Direkte Demokratie in Italien

Welchen Einfluss hatte die katholische Kirche auf den Ausgang des "Bioethik-Referendums" vom 12./ 13. Juni 2005?


Hausarbeit, 2008

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Direkte Demokratie auf nationaler Ebene
2.1 Petitionsrecht
2.2 Gesetzesinitiative
2.3 Verfassungsreferendum
2.4 Abrogatives Referendum

3. Das „Bioethik-Referendum“ vom 12./ 13. Juni 2005
3.1 Welche Gesetze standen zur Abstimmung?
3.2 Wer waren die Befürworter und Gegner des Referendums?
3.3 Welche Meinung vertrat die katholische Kirche?
3.4 Welches Ergebnis hatte das Referendum?

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Tabelle 1 Volksabstimmungen 1974-2006

Tabelle 2 Einstellungen der Parteien/ Organisationen zum „Bioethik-Referendum“

Tabelle 3 Ergebnis des „Bioethik-Referendums“

Tabelle 4 Darstellung des Anteils der Boykottvorgaben an der Gesamtmenge aller Vorgaben aller Parteien in Prozent und Beteiligung bei den Abstimmungen über abrogative Referenden von 1974 bis 2005 in Prozent

1. Einleitung

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der direkten Demokratie in Italien. In Europa gibt es nach der Schweiz und Lichtenstein kein anderes Land, das in den letzten Jahrzehnten mehr Volksabstimmungen hatte, als Italien (Schiller 2002: 131).

Im ersten Teil der Arbeit sollen die verschiedenen Verfahren der Beteiligungsrechte der Bürger Italiens aufgezeigt und erklärt werden. Laut Verfassung stehen den italienischen Bürgern das Petitionsrecht, die Gesetzesinitiative und das Verfassungsreferendum zu. Diese Elemente der direkten Demokratie sind im politischen System Italiens eher unbedeutend (Köppl 2007: 113) und werden daher nicht ausführlich erörtert. Am Bedeutendsten hat sich das abrogative Referendum erwiesen. Mit Hilfe dieses Instrumentes können die Bürger bestehende Gesetze ganz oder teilweise aufheben. Mit 59 Abstimmungen zwischen 1974 und 2005 wurde das abrogative Referendum so oft angewandt, wie in keiner anderen Demokratie – mit Ausnahme der Schweiz (Köppl 2007: 118). Man kann aber nicht behaupten, dass den Bürgern überwiegend unwichtige und nicht interessante Themen zur Abstimmung standen. Ganz im Gegenteil. Heftig wurde zum Beispiel über die zukünftige Staatsform (1946), über ein liberaleres Ehescheidungsgesetz (1974), über die Anti-Terror-Gesetze (1978) oder über ein liberaleres Abtreibungsgesetz (1981) diskutiert (Trautmann/ Ullrich 2003: 568). Das Verfahren und die gesetzlichen Vorschriften des abrogativen Referendums sollen hierbei näher dargestellt werden.

Im zweiten Teil soll die Bedeutung und Wirkung der Volksabstimmungen am Beispiel des so genannten „Bioethik-Referendums“ vom 12./ 13. Juni 2005 näher erläutert werden. Bei diesem Referendum ging es um die Aufhebung von Gesetzen, die eine strenge Regelung im Umgang mit der Embryonenforschung und der künstlichen Befruchtung vorsahen. Es soll dabei geklärt werden, welchen Einfluss die katholische Kirche auf das Ergebnis des Referendums hatte. Zunächst werden die Gesetze, die zur Abstimmung standen, dargestellt. Aus den Inhalten der jeweiligen Gesetze ergeben sich konsequenterweise Befürworter und Gegner des Referendums, die im darauf folgenden Abschnitt vorgestellt werden. Die katholische Kirche nahm dabei eine interessante Haltung ein, die näher untersucht wird. Hierbei wird eine Erwartungshaltung an die katholische Kirche aufgestellt und der tatsächlichen Haltung gegenübergestellt. Mögliche Ursachen für den Unterschied zwischen der Erwartung und tatsächlicher Einstellung werden dabei genannt. Abschließend soll festgestellt werden, inwiefern das Ergebnis des „Bioethik-Referendums“ durch die Stellungnahmen der katholischen Kirche beeinflusst wurde. Mit Hilfe von zwei Kritikpunkten an dem abrogativen Referendum soll diese Frage geklärt werden.

2. Direkte Demokratie auf nationaler Ebene

Schon bevor die neue italienische Verfassung am 01.01.1948 in Kraft getreten ist, gab es die erste Abstimmung auf nationaler Ebene. Am 02. Juni 1946 sollte das italienische Volk über die zukünftige Staatsform entscheiden. Bei einer hohen Stimmbeteiligung von fast 90 % votierte eine knappe Mehrheit (54,3 %) für eine republikanische Staatsform und sprach sich somit gegen eine Monarchie aus. Bei der Erstellung einer neuen Verfassung gab es Diskussionen, inwieweit direktdemokratische Elemente in die Verfassung aufgenommen werden sollten. Die Befürworter wollten den Bürgern mehr Mitsprache- und Gestaltungsmöglichkeiten gewähren. Die Kritiker sahen die repräsentative Demokratie rechtlich und politisch erschüttert (Capretti 1999: 125). Letztendlich wurden mehrere Formen von direktdemokratischen Rechten in die Verfassung aufgenommen. Neben dem Petitionsrecht, der Gesetzesinitiative und dem Verfassungsreferendum, steht dem italienischen Volk auf nationaler Ebene auch das abrogative Referendum zur Verfügung. Diese verschiedenen Verfahren sollen nun mit Hilfe der entsprechenden verfassungsrechtlichen Grundlagen[1] näher erklärt und ihre Bedeutung im politischen System Italiens erörtert werden.

2.1 Petitionsrecht

Das Petitionsrecht (petizione populare) räumt nach Artikel 50 der italienischen Verfassung den Bürgern das Recht ein, Bitten oder Beschwerden an ihre Volksvertreter einzubringen. Im engeren Sinne gehört das Petitionsrecht nicht zu den direktdemokratischen Verfahren, aber die Bürger haben mit diesem Recht direkten Zugang zu den politischen Entscheidungsträgern (Köppl 2007: 112).

2.2 Gesetzesinitiative

Die Gesetzesinitiative (iniziativa delle leggi) wurde in Artikel 71 der italienischen Verfassung geregelt. Die Bürger haben die Möglichkeit dem Parlament einen Gesetzesvorschlag vorzulegen. Voraussetzung ist, dass er von mindestens 50.000 Wahlberechtigten unterstützt wird. Desweiteren muss der Gesetzesvorschlag komplett ausgearbeitet und in Paragraphen gegliedert sein. Nach Einreichung der Vorlage erfolgt die Prüfung und Beratung des Gesetzes durch das Parlament. Das Volk hat jetzt keine Einflussmöglichkeiten, damit das Gesetz auch tatsächlich zustande kommt und in Kraft tritt. Das Parlament kann den Vorschlag nach Artikel 72 entweder annehmen oder ablehnen. Eine Ablehnung bleibt folgenlos, da es zu keiner Volksabstimmung kommt. Somit verfügt das italienische Volk über das gleiche Initiativrecht wie jeder Parlamentarier (Capretti 1999: 127).

2.3 Verfassungsreferendum

Über Verfassungsänderungen entscheiden üblicherweise die beiden Parlamentskammern (camera dei deputati und Senato). Zur Annahme einer Änderung ist die absolute Mehrheit der Mitglieder in beiden Kammern nötig. Artikel 138 Abs. 1 schreibt vor, dass eine Verfassungsänderung zusätzlich durch eine Volksabstimmung angenommen werden muss, wenn innerhalb von drei Monaten nach ihrer Veröffentlichung ein Fünftel der Mitglieder einer Kammer oder 500.000 Wahlberechtigte oder fünf Regionalräte dies verlangen. Kommt es zu einer Volksabstimmung, genügt zur Annahme der Verfassungsänderung die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Ein Beteiligungsquorum besteht hierbei nicht. Wurde die Verfassungsänderung in jeder Kammer mit einer Zweidrittel-Mehrheit angenommen, ist ein Referendum nicht mehr zulässig (Art. 138 Abs. 3). In der italienischen Geschichte gab es aber bisher nur zwei Verfassungsreferenden (siehe Tabelle 1). Im Jahre 2001 stimmte die italienische Bevölkerung für die Reform zur Föderalisierung. Eine umfassende Verfassungsreform der Mitte-Rechts-Regierung wurde 2006 abgelehnt.

2.4 Abrogatives Referendum

Das abrogative Referendum (referendum abrogativo) hat sich im politischen System Italiens als das bedeutsamste Mittel der direkten Demokratie erwiesen. Kein direktdemokratisches Verfahren wurde so oft angewendet, wie dieses. Nach Artikel 75 können bereits in Kraft befindliche Gesetze ganz oder teilweise aufgehoben werden. Der genaue Ablauf des Referendums ist gesetzlich festgelegt.[2] Das Referendum kann von 500.000 Wahlberechtigten oder fünf Regionalräten verlangt und zwischen dem 1. Januar und 30. September eines jeden Jahres bei der Kanzlei der Kassationshofes offiziell angemeldet werden. Die benötigten Unterschriften sind innerhalb von drei Monaten bei derselben Stelle einzureichen. Allerdings dürfen gewisse Themenbereiche nicht Gegenstand einer Abstimmung sein; so zum Beispiel Gesetze zu den Themen Finanzen, Haushalt, Strafamnestie und internationale Verträge. Ob ein Antrag zulässig ist, entscheidet der Verfassungsgerichtshof bis spätestens 10. Februar des folgenden Jahres. Wird der Antrag für zulässig erklärt, legt der Staatspräsident den Termin des Referendums fest. Das Abstimmungsdatum wird zwischen dem 15. April und 15. Juni angesetzt.

Das zur Abstimmung stehende Gesetz wird aufgehoben, wenn sich eine Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen dafür ausspricht und sich die Mehrheit der Stimmberechtigten an der Abstimmung beteiligt hat. Diese Voraussetzungen haben also zur Folge, dass die Befürworter einer Aufhebung eines Gesetzes genügend Stimmberechtigte in der Bevölkerung mobilisieren müssen. Sie benötigen einerseits eine Mehrheit der Ja-Stimmen, sowie eine ausreichende Beteilungsmehrheit. Die Gegner eines Referendums müssen einerseits genügend Wähler bewegen, die gegen die Abberufung des Gesetzes stimmen. Andererseits haben sie auch die Möglichkeit -und das scheint die einfachere Lösung zu sein- die Bevölkerung aufzurufen, sich nicht an der Abstimmung zu beteiligen. Das Referendum würde somit an der zu geringen Stimmbeteiligung scheitern und die Gegner hätten auch ohne Zustimmungsmehrheit ihr Ziel erreicht. Bei einem erfolgreichen Referendum tritt die Aufhebung des Gesetzes sofort ein. Allerdings verfügt der Staatspräsident über ein aufschiebendes Veto. Das aufgehobene Gesetz kann dann noch maximal 120 Tage in Kraft bleiben. Scheitert das Referendum an der notwendigen Zustimmungsmehrheit gilt eine 5-jährige Sperrfrist. In den nächsten fünf Jahren kann kein Referendum gegen dasselbe Gesetz beantragt werden. Ist die Abstimmung wegen des verfehlten Beteiligungsquorums erfolglos, so gibt es keine Sperrfrist und das Referendum kann jederzeit neu initiiert werden.

[...]


[1] Deutsche Übersetzung der Artikel der ital. Verfassung aus: Ministerpräsidium der Republik Italien 1976

[2] Ablauf des abrogativen Referendums aus Capretti 2002: 307

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Direkte Demokratie in Italien
Untertitel
Welchen Einfluss hatte die katholische Kirche auf den Ausgang des "Bioethik-Referendums" vom 12./ 13. Juni 2005?
Hochschule
Universität Konstanz
Veranstaltung
Direkte Demokratie im internationalen Vergleich
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
20
Katalognummer
V166272
ISBN (eBook)
9783640819911
Dateigröße
548 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Italien, Direkte Demokratie, Referendum, Bioethik, Bioethik Referendum 2005, katholische Kirche, abrogatives Referendum
Arbeit zitieren
Benjamin Roth (Autor:in), 2008, Direkte Demokratie in Italien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/166272

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