Teilnehmeranalyse und Weiterentwicklung einer Maßnahme für alkoholkonsumierende, straffällige junge Menschen

Kaj (Kurzzeitintervention für unter Alkoholeinfluss straffällig gewordene junge Menschen)


Masterarbeit, 2010

128 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

TABELLENVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

DANKSAGUNG

ZUSAMMENFASSUNG

1 EINFÜHRUNG

2 THEORETISCHER HINTERGRUND
2.1 JUNGE MENSCHEN UND SUCHTMITTELKONSUM
2.1.1 Suchtmittelkonsum allgemein
2.1.2 Alkoholkonsum bei jungen Menschen
2.1.3 Cannabiskonsum bei jungen Menschen
2.1.4 Einblicke in die Lebensbedingungen der Jugendlichen
2.1.5 Kinder aus suchtbelasteten Familien
2.1.6 Pr ä ventionsangebote
2.2 JUNGE MENSCHEN, GEWALT UND STRAFTATEN
2.2.1 Begriffsbestimmung und Fakten
2.2.2 Jugendstrafrecht
2.2.3 Pr ä ventionsangebote
2.3 JUNGE MENSCHEN UND STRAFTATEN UNTER SUCHTMITTELKONSUM
2.3.1 Einflussfaktoren und Sozialisation
2.3.2 Pr ä ventionsangebote
2.4 PRÄVENTION ALLGEMEIN

3 VORSTELLUNG DER MAßNAHME KAJ
3.1 ENTSTEHUNG DER MAßNAHME
3.2 BESCHREIBUNG DER MAßNAHME

4 METHODEN
4.1 UNTERSUCHUNGSDESIGN
4.2 DURCHFÜHRUNG
4.3 ERHEBUNGSINSTRUMENTE
4.4 STICHPROBE
4.5 FRAGESTELLUNGEN UND HYPOTHESEN Teilnehmeranalyse und Weiterentwicklung einer Maßnahme

5 ERGEBNISSE
5.1 DESKRIPTIVE BETRACHTUNG DER TEILNEHMER
5.1.1 Suchtmittelkonsum
5.1.2 Deliquenz
5.1.3 Famili ä rer Hintergrund
5.1.4 Sozio ö konomischer Hintergrund
5.1.5 Bisherige Hilfen
5.2 ZUSAMMENHANGSANALYSEN ZU AUSGEWÄHLTEN TEILNEHMERVARIABLEN
5.2.1 Formen devianten Verhaltens und Alter bei erster Auff ä lligkeit
5.2.2 Erfahrungen im Elternhaus und deviantes Verhalten
5.3 BILDUNG EINES RISIKOINDIZES

6 DISKUSSION
6.1 DISKUSSION DER DESKRIPTIVEN BEFUNDE
6.2 DISKUSSION DER ZENTRALEN KORRELATIVEN BEFUNDE
6.3 DIE KUMULATION VON RISIKOFAKTOREN
6.4 PRAKTISCHE IMPLIKATIONEN

SCHLUSSGEDANKEN

LITERATURVERZEICHNIS

ANHANG

An der vorliegenden Arbeit wurde im intensiven Austausch und unter ständiger Abstimmung beider Autoren gearbeitet. Gleichwohl wurden die Kapitel zwischen den Autoren aufgeteilt und somit nachfolgend verantwortlich gezeichnet

Kapitel 1: Ilona Küspert und Alexander Ottlik

Kapitel 2: Ilona Küspert

Kapitel 3: Alexander OttlikKapitel 4: Alexander OttlikKapitel 5: Alexander Ottlik

Kapitel 6: Ilona Küspert und Alexander Ottlik

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Raufunfälle und Raufunfallraten nach Schularten je 1000 Schüler

Tabelle 2: Verteilung auf die Stufen der Maßnahme

Tabelle 3: Alkohol- und Cannabiskonsum pro Woche

Tabelle 4: Einschätzung des Alkohol- und Cannabiskonsums

Tabelle 5: Insgesamt begangene Delikte

Tabelle 6: Beschäftigungsstatus und Schuldenstand

Tabelle 7: Zusammenhang zwischen erstem Auftreten von deviantem Verhalten und aktuellem abweichenden Verhalten

Tabelle 8: Zusammenhang von fam. Hintergrund und deviantem Verhalten

Tabelle 9: Gruppierung der Risikofaktoren

Tabelle 10: Übersicht über Risikoindex

Tabelle 11: Zusammenhang zwischen Risikoindex und deviantem Verhalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Alter zu Beginn der Maßnahme

Abbildung 2: eigene Kinder zu Beginn der Maßnahme

Abbildung 3: Bei wem bist Du aufgewachsen?

Abbildung 4: Wohnform/-ort zu Beginn der Maßnahme

Abbildung 5: Cannabiskonsum differenziert nach Häufigkeit

Abbildung 6: Erste Rauscherfahrung mit Alkohol und Cannabis

Abbildung 7: Alter bei der ersten Anzeige

Abbildung 8: Anzahl von Anzeigen

Abbildung 9: Art der begangenen Delikte

Abbildung 10: Einschätzung der begangenen Delikte

Abbildung 11: Einschätzung des Alkoholkonsums der Eltern

Abbildung 12: Einschätzung der innerfamiliären Gewalt

Abbildung 13: Höchster Schulabschluss der Befragten

Abbildung 14: derzeitige Tätigkeit

Abbildung 15: Bisher erfahrene Hilfsformen

Abbildung 16: Gesamtzahl erfahrener Hilfsangebote

Abbildung 17: Risikofaktoren und Alkoholkonsum in Gramm/ Woche

Danksagung

Bei unseren Kindern Jonathan (14 Monate) und Samuel (zwei Monate) möchtenwir uns bedanken, dass sie uns während des letzten Jahres die Nächte nur einbisschen zur Hölle gemacht haben; bei ihren Omas dafür, dass sie hin und wiederden weiten Weg auf sich genommen haben um uns die Beiden stundenweiseabzunehmen. Bei Dr. des. Andreas Müller bedanken wir uns für den statistischenRat und bei Peter Niederhuber für die konstruktive und angenehm unkomplizierteBegleitung dieser Arbeit.

Zusammenfassung

Junge Menschen konsumieren Alkohol in Mengen, die bereits für Erwachsene riskant bzw. gesundheitsgefährdend sind. Gleichzeitig hat die Jugendgewalt, insbesondere die Körperverletzungsdelikte, in den letzten Jahren zugenommen. Auf diese Entwicklung haben soziodemographische Faktoren, insbesondere das Elternhaus einen erheblichen Einfluss.

Die vorliegende Arbeit untersucht die Teilnehmer einer Maßnahme für unterAlkoholeinfluss straffällig gewordene junge Menschen (Kaj- Kurzzeitinterventionfür unter Alkoholeinfluss straffällig gewordene junge Menschen). Mit Hilfe einesdafür entwickelten Fragebogens wurden 53 Teilnehmer der Maßnahme in denJahren 2008/2009 hinsichtlich ihres Suchtmittelkonsums, ihrer familiärenHintergründe und ihres delinquenten Verhaltens analysiert. Die Ergebnissezeigen, dass frühe Suchtmittelerfahrungen sowohl mit dem Einstieg als auch mitdem Ausmaß delinquenten Verhaltens zusammenhängen. Darüber hinaus steheninnerfamiliäre Gewalterfahrungen und späterer Suchtmittelkonsum der jungenMenschen in engem Verhältnis. Durch die Bildung eines Risikoindizes konnten wirzeigen, dass vor allem junge Menschen, die mehrere Risikofaktoren(Suchtmittelkonsum der Eltern, Gewalterfahrungen im Elternhaus, früher eigenerSuchtmittelkonsum, frühe erste Straftat) aufweisen, gegenwärtig ein besondershohes Maß an deviantem Verhalten an den Tag legen.

Praktische Implikationen für die Arbeit mit suchtmittelkonsumierenden, straffälligen jungen Menschen werden diskutiert.

Schlüsselwörter:

Heranwachsende, Delinquenz, Suchtmittelkonsum, Risikofaktoren, Jugendgewalt, Alkohol, Cannabis, Straftaten

1 Einführung

Am 30. Dezember 2007 um 4.45 Uhr in der U 5 in Richtung Neuperlach waren zweijunge Männer mit ihren Freunden durch laute Musik aufgefallen. Die Aufforderunganderer Fahrgäste, die Musik leiser zu stellen, ignorierten sie. Als ein 20-Jährigersie beleidigte, schlug Person A.. zu. Fahrgast Person C. (45) wollte schlichten. Daverpasste ihm Person A.`s Freund (Person B) einen Handkantenschlag auf dieNase, die sofort heftig blutete. Am Innsbrucker Ring wollten die Täter das Weitesuchen, der verletzte Person C. folgte ihnen. Im Zwischengeschoss kam es zu einerbrutalen Szene: Gemeinsam schlugen und traten sie auf den 45-Jährigen ein, dererheblich verletzt zu Boden ging. Sie attackierten auch eine weitere Person. (45),der seinem Freund zu Hilfe eilen wollte. Beide Täter standen unter Alkoholeinfluss.Person A.., unter anderem wegen dreier Körperverletzungen vorbestraft, gab vorGericht alles zu. Weder Jugendarreste noch ein Anti-Aggressions-Kurs hatten ihnbisher von weiteren Taten abgehalten (Unfried/ tz, 2008)

Diese Arbeit soll die Teilnehmer einer Maßnahme untersuchen, mit deren Hilfesuchtgefährdete und straffällige junge Menschen wie Person A.. und Person B.von weiteren Gewaltdelikten unter Alkoholeinfluss abgehalten werden sollen. MitHilfe dieser Ergebnisse soll es möglich sein, die hier vorgestellte Maßnahme zuoptimieren und Anstöße für die Entwicklung weiterer Angebote in diesem Bereichzu geben. Das geschieht, indem zunächst eine möglichst breite theoretischeÜbersicht erstellt wird, die das Konsumverhalten von Jugendlichen bzw. jungenErwachsenen in Bezug auf Suchtmittel - mit deutlichem Schwerpunkt auf Alkohol - auf Grund der in der Literatur vorhandenen Forschungsergebnisse erarbeitet. ImAnschluss daran wird der gegenwärtige Stand der Wissenschaft im Bereich junge Menschen, Gewalt und Straftaten vorgestellt um dann beide Themen inVerbindung zu bringen und den eigentlichen Schwerpunkt dieser Arbeit junge Menschen und Gewaltdelikte unter Alkoholeinfluss wissenschaftstheoretischvorzustellen. Im empirischen Teil dieser Arbeit werden die Teilnehmer derMaßnahme mit Hilfe eines Fragebogens befragt und die gewonnen Daten anhanddetaillierter deskriptiver Betrachtung, korrelationsanalytischer Auswertung und derBildung eines Risikoindizes vorgestellt.

Abschließend diskutieren wir die Ergebnisse der vorliegenden Studie in Bezug zuder bereits vorhandenen Datenlage, erörtern Verbesserungsvorschläge für dievorgestellte Maßnahme und möchten Anregungen geben für weitere Angebote inder Arbeit mit unter Alkoholeinfluss straffällig gewordenen jungen Menschen.

2 Theoretischer Hintergrund

Zunächst soll der theoretische Hintergrund der Thematik beleuchtet werden. Dabei wird im ersten Kapitel auf junge Menschen, ihren Suchtmittelkonsum und ihre Lebensbedingungen eingegangen. Dann wird der Bereich junge Menschen, Gewalt und Straftaten und das Jugendstrafrecht genauer beleuchtet. Im dritten Kapitel werden die beiden bis dahin getrennt betrachteten Themenbereiche zusammengeführt. Es setzt sich demnach mit jungen Menschen, die unter Suchtmitteleinfluss Straftaten verüben, auseinander. Hierbei werden insbesondere mögliche Zusammenhänge und Einflussfaktoren erörtert.

2.1 Junge Menschen und Suchtmittelkonsum

2.1.1 Suchtmittelkonsum allgemein

Um deutlich zu machen, welche Dimensionen stoffgebundene Suchterkrankungenmittlerweile in unserer Gesellschaft erreicht haben, und vor allem, welche Auswir-kungen diese mit sich bringen, werden im Folgenden beachtenswerte Zahlen undstatistische Daten zu Suchtkranken und deren Angehörigen angeführt. Ebensosollen aussagekräftige Ergebnisse einschlägiger Studien aus dem Sucht- undJugendbereich dargestellt werden. Vorab werden verwendete Begriffe zumbesseren Verständnis definiert:

Risikoarmer Konsum (Genuss) definiert sich durch moderaten, der Situation ange-messenen Konsum. Dieser wird unter anderem durch die soziale/kulturelle Normbestimmt.

Riskanter oder sch ä dlicher Konsum hat missbräuchlichen Charakter und definiertsich über die Menge oder den der Situation unangemessenen Konsum. Auch einin irgendeiner Weise der Person abträgliches oder Person und Umwelt schädigen-des Konsumverhalten wird darunter verstanden. Das ICD-101: spricht von Alkohol- missbrauch, wenn Schäden auf psychischem oder körperlichem Gebiet nachweisbar sind, ohne dass die Kriterien einer Abhängigkeit erfüllt sind.Missbrauch liegt nach DSM-IV2 vor, wenn mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt ist, ohne dass eine Alkoholabhängigkeit vorliegt.

- Erhebliche Probleme in Haushalt, Familie oder Schule wegen des Substanzgebrauchs
- Substanzgebrauch in gefährlichen Situationen
- Probleme mit dem Gesetz wegen des Substanzgebrauchs
- Soziale und zwischenmenschliche Probleme wegen des Substanzge- brauchs

Abh ä ngiger Konsum ist als Krankheit anerkannt und wird unter anderem alszwanghafter Konsum von Suchtmitteln, verminderte Kontrollfähigkeit über Mengeund zeitliche Einteilung, über körperliche Entzugssymptome und Toleranzentwick-lung definiert.

Eine Abhängigkeit nach DSM-IV liegt vor, wenn zu irgendeinem Zeitpunkt mindes-tens drei der folgenden Kriterien in demselben 12-Monats-Zeitraum aufgetretensind.

1. Toleranzentwicklung
2. Entzugssymptome oder Substanzgebrauch zur Abschwächung oder Vermeidung der Symptome
3. Substanzgebrauch länger oder in größeren Mengen als beabsichtigt
4. Anhaltender Wunsch/erfolglose Versuche, den Substanzgebrauch zu kontrollie-ren
5. Hoher Zeitaufwand für Beschaffung, Gebrauch und Erholung
6. Aufgabe/Einschränkung von sozialen, beruflichen und Freizeitaktivitäten
7. Fortgesetzter Substanzgebrauch trotz eindeutig schädlicher Folgen Die Kriterien decken sich mit denen des ICD-10. Diese gelten auch bei Cannabiskonsum, daher wird hier auf weitere Definitionen diesbezüglich verzichtet. Nach der Begriffsklärung werden im folgenden die aktuellen Daten und Fakten zum Suchtmittelkonsum betrachtet.

Alkohol ist in Deutschland (nach Nikotin) die am zweithäufigsten konsumierte Sub-stanz. Laut aktuellsten Zahlen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) praktizieren 15,4 Mio. Deutsche einen riskanten Alkoholkonsum, wovon - nach DSM IV - 2 Mio. einen missbräuchlichen Konsum aufweisen, während weitere 1,3 Mio. alkoholabhängig sind. Insgesamt zeigen damit 3,3 Mio. Deutsche einen missbräuchlichen bzw. abhängigen Alkoholkonsum.

Es gibt 2,4 Mio. Cannabiskonsumenten, davon fallen 380.000 nach DSM IV unter Missbrauch und 220.000 unter Abhängigkeit. Andere illegale Drogen außer Cannabis werden von 645.000 konsumiert (vgl. DHS 2009).

Gemessen am jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch ging der Konsum reinen Alkoholsvon 10,1 Litern (2006) auf 9,9 Liter im Jahr 2007 zurück. Aufgegliedert nach ver-schiedenen Getränkearten ist der Pro-Kopf-Verbrauch alkoholischer Getränke inDeutschland im Vergleichszeitraum 2006/2007 im Bereich Spirituosen3 auf 5,6Liter (-1,8%), im Bereich Bier auf 111,7 Liter (-3,8%) und bei Schaumwein auf 3,7Liter (-2,6%) gesunken. Der Konsum von Wein4 und weinhaltigen Getränken istallerdings auf 20,6 Liter (+2,5%) angestiegen (vgl. DHS 2009). Der Alkoholkonsumist somit in den letzten Jahren relativ unverändert auf einem hohen Niveau geblie-ben.

Nachdem die Begrifflichkeiten geklärt und auf den Gesamtkonsum in Deutschland eingegangen wurde, wird im nächsten Kapitel der Fokus auf den jüngeren Teil der Bevölkerung gelegt.

2.1.2 Alkoholkonsum bei jungen Menschen

Zunächst werden die Prävalenzen vorgestellt. Dann wird auf die riskanten Konsummuster, das Trinkalter und die Probleme mit bzw. Folgen des Alkoholkonsum eingegangen und die Alkoholzugänglichkeit in Deutschland betrachtet.

Pr ä valenzen

Dieses Kapitel liefert als Ergänzung einen Überblick über die Entwicklung des Al-koholkonsums Jugendlicher in den alten und neuen Bundesländern. Hier muss aufverschiedene Datenquellen zurückgegriffen werden, da sich keine längsschnittli-che Betrachtung etabliert hat. Ein Vergleich der Befunde ist nur eingeschränkt möglich, da bei den verschiedenen Untersuchungen die Fragestellungen, Bezugszeiträume und Altersklassen divergieren.5

Alkohol ist bei den Heranwachsenden das am weitesten verbreitete Suchtmittel. Inder Drogenaffinitätsstudie der BzgA aus dem Jahr 2008 geben rund drei Viertel(75,8%) der 12- 17-Jährigen an, schon einmal Alkohol getrunken zu haben, ob-wohl der größte Teil der 12- bis 17-Jährigen nach dem Jugendschutzgesetz ei-gentlich gar keinen Alkohol trinken dürfte. Der Anteil der Jugendlichen, die im letz-ten Jahr mindestens wöchentlich irgendein alkoholisches Getränk getrunken ha-ben, ging von 21,2% im Jahr 2004 auf 17,4% im Jahr 2008 zurück. Es trinkendeutlich mehr männliche Jugendliche regelmäßig Alkohol als weibliche Jugendli-che (BzgA, 2008). Einen häufigen Konsum (10mal oder öfter) innerhalb der letzten 30 Tage gaben 14% der Jugendlichen an, mit 23% mehr Jungen als Mädchen 6%(Kraus et al, 2008). Einen hohen Konsumumfang (>6 Gläser/Flaschen) bei derletzten Trinkgelegenheit berichteten 14% der Konsumenten von Spirituosen, 10%der Biertrinker, 5% der Alkopopstrinker und 4% der Wein/Sekttrinker.Insgesamt 32% der befragten Jugendlichen berichtete von Rauscherfahrungen inden letzten 30 Tagen; einen Konsum von fünf oder mehr Einheiten Alkohol in die-sem Zeitraum gaben 59% der Schülerinnen und Schüler an (BzgA, 2008).

Riskante Konsummuster

An dieser Stelle sollte beachtet werden, dass die Begriffsbildung schwierig ist, dadas Phänomen des jugendlichen Alkoholkonsums mit vielen verschiedenen Na-men benannt wird: Den Begriffen Rauschtrinken, Flatratesaufen, Komasaufen,Binge drinking liegen unterschiedliche Mengen- und Häufigkeitsdefinitionen zu-grunde. Riskante Konsummuster werden von der BzgA durch zwei unterschiedli-che Indikatoren beschrieben, zum einen die 30-Tage-Prävalenz des Binge-Trin-kens, d.h. dass bei einer Trinkgelegenheit fünf alkoholische Getränke oder mehrhintereinander getrunken wurden. Der Anteil der Jugendlichen, die in den letzten 30 Tagen mindestens einmal Binge-Trinken praktiziert haben, blieb im Zeitraum von 2004 (22,6%) bis 2008 (20,4%) nahezu konstant, d.h. jeder Fünfte praktizierte in den letzten 30 Tagen Binge-Trinken.

Ein anderer Indikator für riskanten Alkoholkonsum ist die täglich konsumierte Men-ge an Reinalkohol. Da es derzeit keine allgemein anerkannten Grenzwerte für Ju-gendliche gibt, wurden die für Erwachsene gültigen Grenzwerte für riskanten bzw.gefährlichen Konsum zugrunde gelegt. „Riskanter Konsum“ beispielsweise liegtbei Männern zwischen 24g und 60g Reinalkohol pro Tag und bei Frauen zwischen12g und 40g pro Tag. Danach konsumieren derzeit 6,2% der 12- bis 17-Jährigeneine selbst für Erwachsene riskante Alkoholmenge. Des Weiteren liegt der Anteilder Jugendlichen mit einem selbst für Erwachsene gefährlichen Konsum bei 2,0%.Gefährlicher Konsum beginnt für Männer bei 60 Gramm und bei Frauen bei 40Gramm. Der Anteil der Jugendlichen, die mindestens monatlich spirituosenhaltigeAlkopops trinken, sank von 28,4% im Jahr 2004 auf 9,8% im Jahr 2008 (vgl. BZgA2008).

Nachdem der riskante Konsum von Jugendlichen betrachtet wurde, wird im nächsten Kapitel auf deren Einstiegsalter beim Alkoholkonsum eingegangen.

Trinkalter

Je eher Jugendliche anfangen Alkohol zu konsumieren, umso größer ist später dieGefahr einer Alkoholabhängigkeit und anderer alkoholbezogener Probleme (Hing-son, Assailly & Williams, 2004). Etwa die Hälfte der Befragten der ESPAD-Studiehat bis zum Alter von 12 Jahren bereits Erfahrungen mit Alkohol gemacht. Bis zum 16. Lebensjahr steigt dieser Anteil auf über 95% an. Die Entwicklung von Jungenund Mädchen verlaufen dabei nahezu parallel. Erste Rauscherfahrungen machendie meisten Jugendlichen zwischen dem 13. und 15. Lebensjahr (Kraus et al,2008, S.146). Das deckt sich mit den Ergebnissen der BzgA, nach denen Jugend-liche im Alter von 12-25 Jahren ihren ersten Rausch mit durchschnittlich 15,5 Jah-ren haben - 39% hatten in den letzten 12 Monaten einen oder mehrmals einenRausch (vgl. BZgA 2008).

Die kumulierte Inzidenz für das erste Rauscherlebnis steigt zwischen dem elftenund dreizehnten Lebensjahr zunächst langsam und zwischen dem dreizehntenund fünfzehnten Lebensjahr steil an. Im Alter zwischen 14 und 15 Jahren war dieHälfte der Schülerinnen und Schüler mindestens einmal betrunken, bis zum Altervon 16 Jahren hatten 74% der Jungen und 68% der Mädchen mindestens ein Rauscherlebnis. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Jugendlichen schon früh mit dem Alkoholkonsum beginnen und der Großteil mit 16 Jahren die Erfahrung gemacht hat, betrunken zu sein.

Probleme im Zusammenhang mit Alkoholkonsum

Als Probleme, die sich im Zusammenhang mit Alkoholkonsum in den letzten 12Monaten ergeben hatten, wurden von den Jugendlichen neben „Probleme mit El-tern und Freunden“, auch „Unfälle und Verletzungen“ am häufigsten genannt.Körperliche Auseinandersetzungen und Unfälle oder Verletzungen im Zusammen-hang mit Alkoholkonsum wurden von 13,5% bzw. 15,1% der Befragten für denZeitraum des letzten Jahres vor der Befragung berichtet. 2,2% der Schülerinnenund Schüler wurden nach eigener Aussage in den vergangenen 12 Monaten vorder Befragung aufgrund von Alkohol in ein Krankenhaus oder die Notaufnahmeeingewiesen. Bezüglich sozialer Probleme im Zusammenhang mit Alkohol gaben21,9% Probleme mit den Eltern, 17,2% Probleme mit Freunden und 7,7% mit derPolizei an. Opfer eines Diebstahls oder Raubes geworden zu sein, berichteten2,2% der Jugendlichen. Leistungsprobleme in der Schule führten 12,8% der Be-fragten auf ihren Alkholkonsum zurück. Alkohol hatte auch bei 7,6% einen negati-ven Einfluss auf das Sexualverhalten, so dass sie einen sexuellen Kontakt bereu-ten. Von 8,4% wurde berichtet, dass Alkohol ausschlaggebend war für Sexualkon-takt ohne Benutzung eines Kondoms. Es berichteten allgemein mehr Jungen alsMädchen von alkoholbedingten Problemen. Nur das Auftreten von Problemen mitFreunden wurde von Mädchen häufiger berichtet. Die meisten alkoholbezogenenProbleme in den letzten 12 Monaten vor der Befragung gaben Haupt- und Real-schüler an, deutlich weniger Probleme berichteten Gymnasiasten (Kraus et al,2008, S.73)

Alkoholvergiftungen

Im Jahr 2007 wurden 23.165 Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 20 Jahrenaufgrund einer Alkoholvergiftung stationär im Krankenhaus behandelt. Im Ver-gleich zu 2006 hat die Zahl um 20% zugenommen (19.500 Einlieferungen). Seitder Ersterhebung im Jahr 2000 (9.500 Kinder und Jugendliche) steigt die Zahl derAlkoholvergiftungen jährlich an. Die aktuelle Zahl ist die bislang höchste jemalsgemessene Zahl. Zwischen 2000 und 2007 ist dies eine Zunahme der Alkoholver- giftungen um 143% (vgl. Landeskriminalamt Baden-Württemberg). „Störungendurch Alkohol“ sind mittlerweile der dritthäufigste Aufnahmegrund für eine Kran-kenhausbehandlung bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen (Wolstein, 2009).Die 10-12-Jährigen machten 2,2%, die 13-14-Jährigen 28,6% und die 15-17-Jährigen 69,2% des Patientenkollektivs aus. Der stärkste Anstieg war bei Jugend-lichen im Alter von 13-14 Jahren (2001: +35,9%; 2002: +19,3%; p*<,05), und 15- 17 Jahren (2001: +59,1%; 2002: +10,1%; p*<,05) festzustellen. Der Anteil derweiblichen Patienten stieg von 34,1% im Jahr 2000 auf 41,9% im Jahr 2001 und49,8% im Jahr 2002 an (Meyer et al, 2008). Insgesamt ist eine deutliche Zunahmevon stationären Behandlungen auf Grund von Alkoholintoxikationen in den letzten 10 Jahren zu vermerken - die Zahlen haben sich mehr als verdreifacht.

Oft findet das Rauschtrinken der Jugendlichen zu traditionellen Trinkgelegenheitender Erwachsenen statt, wie etwa der Bergkirchweih in Erlangen. ProfessorWolfgang Rascher (Leiter der Kinder- und Jugendabteilung desUniversitätsklinikums Erlangen) hat die Daten der Uniklinik der letzten zehn Jahreausgewertet und festgestellt, dass immer mehr Kinder und Jugendliche mitalkoholischer Intoxikation eingeliefert werden. Im Zeitraum 1998-2007 waren es653 Jungen (59,6%) und 389 Mädchen (40,4%). Pro Jahr sind es ungefähr 20Jugendliche mehr, vor allem während der Bergkirchweih steigt die Zahl an.(Rascher, 2008).

Diese alarmierenden Zahlen verdeutlichen die Notwendigkeit gezielter Intervention und vor allem Prävention. Jugendliche, die aufgrund einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus medizinisch versorgt werden müssen, haben ein hohes Risiko zur Suchterkrankung. Hier ist es demnach wichtig, frühzeitig die Weichen neu zu stellen. Hier bieten unterschiedliche Präventionsansätze Möglichkeiten.Welche Folgen übermäßiger Alkoholkonsum auf den jugendlichen Organismus hat, wird im nächsten Abschnitt erläutert.

Folgen des Konsums

Der jugendliche Organismus reagiert sehr unterschiedlich auf eine hohe Alkohol-menge. Subjektiv wird der Alkohol im jugendlichen Alter besser vertragen, die Zei-ten für die Rekonvaleszenz sind gering und die Betroffenen fühlen sich bereitsnach kurzer Zeit wieder fit. Die körperlichen Gefahren hoher Trinkmengen liegenvor allem in einer Absenkung der Körpertemperatur und einer Unterzuckerung.

Daneben sind Verletzungen, die sich Jugendliche im Rausch zuziehen sowie be-gangene Straftaten unter Alkoholeinfluss ein gravierender Nebeneffekt. Längs-schnittuntersuchungen zeigen deutlich, dass Jugendliche mit riskantem/miss-bräuchlichem Alkoholkonsum im späteren Leben stärker gefährdet sind eine Alko-holabhängigkeit zu entwickeln (Wolstein, 2009). Auch kann gezeigt werden, dasssich bereits bei Jugendlichen schnell eine Abhängigkeit entwickeln kann. Jugend-liche mit niedrigem ‚Level of Response’, d.h. vergleichbar geringer Reaktion aufeine Alkoholdosis, haben dabei ein besonders erhöhtes Risiko. Neuere neurobio-logische Untersuchungen zeigen, dass das jugendliche Gehirn starken strukturel-len Veränderungen ausgesetzt ist. Hierdurch können jugendtypische Verhaltens-weisen und Befindlichkeiten, wie die Suche nach extremen Erfahrungen und Rei-zen oder schwankendes Gefühlserleben und Unlust erklärt werden. Gleichzeitigwurde deutlich, dass Schädigungen des jugendlichen Gehirns durch einen hohenAlkoholkonsum in dieser Phase besonders drastisch vor allem die Gedächtnisleis-tung beeinflussen (Wolstein, 2009). Auch hier zeigt sich, dass die Folgen des Al-koholkonsums umso schwerwiegender ausfallen, je früher damit begonnen wird.Daher gilt es auch zu betrachten, wie die Jugendlichen an den Alkohol heran-kommen und inwiefern dieses in unserer Gesellschaft akzeptiert wird.

Alkoholzug ä nglichkeit in Deutschland

Das Konsumieren der legalen Droge Alkohol hat in Deutschland lange Tradition.Es ist ritualisiert und integraler Bestandteil unserer Permissivkultur, d.h. Alkohol-konsum wird im Gegensatz zu so genannten Abstinenzkulturen gebilligt. Aus so-ziologischer Sicht wird der Konsum legaler Drogen in unserer Gesellschaft als ge-radezu angepasstes Verhalten bewertet. In der öffentlichen Wahrnehmung hatsich gegenüber den legalen Alltagsdrogen eine duldende bis befürwortende Ein-stellung entwickelt. Der erste Alkoholkonsum bei Jugendlichen geschieht dahermeist mit Billigung der Eltern.

Das deutsche Betäubungsmittelgesetz (BtMG) unterscheidet in § 1 zwischen lega-len und illegalen Drogen. Hierbei handelt es sich um eine rein formale juristischeEinteilung, die unabhängig von Gefährlichkeit und Suchtpotential der einzelnenStoffe getroffen wurde. Zu den legalen Drogen gehören in Deutschland Alkohol,Nikotin und zugelassene Medikamente. Alle anderen psychotropen Substanzensind im Sinne dieses Gesetzes illegal. Zu ihnen gehören unter anderen Cannabis, Kokain und Heroin. Legale Drogen sind mit wenigen Einschränkungen (bestimmteMedikamente) frei im Handel erhältlich, während illegale Drogen gemäß demBtMG weder gehandelt noch konsumiert werden dürfen (vgl. Bundesministeriumfür Justiz).

Legale berauschende Mittel - zu denen Alkohol zählt - sind vielen Menschen freizugänglich. Kinder und Jugendliche können die Tragweite und Gefährlichkeit desDrogenkonsums nicht abschätzen und bedürfen daher besonderen Schutzes. Ausdiesem Grund sollen sie in ihrer Handlungsfreiheit durch das Jugendschutzgesetz(JuSchG) in verfassungsrechtlich zulässiger Weise eingeschränkt und dadurch ge-schützt werden (Fleck 2001, S.75). Somit regelt das Jugendschutzgesetz den Um-gang mit psychotropen Substanzen und deren Zugänglichkeit für Kinder und Ju-gendliche. Mit dem am 1. April 2003 in Kraft getretenen neuen Jugendschutzge-setz des Bundes (JuSchG) soll vor allem der Gefährdung der Erziehung und Ent-wicklung von Kindern und Jugendlichen begegnet werden. Verstöße gegen diesesGesetz können als Ordnungswidrigkeit oder Straftat mit einer Buße von bis zu 50.000 € belegt werden (Bayerisches Landesjugendamt, 2007). Einschränkungen,die zusätzlich eingeführt wurden, betreffen ausschließlich die legale Abgabe vonalkoholhaltigen Getränken an Jugendliche unter 16 Jahren. Alkoholhaltige Geträn-ke dürfen jetzt nur noch abgegeben werden, sofern eine personensorgeberechtig-te Person anwesend ist, d.h. ausschließlich die beiden Elternteile und nicht Perso-nen, die mit einzelnen Aufgaben der Erziehung und Betreuung beauftragt werden.Das alte Gesetz fasste diese beiden Gruppen unter dem Begriff Erziehungsbe-rechtigte zusammen. Zu bezweifeln ist, ob wirklich alle Einzelhändler bzw. Gastro-nomen diesen Unterschied kennen und sich die Mühe machen, den rechtlichenStatus der begleitenden Person zu überprüfen. Auch ist die Verfolgung der Zuwi-derhandlung fraglich. Zwar sind die Strafen hoch angesetzt, jedoch finden Verfol-gung und Ahndung nur selten statt. Das Gesetz verbietet Jugendlichen unter 16Jahren zwar „formal“ den Alkoholkonsum, in der Praxis stellt es jedoch keinen wir-kungsvollen Schutz dar. Das Jugendschutzgesetz verbietet die Abgabe von Bierund Wein/Sekt an Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren, die Abgabe von Spiri-tuosen (inkl. Alkopops) für Jugendliche unter 18 Jahren. Dennoch war es jedemVierten der 16-jährigen oder älteren Jugendlichen möglich, in den letzten 30 Ta-gen Spirituosen einzukaufen und etwas weniger als die Hälfte (44%) hat Spirituo- sen in Bars, Kneipen, Discotheken oder Restaurants getrunken (Kraus et al,2008).

Die Politik ist sich dieser Situation bewusst. Daher wurde, um dem Konsum der Al-kopops durch Jugendliche entgegenzuwirken, zum 1. Juli 2004 eine Sondersteuermit dem „Gesetz über die Erhebung einer Sondersteuer auf alkoholhaltige Süßge-tränke (Alkopops) zum Schutz junger Menschen auf branntweinhaltige Mischge-tränke“ eingeführt. Antworten der Hersteller auf diese Maßnahme sind u.a. dieEntwicklung von Getränken, die keinen Branntwein (Alkohol aus Destillation) ent-halten, sondern Gärungsalkohol (z.B. Biermixgetränke) sowie die Herabsetzungdes Alkoholgehaltes.

Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass die Alkoholzugänglichkeit für die Jugendlichen sich zu einfach gestaltet, gesetzliche Bestimmungen wie das JuSchG ihren Zweck nicht zufriedenstellend erfüllen und die Jugendlichen zu früh an Alkohol kommen und zu viel davon konsumieren.

Während bisher der Schwerpunkt der Betrachtungen auf Alkohol lag, soll im folgenden Kapitel der Canabiskonsum junger Menschen beschrieben werden.

2.1.3 Cannabiskonsum bei jungen Menschen

In England experimentiert bei der Altersgruppe der 14- bis 25-Jährigen fast jederzweite Mann und jede dritte Frau mit Drogen (meist Cannabis). In einer Studie vonProf. Keupp der LMU München, der repräsentative Daten für die Stadt Münchenerhoben hat, zeigt sich, dass für eine vergleichbare Altersgruppe (von 12 bis 24Jahre) die Werte etwas niedriger liegen: Je mehr man den Blick auf sozial benach-teiligte Jugendliche richtet, umso markanter wird das Bild. Der Fokus bei dieserUntersuchung wurde insbesondere auf Jugendliche und junge Erwachsene gerich-tet, die spezifische Maßnahmen der Jugendhilfe durchlaufen haben: 33% derweiblichen und 54% der männlichen Befragten berichteten von Erfahrungen mitillegalen Drogen (auch hier mit weitem Abstand Cannabis). Gerade bei den jungenMännern aus dem Jugendhilfebereich deckt das Experimentierfeld weite Bereicheder illegalen Drogen ab:

Das Experimentieren mit Drogen (Rauchen, Trinken und Konsum illegaler Drogen)gehört in spezifischen jugendlichen Lebenswelten inzwischen fast zum Normali-tätsbestand. Das heißt nicht, dass der Drogenkonsum für alle normal wird. Vielehören wieder auf. In der Münchner Studie bezeichnen sich in der Repräsentativer- hebung 13,3% der Frauen und 21,6% der Männer als „aktuelle User“; bei Jugend-lichen in der Jugendhilfe liegen die Werte höher: 14,6% der Frauen und 33,6% derMänner konsumieren aktuell Drogen (Keupp, 2009, S.2). Beim Cannabiskonsumstieg der Anteil der Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von 12-25Jahren, die mindestens einmal in ihrem Leben Cannabis konsumiert haben, von1979 bis 2004 deutlich an. Diese Entwicklung zeigte sich bei beiden Geschlech-tern. Zwischen 2004 und 2008 geht die Lebenszeit-Prävalenz in dieser Altersgrup-pe zurück. Bei den 12-17 jährigen Jungen und Mädchen stieg der Anteil derjeni-gen, die bereits Erfahrung mit dem Konsum von Cannabis gemacht haben, seit1993 bis 2004 deutlich an. Seit 2004 zeichnet sich ein Rückgang der Lebenszeit-Prävalenz bei beiden Geschlechtern ab. Während die Lebenszeit-Prävalenz an-zeigt, ob überhaupt schon einmal Cannabis konsumiert wurde, ist der regelmäßigeCannabiskonsum ein Indikator für ein Konsumverhalten, das enger mit einem Risi-ko für die Entwicklung cannabisbezogener Probleme verknüpft ist. Als regelmäßi-ger Cannabiskonsum wird in dieser Studie ein Konsum von mehr als zehnmal imletzten Jahr bezeichnet (Keupp, 2009).

Der regelmäßige Konsum von Cannabis ist in der Gruppe der 12-25-Jährigenrückläufig. Das lässt sich bei den männlichen wie bei den weiblichen Jugendlichenund jungen Erwachsenen beobachten (vgl. BZgA 2008). Auch in der ESPAD-Stu-die wurde festgestellt, dass der Anteil der Cannabiskonsumenten gegenüber derletzten Erhebung von 2003 deutlich abgenommen hat. Von 2003 auf 2007 sankdie Lebenszeit-Prävalenz von 31% auf 25%, die 12-Monats-Prävalenz von 25%auf 17% und die 30-Tage-Prävalenz von 14% auf 8%. Auch hier ging der Anteilweiblicher Cannabiskonsumenten dabei stärker zurück als der Anteil männlicherKonsumenten (Kraus et al, 2008).

Es berichteten bei der ESPAD-Studie 28% der Schülerinnen und Schüler, jemalsin ihrem Leben irgendeine illegale Droge (Cannabis, Amphetamine, Ecstasy, LSD,Kokain, Crack oder Heroin) probiert zu haben. Mit einer Lebenszeit-Prävalenz von25% war Cannabis die am häufigsten konsumierte Substanz. In dem Jahr vor derErhebung haben 17% der Jugendlichen mindestens einmal Cannabis probiert und8% in den letzten 30 Tagen. Es berichteten mehr Jungen als Mädchen von einemmindestens einmaligen Cannabiskonsum im Leben (30% vs. 21%), in den letzten 12 Monaten (22% vs. 13%) und in den letzten 30 Tagen (11% vs. 5%) vor der Be-fragung. In den letzten 30 Tagen gaben 3% der Jugendlichen an, öfter als einmal pro Woche Cannabis konsumiert zu haben. Cannabismissbrauch wurde mittels des Cannabis Abuse Screening Tests (CAST) erfasst. Demnach zeigten Jungen (1,6%) ein viermal höheres Missbrauchsverhalten für Cannabis als Mädchen (Kraus et al, 2008).

Bei der Frage nach Gründen für früheren Konsum illegaler Drogen kam bei derStudie der LMU ein breites Spektrum jugendspezifischer Motive und Bedürfnissezum Ausdruck. Dabei führt Neugier (57,7%) die Liste an, darauf folgtAufregung/Neues erleben wollen (27,6%) und Geselligkeit (20,1%). Für ein Dritteleröffnen Drogen den Weg zu ganz neuen Musik-Erlebnissen, ebenso viele nennentolle Glücksgefühle und ein Viertel nennt ganz neue Erfahrungen. Der Anteil derer,die mittels Drogen ihren Alltag vergessen wollen, wird nur vom jedem sechsten alsMotiv genannt. (Keupp, 2009, S.3) Bei der ESPAD-Studie gaben die Jugendlichenan, infolge von Cannabiskonsum vor allem Effekte auf ihr sozialesKontaktverhalten oder eine stimulierende Wirkung zu erwarten (Kraus et al, 2008).Für zwei Drittel derer, die mit Drogenkonsum wieder aufgehört haben, liegt die Be-gründung darin, dass es ihnen „nichts gebracht“ habe, also die damit verbundenenHoffnungen und Erwartungen enttäuscht wurden. Für mehr als 40% hat auch dieAngst, dass sie gesundheitlich Schaden nehmen könnten, eine Rolle gespielt(Keupp, 2009, S.3)

Im nächsten Kapitel werden die Lebensbedingungen der Jugendlichen genauer betrachtet, da diese auch Einfluss auf den Suchtmittelkonsum haben.

2.1.4 Einblicke in die Lebensbedingungen der Jugendlichen

Die Familie ist die kleinste und zugleich wichtigste soziale Struktur einer Gesell-schaft. Kinder leben heute in einer veränderten Welt: Neben der klassischen „Nor-malfamilie“ treten zunehmend andere Lebensformen (Alleinerziehende, sog.Patchworkfamilien, nicht-eheliche Lebensgemeinschaften etc.) auf. Darüber hin-aus hat der gesellschaftliche Wandel Leben und Alltag der Familien zum Einen er-weitert (z.B. Kommunikationsmedien), zum Anderen verengt (z.B. Ein-Kind-Fami-lie). Viele Kinder sind schon früh gefordert, selbstständig zu handeln und eigenesoziale Bezüge aufzubauen. Die Bedeutung, die der Familie aus Sicht der Jugend- lichen zukommt, soll im Folgenden beschrieben werden. Dazu werden Ergebnisse aus der Shell-Jugendstudie aus dem Jahr 2006 aufgegriffen.6

Die Sicht der Jugendlichen auf Familie allgemein

Entgegen der These von der Auflösung von Ehe und Familie lässt sich bei den Ju-gendlichen eine starke Familienorientierung feststellen: 72% der Jugendlichensind der Meinung, dass man eine Familie braucht, um wirklich glücklich leben zukönnen. Daher ist es kaum verwunderlich, dass Jugendliche lange in den Struktu-ren ihrer Herkunftsfamilie bleiben. So leben 73% der Jugendlichen im Alter von18-21 Jahren noch bei ihren Eltern. Bei den 22- bis 25-Jährigen sind es immerhinnoch 34%. Möglicherweise bildet hier die Familie einen Spannungsausgleich überden Rückhalt im familiären Bereich, der einen Gegenpol zu einer potenziell unsi-cheren Zukunft darstellt (vielfältige Anforderungen der Arbeitgeber, unsichere Be-rufsaussichten etc.); vielleicht hängt dieses auch mit den vergleichsweise langenAusbildungszeit im Vergleich zu anderen europäischen Ländern zusammen (Deut-sche Shell Holding 2006, S.16-17, 50-64).

Der Großteil der Jugendlichen ist mit der Erziehung durch ihre Eltern zufrieden;71% von ihnen würden ihre Kinder ungefähr so oder genau so erziehen. DieseSichtweise ist jedoch schichtabhängig: Während nur 46% der Jugendlichen ausder Unterschicht mit der Erziehung ihrer Eltern zufrieden sind, sind es in der Ober-schicht fast doppelt so viele (79%). 90% geben an, ein gutes Verhältnis zu ihrenEltern zu haben (38% davon kommen bestens mit ihren Eltern aus; 52% kommenmit ihnen zurecht, auch wenn es gelegentlich Meinungsverschiedenheiten gibt).Das Verhältnis zu den Eltern beschreiben 9% der Jugendlichen als schlecht, dabeihandelt es sich großteils um Jugendliche aus den unteren sozialen Schichten.Darüber hinaus beeinflusst die Familienform, in der die Jugendlichen leben, dasVerhältnis zu den Eltern. Mädchen und junge Frauen sind im Vergleich zu Jungenund jungen Männern stärker familienorientiert (Deutsche Shell Holding 2006, S.59-64).

Mögliche Erziehungsfehler

Fragt man heute nach den häufigsten Erziehungsfehlern, antworten 81% der Be-fragten7, dass Eltern sich heute zu wenig Zeit für ihre Kinder nähmen; der zweiteHauptvorwurf besteht darin, dass Eltern ihre Kinder zu viel fernsehen und mit demPC spielen lassen (78%). Hierdurch wird indirekt ein Mangel an Zuwendung unddamit auch an praktischer und theoretischer Wertevermittlung angeprangert.Diese scheinbare Entlastung der Eltern wird nach Ansicht der Befragten durch Me-dienkonsum der Kinder erkauft. So geben 62% an, dass die Kinder schlechtenEinflüssen durch Gewalt im Fernsehen und in Videospielen ausgesetzt seien.Dabei richten sich die Hauptvorwürfe sowohl gegen eine falsch verstandeneKinderliebe, die durch ein Übermaß an materiellen Zuwendungen (64%) zumAusdruck gebracht wird, als auch gegen eine scheinbare Liberalität, die keineGrenzen in der Erziehung setzt (Bundesministerium für Familie, Frauen undJugend, 2006). Eltern nehmen sich demnach zu wenig Zeit für ihre Kinder undvermeiden praktische Erziehungsarbeit. Wie häufig solche Erziehungsfehler in derRealität tatsächlich vorkommen, wird durch die zitierte Studie nicht belegt.

Sozioö konomische Einflussfaktoren

Der Einfluss der Eltern auf den Alkoholkonsum von Jugendlichen ist, wie zahlrei-che Studien belegen, sehr hoch. Sowohl ein frühes Einstiegsalter als auch jugend-licher Gebrauch und späterer Missbrauch hängen unmittelbar mit mehreren, dieFamilie betreffenden Faktoren zusammen. So ist die allgemeine Einstellung derEltern zum Alkohol sowie gegenüber dem Konsum ihrer Kinder von immenser Be-deutung. Nehmen die Jugendlichen wahr, dass ihre Eltern sie zum Konsum ermu-tigen und/oder sie in ihrem Konsum gewähren lassen, so begünstigt dies sowohlden Einstieg als auch den Missbrauch. Auch scheint ein Zusammenhang zwi-schen dem „normalen“ Konsum der Eltern und/oder dem Missbrauch ihrer Kinderzu bestehen. 82% der Jugendlichen, deren Eltern Alkohol konsumieren, trinkenebenfalls. Analog leben 72% der Jugendlichen abstinent, sofern die Eltern dasebenfalls tun. Bei genauerer Betrachtung zeigte es sich, dass das elterlicheTrinkverhalten nur ins Gewicht fiel, wenn der familiäre Erziehungsstil widersprüchlich und inkonsequent war. In Haushalten, in denen die Eltern denKindern klar signalisierten, dass sie Alkoholkonsum in ihrem Alter fürunangemessen hielten und sie zudem nicht am eigenen Konsum beteiligten, warkein Zusammenhang von elterlichem und kindlichen Konsum zu erkennen. Einautoritativer elterlicher Erziehungsstil, der durch klare Verhaltenserwartungen,durch Erklären von Gründen für Regeln, durch positives Feedback sowie großeAnteilnahme und Unterstützung am Leben der Kinder gekennzeichnet ist, trägtdazu bei, dass Kinder weniger zu Substanzkonsum neigen (Leppin, 2000, S. 68f.).Auch die soziale Stellung der Eltern scheint von Bedeutung. SozioökonomischeMerkmale scheinen Einfluss auf den Konsum zu haben, doch ist der Wirkungsgradnicht ausreichend geklärt. So können sowohl Armut als auch Reichtum zu einemvermehrten Suchtmittelkonsum führen. Reichtum führt dazu, dass mehr konsu-miert werden kann, wogegen Problemverhalten im Kontext „Alkohol“ eher bei Ju-gendlichen aus sozial schwächeren Familien auftritt (ebd., S. 67f.).

Einfluss durch den Freundeskreis

Neben der Familie sind auch weitere Bezugspersonen, insbesondere aus demFreundeskreis, bedeutsam für die persönliche Lebensgestaltung. Die Peergroupgilt als wichtigste Sozialisationsinstanz, in der ein ähnlicher Lebensstil gepflegtwird und dieselben Normen und Werte gelten. Ähnlich der Familie legt die GruppeWerte zum Selbstkonsum fest und wie weit diese als akzeptabel bzw. inakzepta-bel gelten. So kann eine Gruppe je nach Ausrichtung positiven oder negativen Ein-fluss auf den Konsum nehmen. Zur Erklärung des Einflusses von Gleichaltrigenstehen sich zwei Hypothesen gegenüber, die jeweils von verschiedenen Studiengestützt werden. Die Hypothese von Bandura (1986) geht davon aus, dass Ju-gendliche, die in eine Peergroup eingebettet sind, sich am Verhalten andererGruppenmitglieder orientieren. Durch Imitation, Modelllernen und Gruppendruckkommt es zum Alkoholgebrauch in der Gruppe (Leppin 2000, S. 70). Alkohol- bzw.Drogenkonsum besitzt eine Gemeinschaft stiftende Komponente, er wirkt als Aktder Konformität. Jugendliche, die keinen Alkohol trinken möchten, werden durchDruck zu gruppenkonformem Verhalten verleitet, um durch ihren eigenen Konsumden Gruppenzusammenhalt zu stärken. Für diese Hypothese sprechen die Ergeb-nisse, die etwa Urberg et al. (1997) erhielten (Leppin 2000, S. 70). Sie fanden imLängsschnitt bei Jugendlichen, die zum Zeitpunkt der Rekrutierung noch nie einen Schluck Alkohol getrunken hatten, einen deutlichen Einfluss des Verhaltens derFreunde auf den eigenen Konsum. Dieser sog. „Gruppendruckhypothese“ stehtdie sog. „Selektionshypothese“ gegenüber, die Baumann u. Ennett (1994) mitihren Ergebnissen stützen (Leppin 2000, S. 70). Diese Theorie wählt den Ansatz,dass Jugendliche sich aktiv Gruppen aussuchen, die mit ihrenLebensvorstellungen und Einstellungen konform gehen, d.h. dass Jugendliche miteiner Affinität zum Alkohol auch Freunde und Gruppen mit gleicher Affinität bzw.positivem und lockerem Umgang mit Alkohol finden. Die Alkohol-/Drogenerfahrungen der Peer-Group spielen eine erhebliche Rolle für den eigenenAlkoholkonsum bei Jugendlichen: Rückblickend beschreiben abhängigeErwachsene aus alkoholbelasteten Familien ihre früheren Freunde eher alsziellos, eher alkoholisiert/unter Drogeneinfluss, eher unzuverlässig, eher sozialschlecht integriert und eher aggressiv (Klein u. Zobel, 2001). AuffälligeJugendliche haben die Tendenz, sich einer devianten Peergruppe anzuschließenund vermehrt Alkohol und andere Substanzen zu sich zu nehmen, was auf Dauerdie Entwicklung eines Alkoholproblems wahrscheinlich macht.

Gesellschaftlicher Einfluss

Neben Familie und Freundeskreis hat auch die Gesellschaft, in der Jugendlicheaufwachsen, einen Einfluss auf den Suchtmittelkonsum. Der SozialpsychologeHeiner Keupp beschreibt die Situation der jungen Menschen in unserer Gesell-schaft so:

„Jugendspezifische Erfahrungswelten werden in einer Gesellschaft erheblich komplexerund risikoreicher, der zunehmend einheitliche Ziele und Werte abhanden kommen, dievon der Pluralisierung der Lebensstile gekennzeichnet ist und in der sich die sozialstruktu-rell gegebenen objektiven Lebenschancen höchst unterschiedlich bieten. In einer solchenGesellschaft wird die Lebensgestaltung zu einem risikoreichen Unternehmen, bei demsich das Subjekt immer weniger auf vorgegebene Normen und Modelle beziehen kann.Die Lebenssituation von Jugendlichen ist heute in der sozialen Lebenswelt durch eine ei-gentümliche Spannung gekennzeichnet: Einerseits sind auch schon für Jugendliche dieFreiheitsgrade für die Gestaltung der eigenen individuellen Lebensweise sehr hoch. Ande-rerseits werden aber diese "Individualisierungs-Chancen" erkauft durch die Lockerung vonsozialen und kulturellen Bindungen. Der Weg in die moderne Gesellschaft ist, so gese-hen, auch ein Weg in eine zunehmende soziale und kulturelle Ungewissheit, in moralischeund wertemäßige Widersprüchlichkeit und in erhebliche Zukunftsunsicherheit. Deswegenbringen die heutigen Lebensbedingungen auch so viele neue Formen von Belastung mitsich, Risiken des Leidens, des Unbehagens und der Unruhe, die teilweise die Bewälti-gungskapazität von Jugendlichen überfordern. Sie zahlen, um im Bild zu sprechen, einen"hohen Preis" für die fortgeschrittene Industrialisierung und Urbanisierung, der sich in kör-perlichen, psychischen und sozialen Belastungen ausdrückt.“ (Keupp, S. 3-4).

Weiter schreibt er: „Nun zeigen die entsprechenden Studien, dass das moderne Subjektkeineswegs ein "Einsiedlerkrebs" geworden ist, sondern im Durchschnitt ein größeres Netz eigeninitiierter sozialer Beziehungen aufweist, als es seine Vorläufergenerationenhatten: Freundeskreise, Interessengemeinschaften, Nachbarschaftsaktivitäten, Vereine,Selbsthilfegruppen, Initiativen. Es zeigt sich nun zunehmend auch, dass sozioökonomischunterprivilegierte und gesellschaftlich marginalisierte Gruppen offensichtlich besondereDefizite aufweisen bei dieser gesellschaftlich zunehmend geforderten eigeninitiativen Be-ziehungsarbeit. Unser "soziales Kapital", die sozialen Ressourcen, sind ganzoffensichtlich wesentlich mitbestimmt von unserem Zugang zu "ökonomischem Kapital".Für offene, experimentelle, auf Autonomie zielende Identitätsentwürfe ist die Frage nachsozialen Beziehungsnetzen von allergrößter Bedeutung, in denen Menschen dazuermutigt werden, also brauchen sie „Kontexte sozialer Anerkennung". Da geradeMenschen aus sozial benachteiligten Schichten nicht nur besonders viele Belastungen zuverarbeiten haben und die dafür erforderlichen Unterstützungsressourcen in ihrenLebenswelten eher unterentwickelt sind, halte ich die gezielte professionelle undsozialstaatliche Förderung der Netzwerkbildung bei diesen Bevölkerungsgruppen fürbesonders relevant. Eine Gesellschaft, die sich ideologisch, politisch und ökonomisch fastausschließlich auf die Regulationskraft des Marktes verlässt, vertieft die gesellschaftlicheSpaltung und führt auch zu einer wachsenden Ungleichheit der Chancen anLebensgestaltung. Hier holt uns immer wieder die klassische soziale Frage ein. DieFähigkeit zu und die Erprobung von Projekten der Selbstorganisation sind ohneausreichende materielle Absicherung nicht möglich. Ohne Teilhabe am gesellschaftlichenLebensprozess in Form von sinnvoller Tätigkeit und angemessener Bezahlung wirdIdentitätsbildung zu einem zynischen Schwebezustand, den auch ein "postmodernesCredo" nicht zu einem Reich der Freiheit aufwerten kann.“ (Keupp, S. 16-17)

Keupp beschreibt hier eine Misere, von der sehr viele junge Menschen, die im Kaj-Projekt landen, betroffen sind. Es fehlen die familiäre Unterstützung sowie materi-elle Ressourcen und es beginnt eine Negativ-Spirale, der sich diese jungen Men-schen nicht entziehen können. Das soziale Umfeld beeinflusst natürlich auch dasFreizeitverhalten - und umgekehrt. Dieser Aspekt soll im nächsten Abschnitt be-trachtet werden.

Das Freizeitverhalten junger Menschen

Hier bietet sich ein soziales Übungsfeld für den Umgang mit einer unendlichenFülle an Wahl- und Verhaltensmöglichkeiten der Lebensgestaltung. Musik hören(66 %), sich mit Leuten treffen (62%) und Fernsehen (59%) sind die am häufigstenpraktizierten Freizeitaktivitäten. Danach kommen Discos, Partys, Feiern (34%) undFreizeitsport (31%). Ein Viertel der Jugendlichen beschäftigt sich mit im Internetsurfen, Videos/DVDs schauen und Bücher lesen.8 (Shell Deutschland Holding2006, S.77f.). Jenseits der Gesamtverteilung des Freizeitverhaltens lassen sichvier Typen identifizieren, die sich durch eine spezifische Kombination von Frei-zeitaktivitäten auszeichnen. Ein Viertel der Jugendlichen gehört zur Gruppe der„kauflustigen Familienmenschen“, 32% lassen sich als „Technikfreaks“ bezeich- nen. Zur letzten Gruppe gehören häufiger männliche Jugendliche (71%), zur erste-ren weibliche (73%). „Technikfreaks“ sind eher jünger, haben bzw. streben einengeringeren Bildungsabschluss an und kommen eher aus einer niedrigen sozialenSchicht; sie verbringen ihre Freizeit überwiegend im Internet, mit Computerspielenoder mit dem Ansehen von DVDs. „Familienmenschen“ hingegen gehen in ihrerFreizeit gerne shoppen, unternehmen etwas mit ihrer Familie oder treffen sichhäufig mit Freunden. Fernsehen hat in beiden Gruppen annähernd die gleichehohe Bedeutung. Weiterhin lassen sich 18% der Jugendlichen zur Gruppe der„geselligen Jugendlichen“ und weitere 25% zur „kreativen Freizeitelite“ zuordnen.Die Gruppe der „geselligen Jugendlichen“ kennzeichnet, dass sie ihre Freizeitgerne mit Gleichaltrigen verbringt, oftmals bei organisierten Freizeitaktivitäten wieDiscos, Kneipen und Jugendzentren. Die soziale Herkunft gibt den Ausschlag fürdie Zuordnung zur „kreativen Freizeitelite“, so finden sich in dieser Gruppevermehrt ältere Jugendliche mit besserem Bildungshintergrund aus höherensozialen Schichten. Diese Jugendlichen beschäftigen sich besonders häufig mitLesen, mit kreativen oder künstlerischen Aktivitäten und pflegen ihre sozialenKontakte (Shell Deutschland Holding 2006, S. 36-44, 77-86). Es zeigt sich, dassdie sozioökonomische Faktoren wie Familienstrukur, Bildungsniveau,Schichtzugehörigkeit und auch der Freundeskreis einen großen Einfluss auf dieEntwicklung von jungen Menschen haben. Im nächsten Kapitel soll der Einflusssuchtbelasteter Ursprungsfamilien betrachtet werden.

2.1.5 Kinder aus suchtbelasteten Familien

Es wird davon ausgegangen, dass rund 2 Millionen Kinder und Jugendliche (imAlter bis zu 18 Jahren) von dem Alkoholismus ihrer Eltern in Mitleidenschaft gezo-gen werden. Von der Drogenabhängigkeit der eigenen Eltern sind etwa 400.000bis 600.000 Kinder betroffen. Die Zahl der erwachsenen Kinder von Suchtkranken,welche ebenfalls als potentiell gefährdet gelten selbst abhängig zu werden oder aneiner anderen psychischen Störung zu erkranken, wird auf 5 bis 6 Millionen Men-schen geschätzt (vgl. Klein u. Zobel, 1997). Weitere Studien haben gezeigt, dassheute in jeder siebten Familie eine alkoholbezogene Störung existiert (vgl. Klein,2001a). Für die betroffenen Kinder sind der ständige Alkoholkonsum des abhän-gigen Elternteils und dessen unberechenbares Verhalten mit der Zeit meist eben-so normal, wie die andauernden Konflikte der Eltern, die innerfamiliären Spannun- gen und sehr häufig auch die gewalttätigen Übergriffe des Suchtkranken. Mankann davon ausgehen, dass in suchtbelasteten Familien zumeist eine sehr ange-spannte Atmosphäre herrscht. Zwischen den Eltern kommt es aufgrund des stei-genden Alkoholkonsums vermehrt zu heftigen Auseinandersetzungen. StändigeVorwürfe seitens des nicht trinkenden Ehepartners; immer wieder gebrocheneVersprechungen des Süchtigen, mit dem Trinken aufzuhören, und leere Drohun-gen, diesen endgültig zu verlassen, sind an der Tagesordnung. Gefühle von Wut,Verzweiflung, Hass und völliger Hilflosigkeit prägen die Beziehung der Elternuntereinander (Zobel, 2000). Die Pädagogin und Autorin Ursula Lambroubeschreibt dieses Empfinden betroffener Kinder sehr eindringlich:

„Kinder in Alkoholiker- und anderen Suchtfamilien kennen keine Normalität. Für sie ist es‚normal’, wenn der Vater häufig betrunken nach Hause kommt, die Mutter schlägt und amnächsten Tag so tut, als wenn nichts geschehen wäre. Es ist ‚normal’, wenn die Mutter im-mer wieder betrunken auf dem Sofa liegt oder den Tag im Bett verbringt. Es ist ‚normal’ zuvertuschen, zu lügen, den Alkoholismus zu verleugnen. Es ist ‚normal’, die Person, dieman liebt, zu schützen, statt selbst vom Erwachsenen Schutz zu bekommen. Es ist ‚nor-mal’, sich zu schämen, sich gedemütigt und schuldig zu fühlen.“ (Lambrou, 1990, S.19).

Den Eltern ist es nicht möglich, für ihre Kinder angemessene Vorbilder zu sein, sievermitteln weder klare Regeln noch gibt es eine konsequente Erziehungshaltung.In Suchtfamilien existiert in der Regel nichts von dem, was wichtig wäre für einegesunde Entwicklung der Kinder. Das Einzige, worauf sich diese wirklich verlas-sen können, ist die Unberechenbarkeit des elterlichen Verhaltens (Arenz-Greiving,1998). Die bekannte Autorin Sharon Wegscheider-Cruse hat aufgrund ihrer Erfah-rungen in der Arbeit mit Alkoholkranken und deren Angehörigen verschiedene Re-geln formuliert, die ihrer Ansicht nach unausgesprochen in Suchtfamilien existie-ren (Kruse et al., 2001):

- Alkohol wird meist nicht als eigentliche Ursache des Familienproblems ge-sehen.
- Irgendwer oder irgendwas ist an dem Alkoholkonsum schuld.
- Der Alkoholkonsum des Abhängigen ist das Wichtigste im Familienleben.
- Der Jetzt-Zustand muss erhalten bleiben, koste es, was es wolle.
- Niemand will darüber reden, was in der Familie wirklich geschieht.
- Niemand sagt, was er wirklich fühlt. (ebd. S. 127)

Insgesamt wird davon ausgegangen, dass die Existenz solcher Familienregelndazu führen kann, dass zwischen den beteiligten Personen sämtliche Grenzenverschwinden. Dadurch werde es den Angehörigen unmöglich gemacht, für sich selbst ein klares Bild der eigenen Person zu erhalten (Kruse, Körkel, Schmalz, 2001). Vor allem bei den betroffenen Kindern könne dieses Defizit an Selbstwahrnehmung möglicherweise erheblichen Einfluss auf deren weiteres Leben nehmen. Arenz-Greiving (1998) vertritt die Ansicht, dass hauptsächlich derartige Regeln dafür verantwortlich seien, wenn die Nachkommen aus suchtbelasteten Familien im Erwachsenenalter zahlreichen Problemen gegenüberstehen.

An dieser Stelle bleibt Folgendes anzumerken: Auch wenn die sog. Familienregeln von vielen Autoren immer wieder aufgegriffen werden und in der therapeutischen Arbeit mit Suchtkranken und deren Angehörigen ebenfalls Anwendung finden, so gibt es dennoch im Bereich der empirischen Forschung bislang nur wenige bis gar keine Ergebnisse darüber, in wie vielen Fällen diese auch tatsächlich in einer suchtbelasteten Familie existieren.

Die Ausprägung der einzelnen Regeln ist immer familienspezifisch und sollte auchso verstanden werden. Es würde bei weitem nicht der Realität entsprechen undwäre gewiss eine problematische Stigmatisierung, wenn allen Familien, in deneneine Alkoholstörung vorliegt, derartige Regeln ausnahmslos zugeschrieben wür-den.

Mittlerweile ist bekannt, dass das Aufwachsen unter solch belastenden Umstän-den für die Kinder von Suchtkranken gravierende Folgen haben kann. Besondersbei der Entwicklung eigener Abhängigkeitserkrankungen, Verhaltensauffälligkeitenund anderen psychischen Störungen stellen sie eine besondere Risikogruppe dar.Bei den Söhnen ist das Risiko, eine eigene Suchterkrankung zu entwickeln, be-sonders hoch. Diverse Studien ergaben, dass etwa ein Drittel der männlichenAlkoholiker suchtkranke Väter hat (Kolitzus, 2002). Bezieht man sich auf die Er-gebnisse einer Statistik der ambulanten Suchtberatungsstellen in Deutschland ausdem Jahre 1998, beträgt der Anteil alkoholkranker Eltern, die mit ihren Kindern ineinem Haushalt zusammenleben, bei den Frauen 45% und bei den Männern 32%(Simon & Palazetti, 1999). Diese Angaben sind aber nur ein vergleichsweise ge-ringer Teil. Die Zahlen abhängiger Eltern, die jemals in ihrem Leben Kinder hatten,sind wesentlich höher: 75% der alkoholabhängigen Frauen, 63% der alkoholab-hängigen Männer, 46% der opiatabhängigen Frauen und 30% der opiatabhängi-gen Männer sind wenigstens in einem Fall Mutter bzw. Vater eines Kindes. Ein be-sonderer Stellenwert kommt jenen Kindern zu, die mit einem suchtkranken Eltern-teil alleine leben. Die Zahlen belaufen sich auf 11% der alkoholabhängigen Erzie- herinnen, 9% der opiatabhängigen und 8% der kokainabhängigen Elternteile.Diese Kinder unterliegen einem besonders großen Risiko, da die Grenzen derÜberforderung sowohl bei den Müttern als auch bei den Kindern schnell erreichtwerden (a.a.O.). Führt man sich diese gravierenden Zahlen vor Augen, ist es nurschwer nachvollziehbar, dass die betroffenen Kinder in der professionellen Sucht-krankenhilfe und der Forschung lange Zeit regelrecht übersehen wurden. Dabeihaben verschiedene Studien mittlerweile belegen können, dass Kinder von Sucht-kranken ein bis zu sechsfach erhöhtes Risiko aufweisen, selbst suchtkrank zuwerden (Klein u. Zobel, 1997).

In einer bekannten Studie zur Transmission von Alkoholismus, also zur Weiterga-be einer Krankheit an die nachfolgende Generation, die im Jahre 1979 von N. S.Cotton durchgeführt wurde, konnte Folgendes gezeigt werden: Von 4.000 Alkoho-likern wiesen 30,8% ein abhängiges Elternteil auf. In der Kontrollstichprobe, die922 Personen umfasste, hatten nur 4,7% ein suchtkrankes Elternteil. Des Weite-ren ergab eine Langzeitstudie über 33 Jahre von Drake Vaillant (1988), dass bei28% der erwachsenen Kinder aus Suchtfamilien eine Diagnose für Alkoholismusgestellt wurde. Die Männer mit einem alkoholkranken Vater wiesen mehr als dop-pelt so häufig eine Abhängigkeit auf als solche, deren Väter keine Alkoholiker wa-ren (Arenz-Greiving, 1998).

All diese Veröffentlichungen haben einen großen Teil dazu beigetragen, dass ein Konzept, welches Alkoholismus als Familienkrankheit betrachtet, sich bis zum heutigen Tage durchsetzen konnte und diese Auffassung in der Fachöffentlichkeit weitestgehend anerkannt wurde. Demzufolge sind alle Mitglieder des Familiensystems von der Suchterkrankung betroffen. Durch die Suchterkrankung wird jeder Einzelne in seinem täglichen Leben beeinträchtigt, den Auswirkungen kann sich keiner entziehen (Kolitzus, 2002).

Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass Kinder, die in suchtbelasteten Familien aufwachsen, ein wesentlich höheres Risiko haben, selbst abhängig zu werden. Auch entwickeln sich bestimmte Verhaltensweisen und -muster, die im Folgenden dargestellt werden sollen.

Die Entwicklung von Rollenmustern

Wie bereits mehrfach angedeutet, entwickeln die betroffenen Kinder bei dem Ver-such, sich den belastenden Verhältnissen in einer Suchtfamilie anzupassen, im- mer wieder ähnliche Verhaltensmuster. Diese Phänomene ließen sich bislang bei einer Vielzahl von Kindern aus suchtbelasteten Familien beobachten. Verschiedene Professionelle kamen diesbezüglich in der therapeutischen Arbeit mit Betroffenen zu auffallend ähnlichen Erkenntnissen. Neben der bekannten Autorin Claudia Black hat auch Sharon Wegscheider-Cruse ihre Beobachtungen publiziert. Da ihr Konzept in Fachkreisen weit reichende Anerkennung erfahren hat, sollen sich auch die folgenden Ausführungen darauf beziehen:

Wegscheider-Cruse unterscheidet vier verschiedene Rollen: „Verlorenes Kind“,„Held“, „Sündenbock“ und „Maskottchen“. Laut der Autorin benötigen die Kinderihre spezifischen Rollen als Überlebensstrategie, um unter den schwierigen Bedin-gungen in einer Suchtfamilie überhaupt existieren zu können (Arenz-Greiving,1998). Der Arzt und Psychotherapeut Helmut Kolitzus hat dies passendbeschrieben:

„Jede einzelne Rolle entwickelt sich unterschiedlich aus einer spezifisch belastenden und schmerzlichen Situation heraus. Sie weist ihre eigenen Symptome auf, bringt ihren spezifischen Gewinn für das individuelle Familienmitglied wie für die gesamte Familie -und fordert schließlich ihren ganz besonderen Preis“ (Kolitzus, 2002, S.6)

Die notwendigen Verhaltensmuster manifestieren sich meist über einen langenZeitraum, weshalb es vielen Betroffenen im Erwachsenenalter nicht möglich ist,die Rollenbilder von alleine wieder abzulegen (Arenz-Greiving, 1998). BestimmteMerkmale entwickeln sich so zu späteren Charaktereigenschaften der Persönlich-keit. „Man könnte sagen, dass die Familienmitglieder schließlich von ihren Rollenabhängig geworden sind, da sie diese als wesentlich für ihr Überleben betrachtenund sie mit derselben Zwanghaftigkeit, Realitätsverkennung und Verleugnungspielen, wie der Abhängige seine Rolle als Trinker spielt“, so beschreibt es Weg-scheider-Cruse (Kolitzus, 2002, S.73).

Für diese Arbeit soll das Rollenbild des Sündenbocks herausgegriffen werden, dadieses Rollenbild am ehesten auf die jungen Menschen zutrifft, die später in Kajauftauchen.

In der Regel übernimmt das zweitgeborene Kind der Familie diese eher undankba-re Rolle. Der Sündenbock ist praktisch das Gegenstück zum gut funktionierendenHelden. Er ist häufig eifersüchtig auf den besonders beliebten Helden. Als zweitesKind erhält er weniger Aufmerksamkeit und äußert deshalb zunehmend unange-passtes Verhalten, um „wenigstens“ dadurch aufzufallen. Er zieht die negative Aufmerksamkeit auf sich. Durch sein unverantwortliches und nicht konformes Be-nehmen kommt es in seinem sozialen Umfeld nicht selten zum Auftreten zahlrei-cher Probleme: Typisch sind Schwierigkeiten in der Schule, Zugehörigkeit zu Au-ßenseiter-Cliquen, frühzeitiger Suchtmittelmissbrauch oder bei Mädchen aucheine Schwangerschaft im Jugendalter. Nach außen scheint der Sündenbock einegroße Belastung für die Angehörigen zu sein, doch eigentlich lenkt er mit seinemnegativen Verhalten nur vom wahren Problem, der Suchterkrankung, ab, wodurchdie Familie entlastet wird (Arenz-Greiving, 1998). Das Kind in dieser Rolle fühltsich oft alleingelassen und ungeliebt, es weiß nicht recht, wo es hingehört. Außer-dem ist es stark gefährdet, selbst eine Suchtmittelabhängigkeit zu entwickeln.

Die beschriebenen Rollenbilder stellen nicht zwangsläufig ein Charakteristikum fürdysfunktionale (speziell suchtbelastete) Familien dar, denn sie lassen sich auch in„gesunden“ Familien beobachten. Als krankhaft bezeichnet man dieses Verhaltenerst, wenn es zwanghaft wird und innerhalb der Rollen schließlich keine Bewe-gung mehr möglich ist, wenn die eigenen Bedürfnisse hinter das Wohl des Famili-ensystems treten und jeder nur noch gemäß seiner spezifischen Funktion handelt,damit das Gleichgewicht wie bei einem Mobile erhalten werden kann. (Rennert,1993).

Es bleibt festzuhalten, dass Kinder aus suchtbelasteten Familien erheblich gefährdet sind, selbst suchtmittelabhängig zu werden und/ oder andere Verhaltensauffälligkeiten zu entwickeln.

2.1.6 Präventionsangebote

Im Folgenden werden bestehende Angebote beschrieben, die speziell zur Prävention von Suchtmittelkonsum bei Jugendlichen entwickelt wurden.

DAK: „ Aktion Glasklar “

Die DAK initiiert zum Thema Alkohol bei Jugendlichen und jungen Erwachsenendie bundesweite Informations- und Sensibilisierungskampagne „Aktion Glasklar“.Kooperationspartner sind das IFT-Nord und der Berufsverband der Kinder- undJugendärzte. Bei Kindern unter 16 Jahren verfolgt die Kampagne das Ziel dervollständigen Abstinenz, bei älteren Jugendlichen das Ziel desverantwortungsbewussten Umgangs mit Alkohol sowie der Punktnüchternheit.

[...]


1 Die Abkürzung ICD steht für "International Statistical Classification of Diseases and Related Health Pro-blems", die Ziffer 10 bezeichnet die 10. Revision der Klassifikation. Die ICD-10 ist Teil der Familie der in-ternationalen gesundheitsrelevanten Klassifikationen. Die "Internationale statistische Klassifikation derKrankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme" (ICD-10) wurde von der Weltgesundheitsorganisation(WHO) erstellt und im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit vom DIMDI (Deutsches Institut fürMedizinische Dokumentation und Information) ins Deutsche übertragen und herausgegeben.

2 Vierte Ausgabe des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders der American Psychiatric Asso-ciation

3 Die Angaben beinhalten auch Spirituosen-Mischgetränke umgerechnet in einen durchschnittlichen Alkoholgehalt von 33 Vol. %.

4 Weinkonsum je Einwohner, einschl. Wermut- und Kräuterwein; Weinwirtschaftsjahr (01.09-31.08).

5 Im folgenden Überblick werden weitgehend zwei Studien berücksichtigt: 1) Die Drogenaffinitätsstudie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA), die in regelmäßigen Abständen seit 1973 mit einem vergleichbaren Untersuchungsinstrumentarium durchgeführt wird. Diese Studie ermöglicht u.a. Aussagen über die Entwicklung des Alkoholkonsums bei Kindern und Jugendlichen. Zielgruppe der Befragung sind 12- bis 25-Jährige, die zu ihren Konsummustern befragt werden. 2) Die Europäische Schülerstudie zu Alkohol und Drogen [The European School Survey Project on Alcoholand Other Drugs (ESPAD)], in deren Kontext in der Bundesrepublik Deutschland ca. 2000 Schüler der Jahr-gangsstufe 9 und 10 in den Bundesländern Bayern, Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommernund Thüringen mittels standardisiertem Fragebogen befragt wurden. Die ESPAD-Studie ist eine internationaleUntersuchung zum Konsum von Alkohol, Tabak und illegalen Drogen, die 2003 zum ersten Mal in Deutsch-land durchgeführt wurde.

6 Im Auftrag der dt. Shell wurden Anfang 2006 mehr als 2500 Jugendliche im Alter von 12-25 Jahren zu ihrer Lebenssituation, ihren Glaubens- und Wertvorstellungen und ihrer Einstellung zur Politik befragt. Die Untersuchung wurde von Hurrelmann, Albert und dem Münchner Forschungsinstitut TNS Infratest Sozialforschung verfasst. Es ist die 15.Wiederholungsbefragung (vgl. Hurrelmann 2006, S.13f.).

7 Repräsentative Auftragsstudie des Instituts für Demoskopie Allensbach für das Bundesministerium für Fa-milie, Frauen und Jugend zu Einstellungen im Bereich der Werte-Erziehung und der religiösen Erziehung derdeutschen Bevölkerung. Es wurden 2006 insgesamt 2065 Interviews mit Personen ab 16 Jahren mündlich-persönlich anhand eines strukturierten Fragebogens durchgeführt. Vier Fragen ermittelten Erziehungsziele,Bereiche für pädagogische Einflussnahme, beobachtete Erziehungsfehler und subjektive Bedeutung religiöserErziehung

8 Die Jugendlichen wurden aufgefordert, aus 18 Freizeitaktivitäten maximal fünf auszuwählen, denen sie am häufigsten in ihrer Freizeit nachgehen.

Ende der Leseprobe aus 128 Seiten

Details

Titel
Teilnehmeranalyse und Weiterentwicklung einer Maßnahme für alkoholkonsumierende, straffällige junge Menschen
Untertitel
Kaj (Kurzzeitintervention für unter Alkoholeinfluss straffällig gewordene junge Menschen)
Hochschule
Katholische Stiftungsfachhochschule München
Note
2
Autoren
Jahr
2010
Seiten
128
Katalognummer
V166867
ISBN (eBook)
9783668673472
ISBN (Buch)
9783668673489
Dateigröße
1232 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Heranwachsende, Delinquenz, Suchtmittelkonsum, Risikofaktoren, Jugendgewalt, Alkohol, Cannabis, Straftaten
Arbeit zitieren
M.A. Alexander Ottlik (Autor:in)Ilona Küspert (Autor:in), 2010, Teilnehmeranalyse und Weiterentwicklung einer Maßnahme für alkoholkonsumierende, straffällige junge Menschen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/166867

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