Kritik Mancur Olsons' Theorie kollektiven Handelns und ihre Anwendung auf das Umweltproblem


Hausarbeit, 2008

12 Seiten


Leseprobe


1. Einleitung

Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit dem empirischen Befund, welchen jeder sicherlich unschwer der Alltagsbeobachtung entnehmen kann, nämlich das obwohl alle beteiligten Akteure ein Interesse daran haben, ein bestimmtes kollektives Gut nicht, oder nur suboptimal hergestellt wird. Unser Beispiel wird dabei größtenteils die Umwelt, wobei in diesem Kontext von der Naturumwelt also solcher gesprochen wird, sein. Als empirischer Indikator diente uns hierbei die Broschüre des Bundesamtes für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) zum Umweltbewusstsein in Deutschland von 2008.

Darüber hinaus denken wir das gerade heute, da kollektives Handeln einen noch größeren, nämlich einen globalen Bezugsrahmen bekommen hat wichtiger ist denn je. Auch hierfür lassen sich empirische Indikatoren festmachen wie beispielsweise die vermehrten globalen Treffen der einzelnen Staaten seit den 90er Jahren, wie etwa die Weltklimakonferenzen.

Im folgenden wollen wir auf den vielleicht bedeutsamsten soziologischen Ansatz zur Erklärung des Phänomens des sozialen Dilemmas und des kollektiven Handelns eingehen. Die Rede ist von Mancur Olsons Theorie kollektiven Handelns, dargelegt in seinen beiden Hauptwerken „Aufstieg und Niedergang von Nationen“ von 1982 und der „ Logik des kollektiven Handelns“, welches er 1968 veröffentlichte. Wir wollen dabei versuchen herauszufinden, inwieweit die darin formulierten Hypothesen geeignet sind das globale Umweltproblem zu erklären und natürlich auf Basis dieser Erklärung, auch zu lösen. Um dies zu bewerkstelligen, werden wir im ersten Teil unserer Arbeit die Theorie in ihren einzelnen Gesichtspunkten darstellen, sowie die ihnen inhärente Logik erörtern. Dies ist Grundlage für die dann folgende Anwendung auf das Problem der Herstellung des Kollektivgutes Umweltschutz. Im weiteren Verlauf der Arbeit stellen wir dann eine kurz gefasste Theoriediskussion an, suchen nach Kritikpunkten und eruieren mögliche Gegenpositionen sowie Ergänzungen. Dabei sind wir immer eingedenk der Frage, inwiefern Olsons Hypothesen geeignet sind auf den erwähnten Gegenstand des Umweltschutzes erklärend und lösend angewendet zu werden. Hierbei werden wir auch in einigen Punkten mit der Rational-Choice-Theorie in Berührung kommen, die uns eigens genau zu erläutern im Rahmen des angemessenen Umfanges nicht möglich ist.

Die Relevanz einer intakten Umwelt für den Einzelnen wie für die Gesellschaft eigens zu beweisen scheint uns nicht sinnvoll zu sein, zumal sie aus den erwähnten empirischen Befunden ersichtlich sind.

1. Theoretische Grundlagen zu Olsons Theorie

1.1 Allgemeine Annahmen

Zum Einstieg in die Problematik wird in diesem Kapitel auf einzelne Aspekte der Olson'schen Theorie und ihrer inhärenten Logik spezifisch eingegangen. Die oft als richtig empfundene Annahme, wenn Individuen einer bestimmten Gruppe ein gemeinsames Selbstinteresse haben, handelt die Gruppe als Ganzes nach diesem Interesse (Olson 1991: 20), erweist sich nach Olson als falsch. Diese These ist auch der Ausgangspunkt für ihn, seine Theorie darzustellen. Die Beweisführung der Falsifizierung der althergebrachten Annahme stellt Olson folgendermaßen an: der Einzelne kann das Gesamtinteresse im besten Fall nur in geringem Maße fördern, da er selber einige Ressourcen in die Unternehmung zur Bereitstellung des kollektiven Gutes aufbringen muss (Olson 1991: 21). Sein eigener Gewinn daran ist allerdings recht gering, da er ja im Kollektiv geteilt wird. Das gebrachte Opfer wird also privatisiert und der Gewinn somit generalisiert. Daraus ergibt sich ein soziales Dilemma, da es jemanden geben muss, welcher für das Kollektiv seine Ressourcen, die er zur Bereitstellung des Gutes benötigt, opfern würde. Dies lässt sich am Beispiel eines „n-Personen-Gefangenendillemas“ erweitert logisch darstellen1. Angenommen, Ego steht mehreren Alteri Gegenüber und hat nun die Entscheidung zu kooperieren oder zu defektieren zu treffen. Zur Klärung dafür wird der Netto-Nutzen von Kooperation (K) und Defektion (D) in Abhängigkeit zur Anzahl der Gruppenmitglieder, welche kooperieren, gebracht. Der Netto-Nutzen ergibt sich aus der Differenz vom Ertrag B und den Kosten C, also NN=B-C. Die Kollektivgutproduktivität ist r. Sie ist der Quotient des Kollektivnutzens zu den Kollektivkosten. Damit ein Kollektivgutproblem vorliegt, gilt r > 1. Die Kollektivgutproduktivität vermehrt natürlich auch den individuellen Beitrag. Je mehr Akteure kooperieren (k), umso höher auch die Quantität des Kollektivgutes. In Abhängigkeit von Variablen gilt also C*r*k. Da alle Gruppenmitglieder (n) profitieren, gilt letztendlich C*r*k/n. Somit kann man das Ergebnis für K und D errechnen:

NN(K) = C*r k/n – C NN(D) = C*r*(K-1)/n

Anreiz zur Kooperation: A= NN(K)-NN(D)=C(r/n-1)

Ego muss nun abwägen: wenn A positiv ist, so wird er kooperieren, da C*r/n größer als die Kosten

(C) sind, bzw. defektieren wenn A negativ, also C*r/n kleiner als die Kosten sind.Wenn C also größer ist als C*r*n, so ist wird auch die Erstellung des Gutes zum Problem, denn je größer r, umso eher wird es Beiträge aus der Gruppe geben. Wenn diese Defektion für Ego gilt, gilt es auch für alle anderen Mitglieder der Gruppe, da keiner einen Anreiz hat, allein zu kooperieren.

Aus dem logischen Sachverhalt heraus würde das allerdings so einfach niemals geschehen. Daher schließt Olson (1991: 21), dass „große Gruppen, sofern sie aus rationalen Individuen bestehen, eigentlich nicht im Gruppeninteresse handeln können“. Auch wird hier der Faktor der Gruppengröße berücksichtigt, welcher in der althergebrachten Überzeugung nicht vorhanden ist.

1.2 Selektive Anreize

Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt sind „selektive Anreize“ (Olson 1991: 25). Betrachtet man eine Gruppe, die nicht davon betroffen ist, ob jemand aus ihr einen Beitrag zur Erstellung eines Gutes beiträgt oder nicht, wird klar, dass auch niemand einen Grund hat, auf das Problem zu reagieren (Olson 2004: 50). Olson nennt diese Gruppen „latent“, da sie die Möglichkeit haben, kollektive Güter zu erstellen, diese aber, deswegen „latent“, nur über Anreize erstellt werden und die Akteure also nur durch diese Handeln. Da niemand reagieren wird, wenn keiner einen Beitrag leistet, so fehlt dem einzelnen Individuum wiederum ein Anreiz, und er hat keine Veranlassung, auch einen Beitrag zu leisten. Es gibt allerdings bestimmte Umstände, die ein Mitglied mit homo- oeconomicus-Präferenzen dazu bewegen, gruppenorientiert zu handeln. Dies geschieht über Anreize, die „selektiv sein müssen“ (Olson 2004: 51). „Selektiv“ impliziert hier, dass der Anreiz nicht wie z.B. wirtschaftliche Anreize auf die ganze Gruppe wirken, sondern speziell auch einen einzelnen Akteur berühren (Olson 2004: 51). Es existieren sowohl positive, als auch negative selektive Anreize. Sie üben also entweder einen Zwang aus, indem sie unkooperative Mitglieder sanktionieren, oder sie sind positiver Art und bieten Belohnungen für Kooperierende. Die „latente“ Gruppe wird nun zur „'mobilisierten' latenten Gruppe“ (Olson 2004: 51). Das System funktioniert nicht immer. Es ist von der Größe der Gruppe abhängig. Jedoch ist es Fakt, dass selektive Anreize auf den einzelnen eine wichtige Wirkung erzielen, indem sie in den Augen der Individuen einen höheren Wert haben, als der individuelle Anteil an den Kosten den Kollektivgutes (Olson 2004: 51). Zur Verdeutlichung ein Beispiel, indem selektive Anreize anhand der Transportmittelwahl, um das höhere Ziel, der Umwelt weniger Schaden zuzuführen, gezeigt werden. Angenommen es gäbe nur die Annahme eines Akteurs, schnell von A nach B zu kommen, so würde er, sofern er den Führerschein besitzt, das Auto nehmen. Es könnte nun ein positiver selektiver Anreiz gesetzt werden, indem die Institutionen Subventionen für öffentliche Verkehrsmittel bereitstellen. Auf der anderen Seite kann auch ein negativer Anreiz in Form von erhöhten Steuern auf umweltunfreundliche Autos gesetzt werden, sodass der Akteur sich veranlasst sieht seine Verkehrsmittelwahl, da es sich nun auch wirtschaftlich lohnt bzw. die Kosten dafür zumindest verringert wurden, im Sinne des Anreizes zu ändern.

Weitere Anreize, die zur Erstellung eines Kollektivgutes hinführen können, sind unterschiedlicher Art. Zum einen gibt es wirtschaftliche Anreize, die ein Handeln im wirtschaftlich-kollektiven Sinne induzieren. Allerdings sind Anreize dieser Art oft nicht immer ausschlaggebend genug um kollektives Handeln zu arrangieren, aber sie geben einen Grund für die Notwendigkeit des Handelns preis. Es sind gerade diese Art der Anreize, welche die althergebrachte Annahme in ihrer Disfunktionalität bestätigen können, doch gibt es auch Fälle, in denen sie ausschlaggebend für das kollektive Handeln darstellten. Zum anderen können diese Art der Anreize nicht die Einzigen sein, da Menschen oft den Wunsch haben, soziale Ziele wie Freundschaft und Achtung zu erhalten (Olson 2004: 59). Diese Ziele sind psychologischer Art. Trotz des Status der „sozio-ökonomie“, welche die Präferenzen von beiden Arten der Anreize begrifflich verbindet, sind sie doch sehr unterschiedlich (Olson 2004: 59). Betrachtet man z.B. eine kleine Gruppe, deren Mitglieder befreundet sind und die sich für ein kollektives Gut interessieren, und nimmt man an, dass in dieser Gruppe Akteure sind, die einem Bestimmten Teil der Gruppenmitglieder die Bereitstellung des Gutes überlassen, so würde, wären die Individuen rational in ihrer Entscheidung, das Kollektivgut nie zu Stande kommen. Erst der soziale Faktor gibt den Beauftragten den Anreiz, das Gut zu erstellen, da sozialer Druck auf die Individuen ausgeübt wird. Es könnten soziale Konsequenzen dabei entstehen, wie z.B. der Ausschluss aus der Gruppe. Dies würde einen negativen sozialen Anreiz darstellen. Es ist also auch nicht oberste Priorität, ob der wirtschaftliche Gewinn erstrebenswert ist. (Olson 2004: 59) Die Individuen stellen also einen gesellschaftlichen Gewinn weitaus über einen wirtschaftlichen, da nach Olson auch die Praxis zeigt, dass Menschen sehr stark nach Kameradschaftlichkeit zu ihren Kollegen und nach Prestige streben. Die These von sozialen selektiven Anreizen steht der anderer Anreize allerdings nicht entgegen, denn „gesellschaftliche Stellung und Geltung sind individuelle, keine Kollektiven Güter“ (Olson 2004: 59), und genau das erklärt die Wirkung sozialer Anreize als selektiv. Außerdem können sie es schaffen, kleine „latente“ Gruppen zu mobilisieren (Olson 2004: 59).

Gäbe es all diese Anreize nicht, so würden Regierungsinstitutionen, welche ein kollektives Gut im Sinne eines allgemeinen Gesetzes erstellen, welches aber nur dem Dient, den es nützt, gar keine Existenzgrundlage haben. Der „Nutzen“ bezieht sich hier nicht nur auf einzelne Aktuere, sondern der Nutzen des einen Nützt auch einem anderem (Olson 1991: 23).

1.3 Der Faktor der Gruppengröße

Es gibt aber auch Fälle, an denen kollektives Handeln erfolgreich ohne selektive Anreize stattfindet.

[...]


1 Das folgende bezieht sich auf Meulemann, Heiner; 2004: Soziologie von Anfang an: Eine Einführung in Themen, Ergebnisse und Literatur. S.106/109

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Details

Titel
Kritik Mancur Olsons' Theorie kollektiven Handelns und ihre Anwendung auf das Umweltproblem
Hochschule
Universität Leipzig
Autor
Jahr
2008
Seiten
12
Katalognummer
V166092
ISBN (eBook)
9783640819249
ISBN (Buch)
9783640822492
Dateigröße
428 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Olosn, Theorie, kollektives Handeln, Soziolgie, Umwelt
Arbeit zitieren
Richard Prußas (Autor:in), 2008, Kritik Mancur Olsons' Theorie kollektiven Handelns und ihre Anwendung auf das Umweltproblem, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/166092

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