Paracetamol - Anilinderivat und Analgetikum

Eine ausführliche Charakterisierung der chemischen Eigenschaften, medizinischen Wirkungsweisen und praktischen Anwendung von Paracetamol


Facharbeit (Schule), 2010

39 Seiten, Note: 15 (1+)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Die Geschichte des Paracetamols

2. Chemische Charakterisierung
2.1. Allgemeine Stoffeigenschaften
2.1.1. Laborversuch 1: pH-Wertbestimmung von zwei Paracetamolproben
2.2. Synthese
2.2.1. N-Acetylierung von p-Aminophenol
2.2.2. Laborversuch 2: Klassische Synthese von Paracetamol
2.2.3. Hoechst-Celanese Prozess
2.3. Analytik
2.3.1. Laborversuch 3: Nachweisreaktionen für Paracetamol

3. Paracetamol als Wirkstoff
3.1. Einteilung von Paracetamol im Kontext anderer Analgetika
3.2. Allgemeine Informationen
3.2.1. Anwendungsgebiete und Gegenanzeigen
3.2.2. Art der Anwendung und Dosierung
3.2.3. Wechsel- und Nebenwirkungen
3.3. Pharmakokinetik
3.3.1. Liberation, Absorption und Distribution
3.3.2. Metabolismus
3.3.3. Excretion
3.4. Pharmakodynamik
3.4.1. Entstehung von Schmerz
3.4.2. Analgetische Wirkungsmechanismen
3.4.3. Entstehung von Fieber
3.4.4. Antiypretische Wirkungsmechanismen
3.4.5. Weitere potentielle Wirkungsmechanismen

4. Nachwort

A. Anhang
A.1. Laborprotokoll 1: Ermittlung des pH-Wertes
A.2. Laborprotokoll 2: Klassische Synthese von Paracetamol
A.2.1. Bilder des Laborversuches
A.3. Laborprotokoll 3: Nachweisreaktionen für Paracetamol
A.3.1. Bilder des Laborversuches

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

”ManklagtsosehrbeijedemSchmerzundfreutsichsoselten,wenn man keinen hat.”

Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799)

Dieses Zitat von Georg Christoph Lichtenberg erinnert einmal wieder, wie selbstverständlich und bedeutend für uns ein Leben ohne Schmerzen ist. So ist auch die Geschichte der Betäubung von Schmerz, um sich diesen Wunsch erfüllen zu können, eine Alte. Mit der Verwendung des Schlafmohns (Papaver somniferum) ab der Jungsteinzeit (ca. 6000 v. Chr.) begann der zielge- richtete Einsatz dieser Nutzpflanze als kultisches und medizinisches Mittel. Die Entdeckung der vielseitigen Wirkungen dieser Pflanze, welche ursprünglich im östlichen Mittelmeerraum vor- kommt, stellte der Heilkunst zum ersten Mal ein Mittel zur Verfügung, dass Schmerzen stillte und medizinische Eingriffe erleichterte. Das frühe Christentum jedoch verbot das schmerz- stillende Mittel, da Krankheit eine Strafe Gottes sei. Opium, der aufbereitete getrocknete Milchsaft des Schlafmohns, fand nunmehr Einzug in China und der arabischen Welt.

Die Rinde des Weidenbaums, welche auch schon zusammen mit ihren Blättern im Ebers Pa- pyrus des alten Ägyptens als heilend aufgeführt wurde, erlebte durch Reverend Edward Stone aus England 1763 ihre Wiederentdeckung in der Form eines Heiltees. Die aufgebrühte Rinde des Baumes enthält, wie durch Johannes A. Buchner 1828 bestimmt, den wirksamen Stoff Salicin, abgeleitet vom lateinischen Wort Salix für Weide. Salicin ist ein β-Glucosid, welches die selbe Wirkung besitzt wie die bekannte Acetylsalicylsäure (Aspirin®), da es im Körper zur Salicylsäure (2-Hydroxybenzoesäure) verstoffwechselt wird. Die künstliche Synthese der wirk- samen Salicylsäure ab 1852 leitete die Massenproduktion des Wirkstoffes ein. Da die Einnahme des Medikaments mit schweren Nebenwirkungen wie Magengeschwüren verbunden war, stellte die Firma Bayer 1897 zum ersten Mal reine Acetylsalicylsäure her. Diese besitzt im Körper den selben Effekt wie die Salicylsäure, da es zu dieser umgewandelt wird, hat dabei jedoch geringere Nebenwirkungen bei der Einnahme.

Zu der Gruppe schmerzstillender und fiebersenkender Wirkstoffe reihten sich am Ende des 19. Jahrhunderts auch die Anilinderivate ein.

1.1. Die Geschichte des Paracetamols

Paracetamol (4-Acetaminophenol) wurde 1878 erstmals von Harmon Northrop Morse synthe- tisiert.1 In den folgenden Jahren drang jedoch der therapeutische Nutzen des Wirkstoffs kaum zur Öffentlichkeit, da die verwandten Substanzen Acetanilid (N-Phenylacetamid) und Phenacetin (1-Acetamino-4-ethoxybenzol) im Vordergrund standen. Alle drei Stoffe können als Derivate von Anilin (Aminobenzol) dargestellt werden und weisen eine analgetische (schmerz- stillende) und antipyretische (fiebersenkende) Wirkung auf. Im Jahre 1893 konnte erstmals Paracetamol im Urin eines Menschen nachgewiesen werden, der Phenacetin zu sich genommen hat.2 1899 erkannte man Paracetamol als Metaboliten des Acetanilids. Diese Erkenntnisse blieben jedoch weitgehend unbeachtet und nachdem sich Acetanilid (bekannt als Antifebrin) durch seine schweren Nebenwirkungen, wie Zyanosen durch Methämoglobinämie, als Medi- kament disqualifiziert hatte, blieben das bevorzugte Phenacetin und Paracetamol übrig. Der schlecht kontrollierte Ge- und Missbrauch von Phenacetin hatte teilweise schwerwiegende Ne- benwirkungen. Die krebserregende und nierenschädigende Wirkung des Wirkstoffes führte zu bekannten Krankheitsbildern wie der ”Phenacetin-Niere”,einerteilweiseletalenNierenschädi- gung. Dennoch waren bis ca.1983 (Deutschland:1986 ) Phenacetin-haltige Medikamente, wie z.B. ”APC”-Präparate (Aspirin Phenacet in Caffeine - siehe Abbildung 1.1 ),aufdem US- Markt erhältich, wurden jedoch dann wegen den Nebenwirkungen verboten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Paracetamol 1948 er- neut als Stoffwechselprodukt des Phenacetins erkannt. Ber- nard Brodie und Julius Axelrod zeigten in ihrer Arbeit am New York City Department of Health auf, dass die Wir- kung des Phenacetins einzig und allein auf den Metaboli- ten Paracetamol zurückzuführen ist. Durch ihre Anregung, den Stoff in Reinform zu nutzen und das mit Nebenwir- kungen behaftete Phenacetin zu überspringen, begann die Entwicklung von ersten Fertigarzneimittel mit Paraceta-mol. Mit der Arznei Tylenol ®Children’s Elexir der Firma McNeil Laboratories fand der Wirkstoff 1955 zum ersten Mal auf den US-Markt. Unter dem Markennamen Panadol ® folgte 1956 in Großbritannien das erste europäisches Produkt. Drei Jahre später führte das Münchener Unternehmen bene-Arzneimittel mit ben-u- ron® das erste Paracetamol Monopräparat auf dem deutschen Markt ein.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1.1.: Aspirin Phenacetin Caffeine - Schmerz- und Fiebermittel der Firma Squibb, USA

Die Wirkweise des Stoffes war lange Zeit unbekannt und wurde erst Anfang der 1970er Jahre vom britischen Pharmakologen John Vane beschrieben. Paracetamol soll angeblich, ähnlich wie NSAR (nichtsteroidale Antirheumatika), auf der Hemmung der Cyclooxygenasen (COX) beruhen (auf diesen Prozess wird in Kapitel 3.4.2 eingegangen). Für diese Entdeckung erhielt er, zusammen mit zwei anderen Forschern, 1982 den Nobelpreis für Medizin. Heute ist Paracetamol nach der Acetylsalicylsäure das am zweithäufigsten verwendete Nicht- Opioidanalgetikum weltweit.S.234 3 Da das Patent auf Paracetamol weltweit abgelaufen ist, wird es als Generikum von bekannten Generikaherstellern, wie z.B. Ratiopharm in Deutsch- land, hergestellt und zu vergleichsweise niedrigen Preisen verkauft. Mit einem durchschnitt- lichen jährlichen Verbrauch von 50 Standarteinheiten (1 Standarteinheit = 1 Tablette) an Schmerzmitteln pro Kopf in Deutschland (2005) kann auch die wirtschaftliche Bedeutung die- ses Indikationsbereiches erklärt werden. Schmerzmittel standen hierzulande 2005 mit 479 Mil- lionen Euro (Endverbraucherpreise) an dritter Stelle der umsatzstärksten Indikationsbereiche zur Selbstmedikation.4 Ein entsprechend großer Anteil dieser Summe ist paracetamolhaltigen Mono- und Mischpräparaten anzurechnen.

2. Chemische Charakterisierung

2.1. Allgemeine Stoffeigenschaften

Die korrekte Bezeichnung für Paracetamol lautet nach IUPAC N -(4-Hydroxyphenyl)acetamid, wobei Paracetamol der internationale Freiname (INN: International Nonproprietary Name) für die chemische Verbindung ist. Der Name leitet sich von der chemischen Stoffbezeichnung Para-(Acetylamino)phenol ab. Sie weist die Summenformel C8H9NO2 auf und ist zugleich ein Phenol, wie auch ein acetyliertes Derivat des Anilins (siehe Abbildung 2.1).

Äußerlich ist Paracetamol eine weiße, geruchlose,kri- stalline Substanz, die monokline und orthorombi- sche Modifikationen der Kristallstruktur besitzt. Die- se haben eine Auswirkung auf die Verpressbarkeit des Stoffes, z.B. bei pharmazeutischen Anwendun- gen. Gemäß Hilfiker, 2006, S.385-4045, besitzt die orthorombische Modifikation gegenüber der monokli- nen Variante eine überlegene Verpressbarkeit. Wei- tere physikalische Eigenschaften von Paracetamols, nach GESTIS6, sind in der Tabelle 2.1 zu finden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.1.: Strukturformel von Paracetamol

Hervorzuheben sind dabei der pKS- Wert von 9,38 und der pH- Wert einer gesättigten Lösung in Wasser bei 20 von 5,5-6,5, da beide durch den phenolischen Charakter des Moleküls zu er- klären sind. Durch Abspaltung des Wasserstoff-Atoms der OH-Gruppe am C4 des aromatischen Ringes, entsteht die korrespondierende Ba- se, ähnlich einem Phenolat-Ion. Diese ist durch den +M-Effekt und die dadurch ausgeprägtere Meso- meriestabilisierung des Ions bevor- zugt. Die saure Eigenschaft der OH-Gruppe bestimmt insgesamt den Säurecharakter von Paraceta- mol nach außen, da diese weit bedeutender ist, als die, durch den Acetylrest und +M-Effekt, abgeschwächte Basizität des Aminrests. Der relativ hohe Schmelz- und Siedepunkt lässt sich durch die Kristallstruktur von Paracetamol im trockenen Zustand erklären, da zurÄnderung des Aggregatzustandes zuerst die Gitterenthalpie, dann die Verdampfungsenthalpie aufge- bracht werden muss. Die hohe Verdampfungsenthalpie erklärt sich hauptsächlich durch Was- serstoffbrückenbindungen des Sauerstoffatoms der phenolischen OH-Gruppe mit dem Amin- Wasserstoffatom. Die verminderte Löslichkeit in Wasser entsteht durch die schlechte Löslichkeit des Benzolrings, die durch die Reste des Aromaten nur wenig verbessert wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2.1.: Wichtige Stoffeigenschaften gemäß GESTIS

2.1.1. Laborversuch 1: pH-Wertbestimmung von zwei Paracetamolproben

Zur pH-Wertbestimmung wurde auch ein praktischer Laborversuch durchgeführt, bei dem ein käufliches Paracetamol-Monopräparat und selbst synthetisiertes Paracetamol (aus Kapitel 2.2.1) miteinander verglichen wurden. Das Laborprotokoll ist, zusammen mit der Auswertung, im Anhang A.1 zu finden.

2.2. Synthese

Bei der Synthese von Paracetamol lassen sich folgende klassische und industrielle Herstellungsmethoden unterscheiden:

- Klassische Herstellung von Paracetamol:

N-Acetylierung von p-Aminophenol Dieser Syntheseweg ist der klassische Weg Paraceta- mol, vor allem im Labor, herzustellen und bedient sich dem p-Aminophenol als Aus- gangsstoff.

- Industrielle Herstellung von Paracetamol:

Hoechst-Celanese Prozess Bei diesem Verfahren wird, ausgehend vom Phenol, das Para- cetamol in einem dreistufigen Prozess gewonnen.

Reduzierende Acetamidierung von p-Nitrophenol mittels Thioessigsäure Eine neuere Me- thode, Nitrophenolverbindungen durch spezielle Katalysatoren zum aromatischen Ace- tamid, wie z.B. dem Paracetamol, umzusetzen. Eine US-amerikanische Forschergruppe veröffentlichte 2006 dieses Verfahren.7

Im Folgenden soll der klassische Syntheseweg und der Hoechst-Celanese Prozess erläutert wer- den.

2.2.1. N-Acetylierung von p-Aminophenol

Die klassische Synthese von Paracetamol geht von den Edukten p-Aminophenol (C6H4NH2OH und Acetanhydrid (Essigsäureanhydrid, C4H6O3) aus. Bei der Reaktion ensteht 4-(Acetyl- amino)phenol (Paracetamol, C8H9NO2) und Essigsäure (Ethansäure, CH3COOH). Es lässt sich folgende Reaktionsgleichung formulieren:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Acetylrest des Acetanhydrids wird auf das Stickstoffatom des p-Aminophenols übertragen. Es findet also eine N-Acetylierung von p-Aminophenol statt. Der Reaktionsmechanismus (siehe

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.2.: N-Acetylierung von p-Aminophenol

Abbildung 2.2) ist in zwei Schritte geteilt und verläuft nach dem Additions-Eliminierungsmech- anismus. Zuerst erfolgt eine nucleophile Addition durch die NH2-Gruppe an die C=O-Doppel- bindung der Carboxylgruppe, dann die Eliminierung von Essigsäure unter Wiederherstellung der Carbonylgruppe. Die nucleophile Addition verläuft vorzugsweise mit der NH2-Gruppe ab und nicht mit der OH-Gruppe, da diese eine schwächere nucleophile Gruppe darstellt. Dennoch entsteht bei der Synthese auch N,O-diacetyliertes Nebenprodukt. Die Esterbindung dieses Nebenproduktes an der ehemaligen OH-Gruppe hydrolisiert jedoch im wässerigen oder leicht alkalischen Milieu und es kommt zur Bildung von Paracetamol und Essigsäure.

2.2.2. Laborversuch 2: Klassische Synthese von Paracetamol

Gemäß dem Syntheseweg aus Kapitel 2.2.1, wurde ein praktischer Laborversuch zur Synthese von Paracetamol nach dem klassischen Verfahren durchgeführt. Der Versuch orientierte sich an einem Praktikum der TU Dresden, der eine Versuchsanleitung zur Synthese enthielt.S.158-1618 Das Laborprotokoll und Bilder zum Versuch sind im Anhang A.2 einzusehen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der erhaltene Filterkuchen nach der Versuchsdurchführung noch mehrmaliger Reinigung bedurfte, um ein ansatzweise reines Endprodukt an Paracetamol zu erhalten.

2.2.3. Hoechst-Celanese Prozess

Dieser Prozess ist zur Herstellung von Paracetamol im industriellen Größenmaßstab gedacht. Sein Name leitet sich von der Firma Hoechst-Celanese ab, die seit dem Zusammenschluss der US-Firma Celanese mit Hoechst im Jahre 1987 unter diesem Namen international operiert. Die Synthese geht vom Phenol aus und beinhaltet drei Schritte.2 S.93 9 Im ersten Schritt (siehe Abbildung 2.3) wird die OH-Gruppe des Phenols durch Acetanhy- drid acetyliert und eine Fries-Umlagerung mit Flusssäure durchgeführt. Die Acetylierung be- steht aus einem nucleophilen Angriff des phenolischen Sauerstoffatoms an einem der beiden Carbonyl-Kohlenstoffatome. Nach der Addition spaltet sich Essigsäure ab und stabilisiert den entstandene Phenylester. Dann wird in einer Fries-Umlagerung der Phenylester mit Flusssäure umgesetzt. Der wasserfreie Fluorwasserstoff liegt durch Autoprotolyse wie folgt vor:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das H2F+-Kation protoniert den Carbonylsauerstoff und entweicht als Fluorwasserstoff aus dem Reaktionsschritt. Daraufhin spaltet sich vom protonierten Zwischenprodukt ein Acylium- Kation (O−C+−CH3) ab, wobei noch ein Phenolat-Anion verbleibt. Das Acylium-Kation reagiert in einer elektrophilen Substitution vorzugsweise in ortho- und para-Stellung (mesome- riestabilisiert) mit dem aromatischen Ring. Letztere Stellung wird bei niedrigen Temperaturen bevorzugt10 und ist das gewünschte Produkt dieser Reaktion. Wegen der hohen Toxizität der Flusssäure wurden alternative Ersatzstoffe, wie Zeolith-Katalysatoren und Methansulfonsäure, für die Fries-Umlagerung erforscht.11

Im zweiten Reaktionsschritt wird das synthetisierte p-Hydroxyacetophenon mit Hydroxylamin umgesetzt. Der Reaktion wird jedoch nicht direkt Hydroxylamin zugegeben, sondern das stabi- lere Salz Hydroxylammoniumsulfat, welches auch zum Hydroxylamin zersetzen kann. Das Hy- droxylamin, genauer das Stickstoffatom, greift das Carbonyl-Kohlenstoffatom nucleophil an. Nach intramolekularer Protonenwanderung spaltet sich ein Wassermolekül ab und es entsteht das Endprodukt dieses Schrittes, p-Hydroxyacetophenonoxim. Bei der nucleophilen Addition wurde die Ketogruppe zum Ketooxim umgesetzt. Eine gleiche Versuchsvorschrift zu diesem und zum letzten Reaktionsschritt (Beckmann-Umlagerung) ohne phenolischer OH-Gruppe ist bei Gattermann, 1982, S. 34812, zu finden.

Der letzte Reaktionsschritt besteht aus einer Beckmann-Umlagerung des Oxims in Anwe- senheit von Thionylchlorid als Katalysator und Essigsäureethylester als Lösungsmittel. Dazu lagert sich, gemäß Laue, 2006, S.3813,14, zuerst die starke Lewis-Säure SOCl2 an das Sauer- stoffatom der OH-Gruppe des Oxims an; dabei wird Salzsäure (HCl) frei. Im nächsten Schritt spaltet sich der entstandene Ether als Schwefeldioxid (SO2) und Chlorid-Anion (Cl- ) ab und der, zum abgespaltenen Rest E(anti )-ständige Substituent, also der Phenylrest, wandert zum Stickstoffatom. Die früheren Bindungselektronen des Phenols zum Kohlenstoffatom klappen dabei in die C=N-Bindung. Es bildet sich eine mesomeriestabilisierte Verbindung, bei der die positive Ladung zwischen dem Kohlenstoff- und Stickstoffatom wechselt (RAr: Aryl-Rest):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Am positiv geladenen Kohlenstoffatom lagert sich nucleophil ein Wassermolekül an, wobei unter Abspaltung eines Protons eine OH-Gruppe entsteht. Das entstandene Endprodukt, 4- Acetaminophenol oder Paracetamol, weist Keto-Enol-Tautomerie auf und wegen der Winkelung der Oximgruppe am Stickstoffatom, auch E/Z-Isomere des Methyl- und Aminophenolsubstituentens. Der zweite, in Abbildung 2.3, gezeigte Zwischenchritt mit Kaliumiodid bei 50‰, lässt sich, wegen fehlender Quellen, wahrscheinlich auf die katalytische Fähigkeit des Iods, aromatische Amine zu kondensieren15, zurückführen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.3.: Hoechst-Celanese Prozess zur Synthese von Paracetamol

2.3. Analytik

Für Paracetamol stehen eine große Anzahl an quantiativen und qualitativen Messmethoden zur Verfügung. Tabelle 2.2 listet die wichtigsten analytischen Verfahren gemäß Europäischem ArzneibuchS.2184 f.16, Wikipedia2 und dem Lehrbuch der pharmazeutischen ChemieS.365 17 auf.

Zwei Methoden zur qualitativen Bestimmung von Paracetamol seien jedoch besonders erwähnt. Die farbige Komplexbildung von Paracetamol mit Eisen(III)-chlorid und die Synthese eines Azofarbstoffes mittels Saltzmanns-Reagenz wurden beide praktisch im Laborversuch 3 nach- vollzogen.

2.3.1. Laborversuch 3: Nachweisreaktionen für Paracetamol

Laborversuch 3 besteht aus zwei getrennten Versuchen. Im ersten Versuch wurde Paracetamol (4-Acetaminophenol) durch Eisen(III)-chlorid zu einem tiefblauen Komplex komplexiert. Im zweiten Versuch wurde das durch saure Hydrolyse von Paracetamol gewonnene 4-Aminophenol mit N-(1-Naphtyl)-ethylendiamin zu einem Azofarbstoff mittels Saltzmanns-Reagenz gekop- pelt.

Beide Versuche sind, zusammen mit Protokoll, Bildern und einer Auswertung, im Anhang unter A.3 zu finden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2.2.: Wichtige analytische Methoden bei der Arbeit mit Paracetamol

[...]


1 Morse, H. N.: Über eine neue Darstellungsmethode der Acetylamidophenole. Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 11, Nr.1:S. 232-233, 1878.

2 Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Paracetamol, aufgerufen am 07. April 2010.

3 Aktories, Förstermann, et al.: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 9. Auflage. Elsevier Urban & Fischer, München, Jena, 2005.

4 Diener, Hans-Christoph, Schneider Roland Bernhard Aicher: http://www.

pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=6673. Pro-Kopf-Verbrauch von Schmerzmitteln - Eine Erhebung in neun Ländern über 20 Jahre (1985 bis 2005), Pharmazeutische Zeitung, Eschborn, 37/2008.

5 Hilfiker, Rolf: Polymorphism in the pharmaceutical industry. 1. Auflage. Wiley-VCH-Verlag, Weinheim, 2006.

6 GESTIS-Datenbank, des IFA: http://biade.itrust.de/biade/lpext.dll?f=id&id=biadb:r: 024840&t=main-h.htm, aufgerufen am 13. August 2010.

7 Bhattacharya, et al.: Eco-friendly reductive acetamidation of arylnitro compounds by thioacetate anion through in situ catalytic regeneration: application in the synthesis of Acetaminophen. Tetrahedron Letters, 47(19):S.3221-3223, Elsevier, Amsterdam, 8. Mai 2006.

8 Technische Universität Dresden Fachrichtung Chemie und Lebensmittelchemie, http://www.chm.tu-dresden.de/oc/med/WS06_07/v11.pdf: Praktikum Chemie für Medizin / Prak- tikum Organische Chemie für Biologie, Molekulare Biotechnologie und Pädagogik - WS 06/07, 03.01.07, aufgerufen am 07. April 2010.

2 Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Paracetamol, aufgerufen am 07. April 2010.

9 Buschmann, et al.: Analgesics: From Chemistry and Pharmacology to Clinical Application. 1. Auflage, korrigierter Nachdruck 2003. Wiley-VCH, Weinheim, 2002.

10 Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Fries-Umlagerung, aufgerufen am 13. November 2010.

11 Commarieu, et al.: Fries rearrangement in methane sulfonic acid, an environmental friendly acid. Journal of Molecular Catalysis, Volume 182-183, S.137-141, Elsevier, Amsterdam, 2002.

12 Gattermann, Wieland, et al.: Die Praxis des organischen Chemikers. 43. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin, New York, 1982.

13 Laue, Thomas Andreas Plagens: Namen- und Schlagwort-Reaktionen der Organischen Chemie. 9. Auflage. Vieweg+Teubner, Wiesbaden, 2006.

14 Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Beckmann-Umlagerung, aufgerufen am 13. November 2010.

15 Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Iod, aufgerufen am 13. November 2010.

16 Europarat, (Council of Europe): Europäisches Arzneibuch (European Pharmacopoeia) 5.0. Monogra- fien K-Z: Band 3. European Directorate for the Quality of Medicines (EDQM), Straßburg, 2005.

17 Auterhoff, Knabe, Höltje: Lehrbuch der Pharmazeutischen Chemie. 14. Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart, 1999.

Ende der Leseprobe aus 39 Seiten

Details

Titel
Paracetamol - Anilinderivat und Analgetikum
Untertitel
Eine ausführliche Charakterisierung der chemischen Eigenschaften, medizinischen Wirkungsweisen und praktischen Anwendung von Paracetamol
Veranstaltung
Leistungskurs
Note
15 (1+)
Autor
Jahr
2010
Seiten
39
Katalognummer
V164749
ISBN (eBook)
9783640799657
ISBN (Buch)
9783640800377
Dateigröße
57402 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die chemische Verbindung N-(4-Hydroxyphenyl)acetamid ist ein sehr interessanter Stoff, der auch über 100 Jahre nach seiner Entdeckung viel Forschungspotential zu bieten hat. Zusammenfassendes Urteil der Lehrkraft: "Die Arbeit stellt eine umfassende und eigenständige Auseinandersetzung mit der Thematik dar, unter Zugrundelegung z.T. neuster wissenschaftlicher Erkenntnisse. Sie ist ein Augenschmaus und übertrifft die geforderte naturwissenschaftliche Propädeutik deutlich." - Facharbeit im Chemie Leistungskurs des Sigmund-Schuckert-Gymnasium, Nürnberg, betreut durch Herr Gerd Neudeck, 2009/2011.
Schlagworte
paracetamol, acetaminophen, anilinderivat, anilin, analgetikum, nsaid, acetanilid, nsar, synthese, hoechst, celanese, cox, prostaglandine, wirkweise, pharamkokinetik, pharamakodynamik, nachweisreaktion, schmerz, endocannabinoidsystem, fieber, antipyretikum, antipyretika
Arbeit zitieren
Robert Bozsak (Autor:in), 2010, Paracetamol - Anilinderivat und Analgetikum, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/164749

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