität (Intragruppen-Ähnlichkeit ‚Gruppe’) auf die Zufriedenheit, zweifaktorielle Varianzanalyse

Tab. 8: Mittelwerte und Standardabweichungen der Zufriedenheit in Abhängigkeit der Faultline-Stärke und der subjektiv wahrgenommenen Diversität (Intragruppen- Unterschiedlichkeit)

Tab. 9: Effekte der Faultline-Stärke und der subjektiv wahrgenommenen Diversität (Intragruppen-Unterschiedlichkeit) auf die Zufriedenheit, zweifaktorielle Varianzanalyse

Tab. 10: Qualitative und quantitative Auswertung der wahrgenommenen Unterschiede

Tab. 11: Einfluss von ‚Wissen über Wüste’ auf verschiedene Variablen

Tab. 12: Einfluss von ‚Filmen’ auf verschiedene Variablen

1. Einleitung

1.1 Relevanz und Ziel der Arbeit

Diverse Einflussfaktoren können die Leistung und Zufriedenheit einer Gruppe beeinträchtigen oder verbessern. Beispiele dafür sind die Gruppenstruktur (bspw. Rollen- und Machtverteilung) oder der Aufgabentyp. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Diversität. Diese Arbeit beschäftigt sich insbesondere mit dem Einfluss von Diversität auf die Gruppenleistung sowie auf die Zufriedenheit. Van Knippenberg et al. (2004, S. 1008) definieren dieses Konstrukt folgendermassen: „Differences between individuals on any attribute that may lead to the perception that another person is different from self”. Die Diversität bezieht sich also auf Unterschiede zwischen Individuen bezüglich jeglichen Merkmalen, welche zur Wahrnehmung führen können, dass sich eine andere Person von einem selbst unterscheidet. Diversität kann alle Dimensionen betreffen (Fay & Guillaume, 2007; van Knippenberg et al., 2004). Mitglieder einer Gruppe können sich somit in verschiedensten Bereichen unterscheiden, wie beispielsweise bezüglich Alter, Geschlecht, Ethnie, Persönlichkeit, Fähigkeiten, Bildung, Glauben oder betreffend Einstellungen. Jeder Mensch lässt sich somit aufgrund nahezu unendlich vieler Merkmalsausprägungen beschreiben. Das Thema der Diversität beziehungsweise Unterschiedlichkeit von Mitgliedern in Gruppen ist wissenschaftlich und praktisch, sowie gesellschaftlich und wirtschaftlich gesehen von höchster Relevanz. Gruppen spielen in vielen Lebensbereichen eine wichtige Rolle . Nicht nur in der Wirtschaft, in der Politik oder im Militär, sondern auch beim Teamsport, in der Familie oder in der Kunst und Kultur spielen Gruppen eine zentrale Rolle. Viele Personen gehören nicht nur einer Gruppe an, sondern einer ganzen Reihe von Gruppen (Werth & Mayer, 2008). Somit wird ein grosser Teil unseres Lebens von in Gruppen ablaufenden Prozessen und Ergebnissen beeinflusst. Wenn Gruppen effektiv arbeiten, stellen sie eine ideale Struktur dar, um Leistung zu verbessern und um die Zufriedenheit der Mitglieder zu steigern (Tannenbaum & Sales, 1996). Ziel in verschiedensten Bereichen ist es, unter anderem die Unterschiedlichkeit optimal zu nutzen und damit die Gruppenleistung beziehungsweise die Zufriedenheit zu steigern.

Die Diversität von Gruppen stellt auch in der heutigen Forschung ein aktuelles Themenfeld dar, wobei widersprüchliche Befunde anzutreffen sind. Forschungsergebnisse bezüglich der Auswirkungen von Diversität sind grösstenteils inkonsistent. Es werden einerseits positive, andererseits auch negative Effekte von Diversität auf die Gruppenergebnisse festgestellt (van Knippenberg et al., 2004; van Knippenberg & Schippers, 2007). Um diese Probleme anzugehen, schlugen van Knippenberg et al. (2004) das Categorization-Elaboration Model (CEM) vor, auf welches ausführlich eingegangen wird. Um die Struktur beziehungsweise die konkrete Verteilung der Diversität innerhalb einer Gruppe zu berücksichtigen, eignet sich das Konstrukt ‚Faultline’ von Lau und Murnighan (1998), welches in der vorliegenden Arbeit im Mittelpunkt steht. Nach Lau und Murnighan (1998, S. 328) wird dieser Begriff folgendermassen definiert: “Group faultlines are hypothetical dividing lines that may split a group into subgroups based on one or more attributes.” Innerhalb einer Gruppe existiert eine starke Faultline, wenn verschiedene Diversitäts-Dimensionen hoch korrelieren. Eine Gruppenzusammensetzung, bei der beispielsweise alle Männer eine helle Hautfarbe und alle Frauen eine dunkle Hautfarbe haben, verfügt über eine stärkere Faultline als eine Zusammensetzung, bei der das Geschlecht und die Hautfarbe nicht miteinander in Beziehung stehen. Auch berücksichtigt wird die Elaboration von Informationen. Denn der wichtigste Prozess, welcher dem positiven Effekt der Diversität auf die Gruppenleistung zugrunde liegt, ist nach dem CEM von van Knippenberg et al. (2004) die Elaboration, also der Austausch, die Bearbeitung und die Integration von aufgabenrelevanten Informationen. Zur Erfassung der Elaboration von Informationen wurde die Gruppenaufgabe auf Video aufgezeichnet und mit dem Instrument zur Kodierung von Diskussionen (IKD) von Schermuly und Scholl (2009) kodiert. Weiter wurde bis anhin der eigentliche Wirkmechanismus von Faultlines beziehungsweise Diversität, die ‚subjektiv wahrgenommene Diversität’, in der Forschung weitgehend vernachlässigt. Homan et al. (2007a) haben zum Beispiel in ihrer Studie die subjektive Wahrnehmung der Unterschiedlichkeit anderer Gruppenmitglieder nicht erhoben, obwohl unter anderem das Categorization-Elaboration Model (CEM) nach van Knippenberg et al. (2004) besagt, dass genau diese subjektive Wahrnehmung entscheidend für die Auswirkung der Diversität ist. Effektive beziehungsweise objektive Unterschiedlichkeiten zwischen Gruppenmitgliedern müssen nicht automatisch von den einzelnen Mitgliedern auch als solche wahrgenommen werden. Ein weiteres Ziel der vorliegenden Arbeit ist deshalb, den bis anhin weitgehend vernachlässigten Wirkmechanismus ‚subjektiv wahrgenommene Diversität’ mit einzubeziehen. Subjektiv wahrgenommene Unterschiede wurden in offener Form erfragt und zusätzlich über Items quantifiziert. Durch die offene Erhebung erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, relevante und saliente Diversitäts-Dimensionen ausfindig zu machen (vgl. Oosterhof et al., 2009). Die vorliegende Studie setzt somit den Schwerpunkt einerseits auf die Frage, wie sich unterschiedliche Faultline-Stärken auf die Gruppenleistung und die Zufriedenheit auswirken und untersucht andererseits, welche Rolle dabei die Elaboration und die subjektiv wahrgenommene Diversität innerhalb einer Gruppe einnehmen.

Mit Hilfe eines Gruppenexperimentes im Labor wird untersucht, ob die experimentell manipulierte Faultline-Stärke innerhalb einer Gruppe einen Einfluss auf die subjektiv wahrgenommene Diversität, die Gruppenleistung sowie die Zufriedenheit hat. Weiter wird überprüft, ob die Elaboration den Effekt der Faultline-Stärke auf die Gruppenleistung oder auf die Zufriedenheit mediiert. Schliesslich wird getestet, ob die subjektiv wahrgenommene Diversität den Effekt der Faultline-Stärke auf die Gruppenleistung oder Zufriedenheit moderiert. Gruppen à vier Personen bearbeiteten eine von Homan et al. (2007a) modifizierte Version der ‚Stranded in the Desert’ - Aufgabe von Johnson und Johnson (1982) und füllten einzeln diverse Fragebögen aus.

1.2 Aufbau der Arbeit

Im folgenden Kapitel wird der theoretische Bezugsrahmen erläutert. Es wird insbesondere auf die Gruppenleistung und die Diversität eingegangen, wobei unter anderem relevante Theorien, vorhandene empirische Befunde beziehungsweise der aktuelle Forschungsstand präsentiert werden. Danach werden die aus dem theoretischen Hintergrund abgeleitete Fragestellung und Hypothesen der Arbeit dargestellt. Im dritten Kapitel werden die methodische Umsetzung der Studie erläutert und das Vorgehen sowie die verwendeten Messinstrumente detailliert aufgezeigt. Die Resultate der Untersuchung werden im vierten Kapitel präsentiert. Abschliessend werden im fünften Kapitel die Ergebnisse diskutiert und mit dem bisherigen Forschungsstand in Bezug gesetzt, um daraus Implikationen für weitere Forschungsfragen abzuleiten.

2. Theoretischer Hintergrund

2.1 Leistung in der Gruppe

2.1.1 Einleitung und Relevanz

In vielen Lebensbereichen ist das Arbeiten in Gruppen nicht mehr wegzudenken - es ist ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft. Wir alle arbeiten viel in Gruppen, sei es in informellen, wie beispielsweise in verschiedenen Lerngruppen an einer Universität, oder in formellen Gruppen, wie beispielsweise in Projektteams bei der Arbeit (Schulz-Hardt & Brodbeck, 2007). Obwohl es an empirisch konsistenter und robuster Evidenz fehlt, ist der Glaube an die Effektivität von Gruppen unter Managern, Mitarbeitern sowie Laien stark verbreitet (Allen & Hecht, 2004). Oft erhofft man sich durch Gruppenarbeit ein Zugewinn an Leistung. Dies ist damit zu begründen, dass auf Gruppenebene mehr Ressourcen vorhanden sind als auf Individualebene und dadurch qualitativ bessere Ergebnisse erreicht würden (Schulz-Hardt, Greitemeyer, Brodbeck, & Frey, 2002). Die Forschung zeigt jedoch, dass Gruppenarbeit entweder zu besserer, vergleichbarer oder sogar schlechterer Leistung führen kann als Einzelarbeit (Werth & Mayer, 2008). Das Arbeiten in aufgabenbezogenen Gruppen hat also Vor- und Nachteile, denn in einer Gruppe werden unterschiedlichste soziale Einflüsse wirksam. Es existieren diverse Einflussfaktoren, welche die Gruppenleistung beeinträchtigen oder verbessern. Deshalb ist es von grosser Bedeutung, die wichtigen und entscheidenden Einflussfaktoren zu kennen, um günstige Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die potentiellen Vorteile einer Gruppe zum Tragen kommen können und den zahlreichen Gefahren entgegengewirkt werden kann. Oder wie es Schulz-Hardt und Brodbeck (2007) auf den Punkt gebracht formulieren, müssen die wichtigsten Hindernisse und Chancen in Bezug auf die Leistung in Gruppenarbeiten ausfindig gemacht werden.

In der Gruppenleistungs-Forschung geht es hauptsächlich darum, diejenigen Mechanismen ausfindig zu machen, die sich positiv beziehungsweise förderlich oder negativ beziehungsweise hinderlich auf den quantitativen und/oder qualitativen Output von Gruppenarbeiten auswirken (Schulz-Hardt et al., 2002). Mit diesem Wissen kann die Leistung in Gruppen gesteigert werden. Nach Schulz-Hardt et al. (2002) lassen sich zwei grundsätzliche Forschungsrichtungen unterscheiden. Die eine Forschungsrichtung beschäftigt sich auf Individualebene mit dem Einfluss der reinen Anwesenheit anderer Personen auf die Leistung und die zweite Forschungsrichtung mit dem Einfluss von Interdependenzen und Interaktionen der Mitglieder auf die Leistung. Im Rahmen dieser Arbeit wird im Folgenden auf Aspekte letzterer Forschungsrichtung, welche sich auf die Gruppenebene bezieht, eingegangen.

Die Gruppenleistung ist ein wichtiger Bestandteil dieser Arbeit, weshalb ein Überblick über dieses Themengebiet relevant ist. In einem ersten Schritt wird zuerst der Begriff der ‚Gruppe’ definiert. Danach wird erläutert, was unter tatsächlicher und potentieller Gruppenleistung verstanden wird und was Prozessgewinne und Prozessverluste sind. Schliesslich wird auf eine Auswahl von möglichen Einflussfaktoren eingegangen, welche die Leistung einer Gruppe beeinträchtigen oder verbessern können, wie beispielsweise der Aufgabentyp, die Gruppenstruktur oder die Diversität.

2.1.2 Definition ‚Gruppe’

Was versteht man unter einer Gruppe? Diese Frage kann nicht eindeutig beantwortet werden, da es keine einheitliche Definition einer Gruppe gibt. Es bestehen unterschiedliche Ansichten darüber, welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit von einer Gruppe gesprochen werden kann (Nijstad & van Knippenberg, 2007). Zur Verdeutlichung werden nun beispielhaft zwei verschiedene Definitionen vorgestellt. Nijstad und van Knippenberg (2007, S. 411) vertreten wie Tajfel (1981) die Ansicht, dass dann von einer Gruppe gesprochen werden kann, „…wenn sich zwei oder mehr Einzelpersonen als Mitglieder einer Gruppe definieren“. Dabei handelt es sich um eine eher weite und offene Definition. Nach Werth und Mayer (2008, S. 335) ist eine Gruppe jedoch definiert als eine „Ansammlung von zwei oder mehr Personen, die folgende Kriterien aufweist: Interaktion, gemeinsame Ziele, Wir-Gefühl, zeitliche Stabilität“. Eine Gruppe beinhaltet nach dieser Definition zwei oder mehrere Personen, die miteinander interagieren, gemeinsame Interessen und Ziele haben, sich als Einheit wahrnehmen und über eine gewisse zeitliche Stabilität verfügen. Dadurch kann eine Gruppe von einer reinen Ansammlung von Menschen sowie einer Masse abgegrenzt werden (Werth & Mayer, 2008).

2.1.3 Potentielle versus tatsächliche Gruppenleistung

Manche Aufgaben können nur innerhalb einer Gruppe ausgeführt werden, wie beispielsweise Mannschaftssport. Daneben existieren noch Aufgaben, welche per se keine Gruppe benötigen, man aber erwartet, dass durch Gruppenbildung die Leistung steigt. Um zu überprüfen, ob diese Erwartung erfüllt wird, muss man wissen, was die Gruppenleistung bestimmt und in welcher Beziehung die Gruppenleistung zur Einzelleistung steht. Um gruppenspezifische Einflüsse, wie soziale Interdependenzen und soziale Interaktionen, auf die Gruppenleistung zu bestimmen, muss festgestellt werden können, welche Leistung resultiert hätte, wenn dieselben Mitglieder der Gruppe jeweils für sich alleine gearbeitet hätten, es also keine Gruppenprozesse gegeben hätte (Schulz-Hardt & Brodbeck, 2007). Diese Leistung kann als potentielle Gruppenleistung beziehungsweise Gruppenpotential bezeichnet werden. Die potentielle Leistung wird folgendermassen definiert: „Diese Variable beschreibt, was die Gruppe leisten könnte, wenn jedes Gruppenmitglied seine Ressourcen – wie relevantes Wissen, Fähigkeiten, Zeit – optimal einsetzten würde, um die Anforderungen der Aufgabe zu erfüllen“ (Werth & Mayer, 2008, S. 352). Es handelt sich hierbei also um die mögliche Gruppenleistung, wenn die zur Verfügung stehenden Ressourcen optimal eingesetzt werden. Dieser potentiellen Leistung kann die tatsächliche Gruppenleistung gegenüber gestellt werden. Diese tatsächlich erbrachte Gruppenleistung stimmt meist nicht mir dem Gruppenpotential überein, da aufgrund Interdependenzen und sozialer Interaktionen innerhalb von Gruppen so genannte Prozessgewinne und Prozessverluste existieren, welche die Gruppenleistung hemmen oder fördern. Die tatsächliche Gruppenleistung kann also gemäss der Formel von Hackman und Morris (1975) als Funktion der potentiellen Gruppenleistung minus Prozessverluste plus Prozessgewinne ausgedrückt werden (Wilke & Wit, 2002). Prozessgewinne beschreiben den Leistungszuwachs und Prozessverluste die Leistungsverminderungen durch die Gruppensituation. Prozessverluste führen dazu, dass die tatsächliche Gruppenleistung kleiner wird als die potentielle Gruppenleistung und Prozessgewinne führen dazu, dass die tatsächliche Leistung das Gruppenpotential übertrifft. Ziel ist es, die Gruppenleistung zu optimieren. Dafür müssen Prozessgewinne maximiert und die Prozessverluste minimiert werden (Schulz-Hardt & Brodbeck, 2007). Im nächsten Abschnitt wird auf die wichtigsten Prozessverluste und Prozessgewinne eingegangen.

2.1.4 Prozessverluste und Prozessgewinne

Es werden drei Arten von Prozessverlusten und Prozessgewinnen unterschieden. Koordinations- und Motivationsprozesse stellen die klassischen Erklärungsrichtungen für die Diskrepanz tatsächlicher und potentieller Gruppenleistung dar. Diese klassische Aufteilung der Prozessgewinne und Prozessverluste in Koordinations- und Prozesseffekte kann nach Schulz- Hardt und Brodbeck (2007) jedoch durch eine dritte Komponente, und zwar durch kognitive Prozesse beziehungsweise so genannte individuelle Fertigkeitsverluste und -gewinne ergänzt werden.

(1) Koordinationsverluste entstehen dann, wenn die einzelnen Gruppenmitglieder ihre individuellen Beiträge nicht optimal in das Gruppenergebnis einbringen können. Koordinationsgewinne existieren hingegen nicht, da das Gruppenpotential auf der Basis einer optimalen Kombination individueller Beiträge definiert wird (Schulz-Hardt et al., 2002). Beispiele für Koordinationsverluste sind der Ringelmanneffekt (Ringelmann, 1913) und die Produktionsblockierung (Diehl & Stroebe, 1987). Der Ringelmanneffekt „beschreibt den Befund, dass bei einer körperlichen Aufgabe (beispielsweise Gewichte ziehen) die durchschnittliche Leistung der individuellen Gruppenmitglieder mit zunehmender Gruppengrösse abnehmen“ (Schulz-Hardt & Brodbeck, 2007, S. 450). Genau genommen spielt bei diesem Effekt nicht nur die Koordination eine Rolle, sondern auch die Motivation. Die Produktionsblockierung hingegen „beschreibt einen Prozessverlust, der typisch ist für Brainstormingaufgaben bei Face-to-face-Gruppen. Da in einer Gruppe zu einem Zeitpunkt nur eine Person sprechen kann, können die anderen Gruppenmitglieder in dieser Zeit ihre Idee nicht äussern“ (Schulz-Hardt & Brodbeck, 2007, S. 452).

(2) Motivationsverluste entstehen durch eine verminderte Bereitschaft einzelner Mitglieder sich im Gruppenkontext anzustrengen (Schulz-Hardt & Brodbeck, 2007). Drei bekannte Motivationsverluste sind das soziale Faulenzen (Harkins, Latané & Williams, 1980), der Trittbrettfahrereffekt (Kerr & Bruun, 1983) und der Trotteleffekt (Kerr, 1983). Soziales Faulenzen kann dann zum Tragen kommen, wenn der eigene, einzelne Beitrag nicht identifizierbar ist oder nicht bewertet wird. Beim Trittbrettfahrereffekt steht die wahrgenommene Bedeutung des eigenen Beitrags im Vordergrund. Einzelne Gruppenmitglieder nehmen ihre individuellen Beiträge als entbehrlich wahr. Der Trotteleffekt entsteht bei Gruppenmitgliedern, welche bei anderen aus der Gruppe einen Trittbrettfahrereffekt oder soziales Faulenzen vermuten und deshalb ihre eigene Anstrengung reduzieren, um nicht ausgenutzt zu werden. Diese Motivationsverluste können verringert werden, indem die Identifizierbarkeit, die Unentbehrlichkeit und die Bewertungsmöglichkeit individueller Beiträge erhöht wird, sowie wenn eine Aufgabe attraktiv ist und sich alle für das Gruppenergebnis verantwortlich fühlen (Shepperd, 1993; zit. nach Schulz-Hardt et al., 2002, S. 33). Es existieren jedoch nicht nur Motivationsverluste, sondern auch Motivationsgewinne, wie etwa der Köhlereffekt (Köhler, 1926) und die soziale Kompensation (Williams & Karau, 1991). Sie kommen dadurch zustande, dass einzelne Gruppenmitglieder ihre Anstrengung erhöhen. Beim Köhlereffekt kommt es zu einer Leistungssteigerung schwächerer Mitglieder, um nicht für ein schlechtes Gruppenergebnis verantwortlich zu sein. Die soziale Kompensation bezeichnet hingegen den Versuch starker Gruppenmitglieder, einer drohenden verminderten Gruppenleistung entgegen zu wirken.

(3) Bei den individuellen Fertigkeitsverlusten und -gewinnen beziehungsweise kognitiven Prozessen wird angenommen, dass informationelle Reize von anderen Gruppenmitgliedern durch kognitive Stimulation den Beitrag eines Gruppenmitglieds beeinflussen können (Schulz-Hardt et al., 2002). Die Gruppensituation kann also auch individuelle Fertigkeiten beeinflussen. Ein sozial induzierter Fertigkeitsverlust kann als kognitive Einschränkung bezeichnet werden. Sie wird folgendermassen definiert: „Kognitive Einschränkung beschreibt einen individuellen Fertigkeitsverlust bei Gruppenaufgaben, die das Generieren von Ideen erfordern. Er tritt auf, wenn eine Idee, die von einem anderen Gruppenmitglied erwähnt wurde, dazu führt, dass man sich auf diejenige Kategorie konzentriert zu der diese Idee gehört, auf Kosten des Generierens von Ideen aus anderen Kategorien“ (Schulz-Hardt & Brodbeck, 2007, S. 457). Die Gruppensituation kann beispielsweise die Aufmerksamkeit eines Mitgliedes einengen. Ein sozial induzierter Fertigkeitsgewinn hingegen kann als kognitive Stimulation bezeichnet werden: „Kognitive Stimulation ist ein individueller Fertigkeitsgewinn bei Gruppenaufgaben, zu denen das Generieren von Ideen gehört. Dazu kommt es, wenn eine Idee, die von einem anderen Gruppenmitglied erwähnt wird, eine kognitive Kategorie stimuliert, an die man ansonsten nicht gedacht hätte“ (Schulz-Hardt & Brodbeck, 2007, S. 457). Mitglieder einer Gruppe können beispielshalber bessere Beiträge durch die intellektuelle Stimulierung anderer Gruppenmitglieder erbringen.

2.1.5 Einfluss des Aufgabentyps

Die potentielle Leistung einer Gruppe ist vom Typ der Gruppenaufgabe abhängig (Werth & Mayer, 2008). Die individuellen Leistungen der Gruppenmitglieder werden je nach Aufgabenart mit Hilfe unterschiedlicher Kombinationsregeln zu einer potentiellen Gruppenleistung zusammengeführt (Schulz-Hardt et al., 2002). Gemäss Steiner (1972; zit. nach Schulz-Hardt & Brodbeck, 2007, S. 446ff.) existieren drei unterschiedliche Dimensionen, nach denen Gruppenaufgaben unterschieden werden können. Eine Dimension unterscheidet zwischen unterteilbaren und nicht unterteilbaren Aufgaben. Bei unterteilbaren Aufgaben können unterschiedliche, abgrenzbare Unteraufgaben unter den Mitgliedern aufgeteilt werden, während bei nicht unterteilbaren Aufgaben alle Gruppenmitglieder an der gleichen Aufgabe arbeiten müssen. Die zweite Dimension differenziert zwischen Maximierungsaufgaben (Ziel ist Quantität) und Optimierungsaufgaben (Ziel ist Qualität) und die dritte Dimension klassifiziert Aufgaben danach, in welchem Zusammenhang die Gruppenleistung zu den Einzelleistungen steht. In diesem Zusammenhang unterscheidet Steiner (1972) unter anderem folgende vier Aufgabenarten:

(1) additive Aufgabe, (2) disjunktive Aufgabe, (3) konjunktive Aufgabe und (4) diskretionäre Aufgabe. Bei der additiven Aufgabe handelt es sich bei der potentiellen Gruppenleistung um die Summe aller Beiträge der Gruppenmitglieder, also um die Summe aller Einzelleistungen. Somit kann die Gruppe als Ganzes besser als das Gruppenmitglied sein, welches die grösste Einzelleistung erbringt. Beispiel einer solchen Aufgabe ist das Tragen eines schweren Gegenstandes. Bei disjunktiven Aufgaben reicht es aus, wenn nur ein Gruppenmitglied die Aufgabe lösen kann. Die potentielle Gruppenleistung kann die Einzelleistung des besten Mitglieds umfassen, je nachdem, wie die Gruppe wählt. Ein Beispiel für solche eine Aufgabe ist das Lösen eines Rätsels. Die tatsächliche Leistung wird alleine durch die Qualität des Vorschlags bestimmt, für den sich die Gruppe entschieden hat. Disjunktive Aufgaben können weiter in Heureka-Aufgaben oder Nicht-Heureka-Aufgaben unterteilt werden. Bei Heureka-Aufgaben existiert eine offensichtlich richtige Lösung, wobei bei Nicht-Heureka-Aufgaben keine offensichtliche Lösung existiert (Wilke & Wit, 2002). Heureka-Effekt „bedeutet, dass die richtige Lösung für ein Problem, wenn es gefunden wurde, von der Gruppenmitgliedern sofort als richtig erkannt wird“ (Schulz-Hardt & Brodbeck, 2007, S. 448). Konjunktive Aufgaben müssen von allen Gruppenmitgliedern erfolgreich ausgeführt werden. Die potentielle Gruppenleistung wird durch die Einzelleistung des schwächsten Mitglieds bestimmt. Ein Beispiel ist das Bergsteigen. Das Gruppenpotential nimmt deshalb auch mit zunehmender Gruppengrösse ab (Schulz-Hardt & Brodbeck, 2007). Bei den diskretionären Aufgaben handelt es sich um Aufgaben mit Ermessensspielraum. Eine Gruppe kann jeweils selber entscheiden, wie sich das Gruppenprodukt aus den Einzelbeiträgen ergibt. Die potentielle Leistung kann dadurch nicht eindeutig definiert werden. Ein Beispiel dafür wäre die Prognose eines Aktienkurses beziehungsweise sämtliche Prognoseaufgaben. Bezüglich dieses Aufgabentyps existiert gemäss Schulz-Hardt und Brodbeck (2007) kaum empirische Forschung.

2.1.6 Einfluss der Gruppenstruktur

Auch die Gruppenstruktur hat einen entscheidenden Einfluss auf die Gruppenleistung beziehungsweise Leistungsfähigkeit der Gruppe. Die Struktur einer Gruppe wird nach Werth und Mayer (2008) durch vier Merkmale bestimmt: (1) Verhaltensregeln (Normen), (2) Verhaltenserwartungen (Rollen), (3) Prestige (Status), sowie (4) der Zusammenhalt innerhalb einer Gruppe (Kohäsion). Alle diese Merkmale haben einen starken Einfluss auf das Verhalten von Mitgliedern einer Gruppe. Sie bestimmen den Handlungsspielraum eines einzelnen Mitglieds und sind in ihrer Wirkung zum Teil voneinander abhängig (Werth & Mayer, 2008).

(1) Normen sind „allgemein geteilte Erwartungen darüber, wie sich alle Gruppenmitglieder zu verhalten haben“

(Werth & Mayer, 2008, S. 340). Normen haben eine regulierende Funktion, da sie Vorschriften darstellen, welche als Leitlinien fungieren (Nijstad & van Knippenberg, 2007). Die Stärke des Einflusses einer Norm auf ein Verhalten oder eine Einstellung hängt von den Konsequenzen bei einer Verletzung dieser Normen ab und davon, wie sehr sich ein Mitglied mit der Gruppe identifiziert. Auch die Leistungsbereitschaft in einer Gruppe kann von Normen gesteuert werden. Sehr schlechte, wie auch sehr gute Leistungen können Sanktionen durch die Gruppe bewirken. Es existieren also so genannte Leistungsbegrenzungen durch Normen nach oben und nach unten.

(2) Zur Gruppenstruktur tragen auch Erwartungen bei, und zwar in Abhängigkeit von der Rolle, welche ein Gruppenmitglied einnimmt. „Rollen sind allgemein geteilte Erwartungen, wie sich eine bestimmte Person in einer bestimmen Situation – in diesem Zusammenhang in der Situation ‚Gruppe’ – zu verhalten hat “ (Werth & Mayer, 2008, S. 342). Es handelt sich also um erwartete Verhaltensweisen, die mit einer bestimmten Position in der Gruppe verknüpft sind. Eine Rolle definiert für jedes Mitglied einen bestimmten Verhaltensspielraum. Die Rollenverteilung innerhalb einer Gruppe kann Überlastungen einzelner Mitglieder vorbeugen, wodurch eine Zielerreichung wahrscheinlicher wird.

(3) Status gilt als ein weiteres Strukturmerkmal einer Gruppe. Ein Status bezeichnet eine „sozial bewertete Stellung einer Person aus Sicht der übrigen Gruppenmitgliedern“ (Werth & Mayer, 2008, S. 346) und entsteht durch Erwartungen, und nicht nur aufgrund objektiven Fähigkeiten. Ein Hauptproblem ist, dass oft einer Person mit einem höheren Status Recht gegeben wird, auch wenn diese Person Unrecht hat.

(4) Kohäsion bezeichnet den „Zusammenhalt einer Gruppe, der aus allen Kräften resultiert, die die Mitglieder motivieren, in der Gruppe zu bleiben“ (Werth & Mayer, 2008, S. 347). Nach Werth und Mayer (2008) fühlen sich Gruppenmitglieder durch eine hohe Kohäsion verstärkt den Gruppennormen verpflichtet, weshalb der Einfluss der Kohäsion auf die Gruppenleistung davon abhängig ist, ob die Leistungsnorm hoch oder niedrig ist. Das Vorhandensein einer hohen Leistungsnorm bei einer hohen Kohäsion hat somit einen positiven Einfluss auf die Leistung (Werth & Mayer, 2008). Gemäss Turner, Hogg, Oakes, Reicher und Wetherell (1987) verhalten sich Mitglieder einer hoch kohäsiven Gruppe zudem kooperativer. Es wird angenommen, dass die Gruppenkohäsion für eine Gruppe wichtig ist, da dadurch der Gruppenzusammenhalt gestärkt wird, sowie die Motivation und das Engagement für die Gruppe steigen. Jedoch sind die Resultate in der Forschung gemäss Nijstad und van Knippenberg (2007) diesbezüglich inkonsistent. So wird beispielsweise durch reine Kohäsion die Gruppenleistung nicht immer verbessert. Podsakoff, MacKenzie und Ahearne (1997) konnten in ihrer Studie zwar einen positiven Einfluss der Gruppenkohäsion auf die Produktivität finden, jedoch nur, wenn die Gruppe vorgegebene Ziele akzeptiert hat. Bei niedriger Zielakzeptanz gab es keinen Zusammenhang zwischen Kohäsion und Produktivität und nicht wie angenommen einen negativen Zusammenhang.

2.1.7 Einfluss der Diversität

Auch die Gruppenkomposition beziehungsweise die Homogenität und Heterogenität der Gruppe beeinflusst die Gruppenleistung. Auf diesen Einflussfaktor wird im folgenden Kapitel 2.2 ‚Diversität’ eingegangen, da dieser Faktor im Mittelpunkt dieser Lizenziatsarbeit steht und somit eine detaillierte Betrachtung relevant und sinnvoll ist.

2.2 Diversität

2.2.1 Einleitung und Relevanz

Wie bereits erwähnt, spielen Gruppen in vielen Lebensbereichen eine zentrale Rolle . Nach William und O’Reilly (1998) werden insbesondere Gruppen in Organisationen im Hinblick auf ihre Zusammensetzung immer unterschiedlicher und werden in Zukunft auch noch diverser werden. In verschiedensten Unternehmen trifft man immer mehr bunt gemischte Arbeitsgruppen an. Beispielsweise kommt es vermehrt zu Niederlassungen im Ausland, wodurch eine kulturelle Diversität zum Tragen kommt (Benzler & Fabel, 2006; Berg, 2006; Fay & Guillaume, 2007). Zudem tendieren Organisationen heutzutage vermehrt dazu, funktionsübergreifende Teams zusammenzustellen (van Knippenberg et al., 2004). Es gibt somit immer mehr bereichsübergreifende Zusammenarbeit. In solchen Teams existieren dann insbesondere Unterschiede bezüglich Funktion und Bildungshintergrund. Arbeitsgruppen werden gemäss Fay und Guillaume (2007) immer beliebter, während gleichzeitig die Arbeitskräfte immer unterschiedlicher werden. Überall dort, wo Personen in Gruppen zusammen arbeiten, spielt Diversität eine Rolle und somit ist Diversität in verschiedensten Lebensbereichen bei sozialen Interaktionen anzutreffen.

Diversität kann grosse Auswirkungen auf Gruppenprozesse, Leistungen und das Wohlergehen der einzelnen Gruppenmitglieder haben. Deshalb ist es wichtig, Effekte der Diversität in Gruppen zu verstehen (Fay & Guillaume, 2007). Nach van Knippenberg und Schippers (2007) ist jedoch bezüglich dieser Diversitätseffekte noch sehr vieles unklar. Die unklaren und teilweise widersprüchlichen empirischen Resultate machen es schwierig, in der Praxis die Diversität in Gruppen richtig zu managen (Fay & Guillaume, 2007). Ziel soll es sein, die Diversität und die zugrunde liegenden Prozesse soweit zu verstehen, dass mögliche Vorteile genutzt und negative Effekte reduziert werden können (Fay & Guillaume, 2007; van Knippenberg & Schippers, 2007).

Die Diversität nimmt, wie erläutert, im Rahmen dieser Lizenziatsarbeit eine zentrale Stellung ein. Nun soll ein fundiertes Verständnis relevanter Begriffe und Resultate erlangt werden. Im Folgenden wird deshalb zuerst der Begriff ‚Diversität’ definiert und eine Übersicht über den Forschungsstand gegeben. Danach werden relevante Theorien in Bezug auf die Gruppendiversität erläutert. In einem weiteren Schritt werden die zwei Haupttraditionen der Diversitätsforschung erklärt. Schliesslich wird detailliert auf das Categorization-Elaboration Model (CEM) von van Knippenberg et al. (2004) und auf das Konstrukt ‚Faultline’ eingegangen.

2.2.2 Definition ‚Diversität’

Der Begriff ‘Diversität’ wird oft mit Heterogenität, Vielfalt oder Verschiedenheit übersetzt. Doch was wird genau unter Diversität verstanden? Nach van Knippenberg et al. (2004, S. 1008) bezieht sich Diversität auf die Unterschiede zwischen Individuen bezüglich jeglicher Merkmale, welche zur Wahrnehmung führen können, dass eine andere Person sich von einem selbst unterscheidet:

„Diversity refers to differences between individuals on any attribute that may lead to the perception that another person is different from self”. Eine etwas ausführlichere Definition von Diversität nach Fay und Guillaume (2007, S. 2) lautet: „Team diversity refers to the differences between team members on any attribute that may lead each single member of the group to perceive any other member of the group as being different from the self of this particular member. These attributes and perceptions refer to all dimensions people can differ on, such as age, gender, ethnicity, religious and functional background, personality, skills, abilities, beliefs, and attitudes.” Bei dieser Definition werden zusätzlich unterschiedliche Diversitäts-Dimensionen genannt, wie beispielsweise Alter, Geschlecht, Religion, Persönlichkeit, Fähigkeiten und Einstellungen. Unterschiede zwischen Personen können sich auf alle möglichen Eigenschaften und Merkmale beziehen.

Diese zwei Definitionen, worauf sich der Diversitätsbegriff dieser Arbeit bezieht, gleichen sich in ihrer Basis und unterscheiden sich nur in ihrem Detaillierungsgrad. Gemeinsamkeiten sind der Bezug auf Unterschiede, dass Diversität jegliche Merkmale und Eigenschaften betreffen kann und die Betonung der subjektiven Wahrnehmung dieser Unterschiede.

2.2.3 Übersicht Forschungsstand

Nach van Knippenberg und Schippers (2007) lautet die Kernfrage der Diversitätsforschung, wie Unterschiede zwischen Gruppenmitgliedern Gruppenprozesse und -leistungen, wie auch das subjektive Wohlbefinden beziehungsweise die Zufriedenheit der Gruppenmitglieder beeinflussen. Übersichtsarbeiten, wie zum Beispiel diejenige von Williams und O’Reilly (1998), zeigen jedoch ein inkonsistentes und komplexes Muster von Diversitätseffekten auf Gruppenergebnisse, wie beispielsweise Leistung und Zufriedenheit (Fay & Guillaume, 2007; van Knippenberg & Schippers, 2007). Zwischen denselben zwei Variablen wurden teilweise unterschiedliche Beziehungen gefunden; positive, negative, neutrale und/oder kurvenlineare Zusammenhänge. In der Diversitätsforschung sind oft widersprüchliche Forschungsergebnisse anzutreffen. Die Diversität innerhalb einer Gruppe kann Gruppenprozesse und -ergebnisse sowohl positiv als auch negativ beeinflussen (vgl. Ely & Thomas, 2001; Milliken & Martins, 1996; van Knippenberg et al., 2004; van Knippenberg & Schippers, 2007; Williams & O’Reilly, 1998). Da Diversität positive wie auch negative Effekte auf die Gruppenergebnisse haben kann, ist es wichtig herauszufinden, welche Prozesse diesen Effekten der Diversität zugrunde liegen und wie diese Prozesse gesteuert werden können (van Knippenberg et al., 2004). Unglücklicherweise erfolgte jedoch die Forschung zu positiven und negativen Diversitätseffekten weitgehend in getrennten Forschungstraditionen; ein integrativer, theoretischer Rahmen fehlt (Williams & O’Reilly, 1998). Diese zwei Forschungstraditionen der Diversitätsforschung, die so genannte (1) ‚social categorization perspective’ und die so genannte (2) ‚information/decision-making perspective’, sowie das Zusammenführen dieser zwei Perspektiven im Categorization-Elaboration Model (CEM) von van Knippenberg et al. (2004), werden unter Punkt 2.2.5 ‚Haupttraditionen der Diversitätsforschung’ und 2.2.6 ‚Das Categorization-Elaboration Model (CEM)’ genauer erläutert.

Diversität kann sich, wie bei der Definition von Fay und Guillaume (2007) ersichtlich, auf eine nahezu unendliche Anzahl von möglichen Dimensionen beziehen (van Knippenberg et al., 2004; van Knippenberg & Schippers, 2007). Es besteht somit keine Begrenzung, was Diversität alles betreffen kann. In der Forschung wurde jedoch bis anhin oft nur auf einzelne Dimensionen fokussiert, und zwar auf das Geschlecht, das Alter, die Ethnie, die Dauer der Gruppenzugehörigkeit, die Bildung und die Funktion (van Knippenberg & Schippers, 2007). Williams und O’Reilly (1998) haben unter anderem die wichtigsten Forschungsergebnisse zu diesen Bereichen zusammengestellt, welche hier kurz präsentiert werden. Bezüglich der Dauer der Gruppenzugehörigkeit gibt es Befunde, dass ein gleichzeitiges Eintreten aller Mitglieder in eine Gruppe förderlich für die Kommunikation, Integration sowie Kohäsion, und schliesslich auch für Gruppenprozesse ist (Pfeffer, 1985; zit. nach Williams & O’Reilly, 1998, S. 93). Diese Effekte der homogenen Eintrittszeit stimmen mit dem Ähnlichkeits-Attraktions-Paradigma (Byrne, 1971) und der Theorie der Sozialen Kategorisierung (Tajfel, 1981; Turner et al., 1987) überein, da sich Personen insbesondere mit denjenigen Individuen identifizieren, welche zur gleichen Zeit in eine Gruppe eintreten. Diese und weitere relevante Theorien werden unter Punkt 2.2.4 ‚Relevante Theorien in Bezug auf die Gruppendiversität’ detailliert erläutert. Die Resultate in Bezug auf die Gruppenleistung sind jedoch inkonsistent, es existieren positive sowie negative Auswirkungen (Williams & O’Reilly, 1998). Bezüglich der Bildung kann sich eine Gruppenzusammensetzung von Personen mit unterschiedlichem beruflichem Werdegang positiv auf die Gruppenleistung auswirken, da sich diese Personen in Wissen, Fähigkeiten und Perspektiven unterscheiden. Diese Heterogenität kann jedoch auch negative Folgen für die Gruppenleistung haben, da beispielsweise eine niedrigere Kohäsion resultieren kann als in homogenen Gruppen (Ancona & Caldwell, 1992; zit. nach Williams & O’Reilly, 1998, S. 102). Homogenes Alter sollte nach dem Ähnlichkeits-Attraktions-Paradigma und der Theorie der Sozialen Kategorisierung zu erhöhter interpersonaler Attraktion und zu geteilten Werten führen und somit Gruppenprozesse verbessern (siehe Punkt 2.2.4 ‚Relevante Theorien in Bezug auf die Gruppendiversität’). Die Forschung hat gezeigt, dass unterschiedliches Alter innerhalb einer Gruppe insbesondere negative Effekte auf die Gruppenleistung hat, wie schlechtere Kommunikation, mehr Konflikte oder niedrigere soziale Integration (Williams & O’Reilly, 1998). Heterogenität bezüglich des Geschlechts hat gemäss Williams und O’Reilly (1998) meist negative Effekte auf Gruppen. Bezüglich Ethnie besagen die Forschungsergebnisse mehrheitlich, dass sich Heterogenität negativ auf Gruppeneffekte auswirkt. Jedoch existiert insbesondere aufgrund von Laborstudien Evidenz bezüglich positiver Effekte heterogener Gruppen in diesem Bereich. Die Befundlage ist inkonsistent (Williams & O’Reilly, 1998). In der Diversitätsforschung untersuchte man somit hauptsächlich die demographische und funktionale bzw. edukative Diversität. Viele andere Diversitäts-Dimensionen wurden vernachlässigt, obwohl sie nach van Knippenberg und Schippers (2007) gleich relevant wären, um zu verstehen, wie eine Gruppe funktioniert. Es gibt in letzter Zeit vermehrt Studien, welche den Zusammenhang zwischen der Diversität in der Persönlichkeit, Einstellungen oder Werten und Gruppenprozessen sowie -leistungen untersuchten. Diese Studien zeigen ebenfalls inkonsistente Resultate (van Knippenberg & Schippers, 2007). Weitgehend unberücksichtigt sind in der Diversitätsforschung beispielsweise soziale geteilte Kognitionen und Emotionen. Auch Kognitionen und Emotionen können zu einem variablen Ausmass von Gruppenmitgliedern geteilt werden. Unter sozial geteilten Kognitionen versteht man, wie die Auffassung des Teams oder der Aufgabe durch ein Gruppenmitglied auch von anderen Gruppenmitgliedern geteilt wird. Beispiele von Konzeptualisierungen sind ‚mental models’ oder ‚diversity beliefs’ (van Knippenberg & Schippers, 2007). Nach Homan, Greer, Jehn und Koning (2009) können ‚diversity beliefs’ als Überzeugungen bezüglich des Wertes von Diversität für die Gruppenergebnisse definiert werden. Je mehr Mitglieder einer Gruppe vom positiven Wert der Diversität überzeugt sind, desto positiver reagieren diese auf die Gruppendiversität. Ein wichtiger Faktor scheint daher zu sein, was Gruppenmitglieder über Diversität denken. Diese Einstellungen über Diversität können die Diversitätseffekte beeinflussen. Homan, Hollenbeck, Humphrey, van Knippenberg, Ilgen und van Kleef (2008) zeigten in ihrer Studie beispielsweise, dass unter gewissen Bedingungen die Gruppenleistung positiv durch ‚diversity beliefs’ beeinflusst wird.

Weiter wurde wie einleitend bereits erwähnt bis anhin die subjektiv wahrgenommene Diversität in der Forschung weitgehend vernachlässigt. Viele Studien überprüften Diversitätseffekte nur anhand objektiver Diversität (vgl. Cunningham, 2006; Homan et al., 2007a; Homan et al., 2008; Molleman, 2005; Rico, Molleman, Sánchez-Manzanares, & van der Vegt, 2007; Sawyer, Houlette, & Yeagley, 2006) . Wie auch Homan et al. (2009) erkannt haben, reicht es nicht aus, einfach anzunehmen, dass objektive Diversität von Gruppenmitgliedern auch so wahrgenommen wird. Es besteht die Möglichkeit, dass die einzelnen Mitglieder einer Gruppe einzelne Unterschiedlichkeiten innerhalb ihrer Gruppe, welche aus Sicht der Forscher vorhanden sind, nicht bemerken, oder dass andere Unterschiede wahrgenommen werden, welche die Forscher selbst nicht sehen. Es wird also zwischen effektiver und wahrgenommener Diversität unterschieden. Unter anderem ist auch Harrison als ein starker Vertreter dieser Unterscheidung zu nennen (vgl. Harrison, Price, Gavin, & Florey, 2002). In dieser Studie wird berücksichtigt, dass objektive Unterschiedlichkeiten zwischen Gruppenmitgliedern nicht automatisch als solche wahrgenommen werden müssen. Zudem wird auf die subjektiv wahrgenommene Diversität fokussiert. Dies deckt sich mit dem Ziel dieser Lizenziatsarbeit, den bis anhin oft ausser Acht gelassenen Wirkmechanismus der subjektiv wahrgenommene Diversität mit einzubeziehen.

2.2.4 Relevante Theorien in Bezug auf die Gruppendiversität

Das Ähnlichkeits-Attraktions-Paradigma von Byrne (1971), die Theorie der Sozialen Identität von Tajfel und Turner (1986), die Theorie der Sozialen Kategorisierung (Tajfel, 1981; Turner et al., 1987) und die Theorie der Selbstkategorisierung von Turner (Turner et al., 1987) stellen unter anderem Theorien zur Erklärung der Effekte von Diversität dar. Insbesondere auch auf Basis dieser Theorien wird die Wichtigkeit der subjektiven Wahrnehmung verdeutlicht. Deshalb wird nun im Folgenden auf jede dieser Theorien detailliert eingegangen. Diese Theorien stehen sich inhaltlich teilweise sehr nahe.

2.2.4.1 Ähnlichkeits-Attraktions-Paradigma von Byrne (1971)

Das Ähnlichkeits-Attraktions-Paradigma von Byrne (1971) besagt, dass die Ähnlichkeit einer charakteristischen Eigenschaft die zwischenmenschliche Anziehung erhöht, wobei Unähnlichkeit die Anziehung verringert - gemäss dem Motto ‚gleich und gleich gesellt sich gern’. Niedrigere zwischenmenschliche Anziehung führt zu weniger positiven Einstellungen zueinander, somit zu weniger Informationsaustausch, geringerer Kommunikation und vermehrten Verzerrungen und Fehlern innerhalb der Kommunikation (Fay & Guillaume, 2007). Personen suchen sich also vermehrt Interaktionspartner, die ihnen in bestimmten Merkmalen ähnlich sind. Diese Theorie betrifft jedoch eher die interpersonelle Ähnlichkeit und nicht soziale Gruppen (van Knippenberg & Schippers, 2007). Die durch Unähnlichkeit und fehlende interpersonelle Anziehung resultierenden negativen Einstellungen können Gruppenprozessen schaden und Gruppenergebnisse verschlechtern. Da Diversität Unähnlichkeit miteinschliesst, legt das Ähnlichkeits-Attraktions-Paradigma nahe, dass sich Diversität nachteilig auf Gruppenergebnisse auswirkt (Fay & Guillaume, 2007).

2.2.4.2 Theorie der Sozialen Identität von Tajfel und Turner (1986) - Theorie der Sozialen Kategorisierung (Tajfel, 1981; Turner et al., 1987)

Das Selbstkonzept einer Person ist nicht nur über Merkmale bestimmt, die das Individuum als einzigartig definieren und von anderen Individuen unterscheiden (personale Identität), sondern auch über sozial geteilte Merkmale, also über eine Gruppenmitgliedschaft (soziale Identität) (Mummendey & Otten, 2002). Gegenstand der Theorie der Sozialen Identität von Tajfel und Turner (1986) ist der Bereich der sozialen Identität. Individuen streben danach, eine positive soziale Identität zu erhalten, beziehungsweise ihre positive Selbstbewertung im Sinne der sozialen Identität zu verbessern. Eine positive soziale Identität kann man durch Vergleiche mit relevanten anderen Gruppen erhalten. Die Theorie geht davon aus, dass soziale Vergleiche zwischen Gruppen, die für die Bewertung der sozialen Identität von Bedeutung sind, auf eine Distinktheit der eigenen Gruppe (Ingroup) gegenüber einer anderen Gruppe (Outgroup) drängen. Die Theorie der Sozialen Identität von Tajfel und Turner (1986) beinhaltet die Verknüpfung von vier verschiedenen theoretischen Konzepten: (1) soziale Kategorisierung, (2) soziale Identität, (3) sozialer Vergleich und (4) soziale Distinktheit (Mummendey & Otten, 2002). Mit der sozialen Kategorisierung beschäftigt sich auch die Theorie der Sozialen Kategorisierung von Tajfel (1981) und Turner et al. (1987), welche als Teilaspekt der Theorie der Sozialen Identität angesehen werden kann. Unter sozialer Kategorisierung versteht man die Einteilung von sich selbst und anderen in soziale Kategorien oder Gruppen, und zwar anhand unterschiedlichster relevanter Dimensionen. Die Kategorisierung ist somit ein kognitiver Prozess der Akzentuierung von Unähnlichkeiten beziehungsweise Ähnlichkeiten. Zu beachten ist, dass dafür nicht alle Unterschiede zwischen Gruppen von Bedeutung sind. Es wird zwischen Kategorien beziehungsweise Gruppen unterschieden, denen man selbst angehört und denen man nicht angehört. Die soziale Identität eines Individuums resultiert aus der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Soziale Vergleiche zwischen der eigenen und anderen Gruppen ermöglichen es, Informationen über die soziale Identität zu gewinnen. Die soziale Identität kann somit als Ergebnis sozialer Vergleiche der eigenen und fremden Gruppen angesehen werden. Ziel jedes Individuums ist es, eine positive soziale Identität zu besitzen. Dies wird erreicht, wenn soziale Vergleiche zwischen Ingroup und Outgroup positive Ergebnisse zugunsten der eigenen Ingroup ergeben, es also zu einer positiv bewerteten Distinktheit der Ingroup im Vergleich zur Outgroup kommt. Dies jedoch nur, wenn eine Identifikation mit der eigenen Ingroup stattfindet (Mummendey & Otten, 2002).

Die Theorie der Sozialen Identität von Tajfel und Turner (1986) und die zugehörige Theorie der Sozialen Kategorisierung (Tajfel, 1981; Turner et al., 1987) machen Aussagen bezüglich den Effekten von Diversität auf Gruppenprozesse. Diese zwei Theorien basieren auf zwei Hauptannahmen: (1) Personen versuchen allgemein, eine positive Selbstidentität aufrecht zu erhalten und nach Selbstachtung zu streben und (2) Menschen tendieren dazu, die Welt vereinfacht darzustellen, indem sie jede Person sozialen Kategorien zuordnen und zwischen einer Ingroup und Outgroup differenzieren (Fay & Guillaume, 2007). Um ein positives Selbstkonzept sicherzustellen oder zu verbessern, entwickeln Personen eine positivere Sicht gegenüber ihrer eigenen Kategorie (Ingroup), als gegenüber anderen Kategorien (Outgroup). Es kommt zu einer positiven Verzerrung gegenüber der Ingroup und zu einer negativen Verzerrung gegenüber der Outgroup. Diese Verzerrungen reduzieren die Identifikation sowie die Bindung und können die Gruppenleistung sowie den Zusammenhalt innerhalb einer Gruppe vermindern (Fay & Guillaume, 2007). Die soziale Kategorisierung hat somit negative Effekte auf Gruppenergebnisse.

2.2.4.3 Theorie der Selbstkategorisierung von Turner (Turner et al., 1987)

Diese Theorie ist verwandt mit der Theorie der Sozialen Identität, wurde jedoch später entwickelt und hat im Gegensatz zur Theorie der Sozialen Identität eine rein kognitive Grundhypothese. Die Theorie der Selbstkategorisierung wurde im Jahre 1987 von Turner et al. entwickelt, um die Frage zu beantworten, was die Bildung von Gruppen steuert. Sie stellt eine allgemeine Theorie der Bildung von Gruppen dar, wobei die Theorie der Sozialen Identität als Teil davon angesehen werden kann (Mummendey & Otten, 2002). Bei der Theorie der Selbstkategorisierung von Turner (Turner et al., 1987) bestimmt die personale Identität oder die soziale Identität, ob ein Verhalten interpersonal oder intergruppal wird. Nach dieser Theorie ist das Selbstkonzept also eine Sammlung von kognitiven Repräsentationen des Selbst. Selbstkategorisierungen können auf mindestens drei verschiedenen Ebenen geschehen: (1) auf der interpersonalen Ebene - Selbst als Individuum, (2) auf der intergruppalen Ebene - Selbst als soziale Kategorie und (3) auf der menschlichen Ebene - Selbst als menschliches Wesen. Die Selbstkategorisierung der personalen Identität basiert auf intrapersonalen Ähnlichkeiten und Unterschieden (‚ich’ versus ‚andere’) und die Selbstkategorisierung der sozialen Identität basiert auf sozialen Ähnlichkeiten und Unterschieden zwischen Personen, die als Mitglieder bestimmter sozialer Kategorien definiert werden (‚wir’ versus ‚andere’). Diese Ebenen der Selbstkategorisierung unterscheiden sich nicht durch bestimmte Eigenschaften, sondern nur durch den Vergleichsrahmen (Mummendey & Otten, 2002). Wie erläutert, basiert eine Kategorisierung auf der Wahrnehmung von Gleichheiten und Unterschieden. Nach der Theorie der Selbstkategorisierung folgt eine Kategorisierung dem Prinzip des Meta-Kontrasts: Je geringer Unterschiede zwischen Mitgliedern innerhalb einer Kategorie wahrgenommen werden und je grösser Unterschiede zwischen Mitgliedern von zwei Kategorien wahrgenommen werden, desto deutlicher werden Elemente zu einer gemeinsamen Kategorie zusammengefasst (Turner et al., 1987). Eine soziale Identität wird also dann bedeutsam und salient, wenn in der vorhandenen Situation deutliche Unterschiede zwischen den Kategorien, aber nur wenige Unterschiede innerhalb einer Kategorie wahrgenommen werden. Nach Turner et al. (1987) ergibt sich die Salienz einer Kategorisierung aus der Interaktion zwischen der kognitiven Verfügbarkeit einer Kategorie in einer bestimmten Situation und der so genannten Passung (Fit) zwischen Besonderheiten dieser Kategorie und dieser bestimmten Situation. Die kognitive Verfügbarkeit bezieht sich zum Beispiel auf Erfahrungen, Erwartungen, Motive oder Wertvorstellungen des Wahrnehmenden. Die Passung (Fit) hingegen bezieht sich auf die Situation, wie etwa den hohen Metakontrastwert einer Kategorisierung (komparativer Fit), welcher mit dem so genannten stereotypbasierten Inhalt dieser Kategorie (normativer Fit) stimmig ist (Mummendey & Otten, 2002). Die Begriffe ‚kognitive Verfügbarkeit’, ‚komparativer Fit’ und ‚normativer Fit’ stellen auch für das Categorization-Elaboration Model (CEM) von van Knippenberg et al. (2004) zentrale Konstrukte dar. Diese werden deshalb später unter Punkt 2.2.6 ‚Das Categorization-Elaboration Model (CEM)’ genauer definiert.

2.2.5 Haupttraditionen der Diversitätsforschung

Williams und O’Reilly (1998; zit. nach van Knippenberg & Schippers, 2007, S. 517ff.) beschreiben in ihrer Übersichtsarbeit zwei Forschungstraditionen der Diversitätsforschung, die so genannte (1) ‚social categorization perspective’ und die so genannte (2) ‚information/decision- making perspective’. Diese beiden Perspektiven werden nun folgend erläutert.

2.2.5.1 Erste Perspektive: Social Categorization Perspective

Van Knippenberg und Schippers (2007, S. 517) beschreiben die ‚social categorization perspective’ folgendermassen: „Differences between work group members may engender the classification of others as either ingroup/similar or outgroup/dissimilar, categorizations that may disrupt group process.” Die ‚social categorisation perspective’ sagt aus, dass Ähnlichkeiten und Unterschiedlichkeiten zwischen Gruppenmitgliedern benutzt werden, um sich selbst und andere in Gruppen zu kategorisieren. Somit wird zwischen ähnlichen Ingroup-Mitgliedern und unähnlichen Outgroup-Mitgliedern unterschieden; es entstehen eine so genannte Ingroup und eine oder mehrere Outgroups. Dies führt innerhalb einer Arbeitsgruppe zu unterschiedlichen Subgruppen. Menschen ziehen allgemein Ingroup-Mitglieder gegenüber Outgroup-Mitgliedern vor, wodurch sie die eigene Ingroup favorisieren. Unter anderem ist dann das Vertrauen gegenüber Ingroup-Mitgliedern höher, wobei auch mehr Bereitwilligkeit vorhanden ist, mit Ingroup-Mitgliedern zu kooperieren (Brewer, 1979; Tajfel & Turner, 1986; zit. nach van Knippenberg & Schippers, 2007, S. 518). Wie auch durch die bereits erwähnten relevanten Theorien, also das Ähnlichkeits-Attraktions- Paradigma von Byrne (1971), die Theorie der Sozialen Identität von Tajfel und Turner (1986), die zugehörige Theorie der Sozialen Kategorisierung (Tajfel, 1981; Turner et al., 1987) und die Theorie der Selbstkategorisierung von Turner (Turner et al., 1987) ergibt sich aus dieser Perspektive auf Gruppenebene folgende Aussage: Je homogener eine Gruppe, desto höher die allgemeine Leistung der Gruppe (van Knippenberg et al., 2004). Aus solchen Kategorisierungsprozessen ergibt sich also, dass homogenere Gruppen problemloser miteinander arbeiten können als heterogenere Gruppen und Gruppenmitglieder homogener Gruppen im Allgemeinen zufriedener sind. Zudem kann ein stärkerer Gruppenzusammenhalt festgestellt werden (van Knippenberg & Schippers, 2007). Bei Tsui, Egan und O’Reilly (1992) wurde in homogeneren Gruppen eine stärkere Bindung zwischen den Gruppenmitgliedern gefunden und Jehn, Northcraft und Neale (1999) konnten aufzeigen, dass in homogeneren Gruppen weniger Beziehungskonflikte erfolgten. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass diese ‚social categorisation perspective’ besagt, dass Diversität mehrheitlich zu negativen Effekten führt.

2.2.5.2 Zweite Perspektive: Information/Decision-making Perspective

Van Knippenberg und Schippers (2007, S. 517) beschreiben die ‚information/decision-making perspective’ folgendermassen: „Diversity may introduce differences in knowledge, expertise, and perspectives that may help work groups reach higher quality and more creative and innovative outcomes“. Im Gegensatz zur ‚social categorisation perspective’ übertreffen nach der ‚information/decision-making perspective’ heterogene Gruppen die Leistungen homogener Gruppen (van Knippenberg et al., 2004). Heterogene Gruppen verfügen über ein breiteres Spektrum an Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, wobei sie dadurch insgesamt mehr Ressourcen besitzen (van Knippenberg & Schippers, 2007). Zudem bestehen unterschiedliche Meinungen und Perspektiven, welche zusätzlich dazu beitragen können, kreativere und innovativere Gruppenleistungen zu erbringen. Diskussionen aufgrund unterschiedlicher Standpunkte können beispielsweise dazu führen, dass Informationen beziehungsweise Wissen innerhalb einer Gruppe sorgfältiger und gründlicher aufgearbeitet werden. Auch können entgegengesetzte Perspektiven zu Kreativität und Innovation führen (Ancona & Caldwell, 1992; zit. nach Knippenberg et al., 2004, S. 1009). Diversität gilt also dann als wertvoll, wenn durch sie neue Informationen und Wissen hinzukommen. Jehn et al. (1999) konnten zeigen, dass je heterogener eine Gruppe war, desto bessere Leistungen erbracht wurden, diese innovativer waren und innerhalb der Gruppe vermehrt aufgabenbezogene Konflikte erfolgten. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die ‚information/decision- making perspective’ besagt, dass Diversität aufgabenabhängig mehrheitlich positive Effekte auslöst.

2.2.6 Das Categorization-Elaboration Model (CEM)

Die Diversitätsforschung untersuchte diese vorher beschriebenen ‚information/decision-making’- Prozesse und ‚social categorization’-Prozesse lange Zeit weitgehend nur getrennt voneinander, wobei auch keine genügende empirische Absicherung dieser Perspektiven besteht (Knippenberg et al., 2004). Es existieren inkonsistente empirische Belege für die positiven wie auch für die negativen Effekte von Diversität (Williams & O’Reilly, 1998; zit. nach van Knippenberg & Schippers, 2007, S. 518). Bis anhin gelang es nicht, die positiven und negativen Effekte von Gruppendiversität hinreichend zu erklären beziehungsweise die zwei Perspektiven ‚social categorization’ und ‚information/decision-making’, welche durchaus gute Ansätze und wichtige Elemente enthalten, ausreichend zu integrieren (van Knippenberg et al., 2004). Um diese Probleme anzugehen und die beiden Perspektiven zusammenzuführen, schlugen van Knippenberg et al. (2004) das Categorization-Elaboration Model (CEM) vor.

Nach van Knippenberg et al. (2004) interagieren die Prozesse der zwei traditionellen Perspektiven miteinander; sie beeinflussen sich gegenseitig. Es braucht ihrer Meinung nach komplexere Modelle, welche auch Moderator- und Mediatorvariablen miteinbeziehen, um auch die zugrunde liegenden Prozesse der Diversitätseffekte auf Gruppenergebnisse zu betrachten (van Knippenberg & Schippers, 2007). Sie kritisieren, dass in der Diversitätsforschung bis anhin zu wenig Aufmerksamkeit auf die Informationsverarbeitung in der Gruppe gelegt wurde und in diesem Zusammenhang wichtige Moderatoren vernachlässigt wurden. Weiter wurde ihrer Ansicht nach in der Diversitätsforschung eine allzu vereinfachte Konzeptualisierung für die Prozesse der sozialen Kategorisierung verwendet, weshalb auch hier weitere Moderatoren vernachlässigt wurden. Durch die Rekonzeptualisierung und Integration der zwei traditionellen Perspektiven ‚social categorization’ und ‚information/decision-making’ im CEM werden diese bis anhin vernachlässigten Mediatoren und Moderatoren nach van Knippenberg et al. (2004) nun aufgezeigt. Van Knippenberg et al. (2004) gehen davon aus, dass jede Diversitäts-Dimension ‚information/decision-making’-Prozesse sowie auch ‚social categorization’-Prozesse hervorrufen und positive und negative Effekte haben kann. Im Folgenden wird nun das CEM von van Knippenberg et al. (2004), welches eine mögliche Lösung für die inkonsistenten Ergebnisse in der Forschung vorschlägt, detailliert beschrieben (siehe Abbildung 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1. Das Categorization-Elaboration Model (CEM) von van Knippenberg et al. (2004, S. 1010).

Basierend auf der ‚information/decision-making’-Perspektive nehmen van Knippenberg et al. (2004) an, dass die Gruppendiversität in einem positiven Zusammenhang mit der Elaboration von aufgabenrelevanten Informationen und Perspektiven steht, wobei diese wiederum in Zusammenhang mit der Gruppenleistung, insbesondere mit Innovation, Kreativität und Entscheidungsqualität, steht. Ein potentieller Vorteil heterogener Gruppen liegt darin, dass ihnen eine grössere Ansammlung von aufgabenrelevanten Informationen und Fachkenntnissen zur Verfügung steht. Nach van Knippenberg et al. (2004) führt jedoch nicht das alleinige Vorhandensein solcher Informationen zu besserer Leistung, sondern die Verwendung dieser Informationen in der Gruppe. Diese spielt dabei eine grosse Rolle und stellt somit den Schlüsselprozess dar. Der wichtigste Prozess, welcher den positiven Effekten der Diversität auf die Gruppenleistung zugrunde liegt, ist nach den Autoren also die Elaboration von aufgabenrelevanten Informationen. Van Knippenberg et al. (2004, S. 1011) definieren dieses Konstrukt folgendermassen: „Elaboration is defined as the exchange of information and perspectives, individual-level processing of the information and perspectives, the process of feeding back the results of this individual-level processing into the group, and discussion and integration of its implications“. Unter Elaboration werden somit der Austausch, die Bearbeitung und die Integration von Informationen verstanden. In der Diversitätsforschung wurden bis anhin die Konzepte ‚Konflikt’ und ‚Meinungsverschiedenheit’ als die Prozesse angenommen, welche den positiven Effekten der Diversität unterliegen. Dieser positive Zusammenhang zwischen Konflikt beziehungsweise Meinungsverschiedenheit und Leistung wurde jedoch nach van Knippenberg et al. (2004) nur ungenügend bestätigt. Konflikte können ihrer Meinung nach zwar zur verstärkten Elaboration von Informationen führen und somit unter bestimmten Umständen die Gruppenleistung begünstigen, dies muss jedoch nicht immer der Fall sein. Konflikte stellen somit keine Voraussetzung für die Elaboration dar (van Knippenberg & Schippers, 2007).

Van Knippenberg et al. (2004) weisen jedoch darauf hin, dass Diversität innerhalb einer Gruppe nicht immer auch zur erfolgreichen Elaboration von Informationen führen muss. Es existieren verschiedenste Faktoren, welche die Beziehung zwischen Diversität und der Elaboration beziehungsweise der Leistung moderieren:

Zum einen sind dies nach van Knippenberg et al. (2004): (1) Aufgabenanforderungen, (2) aufgabenbezogene Motivation und (3) Fähigkeiten. (1) Bezüglich Aufgabenanforderungen kann gesagt werden, dass Diversität insbesondere bei komplexen, nicht-routinierten Aufgaben, welche die Informationsverarbeitung und Entscheidungsfindung und somit insbesondere die Qualität der Leistung betreffen, besonders nützlich ist (Thomas, Ravlin, & Wallace, 1996; van Knippenberg et al., 2004). Dies, weil bei der Ausführung von Routinetätigkeiten keine Elaboration von aufgabenbezogenen Informationen mehr notwendig ist und so die Heterogenität wirkungslos bleibt. Dies konnten unter anderem Jehn et al. (1999) in ihrer Studie zeigen, in welcher ‚informational diversity’ bei wenig routinierten Aufgaben in einer positiveren Beziehung zur Gruppenleistung stand. (2) Die aufgabenbezogene Motivation bezieht sich auf den Willen und die Bereitschaft der Gruppe, eine Aufgabe erfolgreich zu bearbeiten. In der Studie von Lerner und Tetlock (1999) resultierte beispielsweise, dass in heterogenen Gruppen mehr aufgabenbezogene Informationen generiert wurden, wenn die Motivation hoch war. Die Motivation kann wiederum durch viele weitere Faktoren beeinflusst werden, wie beispielsweise durch die Führung einer Gruppe, durch spezifische Zielsetzung, durch Verantwortlichkeit oder durch soziale Austauschprozesse (van Knippenberg et al., 2004). (3) Die Fähigkeit zur Aufgabenbewältigung bezieht sich auf das Vorhandensein der nötigen Fähigkeiten und Fertigkeiten zur erfolgreichen Bearbeitung einer Aufgabenstellung in der Gruppe. Hier berücksichtigt man die Intelligenz oder die Bildung. Neben allgemeinen kognitiven Fähigkeiten spielen auch aufgabenspezifisches Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten eine grosse Rolle, wobei beispielsweise auch besondere Fähigkeiten der Kommunikation nicht ausser Acht gelassen werden dürfen. Auch hier können viele weitere, insbesondere situationale Faktoren die Fähigkeiten beeinflussen, wie beispielsweise Fristen, Zeitlimiten oder die Arbeitsumgebung (van Knippenberg et al., 2004). Nach van Knippenberg et al. (2004) führen insbesondere eine hohe aufgabenbezogene Motivation der Gruppe, Fähigkeiten der Gruppenmitglieder und informationsverarbeitende sowie entscheidungsfindende Aufgabenanforderungen zur Elaboration von aufgabenrelevanten Informationen und damit zu einer höheren Leistung.

Zum anderen wird die Beziehung zwischen der Diversität und der Elaboration gemäss CEM durch affektiv-bewertende Reaktionen aufgrund sozialer Kategorisierungsprozesse moderiert, und zwar in Folge wahrgenommener Unterschiede. Solche affektiv-bewertenden Reaktionen stellen Beziehungskonflikte, Kohäsion, Identifikation und Bindung dar. Übereinstimmend mit der ‚social categorization’-Perspektive übernimmt auch die soziale Kategorisierung eine wichtige Rolle. Individuen benutzen saliente Kategorien zur Klassifizierung. Unterschiede zwischen Gruppenmitgliedern müssen nicht zwingend eine soziale Kategorisierung ergeben und grössere Unterschiede müssen nicht zwingend zu stärkerer Kategorisierung führen (van Knippenberg et al., 2004). Eine Kernfrage in der Diversitätsforschung ist, welche Faktoren zu solch einer Kategorisierung in ‚wir’ und ‚sie’ führen und was dazu führt, dass eine bestimmte Kategorie als salient erscheint (van Knippenberg et al., 2004). Wie bereits unter Punkt 2.2.4.3 ‚Theorie der Selbstkategorisierung von Turner (Turner et al., 1987)’ erwähnt, ist nach Turner et al. (1987) die Salienz einer sozialen Kategorisierung durch drei Faktoren bedingt: (1) durch die kognitive Verfügbarkeit, (2) durch den komparativen Fit und (3) durch den normativen Fit. Gemäss Turner et al. (1987) erfordert die Salienz einer sozialen Kategorisierung die Interaktion der kognitiven Verfügbarkeit und der Passung (Fit). Damit Kategorien salient werden, muss also eine Zugänglichkeit vorhanden sein, eine hohe relative Passung zur Situation (komparativer Fit) und eine hohe normative Passung zur Situation (normativer Fit). Je höher die kognitive Verfügbarkeit, der komparative Fit und der normative Fit sind, desto eher erscheint eine soziale Kategorisierung als salient (Turner et al., 1987; van Knippenberg et al., 2004). Es werden somit nicht alle potentiellen Unterschiede für soziale Kategorisierungsprozesse herangezogen, sondern nur diejenigen, welche in einem spezifischen Kontext Sinn ergeben, also salient sind. Diese Begriffe ‚kognitive Verfügbarkeit’, ‚komparativer Fit’ und ‚normativer Fit’ werden im Folgenden noch genauer erläutert.

Kognitive Verfügbarkeit: Die kognitive Verfügbarkeit bezieht sich auf Gegebenheiten auf der Seite des Wahrnehmenden (Mummendey & Otten, 2002). Van Knippenberg et al. (2004, S. 1014) definieren dieses Konstrukt folgendermassen: „… [The] cognitive accessibility of a categorization refers to the ease with which the categorization comes to mind and the readiness of the perceiver to use this categorization. Die kognitive Verfügbarkeit bezeichnet somit die Leichtigkeit, mit der eine soziale Kategorisierung durch Unterschiede kognitiv aktiviert wird. Je zugänglicher eine Kategorisierung, desto weniger Aufwand wird benötigt, um diese relevante Kategorisierung abzurufen (Turner et al., 1987). Die Zugänglichkeit hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie beispielsweise früheren Erfahrungen, Erwartungen und dem Kontext (van Knippenberg et al., 2004). Auch Motive und Wertvorstellungen spielen eine Rolle (Mummendey & Otten, 2002). Bei geläufigen beziehungsweise gut gelernten Kategorisierungen, wie beispielsweise die Unterscheidung von Personen aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer Ethnie, existiert im Normalfall eine höhere kognitive Verfügbarkeit als bei Unterscheidungen von Personen anhand ihrer Ohrenform oder anhand ihres Lieblingsessens.

Passung (Fit): Die Passung bezieht sich nun auf Gegebenheiten der Situation (Mummendey & Otten, 2002). Turner et al. (1987, S. 130) definieren den Fit folgendermassen: „… fit can be thought of as the degree to which observed similarities and differences between people (or their actions) are perceived as correlated with a division into social categories.“ Die Definition von van Knippenberg et al. (2004, S. 1014) für den komparativen Fit lautet: „The comparative fit of a categorization refers to the extent to which the categorization provides a good reflection of similarities and differences between people”. Komparative Aspekte betreffen die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Gruppenmitgliedern (Oakes, Turner, & Haslam, 1991) und die wahrgenommene Unterscheidbarkeit zwischen Kategorien. Der komparative Fit bezieht sich auf den subjektiv wahrgenommenen Metakontrastwert, also auf den wahrgenommenen Unterschied zwischen den Gruppen geteilt durch den wahrgenommenen Unterschied innerhalb einer Gruppe (Turner et al., 1987). Je grösser die Ähnlichkeit innerhalb einer Gruppe ist und je grösser die Unterschiede zwischen unterschiedlichen Kategorien sind, desto höher ist der komparative Fit. Wenn sich verschiedene Gruppenmitglieder auf mehreren Dimensionen unterscheiden, können diese Unterscheidungen einerseits konvergieren beziehungsweise korrelieren oder andererseits ohne jegliche Beziehung zu einander stehen und sich überkreuzen. Wenn mehrere Unterschiede miteinander konvergieren, führt dies folglich eher zu einer sozialen Kategorisierung, als wenn sie nicht korrelieren (van Knippenberg et al., 2004). Der normative Fit wird von van Knippenberg et al. (2004, S. 1014) folgendermassen definiert:

„… [The] normative fit reflects the extent to which the categorization makes sense in relation to the individual’s cognitive frame of reference (e.g. beliefs, expectations, stereotypes)”. Dieser normative Aspekt impliziert eine Übereinstimmung des stereotypischen und normativen Inhalts einer sozialen Kategorie (Oakes et al., 1991). Hier kommt nun neben dem Metakontrast einer Kategorisierung auch noch die Konsistenz dessen mit dem stereotypbasierten Inhalt dieser Kategorisierung mit ins Spiel (Turner et al., 1987). Der normative Fit eines Diversitätsmerkmals beschreibt das Ausmass, in dem dieses Sinn im Wertesystem einer Person ergibt. Je mehr ein Diversitätsmerkmals einer Person in einem bestimmten Kontext als sinnvoll erscheint, desto grösser ist der normative Fit.

Van Knippenberg et al. (2004) betonen, dass die soziale Kategorisierung nicht automatisch mit dem so genannten ‚intergroup-bias’, der Bevorzugung der Ingroup gegenüber der Outgroup, gleichgesetzt werden soll. Diese zwei Konzepte müssen ihrer Meinung nach in der Diversitätsforschung unbedingt auseinander gehalten werden. ‚Intergroup-bias’ weist insbesondere auf eine bevorzugte Wahrnehmung und auf positivere Einstellungen und Verhalten gegenüber der eigenen Subgruppe, den Ingroup-Mitgliedern als gegenüber Outgroup-Mitgliedern, hin (Brewer, 1979; zit. nach van Knippenberg et al., 2004, S. 1015). Soziale Kategorisierung hingegen, meint hauptsächlich die Wahrnehmung von Subgruppen (Turner et al., 1987; zit. nach van Knippenberg et al., 2004, S. 1015). Schliesslich hat nach van Knippenberg et al. (2004) der ‚intergroup-bias’, also die Bevorzugung der Ingroup gegenüber der Outgroup, und nicht die soziale Kategorisierung an sich einen negativen Einfluss auf Gruppenergebnisse. ‚Intergroup- biases’ beeinflussen unsere affektiv-bewertenden Reaktionen gegenüber anderen Gruppen und ihren Mitgliedern negativ, was beispielsweise zu niedrigem Gruppenzusammenhalt, Beziehungskonflikten, niedriger Identifikation und Bindung führen kann (van Knippenberg et al., 2004). Soziale Kategorisierung muss nicht zwangsläufig in einem ‚intergroup-bias’ enden, dies geschieht nur unter gewissen Umständen. Nach van Knippenberg et al. (2004) führen insbesondere Wettstreite und die Bedrohung der eigenen Subgruppen-Identität zu ‚intergroup- biases’. Diese stellen gemäss Autoren wichtige Moderatoren der Beziehung zwischen der sozialen Kategorisierung und ‚intergroup-biases’ dar. Wenn also Kategorisierungsprozesse durch Diversität entstehen und in ‚intergroup-bias’ enden, wird die Elaboration von aufgabenrelevanten Informationen behindert (van Knippenberg et al., 2004). Ein durch Diversität hervorgerufener ‚intergroup-bias’ kann die Informationsverarbeitung in Gruppen stören und deshalb den potentiellen Nutzen der Diversität zunichtemachen (van Knippenberg & Schippers, 2007). Gruppenmitglieder vertrauen Ingroup-Mitgliedern mehr als Outgroup-Mitgliedern und beurteilen Informationen von Ingroup-Mitgliedern als zuverlässiger (Turner et al., 1987; zit. nach van Knippenberg et al., 2004, S. 1016). Dadurch werden Beiträge von Ingroup-Mitgliedern in der Gruppe eher beachtet und elaboriert, wodurch Gedanken und Handlungen der einzelnen Individuen beeinflusst werden. Darunter wiederum leidet die Elaboration von aufgabenrelevanten Informationen, da nicht alle Informationen ausgetauscht werden und teilweise einzelnen Informationen und Perspektiven zuwenig Aufmerksamkeit entgegengebracht wird (van Knippenberg et al., 2004).

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass van Knippenberg et al. (2004) das Categorization- Elaboration Model (CEM) erarbeitet haben, um zu verdeutlichen, dass die ‚social categorization’- Perspektive (Kategorisierungsprozesse) und die ‚information/decision-making’-Perspektive beziehungsweise (Elaborationsprozesse) miteinander interagieren. Das CEM beschreibt als primären Prozess, dass sich Diversität positiv auf die Elaboration von Informationen auswirkt. Es besagt, dass viele unterschiedliche Ressourcen (bspw. Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten) von Mitgliedern einer Gruppe einen positiven Effekt auf die Elaboration beziehungsweise Gruppenergebnisse haben. Unter dem Einfluss von Moderatorvariablen kann sich dieser Effekt jedoch abschwächen oder sogar negativ werden. Es existieren verschiedenste Faktoren, welche die Beziehung zwischen Diversität und der Elaboration beziehungsweise der Leistung zusätzlich moderieren, wie die Aufgabenanforderungen, die Motivation, die Fähigkeiten und die affektiv- bewertenden Reaktionen sozialer Kategorisierungsprozesse aufgrund wahrgenommener Unterschiede, wobei negative Bewertungen zu schlechteren Gruppenergebnissen führen können. Die negativen und positiven Effekte von Diversität auf Gruppenprozesse und -ergebnisse werden im CEM integriert und das Problem der inkonsistenten Forschungsergebnisse wurde damit angegangen. Das CEM hält dazu an, die zugrundeliegenden Prozesse der Diversitätseffekte zu betrachten. Es berücksichtigt zusätzliche Moderator- und Mediatorvariablen, welche bis anhin in der Diversitätsforschung ignoriert wurden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass alle Diversitäts-Dimensionen zu negativen oder positiven Effekten führen können. Jede Diversitäts- Dimension kann also Elaborationseffekte, wie auch Kategorisierungsprozesse auslösen. Abschliessend muss gesagt werden, dass das CEM bis anhin nur mit wenig Empirie gestützt wurde. Das Model muss also noch empirisch validiert werden (Fay & Guillaume, 2007).

2.2.7 Faultlines

Da im Rahmen dieser Lizenziatsarbeit der Fokus unter anderem auch auf der sogenannten Faultline liegt, werden dieses Konstrukt und dessen Verwendung an dieser Stelle erläutert. Zudem wird abschliessend aufgezeigt, welche Beziehung zwischen einem bereits erläuterten Konstrukt der Diversitätsforschung und der Faultline besteht.

Die Diversitätsforschung legte ihr Hauptaugenmerk bis anhin insbesondere auf einzelne Merkmale. Die Forschung zeigt jedoch beispielsweise, dass die Korrelation zwischen verschiedenen Diversitäts-Dimensionen die Wahrscheinlichkeit sozialer Kategorisierungsprozesse beeinflussen kann (van Knippenberg & Schippers, 2007). Dafür eignet sich das Konstrukt ‚Faultline’ von Lau und Murnighan (1998). Es beschreibt die Struktur beziehungsweise die konkrete Verteilung der Diversität innerhalb einer Gruppe. Es handelt sich um einen multidimensionalen Ansatz, welcher die Kombination von Diversitäts-Merkmalen berücksichtigt. Einen weiteren Vorteil gegenüber einzelnen Diversitäts-Dimensionen stellt die höhere Varianzaufklärung dar (Lau & Murnighan, 2005). Nach Lau und Murnighan (1998, S. 328) wird das Konstrukt folgendermassen definiert: “Group faultlines are hypothetical dividing lines that may split a group into subgroups based on one or more attributes.” Die Stärke einer Faultline ist von drei Faktoren abhängig: (1) von der Anzahl Dimensionen, (2) deren Gruppierung und (3) der Anzahl homogener Subgruppen (Lau & Murnighan, 1998). Gemäss ihrem Faultline-Modell resultiert eine starke Faultline, wenn unterschiedliche Diversitäts-Dimensionen so miteinander konvergieren, dass eine klare Aufteilung zwischen Subgruppen stattfindet. Eine Gruppenzusammensetzung, bei der alle Männer alt sind und alle Frauen jung, führt eher zu einer Subkategorisierung als eine Zusammensetzung, bei der das Geschlecht und das Alter nicht miteinander in Beziehung stehen. Je stärker eine Faultline ist, desto eher entstehen Subkategorisierungsprozesse, welche dann das Funktionieren einer Gruppe beeinträchtigen können (van Knippenberg & Schippers, 2007). Negative Effekte des ‚intergroup-bias’ auf die Gruppenleistung können jedoch durch eine schwache Faultline verhindert werden, indem so genannte ‚cross-categorisation’ zum Zuge kommt, wodurch auch der komparative Fit innerhalb einer Gruppe niedrig ist (van Knippenberg & Schippers, 2007). Ein Beispiel dafür ist, wenn in einer Gruppe - bestehend aus zwei Männern und zwei Frauen - jeweils ein Mann und eine Frau jung und jeweils ein Mann und eine Frau alt sind. Somit wird nun auch der Zusammenhang zwischen einem bereits erläuterten Konstrukt der Diversitätsforschung und der Faultline ersichtlich: Bei der Faultline-Stärke handelt es sich um eine Operationalisierung des komparativen Fits. Je höher die Ähnlichkeit innerhalb einer Gruppe und je höher die Unterschiede zwischen unterschiedlichen Kategorien, desto höher der komparative Fit beziehungsweise desto stärker die Faultline.

Nach van Knippenberg und Schippers (2007) existieren auch hier inkonsistente Forschungsresultate. Die Beziehung zwischen Faultlines und Gruppenergebnissen ist nicht eindeutig. Earley und Mosakowski (2000) fanden beispielsweise in ihrer Studie heraus, dass eine stärkere Faultline dazu führte, dass innerhalb einer Gruppe Subgruppen stärker wahrgenommen wurden und die Gruppenidentität abschwächte. Auch Rico et al. (2007) konnten in ihrer Studie zeigen, dass Gruppen mit einer schwachen Faultline eine bessere Gruppenleistung erbrachten als Gruppen mit einer starken Faultline. Lau und Murnighan (2005) fanden heraus, dass eine starke Faultline die Kommunikation zwischen Subgruppen, die psychologische Sicherheit, die Zufriedenheit und die Gruppenleistung negativ beeinflusste. Dies spricht für den störenden Einfluss von starken Faultlines. Jedoch zeigten sich in der Studie von Lau und Murnighan (2005) inkonsistente Befunde: Eine starke Faultline führte teilweise auch zu besseren Gruppenergebnissen. Insbesondere die Operationalisierung von Faultlines ist problematisch. Nach van Knippenberg und Schippers (2007) können Ungleichmässigkeiten in den Effekten von Faultlines existieren, welche nicht durch gängige Faultline-Masse erfasst werden können. Eine Faultline zwischen einer Minorität von alten Männern und Majorität von jungen Frauen beeinflusst beispielsweise das Funktionieren einer Gruppe eventuell anders, als eine Faultline zwischen einer Majorität von alten Männern und Minorität von jungen Frauen.

2.3 Zufriedenheit in der Gruppe

2.3.1 Einleitung und Relevanz

Diese Arbeit beschäftigt sich nicht nur mit dem Einfluss von Diversität auf die Gruppenleistung, sondern auch mit dem Einfluss von Diversität auf die Zufriedenheit. Wie bereits aufgezeigt, wird ein grosser Teil unseres Lebens von in Gruppen ablaufenden Prozessen und Ergebnissen beeinflusst, da viele Personen einer ganzen Reihe von Gruppen angehören (Werth & Mayer, 2008). Die Unterschiedlichkeit in Gruppen soll deshalb optimal genutzt werden können, um neben der Gruppenleistung auch die Zufriedenheit zu steigern. Die Kernfrage der Diversitätsforschung lautet nach Knippenberg und Schippers (2007) auch, wie Unterschiede zwischen Gruppenmitgliedern, neben Gruppenprozesse und -leistungen, zudem die Zufriedenheit der Gruppenmitglieder, beeinflussen. Die Forschung zeigt auch in Bezug auf die Zufriedenheit in der Gruppe inkonsistente Resultate und komplexe Muster von Diversitätseffekten (Fay & Guillaume, 2007; van Knippenberg & Schippers, 2007).

2.3.2 Definition ‚Zufriedenheit’

Gemäss dem Bedeutungswörterbuch Duden (2002) ist man zufrieden, wenn man mit gegebenen Verhältnissen, Leistungen oder dergleichen einverstanden ist und nichts auszusetzen hat. Nach Porter, Steers, Mowday und Boulian (1974) handelt es sich bei der Zufriedenheit um eine instabile und unmittelbare affektive Reaktion. Schippers, den Hartog, Koopman und Wienk (2003) definieren in ihrer Studie Zufriedenheit beispielsweise als das Ausmass, in welchem Individuen eine positive affektive Orientierung gegenüber dem Arbeitsumfeld zeigen. In dieser Arbeit wird die Operationalisierung der Zufriedenheit enger gefasst: Die Zufriedenheit bezieht sich nur auf die Arbeitsgruppe. Es handelt sich um das Ausmass der Zufriedenheit mit den Gruppenmitgliedern beziehungsweise der Zufriedenheit mit der Zusammenarbeit innerhalb der Arbeitsgruppe.

2.3.3 Empirische Befunde

Gruppenleistung und affektive Konsequenzen, wie die Zufriedenheit, werden oft als Indikatoren für die Gruppeneffektivität gebraucht (Cohen & Bailey, 1997; zit. nach Schippers et al., 2003, S. 782; Schoenecker, Martell, & Michlitsch, 1997). Auch die Zufriedenheit von Gruppenmitgliedern kann wie die Gruppenleistung durch unterschiedlichste Faktoren beeinflusst werden, wie beispielsweise die Aufgabenart, die Gruppenstruktur und die Gruppenkomposition (van der Vegt, Emans, & van de Vliert, 2000). Da im Rahmen dieser Arbeit insbesondere die Diversität relevant ist, wird an dieser Stelle nur auf dieses Konstrukt eingegangen.

Das Ähnlichkeits-Attraktions-Paradigma von Byrne (1971), die Theorie der Sozialen Identität von Tajfel und Turner (1986) und die Theorie der Sozialen Kategorisierung (Tajfel, 1981; Turner et al., 1987) sagen negative Effekte der Diversität auf die Zufriedenheit voraus (Schippers et al., 2003; Staples & Zhao, 2006). Prozessverluste, wie Kommunikationsschwierigkeiten, Missverständnisse, niedrigere Kohäsion und vermehrte Konflikte, welche durch Diversität entstehen können, führen neben niedrigerer Leistung auch zu niedrigerer Zufriedenheit (Schoenecker et al., 1997; Staples & Zhao, 2006). Schippers et al. (2003) berichten, dass in der Literatur zahlreiche Studien existieren, wo höhere Diversität zu grösserer Unzufriedenheit führte. Basadur und Head (2001) zeigten in ihrer Studie beispielsweise, dass in heterogenen Gruppen die Zufriedenheit der Gruppenmitglieder tiefer war als in homogenen Gruppen. Bei hoher Diversität war also die Zufriedenheit niedriger. Auch die Resultate von Schoenecker et al. (1997) deuten darauf hin, dass Diversität die Zufriedenheit negativ beeinträchtigt. Milliken, Bartel und Kurtzberg (2003) betrachten Diversitätseffekte in Abhängigkeit der Phase, in welcher sich eine Gruppe befindet, wobei sie hauptsächlich zwischen der ‚formative phase’ und ‚operations phase’ unterscheiden. Je nach Phase können sich Effekte verändern oder sich unterschiedlich auswirken. Nach den Autoren spielt die Zufriedenheit insbesondere in der formenden Phase, also zu Beginn in der Entwicklungsphase der Gruppe, eine wichtige Rolle. Hohe, saliente Diversität innerhalb einer Gruppe führt anfänglich tendenziell zu niedriger Zufriedenheit in der eigenen Gruppe. Dies aufgrund salienter wahrgenommener Unterschiede der Gruppenmitglieder, welche zu einer niedrigeren Identifikation mit der Gruppe führen (Milliken & Martins, 1996). Earley und Mosakowski (2000) fanden in ihrer Studie heraus, dass eine stärkere Faultline dazu führte, dass innerhalb einer Gruppe Subgruppen stärker wahrgenommen wurden und die Gruppenidentität abschwächte. Weiter zeigte sich die Gruppenidentität als Mediator des Zusammenhangs zwischen der Faultline-Stärke und der Zufriedenheit. In heterogeneren Gruppen können auch vermehrt Missverständnisse und Konflikte auftreten als in homogeneren Gruppen. Dies ist insbesondere bei den ersten Interaktionen mit einer neuen Gruppe der Fall, da zu Beginn in dieser Phase die psychologische Sicherheit in und die Identifikation mit der Gruppe noch niedrig ist. Dies kann jedoch je nach Kontext und weiteren Faktoren variieren (Milliken, Bartel, & Kurtzberg, 2003). Ein psychologisch sicheres Umfeld erlaubt es Gruppenmitgliedern heikle Themen zu besprechen und Vertrauen aufzubauen. Dies führt neben besserer Gruppenleistung auch zu erhöhter Zufriedenheit (Mayer, Davis, & Schoorman, 1995). Bei Jehn et al. (1999) zeigten sich je nach Diversitäts-Dimension unterschiedliche Effekte: Eine hohe Werte-Diversität führte beispielsweise zu schlechterer Gruppenleistung und Zufriedenheit. Demographische Diversität hatte jedoch keinen Zusammenhang mit der Gruppenleistung und zeigte unter anderem einen positiven Zusammenhang mit der Zufriedenheit.

Schoenecker et al. (1997) sind der Meinung, dass die Gruppenleistung und die Zufriedenheit miteinander in Verbindung stehen. Judge, Thoresen, Bono und Patton (2001) haben einen Übersichtsartikel über die Beziehung von Arbeitsleistung und Arbeitszufriedenheit auf der Individualebene geschrieben. In der Literatur existieren verschiedenste Modelle, welche diese Beziehung beschreiben: (1) Arbeitszufriedenheit verursacht Arbeitsleistung, (2) Arbeitsleistung verursacht Arbeitszufriedenheit, (3) Arbeitszufriedenheit und Arbeitsleistung stehen in einer wechselseitigen Beziehung, (4) Mediation der Beziehung zwischen Arbeitszufriedenheit und Arbeitsleistung durch andere Variablen, (5) Moderation der Beziehung zwischen Arbeitszufriedenheit und Arbeitsleistung durch andere Variablen, (6) keine Beziehung zwischen Arbeitszufriedenheit und Arbeitsleistung und (7) alternative Konzeptualisierungen von Arbeitszufriedenheit und/oder Arbeitsleistung. Diese Modelle werden gemäss Judge et al. (2001) durch die Wissenschaft in unterschiedlichem Masse unterstützt, wobei insbesondere die Modelle 2, 5 und 7 durch Forschungsresultate gestützt werden. Gemäss Schoenecker et al. (1997) können diese Beziehungen auch auf Gruppenebene erwartet werden.

2.4 Fragestellung und Hypothesen

Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Einfluss von Diversität auf die Gruppenleistung sowie auf die Zufriedenheit. Dabei wird das Faultline-Konzept von Lau und Murnighan (1998) mitberücksichtigt, da damit die Struktur beziehungsweise die konkrete Verteilung verschiedener Diversitäts-Dimensionen innerhalb einer Gruppe einbezogen werden kann. Dadurch wird die Kombination verschiedener Merkmale berücksichtigt. Zudem wird der bis anhin weitgehend ausser Acht gelassene Wirkmechanismus ‚subjektiv wahrgenommene Diversität’ mitberücksichtigt. Effektive oder objektive Unterschiedlichkeiten zwischen Gruppenmitgliedern müssen nicht automatisch von den einzelnen Mitgliedern auch als solche wahrgenommen werden (vgl. Harrison et al., 2002; Homan et al., 2009). Auch berücksichtigt wird die so genannte Elaboration. Denn der wichtigste Prozess, welcher dem positiven Effekt der Diversität auf die Gruppenleistung zugrunde liegt, ist nach dem CEM von van Knippenberg et al. (2004) die Elaboration, also der Austausch, die Bearbeitung und die Integration von aufgabenrelevanten Informationen. Das Ziel dieser Lizenziatsarbeit ist somit, die Beziehung zwischen Faultline- Stärke, subjektiv wahrgenommener Diversität, Elaboration und Gruppenleistung sowie Zufriedenheit zu untersuchen. Die vorliegende Studie setzt somit den Schwerpunkt einerseits auf die Frage, wie sich unterschiedliche Faultline-Stärken auf die Gruppenleistung und die Zufriedenheit auswirken und untersucht andererseits, welche Rolle dabei die Elaboration und die subjektiv wahrgenommene Diversität innerhalb einer Gruppe einnehmen.

Die aus dem theoretischen Hintergrund abgeleiteten Fragestellungen lauten:

- Wie wirken sich unterschiedliche Faultline-Stärken auf die Gruppenleistung und die Zufriedenheit aus?
- Welche Rolle hat dabei die Elaboration und die subjektiv wahrgenommene Diversität?

Die präsentierten Forschungsergebnisse zeigen insbesondere zwei denkbare Effekte der Faultline-Stärke als Mass der Diversitäts-Strukur auf: Zum einen den Einfluss auf die subjektiv wahrgenommene Diversität (vgl. Harrison et al., 2002) und zum anderen einen Einfluss auf Gruppenergebnisse, wie beispielsweise die Leistung oder Zufriedenheit (vgl. van Knippenberg et al., 2004) (siehe Hypothesen 1, 2a und 3a). Eine starke Faultline kann das Funktionieren einer Gruppe behindern. Durch das Konvergieren verschiedener Diversitäts-Dimensionen entstehen aufgrund der Salienz vermehrt Subkategorisierungsprozesse (soziale Kategorisierungsprozesse), welche sich negativ auf Gruppenergebnisse auswirken können (Lau & Murnighan, 1998; van Knippenberg & Schippers, 2007). Für die Manipulation der Faultline-Stärke wurden jeweils die gleichen objektiven Diversitäts-Dimensionen verwendet, je nach Bedingung wurden sie jedoch unterschiedlich angeordnet. Es kann vermutet werden, dass eine schwache Faultline zu einer höheren Gruppenleistung beziehungsweise Zufriedenheit führt als eine starke Faultline.

Gemäss dem CEM von van Knippenberg et al. (2004) steht die Diversität in einem positiven Zusammenhang mit der Elaboration von Informationen, wobei diese wiederum im positiven Zusammenhang mit der Gruppenleistung steht. Der Schlüsselprozess, welcher den positiven Effekten der Diversität auf die Gruppenleistung zugrunde liegt, ist somit die Elaboration, also der Austausch, die Bearbeitung und die Integration von aufgabenrelevanten Informationen. Deshalb kann ein Mediatormodell zwischen der Elaboration und der Gruppenleistung sowie der Zufriedenheit, als ein weiterer Indikator für die Gruppeneffektivität, angenommen werden (siehe Hypothesen 2b und 3b).

Das CEM von van Knippenberg et al. (2004) betrachtet und integriert soziale Kategorisierungsprozesse als Moderator. Durch Diversität entstandene und wahrgenommene saliente Kategorisierungen, welche in einem weiteren Schritt einen ‚intergroup-bias’ hervorrufen, können die Informationsverarbeitung in Gruppen stören und dadurch den potentiellen Nutzen der Diversität zunichtemachen (van Knippenberg & Schippers, 2007). Da es sich um verschiedene Effekte von Diversität handelt, erscheint es als sinnvoll, die eine Perspektive als Moderatorvariable zu erfassen. Es kann angenommen werden, dass die subjektiv wahrgenommene Diversität, als Mass für die soziale Kategorie-Salienz, einen massgebenden Einfluss auf die Gruppenleistung und die Zufriedenheit hat (Harrison et al., 2002; Homan et al., 2009). In Anlehnung an das CEM wird deshalb die subjektiv wahrgenommene Diversität als moderierende Variable zwischen der Faultline-Stärke und der Gruppenleistung beziehungsweise der Zufriedenheit betrachtet (siehe Hypothesen 2c und 3c).

Die aus dem theoretischen Hintergrund beziehungsweise der Fragestellung abgeleiteten Hypothesen lauten:

Hypothese 1: Die Faultline-Stärke innerhalb einer Gruppe hat einen Einfluss auf die subjektiv wahrgenommene Diversität. Gruppen mit einer starken Faultline haben eine höhere subjektiv wahrgenommene Diversität als Gruppen mit einer schwachen Faultline.

Hypothese 2a: Die Faultline-Stärke innerhalb einer Gruppe hat einen Einfluss auf die Gruppenleistung. Gruppen mit einer schwachen Faultline erzielen eine höhere Gruppenleistung als Gruppen mit einer starken Faultline.

Hypothese 2b: Die Elaboration mediiert den Effekt der Faultline-Stärke auf die Gruppenleistung. (Mediatorhypothese)

Hypothese 2c: Die subjektiv wahrgenommene Diversität moderiert den Effekt der Faultline- Stärke auf die Gruppenleistung. (Moderatorhypothese)

Hypothese 3a: Die Faultline-Stärke innerhalb einer Gruppe hat einen Einfluss auf die Zufriedenheit. Gruppen mit einer schwachen Faultline sind zufriedener als Gruppen mit einer starken Faultline.

Hypothese 3b: Die Elaboration mediiert den Effekt der Faultline-Stärke auf die Zufriedenheit. (Mediatorhypothese)

Hypothese 3c: Die subjektiv wahrgenommene Diversität moderiert den Effekt der Faultline- Stärke auf die Zufriedenheit. (Moderatorhypothese)

3. Methode

Dieses Kapitel gliedert sich in fünf Teile. Zuerst wird die Stichprobe beschrieben. Danach wird das Design des Experimentes erläutert und der Ablauf des Experimentes erklärt. Anschliessend wird die Manipulation der Faultline-Stärke erläutert und schliesslich werden die Messinstrumente vorgestellt.

3.1 Stichprobe

Die Rekrutierung der Studienteilnehmer/innen erfolgte über den Probandenserver der Universität Zürich (http://sozpsyserver-marvin.uzh.ch/probserve/public). Auf dieser Homepage kann sich jede interessierte Person für die Teilnahme an Experimenten registrieren (nicht nur Studenten/innen). Beim Versenden des Einladungsmails für das Experiment wurde darauf geachtet, dass Personen, welche im Vorfeld bereits an einem ähnlichen Gruppenexperiment teilgenommen hatten, nicht angeschrieben wurden. Diese potentiellen Studienteilnehmer/innen konnten sich freiwillig zur Teilnahme am Experiment melden. Die Personen wurden angefragt, ob sie an einer Studie zum Thema ‚Persönlichkeit und Zusammenarbeit in einer Gruppe’ teilnehmen möchten. Die Teilnahme am Experiment wurde mit Fr. 40.00 oder zwei Versuchspersonenstunden (Anrechnung der Teilnahme am Experiment als Leistungsnachweis für das Psychologiestudium an der Universität Zürich) vergütet. Um die Motivation zusätzlich zu erhöhen, erhielten die Studienteilnehmer/innen der besten drei Teams nachträglich jeweils Fr. 50.00, Fr. 30.00 oder Fr. 20.00 zusätzlich pro Person.

Die Stichprobe umfasste 172 deutschsprachige Personen. Davon waren 50% weiblich (n = 86) und 50% männlich (n = 86). Daraus wurden 43 zufällige Gruppen gebildet, welche jeweils aus vier Personen (zwei männlichen und zwei weiblichen) bestanden. Die Studienteilnehmer/innen waren im Alter von 18 bis 31 Jahren. Der Altersdurchschnitt der Stichprobe lag bei 22 Jahren (M = 22.20, SD = 2.72, N = 172).

88.4% (n = 152) aller Studienteilnehmer/innen gaben bei der zuletzt abgeschlossenen Schule oder Ausbildung die Maturitätsschule beziehungsweise das Abitur an und 10.5% (n = 18) nannten die Universität beziehungsweise die Hochschule. Jeweils eine Person nannte die Berufslehre und die Höhere Berufsausbildung als die zuletzt abgeschlossene Ausbildung. Zum Zeitpunkt des Experiments waren (mindestens) 159 Studienteilnehmer/innen am Studieren (erhoben über das Item „Falls du studierst, in welchem Semester bist du?“, worauf 159 Personen eine Antwort gaben). Von den derzeitigen beziehungsweise ehemaligen Studenten/innen studierten die meisten Mathematik/Naturwissenschaften (37.2%, n = 64) und Sozial- und Geisteswissenschaften (36.6%, n = 63).

Bezüglich der Nationalität bei Geburt gaben 82.0% (n = 141) aller Studienteilnehmer/innen die Schweiz an und 14.5% (n = 25) Deutschland. Die restlichen 3.5% (n = 6) der Teilnehmer/innen nannten Italien, Niederlande, Österreich, Amerika oder die Türkei. Der grösste Teil der Stichprobe gab als Muttersprache Schweizerdeutsch an (82.0%, n = 141), gefolgt von Hochdeutsch (16.3%, n = 28). Jeweils eine Person nannte als Muttersprache Italienisch, Niederländisch und Türkisch.

3.2 Design

Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um ein Laborexperiment. Die Faultline-Stärke wurde experimentell manipuliert (schwache vs. starke Faultline), womit es sich um ein ‚one-factorial between-groups’ - Design handelt.

Bezüglich der Moderatorhypothesen verfügt die Studie über ein quasi-experimentelles 2x2- Design. Beim ersten Faktor handelt es sich um die Faultline-Stärke, welche experimentell manipuliert wurde (schwache vs. starke Faultline). Beim zweiten Faktor handelt es sich um die subjektiv wahrgenommene Diversität, welche quasi-experimentell ermittelt wurde (niedrige vs. hohe subjektiv wahrgenommene Diversität).

Die Studienteilnehmer/innen wurden jeweils vor dem Gruppenexperiment zufällig in Vierer- Gruppen eingeteilt. Jede Gruppe bestand absichtlich aus zwei weiblichen und zwei männlichen Personen. Zusätzlich wurden die Variablen ‚Sprache’ (homogene Muttersprache innerhalb einer Gruppe: Schweizerdeutsch vs. Hochdeutsch), ‚Alter’ (maximaler Altersunterschied von acht Jahren innerhalb einer Gruppe) sowie ‚Nationalität’ innerhalb einer Gruppe bezüglich Diversität so weit als möglich konstant gehalten beziehungsweise kontrolliert. Diese Gruppen wurden dann zufällig anhand der Reihenfolge der Termine abwechselnd einer der zwei Versuchsbedingungen (schwache Faultline: n = 84, starke Faultline: n = 88) zugeordnet.

3.3 Ablauf des Experimentes

Das Experiment beinhaltete zwei zeitlich voneinander abgegrenzte Teile. In einem ersten Schritt mussten die Studienteilnehmer/innen online einen Fragebogen ausfüllen. Der Link, um den Fragebogen zu erreichen wurde im Einladungsmail bekannt gegeben. Der Fragebogen enthielt demographische Angaben zur eigenen Person (Alter, Geschlecht, Nationalität, Muttersprache und Ausbildung) und den Persönlichkeitsfragebogen NEO-FFI-30 von Körner, Geyer, Roth, Drapeau, Schmutzer, Albani, Schumann und Brähler (2008). Zudem wurde am Ende des Online- Fragebogens die E-Mail-Adresse und ein persönlicher Code erfragt, um später die Person für den zweiten Teil der Studie kontaktieren zu können und um die beiden Studienteile derselben Person zuordnen zu können. Dieser Online-Fragebogen wurde mit Hilfe von LimeSurvey (http://www.limesurvey.org) erstellt. Das Ausfüllen des Fragebogens beanspruchte ca. 10 Minuten.

In einem zweiten Schritt erfolgte das eigentliche Gruppenexperiment, welches von einer Versuchsleiterin in einem Experimentalraum der Universität Zürich durchgeführt wurde. Die Studienteilnehmer/innen wurden zu viert zu einem Termin eingeladen. Sobald alle anwesend waren, wurden sie gemeinsam in den Versuchsraum gebeten, wo je nach zugeteilter Bedingung an einem bestimmten Platz bereits ein Fragebogen-Dossier mit ihrem persönlichen Code für sie bereit lag. Nachdem alle vier Studienteilnehmer/innen ihren Platz eingenommen hatten, erfolgte die Begrüssung durch die Versuchsleiterin gemäss Versuchsleitermanual. Nach einer kurzen Erklärung zum Ablauf des Experimentes wurde den einzelnen Personen eine erfundene Persönlichkeitsrückmeldung gegeben und es wurden die Nummernschilder verteilt (detaillierte Erläuterung unter Punkt 3.4 ‚Manipulation der Faultline-Stärke’). Anschliessend wurden die Teilnehmer/innen darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Fragebogen-Dossier Schritt für Schritt beschrieben ist, was nun zu tun sei. Die Studienteilnehmer/innen wurden ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, die Instruktionen jeweils genau zu lesen und zu befolgen. Während des Ausfüllens des Dossiers sollte nicht miteinander diskutiert werden. Zu Beginn des Fragebogen-Dossiers mussten die Studienteilnehmer/innen ihr bereits vorhandenes Wissen darüber, wie man in einer Wüste überleben kann, einschätzen. Danach lasen sie die Instruktionen für die Gruppenaufgabe ‚Gestrandet in der Wüste’ (Homan et al., 2007a) und füllten den Fragebogen zur Erfassung der aktuellen Motivation (FAM) von Rheinberg, Vollmeyer und Burns (2001) aus. Anschliessend wurde ihnen ein separates Dossier für die Bearbeitung der Gruppenaufgabe ausgehändigt. Die Studienteilnehmer/innen wurden bereits am Anfang des Gruppenexperimentes über die Videoaufzeichnung dieses Teils informiert. Nachdem die Gruppenaufgabe beendet wurde, zog die Versuchsleiterin das Aufgaben-Dossier wieder ein und forderte die Teilnehmer/innen dazu auf, das Fragebogen-Dossier weiter zu bearbeiten. Zuerst mussten die Teilnehmer/innen einen Fragbogen zu Konstrukten des CEM ausfüllen. Danach folgten ein Manipulationscheck der Faultline-Bedingungen (in Anlehnung an Rico et al., 2007 und Sawyer et al., 2006) und Items zur Erfassung der Zufriedenheit (van der Vegt et al., 2000). Schliesslich mussten die Studienteilnehmer/innen eine gekürzte Version des Berliner Intelligenzstruktur-Tests (BIS) von Jäger, Süss und Beauducel (1997) bearbeiten und angeben, wie sehr ihrer Meinung nach die Tatsache, dass die Gruppenaufgabe auf Video aufgezeichnet wurde, ihr Verhalten beeinflusste. Nach Beendigung des Experimentes wurde den Studienteilnehmern/innen gedankt und sie wurden über den Sinn und Zweck des Experimentes aufgeklärt. Dies war insbesondere wichtig, da die Personen durch die erfundene Persönlichkeitstyp-Rückmeldung getäuscht wurden. Natürlich wurde auch auf individuell relevante Fragestellungen eingegangen. Für die Teilnahme an dem Versuch wurden den Studienteilnehmern/innen wie angekündigt entweder zwei Versuchspersonenstunden angerechnet oder CHF 40.00 bar ausbezahlt. Der gesamte Versuch dauerte pro Gruppe ca. 90 Minuten.

3.4 Manipulation der Faultline-Stärke

An dieser Stelle wird nun genauer erläutert, wie die Faultline-Stärke in dieser Studie experimentell manipuliert wurde (schwache vs. starke Faultline). Abbildung 2 und 3 dienen der Veranschaulichung. Es wurde eine ähnliche Konzeption der Faultline angewendet, wie bei Homan et al. (2007a). Somit wurden auch die drei Variablen Geschlecht, erfundene Persönlichkeitsrückmeldung und Sitzordnung zur Manipulation der Faultline-Stärke herangezogen.

Jede Gruppe wurde aus zwei weiblichen und zwei männlichen Personen zusammengesetzt. Die vier Studienteilnehmer/innen sassen während des Gruppenexperimentes alle zusammen an einem rechteckigen Tisch. In Anlehnung an Homan et al. (2007a) sassen in der starken Faultline- Bedingung jeweils gleichgeschlechtliche Personen auf der gleichen Tischseite, wobei in der schwachen Faultline-Bedingung jeweils ein Mann und eine Frau auf einer Tischseite sassen. Zu Beginn des Gruppenexperimentes erhielten die Studienteilnehmer/innen wie bei Homan et al. (2007a) eine erfundene Rückmeldung zu ihrem Persönlichkeitstyp. Da alle Teilnehmer/innen im Vorfeld bereits den Persönlichkeitsfragebogen NEO-FFI-30 von Körner et al. (2008) ausfüllten, gewann diese Rückmeldung an Glaubwürdigkeit. In der starken Faultline-Bedingung erhielten die beiden Männer die Rückmeldung, dass sie zum Persönlichkeitstyp ‚O’ gehören, wobei die beiden Frauen die Rückmeldung erhielten, dass sie zum Persönlichkeitstyp ‚V’ gehören würden. In der schwachen Faultline-Bedingung erhielten jeweils ein Mann und eine Frau, welche an gegenüberliegenden Tischseiten sassen, die Persönlichkeitstyp-Rückmeldung ‚V’ beziehungsweise ‚O’. Die Studienteilnehmer/innen erhielten zudem gemäss Borkenau und Ostendorf (1993) weitere, übereinstimmende Informationen zu ihrem vermeintlichen Persönlichkeitstyp. Es wurde ihnen mitgeteilt, dass Personen mit dem Persönlichkeitstyp ‚V’ insbesondere hohe Werte in Verträglichkeit hätten, und dass solche Personen beispielsweise hilfsbereit, mitfühlend, vertrauensvoll, kooperativ und nachsichtig seien. Personen mit dem Persönlichkeitstyp ‚O’ hätten insbesondere hohe Werte in Offenheit. Solche Personen seien etwa einfallsreich, intellektuell neugierig, offen für Ideen und hätten eine Vorliebe für Abwechslung. Es wurde darauf geachtet, zwei Persönlichkeitstypen für die Manipulation zu verwenden, bei welchen jeweils positive Beschreibungen als hohe Ausprägung genannt werden konnten, und welche Beschreibungen enthalten, welche mindestens teilweise sehr wahrscheinlich zutreffen. Zusätzlich zur Persönlichkeitstyp-Rückmeldung wurde ein rotes oder ein blaues Schild mit der Personennummer verteilt. Die unterschiedliche Farbe unterstützte die Persönlichkeitstyp- Rückmeldung, indem alle Personen mit dem Typ ‚O’ jeweils ein blaues Schild erhielten und alle Personen mit dem Typ ‚V’ ein rotes Schild. Zudem diente die Personennummer dazu, die Studienteilnehmer/innen auf den Videoaufnahmen zu unterscheiden, und dass die Teilnehmer /innen während der Beantwortung des Fragebogens auf ihre jeweiligen Gruppenmitglieder Bezug nehmen konnten. In der starken Faultline-Bedingung erhielten die Teilnehmer/innen zusätzlich zu ihren farbigen Schildern auch noch einen Kugelschreiber in gleicher Farbe. In der schwachen Faultline-Bedingung erhielten jeweils eine Person mit einem blauen und eine Person mit einem roten Schild einen Kugelschreiber der anderen Farbe.

[...]

Ende der Leseprobe aus 193 Seiten

Details

Titel
Einfluss der Faultline-Stärke auf die Gruppenleistung und die Zufriedenheit
Hochschule
Universität Zürich
Note
6.00
Autor
Jahr
2010
Seiten
193
Katalognummer
V168546
ISBN (eBook)
9783640865383
ISBN (Buch)
9783640865475
Dateigröße
4002 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Gruppen-Diversität
Schlagworte
Gruppe, Diversity, Faultline, Zufriedenheit, Leistung, CEM, Diversität, Group Diversity, Unterschiedlichkeit in Gruppen
Arbeit zitieren
lic. phil. Psychologin Anita Huber (Autor:in), 2010, Einfluss der Faultline-Stärke auf die Gruppenleistung und die Zufriedenheit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/168546

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