Einführung in die Spieltheorie


Bachelorarbeit, 2009

62 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Hintergründe der Spieltheorie als wissenschaftliche Disziplin
1.1 Was ist die Spieltheorie?
1.2 Der Werdegang einer jungen Disziplin
1.2.1 Die Geschichte der Spieltheorie
1.2.2 Ausgewählte (Kurz-) Biographien
1.2.3 Nobelpreise für spieltheoretische Arbeiten
1.3 Realitätsbezug
1.3.1 Theorien zum Realitätsbezug
1.3.2 Anwendungsgebiete der Spieltheorie

2 Klassifikation verschiedener Arten von Spielen
2.1 Kooperative vs. nicht-kooperative Spiele
2.2 Spiele in Normalform vs. Spiele in extensiver Form
2.3 Nullsummenspiele vs. Nichtnullsummenspiele
2.4 Einmalspiele vs. wiederholte Spiele
2.5 Informationsstände

3 Spiele in Normalform
3.1 Definition
3.2 Modellierung von Spielsituationen
3.3 Lösungskonzepte
3.3.1 Gleichgewicht in dominanten Strategien
3.3.2 Nash-Gleichgewicht
3.3.3 Nash-Gleichgewicht in gemischten Strategien
3.3.4 Die Maximinlösung

4 Zusammenfassung und Ausblick

Literatur

Abbildungsverzeichnis

3.1 Beste Antwort Korrespondenz für die Frau

3.2 Beste Antwort Korrespondenz des Mannes

3.3 Zusammengelegte Beste Antwort Korrespondenzen

4.1 Überblick der Spieltheorie

Tabellenverzeichnis

1.1 Übersicht der Nobelpreise für spieltheoretische Arbeiten

3.1 Ereignismatrix des Gefangenendilemmas

3.2 Auszahlungsmatrix für das Gefangenendilemma

3.3 Auszahlungsmatrix für den Kampf der Geschlechter

3.4 Auszahlungsmatrix für das Himmelsrichtungsspiel

3.5 Auszahlungsmatrix Beispiel 3.4

3.6 Auszahlungsmatrix Beispiel 3.5

3.7 Veränderte Auszahlungsmatrix für den Kampf der Geschlechter

3.8 Auszahlungsmatrix Nullsummenspiel

Einleitung

Die vorliegende Bachelorarbeit „Einführung in die Spieltheorie“ befasst sich mit einem Teilbereich der Mathematik, der sich „ Spieltheorie “ nennt. Zu Beginn dieser Arbeit wird ein, zugegebenermaßen sehr euphorisches Zitat von Morton D. Davis vorgestellt, welches sich aber zur Einstimmung in die Thematik sehr gut eignet:

„Die Spieltheorie ist eines der interessantesten und fruchtbarsten geistigen Produkte unserer Zeit. Sie eröffnet uns einen völlig neu- en, faszinierenden Zugang zu einer Vielzahl von Fragestellungen in den Bereichen der Wirtschaft und Politik, Ökologie und Biologie und anderen mehr, indem sie Modelle zur Verfügung stellt, die es uns erlauben, scheinbar ganz unterschiedliche Sachverhalte auf einen Nenner zu bringen und ihre Struktur klar und präzise zu analysie- ren“([4], Klapptext).

Die Spieltheorie hat sich in der Tat in vielen Anwendungsgebieten als nutzbar erwiesen. Es handelt sich hierbei um ein sehr interessantes Thema, welches auch einen Zugang für „Nicht-Mathematiker“ bietet. Für ein Gebiet mit einem dermaßen breiten Anwendungsfeld ist dieses auch notwendig. Dennoch steht die gesamte Disziplin auf einem streng mathematischen Grundgerüst.

Gegenstand der Spieltheorie ist die Analyse von strategischen Entscheidungssituationen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass das Ergebnis nicht nur von dem eignen Verhalten, sondern auch von dem Verhalten der anderen Akteure (Mitspieler) abhängt. Ein weiteres wichtiges Kriterium ist, dass die Entscheidungsträger sich dieser wechselseitigen Abhängigkeit bewusst sind (vgl.[10], S. 1). Es geht also um Situationen, in denen das Ergebnis vom Verhalten anderer Akteure abhängt. Derartige Situationen werden in der Fachsprache auch als „ strategische Interaktionen “ bezeichnet.

Dabei werden mathematische Modelle aufgestellt, die bestimmte Aspekte formal und präzise darstellen und dadurch analysiert werden können. Eine Problemstellung wird so modelliert, dass mathematische Verfahren für ein Lösungskonzept angewendet werden können.

Begriffe wie Nutzen, Information, Strategie, Auszahlung und Gleichgewicht sind alles Begriffe, die auch in der Alltagssprache Verwendung finden, im Rahmen der Spieltheorie aber präzise definiert sind. Diese ist auch deshalb so interessant, da sie mitsamt den mathematischen Modellen, viele Konfliktsituationen beschreiben und analysieren kann.

Ziel dieser Arbeit ist es, die Spieltheorie als mathematische Disziplin vorzu- stellen. Dabei wird versucht, die Mathematik hinter dieser Disziplin verständ- lich und fachlich korrekt darzustellen, so dass auch Leser, die keine vertieften mathematischen Kenntnisse besitzen, einen Einblick gewinnen können, wie die Spieltheorie arbeitet.

Gerade weil so viele unterschiedliche Bereiche von der Spieltheorie einen Nut- zen ziehen können, ist die Literaturlage sehr vielschichtig. Fast jedes Buch setzt einen anderen Schwerpunkt und hat unterschiedliche Herangehensweisen. So gibt es rein mathematisch aufgebaute Bücher und solche, die mit keiner einzi- gen Formel auskommen -und die Disziplin dennoch korrekt darstellen-. Ein Teil der Literatur richtet sich demnach an Mathematiker, die anderen an Betriebs- oder Volkswissenschaftler, Informatiker, Politiker und Sozialwissenschaftler, die- se Aufzählung könnte man beliebig fortsetzen. In der vorliegenden Arbeit wer- den die grundlegenden Aspekte aus dieser vielschichtigen Literaturlage heraus- gearbeitet.

Um dem Leser einen Einblick in diese spannende mathematische Disziplin zu gewähren, werden grundlegende Prinzipien, Ideen und Konzepte der Spieltheorie aufgegriffen und die zentralen Grundbegriffe erläutert.

Im Rahmen dieser Arbeit ist es jedoch nicht möglich eine gesamte Disziplin in all ihren Facetten darzustellen. Folglich werden bestimmte Schwerpunkte gesetzt, die im Aufbau dieser Arbeit deutlich werden.

Das Kapitel 1 behandelt grundlegende, einführende Themen zur Spieltheorie. Es folgt ein geschichtlicher Abriss dieser noch jungen mathematischen Disziplin. In diesem wird die Geschichte der Spieltheorie vorgestellt, wobei die wichtigsten Entwicklungslinien im Vordergrund stehen werden. Anschließend folgen ausge- wählte Kurzbiographien, von Personen, die die Spieltheorie im besonderen Maße geprägt haben.

Die große Bedeutung der Spieltheorie wird deutlich, wenn man sich die Zahl der vergebenen Nobelpreise anguckt: Seit der Vergabe des ersten Preises an ei- ne spieltheoretische Forschung -1994- haben insgesamt 13 Spieltheoretiker einen Nobelpreis erhalten. Grund genug, näher auf diese vergebenen Preise einzuge- hen.

Im Anschluss dessen versucht das Kapitel 1.3, die Anwendbarkeit der Spieltheorie zu legitimieren bzw. kritisch zu hinterfragen. Hierbei werden zuerst vier Theorien zum Realitätsbezug aufgestellt und anschließend die vielseitigen Anwendungsgebiete der Spieltheorie präsentiert.

Zusammenfassend können folgende Leitthemen, die dieses erste Kapitel begleiten, festgehalten werden:

- Was ist grundlegend mit dem Begriff Spieltheorie gemeint?
- Welche Hauptentwicklungslinien prägen diese Disziplin?
- Kann die Spieltheorie wirklich auf reale Sachverhalte angewendet und so- mit soziale Konfliktsituationen mathematisch gelöst werden?

Das Kapitel 2 setzt sich mit den verschiedenen Merkmalen, die ein Spiel ausmachen, auseinander. Es handelt sich dabei um wichtige Charakteristika, die ein konkretes Spiel charakterisieren. Mithilfe dieser Charakteristika wird zusätzlich der Schwerpunkt der Arbeit erörtert.

Mit dem dritten Kapitel beginnt der mathematische Teil dieser Arbeit. Hier gibt es für die Darstellung eines bestimmten Sachverhalts zwei Darstellungsformen: Die Normalform (auch strategische Form) und die Extensivform (auch dynami- sche Form). Da die Lösungskonzepte, die in dieser Arbeit vorgestellt werden, anhand von Spielen in Normalform verständlich erklärt werden können, wird sich diese Arbeit hauptsächlich mit dieser Art von Spielen befassen. Einführend wird in diesem Kapitel eine allgemeine Definition und eine mathe- matische Beschreibung von Normalformspielen vorgestellt. Anschließend wird gezeigt, wie konkrete Spielsituationen in ein mathematisches Modell übertra- gen werden können. Darauf aufbauend werden auserwählte Lösungskonzepte vorgestellt. Die Auswahl der Lösungskonzepte, die für den Umfang dieser Ar- beit notwendig war, ist dabei so durchgeführt worden, dass die grundlegendsten Konzepte, d. h. welche die Basis für die weiteren Lösungskonzepte legen, behandelt werden. Das abschließende vierte Kapitel fasst die wesentlichen Ergebnisse dieser Arbeit zusammen und gibt einen Ausblick auf weiterführende Aspekte der Spieltheorie, welche über die vorgenommenen Auswahl des Inhaltes dieser Arbeit hinausge- hen.

1 Hintergründe der Spieltheorie als wissenschaftliche Disziplin

1.1 Was ist die Spieltheorie?

Die Spieltheorie hat ihren Ursprung i]n der Analyse von Gesellschaftsspielen. Dennoch wird behauptet, dass die moderne Spieltheorie praktisch nichts mit solchen Gesellschaftsspielen zu tun hat (vgl.[17], S. 21). Natürlich können Ge- sellschaftsspiele (sofern sie die nötigen Bedingungen erfüllen) mithilfe der Spiel- theorie analysiert werden und auch in dieser Arbeit werden Gesellschaftsspiele als Beispiele herangezogen, da diese sich hervorragend eignen, um die Fragestel- lungen und Methoden der Spieltheorie anschaulich darzustellen.

Aber die wissenschaftliche Relevanz ist nicht in diesem Thema begründet. So waren z. B. die Arbeiten von Neumann, der mit seiner formalen Analyse von Gesellschaftsspielen einen Grundstein legte (vgl. Kapitel 1.2.1), sehr abstrakt und rein mathematisch. Die Gesellschaftsspiele dienen lediglich, wie es Rieck nennt als „cover-story“ (vgl.[17], S. 21), da sich viele Erkenntnisse an Gesellschaftsspielen verdeutlichen lassen.

Manche Termini wie z. B. Spiel sind jedoch darauf zurückzuführen, da vor allem die ersten spieltheoretischen Untersuchungen auf Gesellschaftsspiele bezogen waren (vgl.[17], S. 21).

In diesem Zusammenhang muss erwähnt, dass die Spieltheorie eine Wissenschaft ist, die eher aus dem englischen Sprachgebrauch kommt und dort mit „ Game Theory “ beschrieben wird. Der Begriff „ Game “ ist weniger vieldeutig als der deutsche Begriff „ Spiel “. „ Game “ deutet eher auf das strategische Spiel1 hin (vgl.[19], S. 25).

Ein Spiel kann als mathematisches Modell für eine Konfliktsituation beschrie- ben werden. Die Spieltheorie beschäftigt sich mit der Analyse und der Lösung solcher Modelle, wobei sie sich auf sogenannte strategische Spiele beschränkt, bei denen der Ausgang auch von anderen Mitspielern abhängt. Will man ein Ziel der Spieltheorie definieren, dann verfolgt die Spieltheorie allgemein das Ziel Vorhersagen, Erklärungen, Untersuchungen, Beschreibungen und Anweisungen für Spiele zu liefern. Komplexe Zusammenhänge lassen sich oft mit Hilfe von vereinfachten, mathematischen Modellen darstellen (vgl.[3], S. 511f).

Die Spieltheorie kann folglich als die Mathematik der sozialen Interaktion beschrieben werden, bei der strategisches Handeln in sozialen Interaktionen im Vordergrund steht (vgl.[7], S. 10ff.). Der Nutzen liegt dabei zum einen in den quantitativen Empfehlungen der Spieltheorie, vor allem aber können derartige Konfliktsituationen durch eine systematisierte und formalisierte Herangehensweise verständlich dargestellt werden (vgl.[3], S. 512).

Rieck fasst den Gegenstandsbereich der Spieltheorie sehr prägnant zusammen:

„Gegenstand der Spieltheorie sind Entscheidungssituationen, in de- nen das Ergebnis für einen Entscheider nicht nur von seinen eigenen Entscheidungen abhängt, sondern auch von dem Verhalten anderer Entscheider.

Spieltheorie ist also eine Theorie sozialer Interaktion ([17], S. 21).“

1.2 Der Werdegang einer jungen Disziplin

1.2.1 Die Geschichte der Spieltheorie

Im Schriftwechsel von Bernoulli und Montmort aus dem Jahr 1713 ist scheinbar die älteste wissenschaftliche Abhandlung über „Spiele“ zu finden. Die ersten for- malen spieltheoretischen Grundlagen, die vor allem aus der wirtschaftlichen Per- spektive von großer Bedeutung waren, gehen auf Antoine Corunot 1838 zurück (vgl.[20], S. 1). Auch Ernst Zermelo und Emile Borel haben spieltheoretische Analysen betrieben. In dem Artikel „Über eine Anwendung der Mengenlehre auf die Theorie des Schachspiels“ von 1913 hat Zermelo bewiesen, dass es bei einer bestimmten Art von Spielen (die sogenannte Nullsummenspiele, vgl. Ka- pitel 2.3) mit endlicher Zahl von Strategien und perfekter Information nur eine optimale Strategie gibt. Dame, Schach, Mühle wären typische Beispiele derartiger Spiele. Bis heute wurde allerdings nicht herausgefunden, wie die jeweilige optimale Strategie hierfür aussieht (vgl[7], S. 4f).

Ende der 20er Jahre entwickelte John von Neumann in dem Buch „Theory of parlor Games“ eine formale Analyse von Gesellschaftsspielen und wandte diese Erkenntnisse später auf wirtschaftliche Fragestellungen an (vgl[23], S. 4f). Die Geschichte der Spieltheorie als wissenschaftlich-mathematische Disziplin be- ginnt schließlich 1944 mit dem Buch „Theory of Games and Economic Behavior“ von Oskar Morgenstern und John von Neumann. Drei Anforderungen bzw. Ziele liegen dem Buch zugrunde, welche die Autoren als Forderungen in der Einlei- tung deutlich machen.

1. Die Mathematisierung der Wirtschaftswissenschaften: Die wirtschaftli- chen Empfehlungen und Analysen sollten hierbei theoretischen Konstruk- ten zu Grunde liegen, wobei die Autoren besonders den geringen Stand der Formalisierung ökonomischer Theorien, beklagten. Eine theoretische Basis sollte diesbezüglich geschaffen werden.
2. Die Modernisierung der Mathematik: Aus der neuen Disziplin der Spiel- theorie sollten neue Teilgebiete der Mathematik entstehen. Allerdings hat sich diese Vermutung bis heute nicht in dem Maße bestätigt.
3. Das Einbeziehen vom strategischen Kalkül: Ein radikal neuer Denkan- satz der beiden Autoren war das strategische Kalkül2. Optimierungskal- küle waren vor der Publikation nur in den ökonomischen Theorien vorherr- schend. Die Forderung das sog. strategische Kalkül in den Vordergrund zu stellen, wurde dadurch begründet, dass ökonomische Probleme auch strategische Probleme sind, in denen immer mehrere Akteure Einfluss auf eine Entscheidung haben und diese sich gegenseitig beeinflussen (vgl.[2], S. 1ff).

Das Buch von Morgenstern und Neumann legte also den Grundstein der heutigen Spieltheorie, die durch viele Aspekte, Terminologien und Problemstellungen, die die Autoren entwickelten, geprägt ist und somit die Spieltheorie bis in die Gegenwart prägt.

Nachdem man also die Geburtsstunde der Spieltheorie mit der Veröffentlichung des Buches von Morgenstern und Neumann einher geht, hat sich die Spieltheo- rie stetig weiterentwickelt. Berninghaus u. a.[1] teilen diese Entwicklung in drei Phasen ein:

- Die erste Phase, die gleich nach dem Erscheinen des Buches „Theory of Games and Economic Behavior“ ansetzt und bis in die Mitte der 1950er Jahre reicht, ist durch ein starkes Interesse an der Spieltheorie gekenn- zeichnet. Im Mittelpunkt standen dabei die Normalformspiele, die Null- summenspiele sowie die Extensivformspiele3. Diese Phase wurde vor allem durch die Spieltheoretiker Lloyd Shaply, Harald Kuhn und John Nash ge- prägt (vgl.[1], S. 3f). In den Jahren 1950-1960 fanden die Ideen der Spieltheorie Einzug in die Politik, unter anderem auch in der militärischen Kriegsführung. Vor allem im kalten Krieg wurden die Strategien mit der Unterstützung von spiel- theoretischen Überlegungen festgelegt (vgl.[23], S. 4). Mehr zu diesen und anderen Anwendungsgebieten werden im Kapitel 1.3.2 näher behandelt.
- Die zweite „Blütezeit“ der Spieltheorie begann zu Beginn der 1960er Jahre. Im Mittelpunkt stand dabei die kooperative Spieltheorie, die vor allem durch Herbert Scarf und Robert Aumann weitergebracht worden ist.
- Mitte der 1970er Jahre ließ das Interesse an der Spieltheorie kurz nach. Es lassen sich, im Gegensatz zu den Jahren davor, keine eindeutigen Entwick- lungsphasen abgrenzen. Diese dritte Phase wird durch zwei Entwicklungen geprägt, die nahezu gleichzeitig verliefen und bis in die Gegenwart reichen. Auf der einen Seite rückten die Extensivformspiele erneut in den Vorder- grund. Hier ist vor allem der Name Reinhard Selten zu erwähnen, denn das verstärkte Interesse an der Spieltheorie ist nicht zuletzt durch seine Arbei- ten entstanden. Ebenfalls sollte man die Arbeiten von Harsanyi, Kreps, Wilson, Milgrom und Roberts im Zuge dieser Phase erwähnen. Insbe- sondere in der Industrieökonomik fanden die spieltheoretischen Konzepte großen Nutzen (vgl.[1], S. 3ff). Auf der anderen Seite fand die Spieltheorie ab den 1970er Jahren vermehrt Anwendung in anderen Bereichen und entdeckte sich in einer gänzlich an- deren Perspektive. So wuchs das Interesse an der Spieltheorie z. B. in der Soziologie, Psychologie und auch in der Biologie (vgl.[23], S. 4f). Aus der Biologen entwickelte sich in den 1980er Jahren die sogenannte evolutionäre Spieltheorie. Hier wurden spieltheoretische Ansätze für biologische Phänomene, wie z. B. der Partnerwahl oder auch Revierkämpfe in Tierpopulationen, angewandt (vgl.[1], S. 6f).

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Entwicklung der Spieltheorie eine span- nende Erfolgsgeschichte ist. Berninghaus u. a. stellen fest, dass sie sich von einem „Teilgebiet der angewandten Mathematik zu einem mächtigen methodi- schen Werkzeugkasten für die gesamte ökonomische Theorie wie auch darüber hinaus für andere Sozialwissenschaften entwickelt“ ([1], S. 7) hat. Die Entwicklung der Spieltheorie, die ihren Anwendungsursprung in der Anwen- dung in den Wirtschaftswissenschaften hat, ist jedoch noch lange nicht ausge- schöpft. Die Spieltheorie eignet sich hervorragend dazu, jeder Art von sozialen Konfliktsituationen zu untersuchen und hat so schon heute den Weg in viele unterschiedliche Bereiche gefunden (vgl. Kapitel 1.3.2).

1.2.2 Ausgewählte (Kurz-) Biographien

In diesem Kapitel werden fünf der wichtigsten Spieltheoretiker hinsichtlich ihrer Biographie und ihren Arbeiten vorgestellt. Auch wenn es mit Sicherheit mehr Spieltheoretiker gibt, die in diesem Kontext näher vorgestellt werden sollten (einige wurden im Kapitel 1.2.1 auch schon erwähnt), wird sich dieses Kapitel auf folgende Personen beschränken:

- John von Neumann und Oskar Morgenstern, da sie das Zeitalter der (mo- dernen) Spieltheorie mit ihrer bahnbrechenden Publikation „Theory of Ga- mes and Economic Behavior“ einleiteten.
- John F. Nash, John Harsanyi und Reinhard Selten, da sie mit ihren For- schungen die Spieltheorie grundlegend geprägt haben und zudem den ers- ten (Wirtschafts-) Nobelpreis für spieltheoretische Arbeiten verliehen be- kamen.

John von Neumann ist 1903 in Budapest geboren. Er studierte in Berlin und Zürich Chemie und erhielt 1926 sein Diplom. In diesem Jahr promovierte Neumann in seiner Geburtsstadt mit einer Arbeit über die Mengenlehre. Nach Zwischenstationen in Berlin und Hamburg übernahm er 1933 an der Princeton

University eine Professur für Mathematik an dem Institute for Advanced Stu- dies.

John von Neumann hat vor allem bedeutende Leistungen in der Physik, der Computer-Architektur und in dem Gebiet der reinen Mathematik erbracht und legte mit den Werken „Theory of parlor Games“ und zusammen mit Oskar Mor- genstern „Theory of Games and Economic Behavior“ den Grundstein für die moderne Spieltheorie.

1957 verstarb Neumann mit 53 Jahren in Washington, D. C. an einem Krebsleiden (vgl.[20], S. 3).

Oskar Morgenstern ist 1902 in Görlitz geboren und arbeitete als Ökonom an der Universität in Wien (1929 - 1938), an der Princeton University (1938 - 1970) und an der New York University (1970 - 1977). Morgenstern wie auch Neumann hatten als Berater der US-Regierung großen Einfluss. 1977 verstarb Morgenstern in Princeton (vgl.[20], S. 3).

John Nash ist 1928 in Bluefield, Virginia geboren. Nash promovierte nach dem Mathematikstudium an der Princeton University. Er galt als ein vielseitig und überaus begabter Mathematiker. 1959 erkrankte Nash an Schizophrenie, konnte die Krankheit aber Mitte der 1980er Jahre besiegen. Seine spannende Lebensgeschichte wurde in dem Oscar prämierten Film „A Beautiful Mind“ im Jahr 2001, verfilmt. Nash war bei der Produktion des Films selbst als Berater tätig (vgl.[20], S. 2).

Nashs wichtigste Beiträge sind u. a.: Die Formulierung des Nash-Gleichgewicht (eine Ausführliche Behandlung des Themas erfolgt in Kapitel 3.3) und die Nash- Verhandlungslösung, die u. a. beschreibt, wie Verhandlungspartner einen ge- meinsam erwirtschafteten Mehrgewinn aufteilen können. Darüber hinaus prägte Nash die Unterscheidung von kooperativer und nichtkooperativer Spieltheorie. Bemerkenswert ist auch die Dissertation von Nash4, die lediglich aus 32 Seiten bestand, handgeschriebenen Formeln und nur einem Anwendungsbeispiel: Das Spiel Poker. Trotzdem gilt die Arbeit als bahnbrechend. Historisch betrachtet, kann man durchaus behaupten, dass Nash den Grundstein für die Anwendung der Spieltheorie auf realwissenschaftliche Sachverhalte gelegt hat (vgl.[18] ).

Reinhard Selten ist ist 1930 in Breslau (Heute: Wroclaw) geboren. Er wuchs als Halbjude während der Nazi-Diktatur auf, diese Erfahrungen prägen sein ge- samtes Leben.

Selten studierte in Frankfurt und verfasste seine Magisterarbeit über ein Thema aus der kooperativen Spieltheorie.

Er arbeitete als Professor an der Freien Universität Berlin sowie an der Universität Bielefeld. 1984 folgte die Berufung auf den Lehrstuhl für wirtschaftliche Staatswissenschaften an die Universität Bonn. 1994 bekam er als erster Deutscher den Nobelpreis für Ökonomie verliehen.

Selten gilt heute noch als einer der innovativsten Forscher der Spieltheorie und ist zudem für seine Interdisziplinarität bekannt, da er zahlreiche Arbeiten auf unterschiedlichen Gebieten, z. B. der Politologie, Biologie oder auch Psychologie, verfasste (vgl.[15], S. 21).

John Harsanyi ist 1920 in Budapest geboren und studierte in Australien sowie an der Universität Stanford Ökonomie. Er war Professor an der Wayne State Universität in Detroit und ab 1964 in Berkeley an der University of California. Zwei der bedeutendsten Forschungsgebiete, in denen er tätig war, beruhen auf der Spieltheorie. Zum einen sind die Verhandlungstheorien zu nennen, zum anderen die nutzentheoretisch begründbare Ethik. Harsanyi verstarb im Jahre 2000 in Berkeley/Kalifornien (vgl.[15], S. 22).

1.2.3 Nobelpreise für spieltheoretische Arbeiten

Der Nobelpreis ist einer der höchsten Ehrungen in der Wissenschaft, er geht auf das Testament von Alfred Nobel (1833-1896) zurück. Der Preis wird verliehen an Forschungen aus den Bereichen Chemie, Frieden, Literatur, Medizin, Physik und Wirtschaft. Insgesamt fünf Nobelpreise gingen bis heute an spieltheoretische Arbeiten, wobei die Spieltheoretiker allesamt einen Nobelpreis für Wirtschafts- wissenschaften erhalten, da die Mathematik hier keine eigene Kategorie hat5. Zum einen ist es erstaunlich, dass ungeachtet dessen, so viele spieltheoretische Arbeiten eine Ehrung erhalten haben, zum anderen macht es die herausragende Bedeutung der Disziplin für die Wirtschaftswissenschaften deutlich.

Tabelle 1.1 gibt eine Übersicht der verliehenen Nobelpreise an spieltheoretische Arbeiten sowie die offizielle Begründung des Committees. Die Tabelle ist mit

Hilfe der Daten von Diekmann (vgl.[7], S. 19), der offiziellen Internetpräsenz von dem Nobelpreis14 und dem deutschen Pendant, zusammengestellt wor- den.

Auch wenn die ausgezeichneten Theorien nicht in Kürze vollständig erklärt werden können, wird im Folgenden versucht, die Kernideen und Grundgedanken der Theorien kurz zu erläutern.

Der erste vergebene Preis ging zu gleichen Teilen 1994 an die Spieltheoretiker John Nash, Reinhard Selten und John Harsanyi. Die drei Mathematiker erhielten den Nobelpreis für ihre Grundlagenforschung im Bereich der nichtkooperativen Spieltheorie. Hierbei ging es hauptsächlich um die Analyse von Gleichgewichten. Nash hat dabei die Grundlage für die Arbeiten von Harsanyi und Selten gelegt (vgl.[19], S. 32).

Das Nash Gleichgewicht gilt als ein Kernpunkt der Spieltheorie, Rieck stellt dazu fest, dass es „eine der genialsten Entdeckungen in den Sozialwissenschaf- ten“ ist. Es gilt als eines der wichtigsten und universellsten Konzepte in dem gesamten Bereich der Spieltheorie (vgl.[17], S. 33). Das Kapitel 3.3 beschäftigt sich sehr ausführlich mit diesen Konzept, weshalb es an dieser Stelle nicht näher erläutert wird.

Die Arbeiten von Selten und Harsanyi bauten auf den Ideen von Nash auf und verfeinerten bzw. ergänzten das Nash Gleichgewicht.

Auf der Tatsache beruhend, dass es in manchen Situationen mehrere Nash Gleichgewichte geben kann, fand Selten verschiedenen Methoden heraus, um eine Selektion bzw. Verfeinerung dieser Gleichgewichte zu erlauben (z. B. durch die Arbeit zum „perfekten Gleichgewichtspunkt“. Selten hat hierfür ein Konzept entwickelt, das sogenannte „Teilspiel perfekte Gleichgewicht“, für das er unter anderen die Auszeichnung bekam.

Harsanyi hat sich besonders mit dem Aspekt der unvollständigen Informationen beschäftigt und hat gezeigt, wie Spiele mit unvollständigen Informationen untersucht werden können. Diese Theorie hat eine große Bedeutung, da im Wirtschaftsgeschehen praktisch immer Situationen mit unvollständigen Informationen vorherrschen (vgl.[19], S. 31).

Sieben Jahre später, im Jahr 2001, wurden George A. Akerlof, Michael Spence, Joseph E. Stiglitz6 für ihre Arbeiten über asymmetrische Informationen (vgl. Kapitel 2.5) ausgezeichnet. Asymmetrische Informationen sind auf fast allen Märkten die Regel und sie liegen dann vor, wenn Informationen ungleich verteilt sind. Ein Beispiel hierfür ist der Verkauf von Gebrauchtwagen, bei dem der Verkäufer mehr über den Wagen weiß als der Käufer.

Die drei amerikanischen Forscher hatten dabei unabhängig voneinander Analysen von ungleichen Informationsverteilungen durchgeführt und Schlussfolgerungen für das Funktionieren von Märkten ziehen können.

Sie gelten damit als Pioniere von den allgemein anerkannten Marktanalysen, da die Formen, Ursachen und Folgen die die Forscher herausarbeiteten revolutionär für die Wirtschaftstheorien waren (vgl.[21], S. 70f).

Im Jahr 2002 wurde der Nobelpreis an Daniel Kahnemann, für psychologischökonomische Entscheidungsforschung und Vernon L. Smith, für experimentelle Wirtschaftsordnung, verliehen.

Kahnemann beschäftigte sich mit der Frage, wie man riskante (wirtschaftliche) Entscheidungen, wie z. B. Aktienkäufe, erklären kann. Mit seinen Arbeiten bahnte er den Weg für die Verhaltensökonomie.

Vernon L. Smith erfand Methoden, die den Standard für Laborexperimente in den Wirtschaftswissenschaften legten. Durch seine Arbeiten können volkswirt- schaftliche Situationen, wie das Verhalten eines Autos im Windkanal, simuliert werden (vgl.[5] ).

Robert J. Aumann erhielt im Jahre 2005 den Preis für seine Forschungen vor allem über wiederholte Spiele und Thomas C. Schelling u. a. für Arbeiten über die Rolle von Selbstbindungen bei der Lösung von Konflikten (vgl.[7], S. 19). Trotz gemeinsamen Rahmenthemas - der Analyse von Konflikt und Koopera- tion - unterscheiden sich beide Forscher hinsichtlich ihrer Herangehensweisen. Während Schellings Ansatz eher ökonomischer Natur ist, ist der von Aumann ein mathematischer.

Wiederholte Spiele standen im Focus der Ideen von Neumann, welche sich dadurch auszeichnen, dass dieselben Akteure mehrmals miteinander interagieren können (vgl. dazu Kapitel 2.4).

Schelling hingegen untersuchte u. a. die Wirkung von Selbstbindung: Unter Selbstbindung versteht man einen strategischen Zug, mit dem sich ein Akteur über eine längere Zeit an eine bestimmte Aktion bindet. Ein Akteur legt sich quasi auf eine Strategie fest, die er nicht mehr zurücknehmen kann, so dass es zu einer absichtlichen Verringerung der eigenen strategischen Möglichkeit kommt. Ein Beispiel von Schelling beschreibt einen General, der die Brücken der Rück- zugswege seiner Armee sprengen lässt, um ein hohes Maß an Selbstbindung zu ndemonstrieren. Schelling stellte fest, dass eine größere Selbstanbindung zu einer größeren Chance der Durchsetzung des vorteilhaften Gleichgewichts führt (vgl.[13], S. 802ff).

[...]


1 Glückspiele werden in der Regel mit dem englischen Wort „ gamble “ und Kinderspiele mit dem Wort „ play “ beschrieben.

2 Ein Kalkül bezeichnet eine „durch System von Regeln festgelegte Methode, mit deren Hilfe bestimmte mathematische Probleme systematisch behandelt [. . . ] werden können ([8], S. 498).“

3 Die Fachbegriffe werden an späterer Stelle näher erläutert.

4 Diese Dissertation kann man online finden unter: http://www.princeton.edu/mudd/news/ faq/topics/Non-Cooperative_Games_Nash.pdf

5 Verschiedene Anekdoten versuchen zu ergründen, warum es keinen Preis für die Mathematik gibt. Keine ist wirklich historisch bestätigt. Ein vergleichbare, ebenfalls sehr bedeutsame Auszeichnung für Mathematiker ist die „Fields-Medaille“.

6 Stiglitz war bis 1998 Chefvolkswirt der Weltbank und ökonomischer Cheberater von Präsident Clinton.

Ende der Leseprobe aus 62 Seiten

Details

Titel
Einführung in die Spieltheorie
Hochschule
Universität Vechta; früher Hochschule Vechta  (Institut für Didaktik der Naturwissenschaften, der Mathematik und des Sachunterrichts (IfD))
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
62
Katalognummer
V167888
ISBN (eBook)
9783640848065
ISBN (Buch)
9783640843589
Dateigröße
842 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Spieltheorie, John Nash, Kooperative Spiele, Nichkooperative Spiele, Spiele in Normalform, Nullsummenspiele, Modellierung von Spielsituationen, Die Maximinlösung, Nash-Gleichgewicht in gemischten Strategien, Nash-Gleichgewich, Gleichgewicht in dominanten Strategien
Arbeit zitieren
Holger Müller (Autor:in), 2009, Einführung in die Spieltheorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/167888

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