Erfindung und Frühzeit des Meissener Porzellans


Seminararbeit, 1998

20 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0.1Einleitung

1.Chinesisches Porzellan

2. Die Erfindung des Porzellans in Europa
2.1.Erste Versuche
2.2.Johann Melchior Steinbrück:Gechichtskalender von 1712 und der Steinbrück-Bericht von 1717
2.2.1.Der Geschichtskalender von 1712
2.2.2.Der Steinbrück-Bericht von 1717

3. Die Väter des europäischen Porzellans
3.1.Ehrenfried Walther von Tschirnhaus
3.2.Johann Friedrich Böttger

4. Das europäische Hartporzellan
4.1.Die technischen Versuch auf der Jungfernbastei in Dresden
4.2.Das Böttgersteinzeug
4.3.Das Böttgerporzellan
4.4.Die frühen Farben

5.Die Wiederentdeckung des Böttgersteinzeugs im 20. Jh.
5.1 Die Wiedereinführung
5.2Die Böttgerehrung 1982

6. Benutzte Literatur

0.1 Einleitung

Die Nacherfindung des Porzellans in Europa ist eine aus verschiedenen Blickwinkeln interessante Begebenheit. Der Werkstoff Porzellan hat seit seinem Bekanntwerden in Europa im späten 13.Jh. die Phantasie der Europäer beschäftigt, wie kaum ein anderes aus dem Orient eigeführtes Gut. Wunderbare Eigenschaften wurden diesem Material nachgesagt, das als so wertvoll galt, daß sogar die Scherben zerbrochener Gefäße in den Schatzkammern aufbehalten wurden.Besonders geschätzt war Porzellan wegen der angeblichen Fähigkeit, Gifte in Speisen durch Zerspringen anzuzeigen[1].

Schon in dieser frühen Zeit scheinen diese Kostbarkeiten wertvolle Fassungen aus Edelmetall erhalten zu haben. Das früheste überlieferte Beispiel, zugleich das früheste datierbare Chinaporzellan in Europa überhaupt, ist ein Familienbecher der Familie von Catzenelnbogen, heute im Landesmuseum Kassel befindlich[2]. Es handelt sich um ein Yüan-zeitliches Seladon mit einer europäischen Fassung um 1450.

In großen Mengen - als Schiffsballast nämlich - wurde Porzellan erst seit dem 16.Jh. in Europa eingeführt. Es blieb allerdings so kostbar, daß einheitliche Service, selbst für eine Person, nicht überliefert sind.

Eine bedeutende Wende vollzog sich, als in China die Yüan-Dynastie 1368 von der Ming-Dynastie abgelöst wurde: In der Folgezeit trat das unterglasurblau dekorierte weiße Porzellan gleichberechtigt neben die Seladon-Porzellane und verdrängte diese schließlich. Daher war für die Europäer, die Porzellan in verstärktem Maße erst im Verlauf des 16. und 17.Jh. kennenlernten, der Farbdualismus Blau-Weiß mit Porzellan assoziert, was eine nicht unerhebliche Rolle bei der Erfindung und in der Frühzeit des europäischen Hartporzellans spielen sollte.

Der Traums von einer europäischen Porzellanproduktion wurde in Sachsen zu Beginn des 18. Jh. verwirklicht.

Die nachfolgende Arbeit wird den daran beteiligten Personen jeweils ein eigenes Kapitel widmen. Sie waren es, die schließlich das Porzellan als Ergebnis systematischer Untersuchungen auf der Basis strenger Naturwissenschaft hervorbrachten.

Die Versuche, mit dem neuen Material zu einer eigenen, europäischen Formen- und Dekorsprache zu gelangen, setzten bereits zu einem ganz frühen Zeitpunkt ein, als man kaum über das Versuchsstadium hinausgelangt war. Es entstand ein gänzlich neuer Zweig des Kunstgewerbes, dessen sich das 18.Jh. zum Ausdruck seiner künstlerischen Auffassungen so vollkommen bedient hat, daß Zeitalter und Material quasi miteinander identisch wurden.

Abschließend soll ein kurzer Blick auf die Wiederentdeckung des sog. „Böttcher-Steinzeugs“ am Beginn unseres Jahrhunderts diese Arbeit über die Frühzeit des europäischen Porzellans beschließen.

1.Chinesisches Porzellan

Wie in allen alten Kulturen steht auch in China die Keramik neben dem Stein als ältestes menschliches Artefakt am Anfang der Zivilisation. Die Erfindung des Porzellans, also eines versinterten keramischen Produkts, war in China kein zeitlich und geographisch exakt festzulegendes Ereignis[3].

Hartgebrannte Keramik aus weißem Ton kennt man in China seit der Zhou-Dynastie (11.Jh.-221 v.Chr.). Porzellanähnliche Ware, sog. „Protoporzellan“, stellt das Hsing yao der Tang-Dynastie dar. Der Dichter Tu Fu (712-770) preist in einem Gedicht schneeweiße, klingende Keramik, hergestellt in der Provinz Szechwan. Nach dieser Beschreibung hat es sich hierbei eindeutig um Porzellan gehandelt. Beispiele dieser Ware sind ausserordentlich selten. Ihr Formenrepertoire ist begrenzt und stark an den Silberwaren jener Zeit orientiert; wahrscheinlich, weil kein keramisches Material zuvor in der Lage war, scharfe Grate und weiche Linien gleichermaßen perfekt nachzubilden. Mehrere Beispiele Hsing yao verwahrt die Porzellansammlung im Dresdener Zwinger[4].

Zwei Besonderheiten sind im Zusammenhang mit dem chinesischen Porzellan erwähnenswert: Die Masse des Scherbens und der Grundstoff für die Glasur kommen bereits natürlich vor. Aufgrund des andersartigen Mischungsverhältnisses, ist das chinesische Porzellan jedoch immer ein Weichporzellan. Dies macht sich bei der Leuchtkraft der Aufglasurfarben und der wesentlich vereinfachten Handhabung der Unterglasurfarben bemerkbar. Hier liegt auch der Grund, warum in Europa die Herstellung haltbarer und ansprechender Farben, insbesondere aber die Nacherfindung und technisch einwandfreie Anwendendung des Unterglasurblau für mehr als zwei Jahrzehnte eine große Schwierigkeit für die Arkanisten der frühen Manufakturen darstellten[5].

Ungefähr seit der Mitte des 16.Jh. läßt sich in China eine spezielle Produktion für den europäischen Markt konstatieren. Schon zu dieser Zeit waren die Manufakturen im chinesischen Keramikzentrum Jingdezhen in der Lage, bestimmte Formen und Dekore als Massenauflagen in vielen Tausend Exemplaren herzustellen; das bis zum Ende des Kaiserreiches kaum veränderte Produktionsverfahren beschrieb im 17.Jh. sehr ausführlich und anschaulich der Jesuitenpater d’Entrecolles in zwei Briefen an sein Heimatkonvent in Paris[6].

Kaiserliche Manufakturen, d.h. Produktionsstätten, die aussschließlich für den Hof und unter der Aufsicht von eigens hierzu bestellten kaiserlichen Beamten arbeiteten, scheinen erst in der späten Ming-Zeit entstanden zu sein[7].

Ihre Hochblüte erlebte die kaiserliche Manufaktur in Jingdezhen jedoch unter der Regierung der ersten drei Herrscher der Qing-Dynastie, welche nacheinander drei ausserordentlich fähige Direktoren für die Oberaufsicht der Manufaktur bestellten[8]. Über einen Zeitraum von etwa einhundert Jahren wurden Porzellane von höchstem technischen und künstlerischen Standard hergestellt, die bis zum heutigen Tag als vorbildlich gelten und stets höchste Preise bei Auktionen erzielen.

Während des 17.Jh. hatte sich der Porzellan-Export so weit entwickelt, daß europäische Händler in der Lage waren, bei ihren chinesischen Lieferanten Porzellane in europäischen Formen und Dekoren in Auftrag zu geben. Dieses, als „China-on-command“ bezeichnete Porzellan, stellt in der Geschichte der Keramik ein eigenes, ausserordentlich komplexes Gebiet gegenseitiger künstlerischer und finanzieller Beeinflussung dar, das hier nur der Vollständigkeit halber Erwähnung findet[9].

Das Porzellan gelangte vornehmlich als Schiffsballast nach Europa und wurde hier - in der Regel en gros, aber auch en detail - in den Überseehäfen, vor allem Antwerpen und Amsterdam, verauktioniert. Die Gewinnspannen der Handelskonsortien, in deren Auftrag die Schiffe meist unterwegs waren[10], sind astronomisch gewesen: Allgemein betrug der Reingewinn das acht- bis zwölffache, konnte jedoch auch das zwanzigfache des Einkaufspreises erreichen[11].

Als im Zuge des Zusammenbruchs der Ming-Dynastie China als Porzellanlieferant ausfiel, bezog die VOC ihr Porzellan zunächst verstärkt, später gänzlich, aus Japan und machte Europa so mit einem neuen, völlig anders gearteten Dekor- und Formenschatz bekannt, der auf das frühe europäische Porzellan einen tiefgreifenden Einfluß haben sollte.

Waren in China und Japan Porzellane vergangener Epochen seit der Song-Zeit als Antiquitäten hoch geschätzt, sammelte man in Europa schlicht jedes Stück Porzellan, dessen man habhaft werden konnte. Bewußt wurden chinesische Porzellane vergangener Zeiten erst seit der zweiten Hälfte des 19.Jh. gesammelt und zwar von Mitgliedern des diplomatischen Corps und der Handelsmarine in China selbst[12]. Erst als diese Sammlungen durch Schenkung und Nachlässe einer breiteren europäischen Öffentlichkeit zugänglich wurden, setzte sich die Erkenntnis durch, daß die Keramik Ostasiens historisch bedingt war und wirkliche Meisterwerke dieses keramischen Universums Europa nie zuvor erreicht hatten.

2. Die Erfindung des Porzellans in Europa

2.1 Erste Versuche

Bereits sehr früh haben die Europäer sich bemüht, hinter das Geheimnis der Porzellanherstellung zu kommen[13]. Obwohl es frühere Versuche gegeben hat, will ich meinen kurzen Abriß mit dem sog. „Medici-Porzellan“ beginnen, da es den ältesten Versuch einer Porzellanproduktion darstellt, dessen überlieferte Beispiel als eine Art „Proto-Porzellan“ beschrieben werden können, während die zeitlich davor liegenden Unternehmungen bestenfalls milchglasähnliche Produkte zustande brachten.

Francesco Maria de Medici, selbst begeisterter Alchemist, gelangt zu diesem ersten Erfolg, indem er zwischen 1576 und 1620 mit seinen Mitarbeitern Oratio Fontana und Bernardo Buontalenti einen gelblichen, steinzeugartigen Scherben herstellte, der, verdeckt von einer weißen, zinnoxidhaltigen Glasur, mit Blau oder Manganviolett dekoriert und abschließend mit einer durchsichtigen und glänzenden Bleiglasur versehen wurde. Etwa 50 Exemplare dieses „Medici-Porzellans“ sind heute noch bekannt. Taucht eines davon auf einer Auktion auf, erzielt es für gewöhnlich einen sehr hohen Preis.

Das Weichporzellan - allerdings nach einem sehr viel komplizierteren Verfahren, als sein chinesisches Pendant - wurde in Europa bereits im 17.Jh. erfunden. Louis Poterat (1641-1696) stellte es, versehen mit einem Privileg Ludwig XIV., von 1673 bis 1696 in Rouen her.

Obwohl es keine sehr haltbare Glasur besitzt, kommen die Farben auf Weichporzellan unvergleichlich leuchtender zu Tage, da die niedrigeren Brenntemperaturen nicht so hohe Anforderungen an die Beständigkeit der Metalloxide stellen, welche die Grundlage keramischer Farben bilden. Die leuchtende Farbigkeit stellt auch den Hauptgrund dar, weshalb sich das Hartporzellan in den romanischen Ländern und England bis weit ins 19.Jh. hinein nicht durchsetzen konnte.

Die Erkenntnis, daß das keramische Produkt Porzellan auf den Grundstoffen Kaolin, Alabaster/Felsspat und Quarz, also einem unschmelzbaren Ton, einem schmelzbaren Flußmittel und einem Magerungsmittel zur Steuerung der Plastizität des Tones beruht, war das Ergebnis langer und systematischer Arbeit zweier Männer, die man sich unterschiedlicher nicht denken kann: Ehrenfried Walter von Tschirnhaus und Johann Friedrich Böttcher. Der erstere ein angesehener Mathematiker, Physiker und Chemiker, der letztere ein blutjunger Apothekerlehrling, der im Ruf stand, das „Magnum Opus“, die Transmutation unedler Metalle in Gold vermittels des „Steins der Weisen“, bewerkstelligen zu können und auf der Flucht vor dem Preußenkönig Friedrich I., dem nicht minder geldgierigen August dem Starken in die Hände gefallen war.

Die Vorgänge, die zwischen 1705 und 1709 zur Herstellung des ersten europäischen Porzellans führten, das obendrein auch noch eine technische Weiterentwicklung des chinesischen Vorbilds darstellte, sind ganz erstaunlich gut dokumentiert[14] und bereits 1712 und 1717 durch einen Augenzeugen aus Böttchers engster Umgebung in zwei Chroniken dargestellt worden. Diese sollen im Folgenden die Grundlage für meine kurzgefasste Darstellung sein.

[...]


[1] Mathesius, Bergpostille, S.268: „heut zutag brauchn die großen Potentaten jr prozelach / welches man für die edlisten vnd tewristen trinckgeschirr achtet / darin kein gifft bleiben sol.“ Nach:Brünig, Adolf: Porzellan. Handbücher der kgl. Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum. Berlin 1904, S. 41.

[2] Tait, Hugh: Porzellan, Spring Books, London 1962. Tafel 1 und Seite 41.

[3] Eine anschauliche Graphik hierzu in: Weiß, Gustav: Ullstein Porzellanbuch. Ullstein, Berlin, Frankfurt am Main und Wien 1964 (3.Aufl.), Seite 17.

[4] Reichel, Friedrich: Farbige Glasuren auf Porzellan. China 7. bis 18. Jahrhundert. Herausgegeben von den Staatl. Kunstsgln. Dresden, Dresden 1990.

[5] Vergleiche hierzu: VEB Staatliche Porzellan-Manufaktur Meissen und Staatliche Kunstsammlungen Dresden (Hrsg.): Meissener Blaumalerei aus drei Jahrhunderten, Edition Leipzig, Leipzig 1989.

[6] 1. September 1712 & 25. Januar 1722, erschienen u.a. in: Hakluyt (Hrsg.): Lettres Edifiantes et Curieuses, Paris 1781.

[7] Jenyns, Soame: Later Chinese Porcelain, Faber & Faber, London 1951.

[8] Ts’ang Ying-Hsüan (1683-1726); Nien Hsi-Yao (1726-36); T’ang Ying (1736-49 oder ’55).

[9] Stellvertretend für eine reiche Literatur hier: Howard, D.S. and Ayers, J.: China for the West, 2 vols., Sotheby Parke Bernet, London 1978.

[10] Allen voran die VOC, die Vereenigte Oost-Indische Compgnie.

[11] In diesem Zusammenhang: Shono, Masako: Japanisches Aritaporzellan im sogenannten „Kakiemonstil“ als Vorbild für die Meißener Porzellanmanufaktur.

[12] Wiesner, Ulrich: Chinesisches Porzellan. Die Ohlmer’sche Sammlung im Roemer-Museum, Hildesheim. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1981.

[13] Geraffte Darstellung bei: Weiß, Gustav: op.cit., S.69/70 und Abb. S. 61 & 63!

[14] Groß, Rainer: Zur archivalischen Überlieferung der Porzellanerfindung und Porzellanherstellung in Sachsen, in: Johann Friedrich Böttger zum 300. Geburtstag, VEB Staatliche Porzellan-Manufaktur Meißen (Hrsg.), Meißen 1982.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Erfindung und Frühzeit des Meissener Porzellans
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Kunsthistorisches Institut)
Veranstaltung
Proseminar/Übung
Note
1
Autor
Jahr
1998
Seiten
20
Katalognummer
V1682
ISBN (eBook)
9783638110426
Dateigröße
526 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Verschriftlichung eines Referats (vor Originalen im KGM Berlin) über die ersten 10 Jahre der Meissner Manufaktur, mit der wichtigsten Literatur.
Schlagworte
Meissen, Porzellan, Böttcher
Arbeit zitieren
Detlev Freigang (Autor:in), 1998, Erfindung und Frühzeit des Meissener Porzellans, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1682

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