Lesestörungen - Ursachen, Verlauf, Diagnose


Seminararbeit, 2003

19 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definitionen

3. Lesestörungen
3.1. Lesestörungen durch visuelle Wahrnehmungsprobleme
3.1.1. Augenbewegungen und Blicksprünge
3.1.2. Optische Wahrnehmungsfehler
3.2. Lesestörungen durch Probleme der Speicherung und des Behaltens
3.3. Lesestörungen durch Probleme der phonologischen Bewusstheit
3.4. Lesestörungen durch Entwicklungsstörungen

4. Weitere mögliche Ursachen der Lesestörungen
4.1. Mögliche organisch-physiologische Ursachen
4.2. Fehlende Basisvoraussetzungen als mögliche Ursache

5. Diagnose von Lesestörungen
5.1. Die klassische Diagnose
5.2. Die mehrdimensionale Diagnose

6. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Seit Jahrzehnten beschäftigen sich Psychologen mit dem Phänomen der Lesestörungen. Schon Ende des 19. Jahrhunderts kamen die ersten Ergebnisse von psychologischen Untersuchungen an die Öffentlichkeit. Unzählige Erklärungsansätze trugen jedoch nicht dazu bei, dass dieses Thema von der Gesellschaft akzeptiert wurde. Es ist heutzutage oft noch unvorstellbar, dass es Menschen gibt, die nicht lesen und schreiben können. Dabei belegen neueste Studien, dass rund 10 bis 20 % der Grundschüler unter dem Leseniveau des Durchschnitts liegen[1]. Lesen ist eines der wichtigsten Techniken des Lebens. Viele der Betroffenen schaffen es, ihr Leiden über Jahre hinweg zu verbergen. Sie schämen sich und leben täglich mit der Angst ihr Geheimnis preis geben zu müssen. Sie befürchten ausgegrenzt und verspottet zu werden. Oftmals sind die Ursachen für Lesestörungen der Gesellschaft nicht bekannt. Fälschlicherweise werden Betroffene als dumm, oder blöd bezeichnet und gelten als Außenseiter. Dies muss jedoch nicht so sein.

Dieser Text soll nun einen kleinen Überblick über das Thema Lesestörungen geben. Aufgrund der hohen Anzahl der neurobiologischen, psychologischen und genetischen Befunde und Untersuchungen ist es nicht möglich, jedes Phänomen der Lesestörungen genau zu erläutern. Der Text beschränkt sich auf die wichtigsten Merkmale zu den Ursachen und zum Verlauf von Lesestörungen. Anschließend dazu wird ein kurzer Abriss über die Diagnose gegeben.

Man spricht häufig von einer Lese-Rechtschreibstörung. Dies zeigt, dass eine strikte Trennung zwischen den beiden Phänomenen kaum möglich ist. Aufgrund dieses engen Zusammenhangs wird die Rechtschreibstörung stellenweise mit einbezogen und ebenfalls kurz erwähnt werden.

Der Schwerpunkt dieses Textes bezieht sich jedoch auf die isolierten Lesestörungen.

2. Definitionen

Es gibt verschiedene Definitionen der Lesestörungen, die je nach Ausmaß und Art des Auftretens unterschieden werden. Ein wichtiger Unterschied ist festgelegt zwischen der Lesestörung und der Leseschwäche.

Erstere wird häufig auch, in Verbindung mit einer Rechtschreibstörung, als Legasthenie oder mit dem internationalen Begriff Dyslexie benannt. Es handelt sich um eine Störung des Lesens, welche entwicklungs- oder neurobiologisch begründet ist. Sie besteht trotz normaler oder überdurchschnittlicher Intelligenz und trotz normaler familiärer und schulischer Bedingungen (vgl. Remschmidt, Prof. Dr. med / Helmut, Dr. phil.: Ausgabe Deutsches Ärzteblatt 40 vom 04.10.02, S. A-2632. [www. neuro24.de/lrs.htm, gefunden: 24.01.2003]).

Die Leseschwäche kann eine vorübergehende Schwierigkeit beim Erlernen des Lesens sein. Die Ursachen können eine Erkrankung, ein Schulwechsel oder auch schwere seelische Belastungen sein (vgl. s.o.).

Um die Lesestörung nun näher zu definieren, gibt es die allgemein anerkannte Definition nach ICD-10:

„Das Hauptmerkmal ist eine umschriebene und eindeutige Beeinträchtigung in der Entwicklung der Lesefertigkeiten, die nicht allein durch das Entwicklungsalter, durch Visusprobleme oder unangemessene Beschulung erklärbar ist. Mit Lesestörungen gehen häufig Rechtschreibstörungen einher.“[2]

Die ICD-10 ist die ‘International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems’ - 10. Revision. Diese wurde von der Weltgesundheitsorganisation erstellt und ist Teil der Familie der internationalen gesundheitsrelevanten Klassifikationen (vgl. [www.dimdi.de/de/klassi/diagnosen/icd10/index.htm, gefunden am 14.02.2003]).

3. Lesestörungen

Lesestörungen haben die verschiedensten Ursachen. Sie werden in grobe Unterpunkte eingeteilt, die sich auf visuelle Störungen, phonologische Störungen oder auch Entwicklungsstörungen berufen können. Im folgenden Text sollen die wesentlichen Merkmale und Unterschiede der verschiedenen Lesestörungen aufgelistet werden. Aufgrund der hohen Komplexität des Themas können hier nur die wichtigsten Formen genannt werden.

3.1. Lesestörungen durch visuelle Wahrnehmungsprobleme

Schon bei Eintritt in die Schule kennen viele Kinder die Buchstaben des Alphabets und freuen sich auf das Lesenlernen. Doch in manchen Fällen ist es gar nicht so einfach diese Buchstaben zu einem Wort zusammenzufügen, oder sie in der richtigen Reihenfolge zu erlesen und im Gedächtnis zu speichern. Treten nun visuelle Defizite auf, kann das Lesenlernen sehr mühsam und deprimierend für die betroffenen Kinder sein.

Visuelle Informationen zu verarbeiten ist ein sehr komplexer Vorgang, der etwa zu 80 % über das visuell-motorische System funktioniert (vgl. Beckenbach, Wolfgang 2000: Lese- und Rechtschreibschwäche, Diagnostizieren und Behandeln. S. 73). Um nun etwas erlesen zu können, müssen die Augen dazu in der Lage sein

3.1.1. Augenbewegungen und Blicksprünge

Beobachtet man Kinder beim Lesen, bemerkt man, dass sie nicht kontinuierlich die Zeilen von links nach rechts ablesen. Es treten zwischendurch Pausen und Sprünge auf, die auch kurz von rechts nach links verlaufen können. Bleibt dies in einem sehr geringen Maß, ist es keine Behinderung. Häuft sich diese falsche Blickrichtung jedoch, treten weitere Leseprobleme auf. Diese Blicksprünge werden auch ‘Sakkaden’ genannt. Ihre Aufgabe ist es, die beste Sehschärfe einzufangen, denn die Netzhaut kann nicht an jeder Stelle gleich scharf eingestellt werden. Nur ein kleiner Bereich, die sogenannte ‘Fovea’ , ist die schärfste Stelle auf der Netzhaut. Um diese zu erreichen, benötigt das Auge die Sakkaden. Nach diesem System wird die Graphemanalyse vollzogen. Buchstabe für Buchstabe wird fixiert. Nach dem Erkennen erfolgt eine Sakkade zum nächsten Buchstaben, so dass das nächste Graphem erlesen werden kann. Ist es dem Kind nicht möglich eine Verbindung der beiden gerade erlesenen Grapheme herzustellen, erfolgt eine ‘Resakkade’, ein Rücksprung zum vorausgegangenen Graphem und der Vorgang wird nochmals wiederholt.

Bei leseschwachen Kinder treten diese Sakkaden und Resakkaden zu häufig auf. Ihre Blickbewegungen sind unkontrolliert und springen zwischen den Graphemen hin und her. Die Blicksprünge sind oftmals so groß, dass ganze Buchstaben überlesen und auslassen werden. Das entfremdet das Wort und der Leser ist nicht mehr in der Lage einen Zusammenhang herzustellen und die Bedeutung des gelesenen Wortes zu verstehen. Eine weitere Vermutung ist, dass „während einer Sakkade das Bild der soeben gesehenen Buchstaben nicht hinreichend gelöscht wird und sich deshalb mit dem Bild der Buchstaben überlagert, die in der nächsten Fixationsphase gesehen werden Die Folge wäre ein verschwommenes Bild der zu lesenden Buchstaben“[3]. Auch die Fixationszeit ist bei leseschwachen Kindern höher als normal. Sie benötigen daher längere Zeit einen Buchstaben zu erkennen und die Reihenfolge der Grapheme zu bedenken.

Das nun diese Defizite allein zu einer Lesestörung führen wird diskutiert. Doch sie können eine Faktor zur Auslösung der Störung bieten und somit mitverantwortlich sein.

3.1.2. Optische Wahrnehmungsfehler

Um einen Buchstaben zu erkennen, benutzt der Leser eine Figur-Raum - Wahrnehmung. Der geschriebene Buchstabe, bei Erstklässlern ist er oft in Druckbuchstaben geschrieben, hat eine festgelegte, einmalige Form. Diese Form muss erkannt und dem dazugehörigen Laut zugeordnet werden. Der Leser muss demnach Analysieren und Abstrahieren. Um dies bewältigen zu können, muss er verstehen., dass das Grundprinzip unserer Sprache die Zuordnung von Lauten zu den entsprechenden Buchstaben ist. Er muss also die Graphem-Phonem-Zuordnung beherrschen. Es werden jedoch leicht immer wieder Buchstaben und die dazugehörigen Laute verwechselt, wie zum Beispiel /b/ - /d/, /m/ - /n/ oder auch /m/ - /w/. Hierbei handelt es sich um die sogenannten Reversionsfehler, und um die Verwechslung gestaltähnlicher Buchstaben. Um dieses Problem zu beseitigen, muss de, Leser klar sein, welcher Laut zu welchem Buchstaben gehört.

Noch dazu kommt die Unterscheidung und Erfassung des Kontextes. Der Leser muss erkennen wann ein Wort zu Ende ist oder ein Neues beginnt.

Sind diese Figur-Raum-Wahrnehmungen gestört, kommt es zwangsläufig zu den optischen Wahrnehmungsfehlern. Diese werden in drei Kategorien unterschieden. Zum einen treten die einfachen Verwechslungen gestaltähnlicher Zeichen (>l-t<, >k-h-b<, >m-n<, >F-E-L<) auf, zum anderen die Reversionsfehler (>d-b<, >p-q<, >n-u<) und die Sequenzfehler (>ei-ie<) (vgl. Beckenbach, Wolfgang, 2000. In: Lese- und Rechtschreibschwäche, Diagnostizieren und Behandeln. S. 85).

Durch einen Sichtwortschatz können einzelne leichte Wörter erkannt werden. Es ist kein Lesen, denn es wird nicht Buchstabe für Buchstabe vorgegangen, sondern der Leser kennt dieses Wort in seiner ganzen Form und erkennt es durch prägnante Merkmale. Sieht er dieses Wort sehr häufig in seiner Umgebung, bildet er ein ‘Wortbild’. Häufig ist dies bei dem eigenen Namen der Fall. Schon bei Schuleintritt können viele Kinder ihren Namen schreiben und lesen, ohne jeden Buchstaben zu analysieren. Haben Kinder nun Probleme diesen Sichtwortschatz aufzubauen, beeinträchtigt dies ihr Leseverhalten. Jeder Buchstabe muss selbst bei leichten Wörtern erlesen werden. Das fließende Lesen wird in diesem Fall kaum erreicht werden, bzw. sehr mühsam und zeitaufwendig sein.

Das Auftreten der optischen Wahrnehmungsprobleme ist die häufigste Ursache für Lesestörungen. Kann die Form des Buchstabens nicht erkannt, bzw. nicht umgesetzt werden, kann das Wort nicht komplett erlesen werden. Es treten Verwechslungsfehler auf, so dass der Zusammenhang im Text nicht mehr gegeben ist. Dadurch schwindet das Textverständnis mit jedem weiteren Fehler dahin und der Leser kann den soeben mühsam erlesenen Text nicht wiedergeben.

[...]


[1] Werth, Reinhard 2001: Legasthenie und andere Lesestörungen: Wie man sie erkennt und behandelt. Original Ausgabe. München: Beck. S. 9

[2] Spezielle Kinder- und Jugendpsychiatrie II. [http://stud-www.uni-marburg.de/~Albrecht/lrs.htm, gefunden am 21.01.2003]

[3] Werth, Reinhard 2001: Legasthenie und andere Lesestörungen. Wie man sie erkennt und behandelt . Orig. Ausg. München: Beck. S. 73

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Lesestörungen - Ursachen, Verlauf, Diagnose
Hochschule
Universität Duisburg-Essen  (FB Deutsch)
Veranstaltung
Seminar: Erstes Lesen - Erstes Schreiben
Note
2,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
19
Katalognummer
V16823
ISBN (eBook)
9783638215534
ISBN (Buch)
9783638758550
Dateigröße
414 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lesestörungen, Ursachen, Verlauf, Diagnose, Seminar, Erstes, Lesen, Erstes, Schreiben
Arbeit zitieren
Julia Kloiber (Autor:in), 2003, Lesestörungen - Ursachen, Verlauf, Diagnose, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16823

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