Energetische Rohstoffe als Anlageklasse


Diplomarbeit, 2010

100 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Abbildungsverzeichnis

II. Tabellenverzeichnis

III. Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Energetische Rohstoffe
2.1. Einführung in die Entstehung und Arten von Erdöl
2.1.1. Märkte und Anlagemöglichkeiten für Erdöl
2.1.2. Der physische Markt
2.1.3. Der derivative Markt
2.2. Einführung in die Entstehung und Arten von Erdgas
2.2.1. Märkte und Anlagemöglichkeiten für Erdgas
2.2.2. Der physische Markt
2.2.3. Der derivative Markt
2.3. Einführung in die Entstehung und Arten von Kohle
2.3.1. Märkte und Anlagemöglichkeiten
2.3.2. Der physische Markt
2.3.3. Der derivative Markt
2.4. Einführung in die Entstehung und Arten von Uran
2.4.1. Märkte und Anlagemöglichkeiten
2.4.2. Der physische Handel
2.4.3. Der derivative Markt

3. Marktteilnehmer
3.1. Arbitrageure
3.2. Hedger
3.3. Spekulanten
3.4. Institutionelle Marktteilnehmer
3.4.1. Kartelle
3.4.2. Investmentbanken
3.5. Staaten
3.5.1. Versorgungsrisiko Erdöl/Erdgas
3.5.2. Versorgungsrisiko Kohle
3.5.3. Versorgungsrisiko Uran
3.5.4. China
3.5.5. Afrika

4. Untersuchungen zum Verhalten der Energierohstoffe
4.1. Preisentwicklungen allgemein
4.1.1. Ölpreisnotierungen
4.1.2. Gaspreisnotierungen
4.1.3. Kohlepreisnotierungen
4.1.4. Uranpreisnotierungen
4.2. Krisen
4.3. Sektorspezifische Preisspitzen
4.3.1. Kohle-Spitze
4.3.2. Gas-Spitze
4.3.3. Uran-Spitze
4.3.4. Öl-Spitze
4.4. Allgemeine Korrelationen der Energierohstoffe
4.4.1. Korrelationen zwischen Aktien und Energierohstoffen
4.4.2. Auffällige Vormonatsrenditen
4.4.3. Konjunkturdaten
4.5. Spezifische Korrelationen der Energierohstoffe
4.5.1. Spezifische Korrelationen Erdöl
4.5.2. Spezifische Korrelationen Erdgas
4.5.3. Spezifische Korrelationen Kohle
4.5.4. Spezifische Korrelationen Uran

5. Ausblick und Fazit

A. Anhang

6. Literaturverzeichnis

I. Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Verhältnis Ölpreis/Lagerbestände

Abbildung 2: Verhältnis Gaspreis/Lagerbestände

Abbildung 3: Strategische Ellipse von Erdöl und Erdgas

Abbildung 4: Gaspreisentwicklung Gasstreit Ukraine gegen Russland

Abbildung 5: Weltmarktpreise für Kohle nach Chinas Rekordimporten

Abbildung 6: Vergleich der Energieperformance in Krisenzeiten

Abbildung 7: Renditevergleich Aktien vs. Energierohstoffe vs. Inflation

Abbildung 8: Renditevergleich Rezessionen und Aufschwünge

Abbildung 9: Performance Öl vs. Gold

Abbildung 10: Performancevergleich Öl vs. Wechselkurs

Abbildung 11: Korrelationen Erdgas vs. Öl in verschiedenen Märkten

Abbildung 12: Referenzöle

Abbildung 13: Referenzgase

Abbildung 14: Überblick über den Kohlemarkt

Abbildung 15: Referenzkohle

Abbildung 16: Funktionsweise eines Clearinghouse

Abbildung 17: Funktionsweise eines Swaps

Abbildung 18: Preisgraphik

Abbildung 19: Preisspitzen

II. Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Krisenrenditen

Tabelle 2: Preise der Energierohstoffe im Vergleich zu wirtschaftlichen Faktoren

Tabelle 3: Renditen der Energierohstoffe im Vergleich zu wirtschaftlichen Faktoren

Tabelle 4: Lagerbestände Gas und Öl

Tabelle 5: Allgemeine Korrelationstabelle

Tabelle 6: Korrelationstabelle während der Wirtschaftskrise

Tabelle 7: Rendite in auffälligen Aktienmonaten

Tabelle 8: Auffällige Vormonatsrenditen

III. Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Im Sommer 2008 verzeichnete der börsennotierte Preis für Rohöl mit 130 US-Dollar pro Barrel ein Allzeithoch. In Deutschland stiegen daraufhin folgerichtig die Literpreise für Ben- zin erstmals über 1,50€ und lösten eine bundesweite Debatte über die Rohstoffpolitik der OPEC und der Benzinproduzenten aus. Zeitgleich verteuerten sich auch die Heizkosten von Erdgas und Steinkohle für den kommenden Winter bedeutend. Zwar hatte sich die Energiede- batte schon seit Jahren immer mehr vom nationalen Interesse zum international essentiellen Diskussionspunkt gewandelt, doch die jahrelang schwelende Diskussion über endliche Ener- gieressourcen und ihre zwangsläufig steigenden Preise drang erst mit der akuten Selbstbetrof- fenheit auch zum Endverbraucher durch.

Nährstoff für die These der anhaltenden Energierohstoffhausse geben u.a. die Invest- mentbanken, die dem Rohstoffmarkt weiterhin steigende Preise prognostizieren und einen finanziellen Einstieg in den Energiesektor für rentabel halten. Doch wie bestimmen sich diese Preise wirklich und wer hat Einfluss darauf? Werden die Rohstoffpreise fremdbestimmt oder generieren sie sich in einem kompetitiven Markt über die Fundamentaldaten aus Angebot und Nachfrage?

Es existieren bereits viele Studien, die die einzelnen Rohstoffmärkte separat beleuchten, doch wird darauf aufbauend in dieser Arbeit eine Verknüpfung der wichtigsten Energieroh- stoffmärkte unternommen, um Interdependenzen aufzuzeigen und die Risikoprofile der Anla- gen zu schärfen. Hierzu wird das Hauptaugenmerk dieser Arbeit auf den fossilen (Erdgas, Erdöl, Kohle) und nuklearen (Uran) Energieträgern liegen. Sie versorgen die Menschheit seit Jahrzehnten mit Energie und sind durch ihre Endlichkeit ein interessantes Anlageziel für viele Arten von Anlegern. Der Fokus wird hierbei auf die Makroebene und die großen Interessen- gruppen für Energie gelegt.

Die Arbeit unterteilt sich in drei Schwerpunkte. Anfangs wird in die Märkte und Anlagemöglichkeiten der vier genannten Energieträger eingeführt, um einen Überblick über das Spektrum und die Verschiedenartigkeit der Märkte zu geben. Anschließend wird auf die Marktteilnehmer abgestellt, um zu zeigen, inwiefern bestimmte Interessengruppen Marktmacht bezüglich der Preise ausüben können und in welcher Weise das geschehen kann. Zuletzt wird anhand einer Reihe von Untersuchungen aufgezeigt, wie sich die energetischen Rohstoffe in ihrem eigenen Anlage- und Marktumfeld verhalten bzw. wie sich Schwankungen an anderen Märkten auf sie auswirken. Dadurch können idealerweise bestimmte Verhaltensmuster skizziert werden, die es den Anlegern möglich machen, die hohe Volatilität dieses Sektors besser einzuschätzen und das Risiko zu minimieren.

Den Untersuchungen liegen die monatlichen Spotmarktpreise des Crude Oil Sorte West Texas Intermediate (WTI), Natural Gas vom Henry Hub, jährliche Kohlenotierungen der US Central Appalachian Coal (CAPP) zugrunde sowie die monatlichen Uranpreise, wie sie von der Ux Consulting publiziert wurden.1 All diese Märkte liegen, der Vergleichbarkeit, Größe und Einflussnahme auf die Weltmärkte Rechnung getragen, in den USA und haben eine große Akzeptanz und/oder Benchmark-Funktion für andere Märkte. Zudem werden Derivate auf alle genannten Notierungen an der größten Rohstoffbörse NYMEX gehandelt, welche ebenfalls Gegenstand der hier getätigten Untersuchungen darstellen. Die Reichweite der erfassten Daten umfasst den Zeitraum der zwei Dekaden von 1991 - 2010.

2. Energetische Rohstoffe

Unter den Begriff der energetischen Rohstoffe werden jene zusammengefasst, die in der Produktionskette für Energie an erster Stelle stehen und selbst mit Energie beladen sind. Hierbei unterscheidet man die sogenannten Primärenergieträger in zwei Hauptkategorien: die fossilen (Erdöl, Erdgas, Kohle) und die nuklearen (Uran) Rohstoffe. In diesem Kapitel wird einführend auf ihre verschiedenen Märkte und deren Anlagemöglichkeiten eingegangen. Dies geschieht, um Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede in Struktur, Größe und Wichtigkeit dar- zustellen, woraus sich eine Informationsbasis für die nachfolgenden Kapitel ergibt. Des Wei- teren lassen sich bereits bei der einleitenden Betrachtung der Märkte erste Rückschlüsse auf das Marktverhalten der Rohstoffe ziehen, die später eingehender untersucht werden. Zur bes- seren Vergleichbarkeit ist jeder Rohstoffabschnitt gleich aufgebaut: nach einer kurzen Einfüh- rung in die Grundlagen des Energierohstoffes und seine Zusammensetzung folgt ein Über- blick über die handelnden Märkte, die ihrerseits in den physischen und derivativen Handel aufgespalten werden.

2.1. Einführung in die Entstehung und Arten von Erdöl

Bei Erdöl handelt es sich um einen fossilen Rohstoff, der aus Biomasse entstanden ist. Aus abgestorbenen Meeresorganismen, auf denen sich Sedimentschichten abgelagert haben, bildet sich durch chemische Prozesse, Druck und Temperatureinflüsse der Energieträger Erd- öl. Erdöl besteht zu ca. 85 % aus Kohlenstoff und ca. 12 % aus Wasserstoff.2 Durch die unter- schiedlichen geographischen Gegebenheiten in der Entstehungsphase des Erdöls sammeln sich auch Spuren von anderen Elementen3 im Erdöl an und geben diesem eine einzigartige Charakteristik. Unterteilt werden diese Rohöle dann in „schwer, mittel und leicht“ sowie „süß und sauer“, je nach chemischer Zusammensetzung. Leichte Öle haben den Vorteil einer höheren Viskosität und geringeren Dichte, was u.a. die Benzinherstellung erleichtert. Süße Öle haben einen niedrigeren Schwefelgehalt als ihre sauren Pendants und lassen sich dadurch kostengünstiger verarbeiten. Daher ist die Nachfrage nach leichten und süßen Ölen höher, was sich in einem höheren Preis niederschlägt.4

2.1.1. Märkte und Anlagemöglichkeiten für Erdöl

Erdöl repräsentiert mit dem heute größten Anteil von 34 %5 am weltweiten Energiever- brauch den wichtigsten Primärenergieträger. Aufgrund der vielseitigen Möglichkeiten des Einsatzes wird Öl in fast allen wichtigen Industriezweigen benötigt, dabei repräsentiert die energetische Nutzung die wichtigste Funktion für die Wirtschaft. Auf dem Weltmarkt für Öl eröffnen sich zwei grundlegende Wege, um an der Preisentwicklung des Rohstoffes teilzuha- ben: dem physischen Handel, dessen Ziel die Lieferung und Übergabe des Öls ist sowie dem Papierhandel. Im Folgenden wird über beide Anlagemöglichkeiten ein Überblick gegeben.

Um eine bessere Orientierung am breit gestreuten Markt für Rohöl durchsetzen zu kön- nen, haben sich zwei Referenzsorten durchgesetzt, die sich durch ihre qualitative Homogeni- tät, hohe Marktakzeptanz und langfristige Verfügbarkeit auszeichnen.6 Hierbei handelt es sich um das in den USA geförderte WTI und das in der Nordsee vorkommende Brent Crude Oil. An deren Verhalten orientiert sich der Preis für alle anderen gehandelten Öle in Form von Preisdifferentialen. Die Preisunterschiede für die beiden Referenzöle lagen im Zeitraum von 1976 - 2006 bei höchstens 5 %.7 Eine kurze Gegenüberstellung dieser beiden Öle findet sich im Anhang in Abbildung 12. Im Folgenden werden alle Untersuchungen und Feststellungen auf Basis der Daten des WTI getroffen, da der zugrunde liegende wichtigste Börsenplatz in den USA zu finden ist und alle Notierungen für gehandelte Energie unabhängig vom Han- delsplatz in US-Dollar gehalten werden, um Umrechnungskosten zu vermeiden. Zudem ist der WTI-NYMEX-Future der am meisten gehandelte Rohstoff-Future der Welt.8

2.1.2. Der physische Markt

Die ursprüngliche und auch weiterhin gebräuchlichste Art des Ölhandels spielt sich zwischen Lieferant und Abnehmer ab, welche über Verträge eine Lieferbeziehung aufbauen und an deren Ende Übergabe und Abnahme des Rohstoffes stehen. Der Anteil solcher Verträge, die nicht an die Börse gelangen, wird auf 60 % des Gesamtvolumens geschätzt.9

Am Terminmarkt werden langfristige Kontrakte abgeschlossen, deren Ziel es ist, sich gegen das Preisrisiko abzusichern und eine sichere Kalkulationsbasis zu schaffen. Die Vertragsmerkmale umfassen zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses alle von den Vertragspartnern frei verhandelten Konditionen für eine zukünftige Lieferung (Menge, Preis, Lieferdatum, Laufzeit). Termingeschäfte oder Forwards werden im Allgemeinen im Over-the-Counter (OTC)10 -Handel abgeschlossen.11

Neben der fixen Absicherung gegen das Preisrisiko durch den Terminhandel existiert noch die Möglichkeit der Durchführung eines Optionsgeschäftes. Optionen können weder den Derivaten noch dem physischen Handel eindeutig zugeordnet werden. Mit dem Kauf einer Option wird durch Zahlung einer Optionsprämie das Recht erworben, zu einem festgelegten Zeitpunkt das Rohöl entweder zu einem bestimmten Strike12 abnehmen (Call) oder liefern (Put) zu dürfen. Die zu zahlende Prämie richtet sich nach der zu erwartenden Marktvolatilität, der Laufzeit und der Höhe des Strikes. Eine Option hat also einen Versicherungscharakter. Nachteil an dieser Art der Marktpartizipation ist die ungleiche Risikoverteilung. Während der Käufer durch das gekaufte Wahlrecht der Ausübung der Option höchstens die eingesetzte Optionsprämie verlieren kann, trägt der Verkäufer das gesamte Preisrisiko, bei einem maxi- mal zu erwirtschaftenden Gewinn in Höhe der erhaltenen Prämie.13

Der Spotmarkt eröffnet den Marktteilnehmern den kurzfristigen Bezug (Lieferung zu- meist innerhalb von zwei Wochen) von Rohöl und damit den Ausgleich von etwaigen Eng- pässen oder Überdeckungen.14 Für Europa basiert der Spotmarkt insbesondere auf den Fun- damentaldaten des Handelsraums Amsterdam-Rotterdam-Antwerpen (ARA) und ist dement- sprechend nicht zwingend an einen Ort gebunden, sondern dort zu finden, wo aufgrund der Infrastruktur (Raffinerien, Lagermöglichkeiten, Terminals, Pipelines) physische Nachfrage und Angebote aufeinandertreffen. Der Spotpreis bestimmt sich jedoch nicht durch Angebot und Nachfrage physischer Natur, sondern durch die Kurse der nächstfälligen Terminkontrakte an den internationalen Ölbörsen. Der Spotmarkt hat für die Marktteilnehmer allerdings einen großen Nachteil, da die Preise einer hohen Volatilität ausgesetzt sind und somit ist eine langfristige Planungssicherheit nicht gegeben.15

2.1.3. Der derivative Markt

Im Laufe der Zeit entwickelte sich der Terminmarkt weiter und führte zur Entstehung des Terminkontrakthandels beim Rohöl. Diese Futuresmärkte haben gegenüber Forwardmärkten den Vorteil größerer Liquidität und geringerer Transaktionskosten16. Die Einzigartigkeit bilateraler Verträge macht es riskanter, sie Dritten zu verkaufen, da sie wahrscheinlich das Risikoprofil der Käuferpartei nicht so perfekt abbilden wie das des Verkäufers. Daher benötigte der Markt einen Absicherungsmechanismus anhand standardisierter Instrumente, die eine erhöhte Preistransparenz gewährleisten.

Seit dem 30. März 1983 werden auf der NYMEX solche standardisierten Futures angebo- ten. Diese Derivate haben gegenüber den physischen Abkommen den Vorteil der höheren Liquidität und haben geringere Transaktionskosten.17 Sie determinieren das Kontraktvolumen (1000 Barrel), die Art und Qualität des Rohöls, den Lieferort und den Erfüllungszeitpunkt (üblicherweise zur Monatsmitte).18 Die einzige Variable ist somit der Preis. Jener wird zwei- seitig festgelegt: auf der einen Seite über das geringste Angebot, auf der anderen durch das höchste Nachfragegebot am Markt. Die ermittelte Differenz zwischen diesen Größen wird als bid-offer-spread bezeichnet. Je liquider der Markt ist, desto mehr müssen sich beide Marktsei- ten annähern, um konkurrenzfähig bleiben zu können. Dies führt dazu, dass sich bei gestiege- ner Marktliquidität der Spread verringert.

Da es bei dieser Art des Handels keine persönlichen Verhandlungen zwischen den Ver- tragspartnern geben muss, war die Errichtung von Handelsplätzen notwendig. Für Rohöl und seine Referenzsorten Brent und WTI existieren hauptsächlich der in London ansässige ICE19 und die New Yorker NYMEX20. Hier werden die Finanzinstrumente in anonymen Auktionen versteigert.21 Die Kurse für Erdölderivate notieren fast ausnahmslos in US-Dollar pro Bar- rel.22 Da diese Art des anonymisierten Handels besonders bei langfristigen Übereinkommen eine entsprechende Vertrauensbasis und Sicherheit der Lieferung benötigt, übernimmt die Börse in Form einer Clearingstelle das Adressausfall-Risiko. Die anfallenden Kosten tragen die Handelsteilnehmer in Form anteiliger Transaktionskosten.23 Die Funktionsweise eines Clearinghouse wird in Abbildung 16 im Anhang erläutert.

Als weiterer Unterschied zum physischen Handel mit Öl ist es im derivativen Geschäft nicht vorgesehen, das gehandelte Produkt real zu kaufen bzw. geliefert zu bekommen. Obwohl in einem Future immer der Lieferort festgelegt ist, ist der Prozentsatz der tatsächlich gelieferten Futures mit 1 % gering.24 Zum Verfallszeitpunkt des Futures kommt es zum sogenannten Settlement: ist der aktuelle Spotmarktpreis höher als der vertraglich festgelegte Futures-Preis, so erhält der Käufer des Futures die Differenz ausbezahlt. Bei einer negativen Differenz wird der Käufer zahlungspflichtig.

Der Preis eines sogenannten Waren-Futures unterscheidet sich durch seine spezifische Zinsstruktur von herkömmlichen Finanzderivaten. Diese repräsentiert die Kosten, die u.a. durch Lagerung und Versicherung entstehen. Die Charakteristik der Zinsstrukturkurve gibt dann Aufschluss über die Knappheitssituation des Rohstoffes. Bei positiver Neigung ist der Rohstoff in einer Contango-Situation, d.h. dass der Spotmarktpreis geringer ist als der Ter- minpreis. Bei einer negativen Neigung der Zinsstrukturkurve herrscht der umgekehrte Fall einer Backwardation vor. In dieser Situation bewertet ein Käufer die sofortige Verfügbarkeit des Rohstoffes höher als die anfallenden Lager- und Zinskosten einer später fälligen Liefe- rung. Diese Verfügbarkeitsprämie wird Convenience Yield genannt. Die Performance des Energie-Futures setzt sich aus drei weiteren Komponenten zusammen. Zum einen dem Spot Yield, der die eigentliche Spotpreisentwicklung an den kurzfristigen Märkten abbildet sowie dem Roll Yield, der eine Besonderheit von Rohstoff-Futures darstellt. Bei Fälligkeit eines Futures wird der Vertrag aufgelöst und müsste geliefert werden. Da der Käufer aber, wie be- reits erwähnt, keine physische Lieferung anstreben muss, hat er die Möglichkeit des Rollens. Hierbei wird das Kapital, das nach der Auflösung des fälligen Kontraktes freigesetzt wurde, in den nächstfälligen Vertrag reinvestiert. Je nach Neigung der Zinskurve ergibt sich hierbei ein positiver (Backwardation) bzw. negativer (Contango) Ertrag. Da jedoch bei einer Perfor- mance-Berechnung der komplette anfangs investierte Betrag reinvestiert werden muss, wird das aus der Reinvestition des freigewordenen Kapitals gewonnene Geld als Collateral Yield bezeichnet.25

2.2. Einführung in die Entstehung und Arten von Erdgas

Erdgas entsteht im gleichen Prozess wie Erdöl. Durch die tektonische Verschiebung der sich ansammelnden Sedimente kann die Migration von Erdgas und Erdöl verhindert werden, sodass sich eine Lagerstätte für Erdgas über dem Erdölreservoir bildet. Da das Gas flüchtiger ist als das flüssige Erdöl, ist es dem Rohstoff möglich, durch die Sedimentschichten zu diffundieren. Dadurch können sich Gaslager bilden, welche geografisch losgelöst von den Erdölschichten liegen. Chemisch besteht Erdgas neben dem Hauptbestandteil Methan (75 - 99 %) noch aus Schwefelwasserstoff, Ethan, Kohlendioxid und Wasserdampf. Methan ist das Element, das den Brennwert26 beeinflusst und nach dessen Gehalt Erdgas in zwei Qualitäten unterteilt wird. Unterschieden wird zwischen H-Gas mit einem Brennwert von ca. 11,0 - 12,5 kWh/m³ und L-Gas mit ca. 10,0 - 11,0 kWh/m³ Brennwert.27

2.2.1. Märkte und Anlagemöglichkeiten für Erdgas

Erdgas ist mit 23 % der drittwichtigste Primärenergieträger, gemessen am weltweiten Energieverbrauch.28 Der Erdgasmarkt weist trotz seiner oftmals geographischen Kopplung an das Öl zu dessen Markt essentielle Unterschiede auf. Der grundlegendste sind die Transport- möglichkeiten. Erdgas ist netzwerkgebunden und wird zum größten Teil durch Pipelines be- fördert. Seine niedrige Energiedichte macht einen Transport über große Entfernungen unwirt- schaftlich. Dies bedeutet eine hohe Ortsgebundenheit des Rohstoffes und führt zu festen Strukturen und Beziehungen, die den Handel mit Erdgas in viele regionale Märkte unterteilt. Dies wird sich in absehbarer Zeit nicht grundlegend ändern, auch wenn vergleichbar dem Öl- markt die Liberalisierung fortschreitet und verflüssigtes Erdgas in Form von Liquefied Natu- ral Gas (LNG) durch seine höhere Transportfähigkeit den Markt weiter vernetzt.29

Die Liberalisierung der Erdgasmärkte setzte zu verschiedenen Zeitpunkten ein30, sodass jeder regionale Markt auf einer anderen Stufe der Entwicklung steht und die Vergleichbarkeit erschwert ist. Eine Gegenüberstellung der Referenzgase ist in Abbildung 13 abgetragen. Im Folgenden wird auf den Status Quo des sich wandelnden Marktes mit Fokus auf den amerika- nischen Markt eingegangen. Dort ist der Erdgasmarkt am weitesten entwickelt/liberalisiert und wird somit als Zukunftsmodell für die globale Preisfindung genommen. Die Erdgaspreise in den USA sind bereits maßgeblich am „Natural Gas Future“ orientiert, der an der NYMEX gehandelt wird. Der Preis des Futures bezieht sich hierbei auf das am Henry Hub (Louisiana) geförderte Erdgas und wird in US-$/MMBTU31 (US-Dollar pro Million British Thermal Units) gehandelt.32

2.2.2. Der physische Markt

Die Errichtung von Handelsplätzen für reales Gas stellte die Marktteilnehmer vor einige logistische Probleme, denn Gas kann durch seine faktorspezifische Infrastruktur nur an be- stimmten geographischen Punkten ausgetauscht werden. Somit bildeten sich an den Knoten- punkten der Pipelines sogenannte Hubs, an denen die physischen Geschäfte getätigt werden können. Inzwischen haben sich auch einige sogenannte virtuelle Hubs entwickelt, die unab- hängig von den Bezugspunkten errichtet wurden. Die für den europäischen Handel wichtigs- ten sind auf der physischen Seite Zeebrugge (seit 2000) und auf der virtuellen der Title Trans- fer Facility (seit 2003).

Ursprünglich bestanden die Kontrakte im Erdgashandel aus langfristigen take-or-pay- Verträgen. Diese Verträge hatten eine vereinbarte Laufzeit von 15 bis 30 Jahren, in denen dem Importeur eine Zahlungspflicht auferlegt wurde-auch im Falle des Nichtbezuges des Rohstoffes. Der vereinbarte Preis war und ist noch heute an den Ölpreis gekoppelt und bildet sich zumeist nach der „3/6/3“-Regel, wonach der sechsmonatige Durchschnitt des Heizölprei- ses nach einem dreimonatigen Zeitverzug für einen Zeitraum von drei Monaten gleitend in die Preisformel einfließt.33 Diese Struktur musste sich ändern, als sich der Preiswettbewerb 1995 durch Markteintritte neuer Konkurrenten verschärfte und positive Margen mit dieser Art von unflexiblen Verträgen zu Verlusten führte. Grund für diese Verschiebung der fundamentalen Verhältnisse war u.a. die Etablierung eines Spotmarktes im Jahr 1994.34

Die Entwicklung des Spotmarktes nahm ihren Lauf, als die Vermarktungsgesellschaften feststellen mussten, dass die Prognosen bezüglich ihres Marktanteiles zu optimistisch gewe- sen waren. Infolgedessen war mehr Gas als real nachgefragt zu langfristigen Preisen geordert worden. Um dieses Gas kurzfristig abstoßen zu können, wurde der Spotmarkt populär und führte zu einem starken Preisverfall und damit noch höheren Verlusten der Anbieter. Der neue Markt mit starkem Angebotsüberhang ermöglichte es einigen neuen Marktkräften, sich zu günstigen Preisen komplett am Spotmarkt zu versorgen und ihre Konkurrenz in den take-or- pay-Verträgen durch günstige Absatzpreise deutlich zu unterbieten. Seitdem hat der Spot- markt kontinuierlich an Bedeutung gewonnen und folgt grundsätzlich den fundamentalen Entwicklungen von Angebot und Nachfrage. Im Vergleich der Preisbildung auf Erdöl- und Erdgasmarkt hat sich das Verhalten der Erdgaspreise derer am Erdölmarkt angeglichen. Auf beiden Märkten ist das Zusammenspiel aus Futures- und Spotmarkt ausschlaggebend für den Preis.35 Mit der Einführung des Spotmarktes entfielen zwar die Mengenrisiken der TOP- Verträge der Käufer, da sie die überschüssigen Mengen nun schnell weiterveräußern konnten. Allerdings stiegen nun auch die Preisrisiken durch die gestiegene Volatilität, wodurch sich eine Nachfrage nach derivativen Absicherungsinstrumenten ergab. Basierend auf diesen Ent- wicklungen eines liquiden Spotmarktes entwickelten sich schnell sowohl der Futuresmarkt als auch ein OTC-Forwardmarkt.36

Der heutige Terminmarkt ist durch nicht-standardisierte Forward-Kontrakte im OTC- Handel gekennzeichnet. Als langfristig gelten Vereinbarungen derzeit schon ab einem Zeit- raum von 18 Monaten.37 Akteure und Volumina des OTC-Handel sind nicht leicht zu lokali- sieren, da aufgrund der Existenz der virtuellen Hubs und der direkten Absprache kein persön- liches Zusammenkommen zwischen den Vertragspartnern mehr notwendig ist.38 Die EU stand den langfristigen Verträgen lange Zeit skeptisch gegenüber, da diese durch die Kopplung an den Rohölpreis ein Klumpenrisiko beinhalten und den Spotmärkten die benötigte Liquidität entziehen. Vor kurzem gab es jedoch in dieser Debatte einen Umschwung und in der EU- Richtlinie von 2004 wurden Langfristverträge als „wichtiges Instrument zur Versorgungssi- cherheit“ anerkannt.39 Die Preise folgen daher auf der einen Seite dem Spotmarkt als auch den langfristigen und fundamentalen Daten. Der Terminmarkt reagiert zwar langsamer als der Spotmarkt, weist mit 10 - 30 % Preisschwankungen jedoch sowohl geringere Volatilität als der kurzfristige Markt (50 - 80 %)40, als auch eine höhere Preiselastizität aufgrund der Ver- sorgungssicherheit auf.

2.2.3. Der derivative Markt

In Europa waren Börsenplätze für Erdgas lange Zeit nicht existent. Börsen können sich erst etablieren, sofern Umsatz und Marktteilnehmer für die nötige Liquidität im Markt sorgen und sind somit ein Nachläufer des OTC-Marktes.41 Daher etablieren sich länderübergreifende Börsen in Europa erst mit der Zeit.42 Die größte dieser Art ist die Londoner Börse ICE, die ebenfalls Futures auf Erdgas anbietet. Diese werden jedoch nicht in US-$/MMBTU gehandelt, sondern in britischen Pence pro 100.000 BTU. Ein in London gehandelter Future entspricht also einem Zehntel des Energiewertes eines amerikanischen Futures. Doch sind beide Futures sehr an ihre regionalen Energiemärkte gebunden und somit schwer vergleichbar, wie im Fol- genden dargestellt wird.

Dem feststrukturierten europäischen Markt gegenüber steht der liberalisierte US-Markt. Dort liegt den meisten Produkten derivativer Art auf Erdgas das Natural Gas der Sorte „Henry Hub“ zugrunde. Optionen auf Erdgas wurden bereits im April 1990 eingeführt, zwei Jahre später folgten die Futures.43 Seitdem existiert ein Natural Gas-Kontrakt pro Monat, der als Indikator für Erdgaspreise der USA gilt. Dieser Preis wird im Folgenden für die weiteren Un- tersuchungen auf Erdgas zugrunde gelegt, da diese Preisnotierung weltweit im Handel mit Erdgas dominiert.44

2.3. Einführung in die Entstehung und Arten von Kohle

Kohle ist mit einem Anteil von 31 % am Weltenergieverbrauch der zweitwichtigste Energieträger.45 Sie entsteht durch die Karbonisierung von abgestorbenen Pflanzen in sumpfi- gem Boden. Hierbei wird der Fäulnisprozess bzw. die Energieabgabe der faulenden Pflanzen durch Umwelteinflüsse verhindert. Wenn sich im Laufe der Zeit weitere Sedimentschichten über dem entstandenen Torf bilden, wird durch den hohen Druck und den Temperaturanstieg das Wasser aus dem Stoffgemisch gepresst. Durch diesen Prozess der Inkohlung bildet sich Braunkohle. Mit zunehmender Zeitdauer und stetig erhöhtem Druck- und Temperatureinfluss bildet sich aus der Braunkohle die ältere Steinkohle. Sie weist eine bessere wirtschaftlich nutzbare Qualität auf, da sie weniger Wasser, Minerale und Gase enthält. Sie kann zwischen 260 - 390 Mio. Jahre alt sein, während Braunkohle bereits vor 2,5 - 65 Mio. Jahre gebildet wurde.46 Chemisch besteht Kohle zu mehr als 50 % aus Kohlenstoff, der bei der Verbrennung zu Kohlenstoffdioxid umgewandelt wird. Daher ist Kohle der Rohstoff mit dem höchsten Treibhausgasausstoß pro nutzbaren Energiegehalt.47 Es ergibt sich, wie schon bei den anderen fossilen Energieträgern zu beobachten, ein breites Spektrum an heterogenen Kohlearten und - qualitäten sowie Preisdeterminanten. Der internationalen Praxis folgend wird in dieser Studie der Steinkohlemarkt untersucht, dem die anthrazitischen, bituminösen und die meisten subbituminösen Kohlen zugeordnet sind.48

Aufgrund der geringen Standardisierung und der daraus resultierenden Vergleichbarkeit ist der Weltmarkt für Kohle, sofern man von einem solchen überhaupt sprechen kann, noch nicht so weit entwickelt wie der für Erdöl. Trotzdem wird nachfolgend eine Einführung in die Investitionsmöglichkeiten und das Preisverhalten dieses Rohstoffes gegeben, um einen generellen Überblick über den Kohlemarkt zu vermitteln.

2.3.1. Märkte und Anlagemöglichkeiten

Den allgemeingültigen Preis für Kohle am Markt zu bestimmen, stellt eine größere Herausforderung dar, als dies schon bei Erdgas und -öl der Fall war. Der Markt wird als der intransparenteste von den Primärenergien bezeichnet. Hierfür wird eine Reihe von Faktoren verantwortlich gemacht, wie z.B. viele vertrauliche bilaterale Lieferverträge, einen sich in der Entwicklungsphase befindlichen Futuresmarkt und einer im Vergleich zu den anderen fossilen Energieträgern geringen Marktliquidität.49

Diese Arbeit folgt der vorherrschenden Fachliteratur, indem sie sich auf den Zweig des seewärtigen Steinkohleweltmarktes konzentriert, der das Wachstum des Kohlemarktes wie- derspiegelt.50 Aufgrund der weltweiten Akzeptanz und den Erkenntnissen aus dem im Anhang befindlichen Abschnitt zur Referenzkohle51 wird im Folgenden auf den Preis der US Central Appalachian Coal abgestellt, welcher auch den weltweit meistgehandelten Kohle-Futures an der NYMEX zugrunde liegt.

2.3.2. Der physische Markt

Der Handel mit Kohle muss in zwei eigenständige Strukturen aufgespalten werden: den Binnenhandel und den Seehandel. Dies geschieht wie bei Erdgas aus dem Grund der Regiona- lität, jedoch aus anderen Motiven.ist der Transport für Kohle günstiger als die Pipelineun- terhaltung von Gas, doch werden aufgrund des geringeren Energieinhalts von Kohle gegen- über Erdgas und Erdöl52 85 % der weltweit geförderten Kohle direkt im Gewinnungsland oder durch Binnenhandel mit Nachbarstaaten konsumiert. Der Binnenhandel für Kohle basiert da- her im Allgemeinen auf stabilen, langfristigen und traditionellen Lieferbeziehungen, die tendenziell keiner Absicherungsmechanismen durch Derivate bedürfen.

Der physische Seehandel untergliedert sich im Wesentlichen in den atlantischen und den pazifischen Markt. Bei den gelieferten Kohlearten unterscheidet man in Kessel- oder Kraft- werkskohle und Kokskohle. In dieser Arbeit wird auf die Entwicklung der Kesselkohle abge- stellt. Zum einen ist der Kokskohlemarkt aufgrund seines oligopolistischen Aufbaus nach Ansicht des Vereins für Kohlenimporteure ein einheitlicher Weltmarkt.53 Zum anderen ist der Anteil von Kokskohle am weltweiten Kohlehandel mit 14 % sehr gering. Als wichtigster Punkt muss allerdings die Verwendung der Kokskohle herausgestellt werden. Sie hat zwar als Hauptbestandteil der Stahlerzeugung einen hohen Einfluss auf die Weltwirtschaft, wird aber im Normalfall54 nicht primär zur Energieerzeugung an sich genutzt. Dem gegenüber stellt sich die Lage am Kesselkohlemarkt differenzierter dar. Die bereits erwähnten Teilmärkte des Koh- lemarktes umfasst auf der einen Seite die Ostküsten von Nord-, Mittel- und Südamerika, Eu- ropa sowie die afrikanische Nord- und Südküste (atlantischer Kohlemarkt); die andere Seite gliedert sich in Australien, Asien und die südafrikanischen Staaten (pazifischer Kohlemarkt).

Die längste Zeit waren auf diesen Märkten die langfristigen Verträge von bis zu zehn Jah- ren am Terminmarkt dominant. Mit der Notwendigkeit der Entstehung einer Rohstoffbörse für diesen Rohstoff wurde die langfristige Preisbindung durch die preislich variableren Spot- abschlüsse größtenteils substituiert. Im Zeitraum von 1983 bis heute hat sich der Anteil an Terminkontrakten von über 85 % auf weniger als 15 % verringert55, was eine komplette Re- version der Verhältnisse offenlegt. Die ursprüngliche Art des langfristigen Vertragsverhältnis- ses lässt sich heute nur noch im Binnenhandel finden. Auf dem Weltmarkt laufen die Verträge durch den Druck des stetig wachsenden Spotmarktes nur noch selten länger als 5 Jahre. Des Weiteren hat sich der Charakter der Verträge grundlegend verändert, so existieren z.B. heute keine zwingenden Lieferpflichten mehr. Im Allgemeinen wird nur eine Lieferbeziehung über die gesamte Vertragslaufzeit aufgebaut und jedes Quartal über den Preis neu verhandelt. Wird für den entsprechenden Zeitraum keine Einigung erzielt, erfolgt keine Lieferung und die Ver- handlungen beginnen im nächsten Vierteljahr von neuem. Diese Möglichkeit der bilateralen Absprachen senkt die Transparenz der Märkte bedeutend. Eine sich zunehmend durchsetzen- de Variante der Spotvereinbarungen ist der Abschluss von Tenderverträgen, die mit Auktio- nen vergleichbar sind. Auf eine Ausschreibung mit definierten Lieferbedingungen hin erhält das beste Angebot den Zuschlag. Diese Tenderverträge können als Brückenschlag zwischen Spot- und Terminmarkt definiert werden, da sie ein höheres Volumen als Einzelabschlüsse aufweisen und oft über mehrere Quartale reichen. Längerfristige Beziehungen existieren für den Welthandel zumeist nur im Bereich der Derivate, die von den Börsen und Handelsplattformen angeboten werden.56

2.3.3. Der derivative Markt

Mit dem fallenden Preis der Energy-Commodities im Zuge der Finanzmarktkrise verlegte sich der Risikofokus der Anleger vom zu umgehenden Preisrisiko auf die Kreditwürdigkeit und Liefersicherheit des Vertragspartners. Die Marktteilnehmer, die zuvor sehr zufrieden mit dem vertraulichen OTC-Handel waren, forderten nun die Sicherheiten ein, die nur eine Börse bieten konnte. Besonders in Europa mit dem gut entwickelten OTC-Swap-Markt, fand dieses Umdenken im Handelsverhalten schnell statt. Die Energiehändler hatten großes Interesse an der Weiterentwicklung der Finanzprodukte, um sich im Zuge der Liberalisierung der Elektri- zitätsmärkte besser gegen die unregelmäßigen Preisangaben des Kohlemarktes absichern zu können.57 Infolgedessen entwickelten sich die ersten reinen Finanzprodukte für Kohle.58 Bis- her gibt es keinen weltweiten Preisindex, der als verlässliche Basis für abgeschlossene Spot- oder Terminverträge dient. Die wichtigsten Indizes repräsentieren die All Publications Indizes API-259 und API-4. Sie sorgen für standardisierte Produkte und damit mehr Transparenz am Markt. Seither stieg das Papierhandelsvolumen stetig und beträgt aktuell das Dreifache des gesamten physischen Kohlehandels. Trotzdem werden die aktuell bestehende Transparenz der Marktdaten und die Methodik der Ermittlung der Indizes kritisiert, da die Basis der erhobenen Daten auf den freiwilligen Preisangaben der Kohlehändler in Umfragen fußt.60

Bei Einführung der Kohlederivate im Jahr 2000 wurde in Ermangelung von Börsen der Handel vorerst überwiegend am OTC-Markt vollzogen. Um Börsen für Kohlehändler attrakti- ver zu machen, führte die European Energy Exchange (EEX) die Möglichkeit des OTC- Clearing ein. Hierbei übernimmt die Börse das Absicherungsrisiko für die OTC-Kontrakte. Im Gegenzug dazu muss der vorher unregistrierte Händler Mitglied der betreffenden Börse werden und sich ihrer Bedingungen verpflichten. Mit diesen neuen Möglichkeiten können sich die Händler sowohl vor der Zahlungsunfähigkeit des Vertragspartners absichern (da die Börse als Clearingstelle eintritt), als auch die Anonymität des Handels wahren.61 Allerdings ist diese Art des Handels mit lediglich 1,9 Mio. Tonnen in 2006 genauso wenig frequentiert wie die Futures. Den Beginn für den börsengehandelten Futuresmarkt für Kohle in Europa markierten am 2. Mai 2006 der Leipziger EEX und der Londoner ICE. Beide Börsen (ICE und EEX) erreichten im Eröffnungsjahr 2006 nur 1 % des Gesamtmarktes für Kohle.62 Die gebräuchlichste Handelsart, Kohle gegen Preisrisiken abzusichern besteht weiterhin im Ab- schluss von Kohleswaps, die zumeist OTC gehandelt werden.63 Der Swapmarkt auf Kohle basiert auf den Rahmenverträgen der International Swaps and Derivates Association (ISDA) und wird ohne die Intention einer physischen Lieferung bilateral ausgehandelt. Ein Swap auf Kohle umfasst eine Handelsgröße von 5000 Millionen Tonnen (Mt) pro Monat und läuft bis zu fünf Jahre in die Zukunft mit einer theoretischen Lieferung innerhalb von 90 Tagen.

Wie auch auf dem Erdölmarkt werden Kohle-Futures in US-Dollar gehandelt und werden zum Fälligkeitszeitpunkt durch Barausgleich auf Basis des zugrunde liegenden Indizes finan- ziell erfüllt.64 Die Bewertungen für Swaps und Futures sind jedoch gleich, da sie beide auf dem API2-Index basieren, der wöchentlich von Argus und McCloskey publiziert wird. Nur wenige Monate später zog der Londoner ICE mit Futures auf die API2-Indizes und API4- Indizes nach. Obschon Futures gegenüber Swaps besonders in Liquiditätskrisen viele Vorteile aufweisen (Reduzierung des Kreditausfallrisikos, Möglichkeit der Absicherung durch eine short- und long-Position gleichzeitig, Preis- und Volumentransparenz), wird der Handel mit Futures aufgrund der geringen Größen für Liquidität und Handelsvolumen an den Märkten als „nicht nennenswert“65 eingestuft. Dies liegt vornehmlich daran, dass von der geförderten Kohle nur ein geringer Prozentsatz in den Welthandel gelangt, der Rest wird von den Produ- zentenländern selbst verbraucht. 2009 wurden von den 6,1 Mrd. Tonnen geförderter Kohle nur 14 % in den globalen Handel eingebracht.66 Daher ist der Markt noch zu klein, um einen transparenten Derivatemarkt zu unterstützen.

Auch zukünftig wird sich an diesem in Relation illiquiden Zustand wenig ändern, da die drei größten Förderstaaten sich aufgrund ihrer steigenden binnenländischen Nachfrage zu Netto-Importeuren entwickeln werden, somit das Angebot auf dem Weltmarkt weiter verringern und die Konzentration auf dem Markt erhöhen werden.

2.4. Einführung in die Entstehung und Arten von Uran

Uran ist in seiner ursprünglichen Form ein silbriges Metall, das in der Natur aber nur sel- ten in seiner reinen Natur (Periodennummer U234) vorkommt und deswegen in dieser Form für die Energiegewinnung keine Rolle spielt. Ebenso ungeeignet erweist sich Uran der Natur U238, das nur sehr schwer und unter hohem Energieeinsatz spaltbar ist. Für die Energiemärk- te interessant ist deshalb nur das gewöhnlich in anderen Gesteinen vorkommende Uranoxid der Bezeichnung U235. Jenes wird mit Hilfe von Gesteinsmühlen aus dem Uranerz gelöst. Nach dem anschließenden Bad in Schwefelsäure entsteht ein gelbes Pulver, das als „Yellow Cake“ bekannt ist. Aus zwei Tonnen Uranerz kann ca. ein Kilogramm Yellow Cake67 ausge- fällt werden, das chemisch in dieser Form aus ca. 75 % Triuranoktoxid (U3O8) und ca. 15 % Sauerstoff besteht. Triuranoktoxid ist der für die Energiegewinnung wichtigste Bestandteil, weil er mit bis zu 20 % den höchsten Urangehalt hat. Wirtschaftlich rentabel und daher auch üblicher sind weitaus geringere Ausbeuten. In Kernkraftwerken sind 3 % - 4 % U235-Anteil üblich.68

2.4.1. Märkte und Anlagemöglichkeiten

Uran liefert mit 6 % am weltweiten Energieverbrauch den viertgrößten Anteil.69 Der Markt für Uran ist stark reguliert und wird von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) überwacht.70 Obwohl der Markt also sehr eingeschränkt und nur für einige wenige registrierte Teilnehmer geöffnet ist, ist kaum ein Markt so transparent und auf lange Sicht prognostizierbar wie der für Uran. Prinzipiell lässt sich der Uranmarkt in ein primäres und sekundäres Angebot unterteilen. 60 % des weltweiten Angebotes stammen aus gefördertem Uran, der Rest wird aus dem sekundären Angebot gedeckt, welches aus der Aufbereitung der Uranvorkommen nuklearer Waffen gespeist wird.71

2.4.2. Der physische Handel

Der physische Uranhandel kann in zwei Sektoren aufgespalten werden: den kurzfristigen Kassamarkt und den langfristigen Vertragsmarkt. Der Großteil (85 %)72 des Uranhandels wird über langfristige Verträge zwischen drei und fünf Jahren abgewickelt, deren erste Lieferung erst nach bis zu 24 Monaten erfolgen kann. Da sich über diesen Zeitraum eine korrekte Vor- hersage des Bedarfs schwierig gestaltet, sind in den Verträgen Mengenabweichungen von +/- 15 % bezogen auf die aktuelle Marktlage festgehalten.73

Sowohl beim Terminmarkt als auch bei den am Spotmarkt verhandelten Kontrakten ergibt sich ein großer struktureller Unterschied zu den Vertragspreisen, die z.B. bei Erdgas abgeschlossen werden. Während bei letztgenannten lediglich die Kosten für verschiedene Arten von Heizöl mit gewichteten Koeffizienten einbezogen werden, richten sich die Uran- verträge neben dem Kassapreis auch nach BIP-Wachstum, Inflationsentwicklung und anderen ökonomischen Faktoren.74 Generell zahlen Marktteilnehmer für die Liefersicherheit zu festen Preisen in langfristigen Verträgen eine Prämie gegenüber dem Spotmarktpreis.

Der Spotmarkt für Uran ist nicht nur hinsichtlich der Laufzeit von dem Markt für lang- fristige Verträge verschieden, sondern basiert auch im Allgemeinen auf Fixpreisen. Da nun aber kein liquider Spotmarkt für Uran existiert, stellt sich die Frage, womit die Marktpreise festgesetzt werden und wer sie bezieht. Der Preis von Uran wird von spezialisierten Brokern festgesetzt. Die bekanntesten sind die Ux Consulting Company und TradeTech, die ihre Prei- se wöchentlich veröffentlichen, welcher als „überempfindlicher Indikator“75 auf den Markt- preis Einfluss auf den Spotmarkt hat und als Richtlinie für kurzfristig abgeschlossene Verträ- ge gilt. Am Spotmarkt wird im Allgemeinen eine einzelne Lieferung vereinbart, die zwischen 25 Tonnen und mehreren hundert Tonnen betragen kann.

Am Markt für Uran zeigt sich ein zu den anderen Energierohstoffen gegensätzliches Bild. Zunehmend werden langfristige Verträge abgeschlossen und der Spotmarkt stagniert. Gründe hierfür sind die absehbare Verknappung des Rohstoffes und damit preisliche Planungssicherheit.76 Es wäre nachvollziehbar, wenn diese Entwicklung bei den anderen rarer werdenden Energieträgern ebenfalls zu beobachten wäre, doch sind die Märkte für Öl und Erdgas schon zu maturiert für eine Rückkehr zu den langfristigen Kontrakten und die Reservezahlen für Kohle lassen den Peak-Zeitpunkt77 in weite Ferne rücken.

2.4.3. Der derivative Markt

Für Uran gab es nie einen nennenswerten derivativen Markt oder gar etablierten Handel an Rohstoffbörsen. Zwar brachte am 7. Mai 2007 die NYMEX in Zusammenarbeit mit der Ux Consulting einen Future auf den Markt, um eine höhere Markttransparenz zu erreichen. Doch hat sich trotz zunehmendem Interesse der Anleger noch kein Markt entwickelt bzw. haben die Preise dieser Finanzinstrumente keinen Einfluss auf den Preis des Rohstoffes an sich, sondern fungieren als reines Absicherungsinstrument.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der der tatsächlichen Erwerbsmöglichkeiten von Uran. Bei Abschluss eines Futures erwirbt man normalerweise das Recht auf Lieferung des Rohstof- fes bei Fälligkeit. Aufgrund der politischen Brisanz und strengen Lagervorschriften für den nuklearen Brennstoff kauft man zwar Uran physisch, es verbleibt allerdings im betreffenden verkaufenden Unternehmen. Somit wird lediglich ein bestimmtes Kontingent in einer Lager- halle gekauft und darf ohne Zustimmung des Käufers nicht anderweitig verwendet werden, das Recht auf Nutzung des Rohstoffes ist in Uran-Futures nicht vorgesehen. Kritiker befürch- ten, dass aufgrund dieses Umstandes die Existenz von Uran-Futures zu einem erhöhten speku- lativen Geschäft führen kann und die Preise nicht-fundamental vorangetrieben werden.78 Die NYMEX betrachtet die Preise der Futures als Benchmark für den realen Preis - quasi als Un- terstützung der bereits veröffentlichten Marktpreise von Ux Consulting und TradeTech.

Nichtsdestotrotz wird der Futuresmarkt im Gegensatz zu den anderen Primärenergieträgern unterentwickelt bleiben, da ihm zwei essentielle Merkmale fehlen. Zum einen existiert kein unterlegter Spotmarkt mit möglichst wenig Einfluss von Regierungskontrollen und damit einer hohen Reaktion auf die reinen Marktsignale. Zum anderen fehlt es an einem realisierbaren Liefermechanismus, damit Spot- und Futuresmarkt eine hohe Korrelation aufweisen können.79 Durch das unumgängliche Fehlen dieser Voraussetzungen wird der Uran-Futuresmarkt nicht an die Standards der anderen Energieträger heranreichen können.

In den vier Abschnitten dieses Kapitels konnte aufgezeigt werden, wie die Märkte für Energieträger grundsätzlich aufgebaut sind. Im Anschluss an diese Informationsbasis wird auf die Teilnehmer der skizzierten Rohstoffhandelsplätze eingegangen.

3. Marktteilnehmer

Auf Rohstoffhandelsplätzen treffen zwei Interessengruppen aufeinander. Dazu gehören die Teilnehmer am physischen Handel, der von fundamentalen Daten geregelt sein sollte als auch die Finanzintermediäre, die am Erhalt der realen Rohstoffe weniger Interesse haben als vielmehr an den Preisentwicklungen. Diesen Prozess der Marktverschmelzung bezeichnet man als Finanzialisierung.80 Ziel dieses Abschnittes ist es, die unterschiedlichen Einflussmöglichkeiten der Marktteilnehmer auf die Preise der Primärenergieträger zu untersuchen und einen Ausblick über die Möglichkeiten und Gefahren zu geben, die die Intermediäre damit eingehen oder sogar herbeiführen.

Vor dem Faktum rapide steigender Energiepreise im Zuge der Finanzmarktkrise wird untersucht, ob dieser Anstieg durch das unterschiedliche Verhalten der Marktteilnehmer zu erklären ist bzw. ob die in der Literatur vertretenen Meinungen zu unterstützen sind. Hierzu wird der Markt gemäß einer Studie von Erdmann et al. in drei Gruppen von Marktteilnehmern eingeteilt: Arbitrageure, Hedger und Spekulanten.81 Anschließend wird auf eventuelle Preismechanismen und Manipulationsmöglichkeiten der größten marktbeeinflussenden Institutionen (Banken, Kartelle, Staaten) abgestellt werden.

3.1. Arbitrageure

Arbitrage bezeichnet das risikofreie Ausnutzen von Preispositionen. Der Theorie zufolge kann eine solche Arbitrage auf einem funktionierenden Markt nicht funktionieren, da bereits alle Informationen den Marktteilnehmern frei zugänglich sind und sofort eingepreist werden. Allerdings lassen sich schon bei der Betrachtung von Futures- und Spotmarkt Preisunter- schiede erkennen. Dies begründet sich darauf, dass Investoren, die sich heute am Spotmarkt versorgen, die Lager- und Zinskosten tragen müssen. Diese „Cost of Carry“ sind bereits in den Futures enthalten. Mit Annäherung an den Fälligkeitszeitpunkt konvergieren beide Notie- rungen zueinander und somit müssen im Gleichgewicht beide Preise identisch sein und dürfen sich nicht dauerhaft auseinander entwickeln. Dies impliziert eine konstante Contango- Situation mit steigender Zinsstrukturkurve an den Energie-Terminmärkten. Eine solche ist allerdings nicht immer und durchgängig gegeben. Demnach wäre Arbitrage tendenziell mög- lich. Um dieses Problem zumindest mathematisch zu umgehen, wird in der Literatur der Con- venience Yield angeführt, der die Vorteilhaftigkeit der sofortigen Verfügung eines Rohstoffes modelliert und somit den Arbitragecharakter an den großen Energiemärkten wieder ab- schwächt.82 Zwar zeigen u.a. Morse und He83 Arbitragemöglichkeiten und damit Preismani- pulationen am Kohlemarkt von China auf, doch müssen diese Studien differenziert betrachtet werden und sollen im Kapitel Staaten wieder aufgegriffen werden.84 Im weiteren Verlauf die- ser Arbeit wird davon ausgegangen, dass die definierte, risikolose Form der Arbitrage an den Märkten selten vorkommt und deswegen ihre Einflussnahme auf die Preise gering bis nicht existent ist.

3.2. Hedger

Im Folgenden wird auf die Hedging-Möglichkeiten der finanziell motivierten Derivate abgestellt, da sie zum einen in allen betreffenden Märkten vertreten sind sowie ihre unmittel- bare Wirkung auf die Preise der anderen Märkte (hohe Korrelation mit den Spotmärkten, die wiederum den Preis der langfristigen Verträge beeinflussen). Hierbei erfüllen sie zudem den Mechanismus der adäquaten Preisfindung für alle Marktteilnehmer durch Transparenz. An- ders gesagt machen erst die Derivate und die Korrelation mit ihren unterlegten Rohstoffen ein effektives Hedging möglich. Hierzu muss gesagt werden, dass je heterogener der mit den De- rivaten unterlegte Rohstoffmarkt ist, desto schwerer wird es für die Hedger, eben jenen Preis abzusichern. Wenn das Derivat nicht möglichst perfekt mit dem Markt korreliert ist, geht der Hedger ein generelles Basisrisiko ein.85

Dies wäre entgegen der Intention des Hedgers, der normalerweise risikoavers ist und ver- sucht sein wird, jegliches unantizipierte Preisrisiko möglichst kostengünstig an den Markt abzugeben. Es ist wichtig anzumerken, dass Hedging an sich weder risiko- noch kostenfrei sein kann, da der risikoübernehmenden Partei für ihre Risikoaversion eine Prämie zu zahlen ist. In Fachkreisen war die Existenz einer solchen Prämie allerdings lange umstritten. Wäh- rend John Maynard Keynes bereits 1930 auf eine Versicherungsprämie bei Rohstoffpreisrisi- ken verweist86, wurden in der Folge viele Studien veröffentlicht, die seine Thesen zum „posi- tive net hedging pressure“ verneinten oder zumindest abschwächten, da Keynes ursprünglich davon ausgegangen war, dass es in jedem Futuresmarkt mehr Verkäufer als Käufer gebe. Trotzdem verblieb im Tenor die Akzeptanz der von Keynes publizierten Risikoprämie. In einer Studie von Pindyck in Anlehnung an Hull konnte mathematisch anhand des Capital As- set Pricing Model (CAPM) die Versicherungsprämie nachgewiesen werden. In der kürzlich veröffentlichten Studie von Bolinger und Wiser am Beispiel des Gasmarktes wurde dies auch statistisch bestätigt. Somit wird heute davon ausgegangen, dass Hedger an Spekulanten einen Aufpreis für die Übernahme ihres Preisrisikos in der Zukunft zu zahlen haben.87

Von diesem Standpunkt betrachtet sind die Grenzen zwischen Hedgern und Spekulanten fließend. Die Intention der Absicherung kann gleichwohl auch mit der einer Partizipation an der Preisvolatilität einhergehen ohne sich eines weiteren Instrumentes bedienen zu müssen. Daher, und in Ermangelung einer klaren Abgrenzung bezeichnet die U.S. Commodity Futures Trading Commission (CFTC) Interessengruppen, die gleichzeitig spekulieren und hedgen als „commercials“. Denn in einem Markt ohne Spekulanten könnten Hedger nicht existieren, da ihnen die risikoübernehmende Partei fehlen würde und vice versa. Somit bedingen sich beide Handelsgruppen untereinander. Eine etwas eingehendere Betrachtung wird der Gruppe der Spekulanten gelten, da sie der Literatur zufolge mutmaßlich jene ist, die manipulativen Ein- fluss auf die Marktpreise nimmt.

3.3. Spekulanten

Im Gegensatz zu Hedgern sind Spekulanten vornehmlich weniger daran interessiert, sich mit einem fixierten Preis gegen zukünftige Preisschwankungen abzusichern, als vielmehr an einem generellen Anstieg des Preises am Markt.88

Die Meinung über Spekulanten in der öffentlichen Wahrnehmung ist zwiegespalten. Auf der einen Seite versorgen sie den Markt mit zusätzlicher Liquidität. Durch diese zusätzliche Liquidität erleichtern Spekulanten den Hedgern ihre Intentionen zur Absicherung, indem sie deren Risiken übernehmen, weil sie sich davon Profite versprechen.89 Diese Art der Spekula- tion wird in der Literatur als „gute Spekulation“ spezifiziert. Sie ermöglicht den Marktkräften eine effizientere Einschätzung der Preise, die zukünftig am Markt erwartet werden.

Auf der anderen Seite stehen jene Spekulanten, die durch Ausnutzung ihrer Marktmacht in einen sich bewegenden Markt eintreten und die Preise in für sie profitable Bereiche mani- pulieren, um an der Preisdifferenz zu verdienen. Der CFTC nach sind solche Spekulanten definiert als „non-commercials“, also Marktteilnehmer, „die die Commodities weder produ- zieren noch benutzen, aber eigenes Kapital zum Handel derselben einsetzen, um Profite zu generieren.“90

Die Theorie besagt, dass die Existenz dieser Art von Spekulanten nicht preistreibend wir- ken kann. Sollten die Preise aufgrund ihres Markteinflusses über die von den Fundamentalda- ten gegebenen steigen, muss es rationale Marktteilnehmer geben, die diesen Trend antizipie- ren und ausnutzen können und damit Spekulation unrentabel machen.91 Doch die Vergangen- heit zeigte bereits Marktmanipulationen, die von einzelnen durchgeführt wurden (die Silber- käufe der Brüder Nelson Bunker und Herbert William Hunt 1979/1980, der Kupfermarktzu- sammenbruch Mitte der Neunziger Jahre durch Hamanaka92 und sogar die kürzlich durch ei- nen betrunkenen Broker verursachte Ölpreisspitze am 29. Juni 201093 ) und zumindest tempo- rär erfolgreich die Preise veränderten.94

In der Gruppe der Marktbeobachter, die die Existenz von preistreibenden Spekulanten lange Zeit negierten, sind zuerst die Offiziellen der NYMEX und des CFTC zu nennen, die in ihren Veröffentlichungen95 keine Beeinflussung der Energiepreise durch Spekulanten finden konnten. Hiermit vertraten sie jedoch mehr die eigene Interessenlage, da eine ihrer vornehm- lichen Aufgaben die „Sicherung der Preise vor manipulativem Einfluss und exzessiver Speku- lation“96 beinhaltet und somit müssen diese Studien eher als eine Art von Selbstschutzpubli- kation der Institutionen angesehen werden.werden in den Studien nur ausgewählte Zeit- räume untersucht, in denen die Marktpreise wenig Auffälligkeiten zeigten sowie die Entwick- lung von langfristig angelegten Futures außer Acht gelassen wurde. Vorderste Intention hier- zu mag gewesen sein, die Zweifel an einem funktionierenden, nicht-manipulierbaren Markt- preis zu zerstreuen. Dies mag auch im Sinne der Händler geschehen sein, die lieber die Anwe- senheit von Spekulanten in ihrem Markt billigten als fehlende Liquidität für anstehende Ge- schäfte. Nach jahrelangem Beharren auf dem Funktionieren der Märkte musste die CFTC jedoch 2009 nach dem signifikanten Anstieg des Papierhandels - der in keiner Relation mehr zu den tatsächlich gehandelten und gelieferten Rohstoffübereinkommen stand - die Existenz von Spekulanten einräumen und reicht seit dem 24. Juli 2009 Klagen gegen potentielle Öl- Spekulanten ein. Allerdings negieren sie weiterhin die Möglichkeit, die Märkte auf lange Zeit manipulieren zu können, einzig kurzfristige Preisspitzen seien auf das Handeln von Spekulan- ten zurückzuführen.97 Im Folgenden wird ein kurzer Überblick auf die einzelnen Märkte be- züglich Spekulation gegeben werden.

[...]


1 Siehe hierzu Tabelle 2.

2 Vgl. rohstoffekompakt (2010a),6.

3 Dazu gehören hauptsächlich Stickstoff, Sauerstoff, Schwefel.

4 Vgl. Zertifikate Anleger (2009),2.

5 Vgl. Verein der Kohlenimporteure (2010),14.

6 Vgl. Schmidt (1998),50.

7 Vgl. von Drathen (2010a),56.

8 Im Jahr 2009 lag das durchschnittliche tägliche Handelsvolumen der WTI-NYMEX-Futures bei knapp 530.000 Kontrakten. Energy Information Administration (2009),5f.

9 Vgl. Mineralölwirtschaftsverband e.V. (2004),25.

10 Bezeichnung für außerbörslichen Handel.

11 Vgl. Mineralölwirtschaftsverband e.V. (2004),25.

12 Preisobergrenze, zu der man eine Option ausüben kann.

13 Vgl. Mineralölwirtschaftsverband e.V. (2004),31.

14 Vgl. Grimm (2008),38.

15 Vgl. Mineralölwirtschaftsverband e.V. (2004),25ff.

16 Costello (2001),17.

17 Vgl. Costello (2008),8.

18 Vgl. Mineralölwirtschaftsverband e.V. (2004),35.

19 Ehemals IPE - International Petroleum Exchange.

20 Die heute weltweit größte Rohstoffbörse, die 1872 (10 Jahre vor der Umbenennung in NYMEX) als „Butter and Cheese Exchange“ gegründet wurde - bereits mit dem Ziel der Standardisierung besagter Industrien.

21 Vgl. Syz (2003),11.

22 1 Barrel = 42 Gallonen = 158,987 Liter.

23 Vgl. Erdmann, Zweifel (2010),199.

24 Vgl. Syz (2003),11.

25 Vgl. Mankiewicz (2009),5f.

26 Als Brennwert definiert man den Energiewert, der bei vollständiger Verbrennung freiwird, wenn das Gas auf 25°Celsius herabgekühlt wird und der kondensierende Wasserdampf seine Wärme abgibt.

27 Vgl. Diermann (2007),11.

28 Vgl. Verein der Kohlenimporteure (2010),14.

29 Im Folgenden wird der Einfluss von dem auf Schiffswegen transportablen LNG auf den Markt außer Acht gelassen, da es als Einflussgröße auf dem Weltmarkt eine noch zu geringe Rolle spielt und noch kein Orientie- rungspreis existiert. Es soll allerdings erwähnt werden, dass schon in den 80er Jahren der hohe asiatische Erd- gaspreis LNG profitabel machte und heute 55 % der LNG-Transporte nach Japan und Südkorea gehen.

30 In den USA setzte die Liberalisierung 1978 ein, in Großbritannien 1993, in Kontinental-Europa seit 1998 mit der EG-Gasbinnenmarktrichtlinie GasRL 1998, 98/30/EG.

31 Ein MMBTU entspricht der Menge an Energie, die benötigt wird, um die Temperatur eines Pfundes Wasser um ein Grad Fahrenheit zu erhöhen (1 BTU=1055,06 Joule).

32 Landesbank Baden-Württemberg (2010),24.

33 Vgl. Erdmann, Zweifel (2010),236.

34 Vgl. Bergschneider et al. (2001),70.

35 Vgl. Bergschneider et al. (2001),69 ; Bolinger, Wiser (2008),4.

36 Vgl. Bergschneider et al. (2001),71.

37 Ebd.,69.

38 Vgl. Diermann (2007),29.

39 Vgl. Erdmann, Zweifel (2010),237.

40 Vgl. von Drathen (2010b),206.

41 Vgl. von Drathen (2010b),203.

42 Heute existieren in Europa die APX, EEX und ICE.

43 Vgl. Costello (2001),11.

44 Ebd.,15.

45 Vgl. Verein der Kohlenimporteure (2010),14.

46 Vgl. World Coal Institute (2009),2.

47 Vgl. rohstoffekompakt (2010b),3.

48 Vgl. Gruß et al. (2002),6.

49 Vgl. Pincock (2004),1.

50 Vgl. Ritschel, Schiffer (2007),26.

51 Siehe Abbildung 15.

52 Vgl. Gruß et al. (2002),9.

53 Vgl. Verein der Kohlenimporteure (2010),18.

54 Teilweise kann es im Falle hoher Preisdifferenzen zu einem Austausch zwischen den Märkten kommen und das marktfremde Produkt als sogenannte höherflüchtige Kohle im jeweils anderen Markt verwandt werden.

55 Vgl. Gruß et al. (2002),23.

56 Vgl. Gruß et al. (2002),24f.

57 Vgl. Erdmann, Zweifel (2010),263.

58 Vgl. Carpenter (2009),2.

59 Der deutsche Grenzübergangspreis für Kohle orientiert sich am Spotmarktpreis des API-2 mit einer Zeitverzögerung von vier bis sechs Monaten, die sich tendenziell verkürzt.

60 Vgl. Verein der Kohlenimporteure (2010),23.

61 Vgl. Carpenter (2009),2.

62 Vgl. Ritschel, Schiffer (2007),46.

63 Funktionsweise eines Swaps als Graphik im Anhang unter Abbildung 17.

64 Vgl. European Commodity Clearing (2010),6 f.

65 Pincock (2004),1 ; von Drathen (2010a),74. Hier ist zu erwähnen, dass im Kohlemarkt auch Futures eine große Rolle als Absicherungsinstrument spielen, diese werden allerdings auf Frachten abgeschlossen, die an der Baltic Exchange gehandelt werden, welche hier nicht weiter erläutert werden sollen.

66 Vgl. Verein der Kohlenimporteure (2010),19.

67 Ein Pfund Yellow Cake hat den Energiegehalt von 3,5 Barrel Öl, 17.000 Kubikfuß Erdgas oder 1780 Pfund Kohle.

68 Vgl. Rohstoffreport (2007),3.

69 Vgl. Verein der Kohlenimporteure (2010),14.

70 Ebd.,7.

71 Vgl. Bozicevic (2006),6.

72 Im europäischen Markt betrug der Anteil des Spotmarktes 2009 nur 5,2 %.

73 Vgl. Southwood et al. (2007),1.

74 Vgl. Rohstoffreport (2007),7.

75 Diehl (2006),65.

76 Vgl. Southwood et al. (2007),1.

77 Zeitpunkt, zu dem die maximal mögliche Fördermenge überschritten wird.

78 Der mögliche Einfluss von Uran-Futures auf den Spotmarktpreis wird in Kapitel 4.3.3. untersucht.

79 Costello nennt noch drei weitere Punkte, die für einen funktionierenden Futuresmarkt wichtig sind: hohe Nachfrage- und Angebotsmöglichkeiten; standardisierte Kontrakte; signifikante Preisvolatilität, damit Spekulanten einen Markteintritt als profitabel erachten.

80 Vgl. Wahl (2010),1.

81 Vgl. Erdmann, Zweifel (2010),206ff.

82 Für mathematische Ausführungen zu dem Thema ist an dieser Stelle auf Erdmann et al. ab S.205 zu verwei- sen.

83 Morse, He (2010).

84 In den meisten dieser Studien wird auf Importe oder Lagerhaltungen bei günstigen Preisen verwiesen, die dann bei einem Anstieg der Preise scheinbar risikolos zu einem Gewinn führen - außer Acht gelassen werden in die- sen Publikationen Risikofaktoren wie z.B. die „Cost of Carry“ (Lagerung, Zinsen, Transport), die bei einer lang- anhaltenden Unwirtschaftlichkeitsphase evtl. den Gewinn aus dem späteren Verkauf relativieren könnten. Im Gegensatz dazu veröffentlichte Parker eine Möglichkeit der Ausnutzung der verschiedenen Frachtraten, die jedoch auch nicht risikofrei zu nennen sind und deswegen keine Arbitrage im reinen Sinne darstellen. Vgl. Parker (2005),1.

85 Vgl. Costello (2001),11.

86 Keynes (1930).

87 Vgl. Bolinger, Wiser (2008),8ff.

88 Costello (2008),4.

89 Ebd.,4.

90 Commitee on Homeland Security and Governmental Affairs United States Senate (2006),2.

91 Vgl. Jickling, Cunningham (2008),1.

92 Ebd.,2.

93 Vgl. Die Presse (2010).

94 Auf ihren jeweiligen Erfolg soll hier nicht abgestellt werden, nur auf die Möglichkeit.

95 Vgl. Haigh et al. (2005) ; New York Mercantile Exchange (2005).

96 United States Code §5(b) und §6a(a).

97 Vgl. Jickling, Cunningham (2008),1.

Ende der Leseprobe aus 100 Seiten

Details

Titel
Energetische Rohstoffe als Anlageklasse
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover
Autor
Jahr
2010
Seiten
100
Katalognummer
V167552
ISBN (eBook)
9783640841721
ISBN (Buch)
9783640839995
Dateigröße
1371 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Energetisch, Anlageklasse, Öl, WTI, Brent, Erdgas, Kohle, Uran, Wirtschaftskrise, Versorgungsrisiko, strategische Ellipse, Preisnotierungen, Korrelationen, Rohstoffe, Energie
Arbeit zitieren
Alexander Kredig (Autor:in), 2010, Energetische Rohstoffe als Anlageklasse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/167552

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