Der Katharismus - Analyse einer besonderen Häresie


Seminararbeit, 2009

22 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Quellen

3 Die Theologie
3.1 Die Welt
3.2 Der Mensch.
3.3 Die Erlösung

4 Die katharische Kirche
4.1 Perfecti, Credentes und Defensores
4.2 Kirchenstruktur nach 1167
4.3 Katharischer Wohlstand

5 Werte, Sitten und Bräuche
5.1 Werte und Moral
5.1.1 Askese
5.1.2 Schwören
5.1.3 Töten.
5.2 Das Consolamentum
5.2.1 Rolle der Frau
5.3 Die anderen Bräuche.
5.3.1 Melioramentum
5.3.2 Das Vaterunser
5.3.3 Das Apparellamentum
5.3.4 Das Brechen des Brotes

6 Schluss

7 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Das Wort Katharer kennt verschiedene Herkünfte. Ungeklärt ist, ob dessen Ursprung aus der lateinischen oder griechischen Sprache kommt. „Catta“(lat. Katze) spricht für die abschätzige Beurteilung dieser Gruppe als Ketzer, welche nach zeitgenössischer Überzeugung die Katze auf das Gesäß küssten. Das griechische „katharos“ hingegen bedeutet „rein“ in Anlehnung an das Wesen der katharischen Vollkommenen. Weitere Bezeichnungen bestehen, wie die abwertende verallgemeinernde des Manichäers oder Arianers oder spezifische, nach örtlichem Vorkommen. So wurden die Katharer in Frankreich nach ihrem Zentrum in Albi Albigenser genannt. Sie selbst sprachen von sich als Boni Christiani oder Bons Hommes.

Jene Katharoi zu untersuchen soll Aufgabe dieser Hausarbeit sein. Das inhaltliche Ausmaß dieses Phänomens verlangt aber nach einer Fokussierung auf einige wenige Dimensionen. So soll es nicht darum gehen, Herkunft und Geschichte der Katharer zu beschreiben oder deren Verbreitung und unterschiedliche Ausprägung in Europa zu prüfen. Vielmehr wird die Religion der Katharer in Frankreich im Mittelpunkt der Analyse stehen.

Was dachten die Katharer von der Welt und sich selbst? Welche Konsequenzen ergaben sich daraus für ihre Lebensweise und kirchliche Struktur? Welche Werte und Bräuche gingen daraus hervor?

Im Folgenden will ich diese Fragen bearbeiten. Dabei sollen zusätzlich die wichtigsten Besonderheiten und Unterschiede zu katholischer Kirche und Religion deutlich werden, in denen sowohl Erklärungen für den Aufstieg als auch für den Untergang zu suchen sind.

2 Quellen

Zeugnisse über die katharische Religion sind zum größten Teil aus parteilicher Sicht geschrieben. Die zeitgenössischen Quellen stammen überwiegend aus der Auseinandersetzung der katholischen Kirche mit dem Katharismus. Deren Schriften, wie beispielsweise der für die Darstellung in der Hausarbeit verwendete Brief Everwiens von Steinfeld an den heiligen Bernard von 1143 und eine Beschreibung des Katharismus durch einen Bruder Rainier bieten zwar eine Einblick über die zeitgenössische katholische Wahrnehmung jener Häresie. Deren Objektivität und vollständige Richtigkeit muss aber zumindest angezweifelt werden. Neben diesen Quellen machen vor allem Inquisitorenhandbücher und Verhörprotokolle einen großen Teil des Quellenbestands aus. Katharische Texte hingegen beschränken sich auf einige Abschriften des Johannesevangeliums, zwei Anleitungen für Rituale und ein „Buch von den zwei Prinzipien“. Dieser Bestand ist zusammen mit den katholischen Zeugnissen zumindest für eine neutrale Darstellung der religiösen Grundzüge in der Sekundärliteratur ausreichend.1

3 Die Theologie

3.1 Die Welt

Die katharische Theologie stellte keinen verbindlichen Glaubenskodex dar. Vielmehr war sie „eine lockere Kette verwandter Empfindungen, die sich allmählich zu einer Lehre und einer festen Praxis verdichtete“2. „Alle Katharer haben allgemeine Lehren, in denen sie übereinstimmen, und spezielle, in denen sie sich unterscheiden,“ schrieb der ehemalige Katharer Bruder Rainier aus dem Orden der Predigerbrüder über den katharischen Glauben.3 Mit dem Konzil von Saint-Felix hatte sich der Katharismus 1167 zwar den radikalen Dualismus als einheitliche theologische Grundlage gegeben, der jedoch keinen dogmatischen Anspruch erhob.4 Dem entsprach auch, dass die Katharer selbst keine umfassenden eigenen Schriften besaßen. Basis des gemeinsamen Glaubens waren die neutestamentlichen Evangelien, welche von den „Priestern“ ohne Verbindlichkeiten mit apokryphen Schriften wie der „Interrogatio Johannis“, der „Vision des Jesaja“ und mythenhaften Erzählungen untermalt und ergänzt wurden.5

Gemein war ihnen allen eine dualistische Weltsicht. Gut und Böse, Jenseits und Diesseits standen sich nach gnostischem Motiv gegenüber und bildeten die zwei Prinzipien. Zu dieser Konstellation kam es folgendermaßen: Wie die Katholiken gingen die Katharer davon aus, dass ein Gott die Welt gemäß der Erzählung des Alten Testaments geschaffen habe. Dieser aber könne kein guter Gott sein angesichts der elenden von Leid durchsetzten Situation auf der Erde, sondern das Gegenteil – der Teufel.6 Die Begründung für diese Sichtweise lieferte Ihnen eine bewusst falsch übersetzte Stelle aus dem Johannesevangelium: omnium per ipsum facta sunt et sine ipso factum est nihil quod factum est – alles ist durch das Wort geworden und ohne das Wort ist das Nichts geworden.7 Während das Wort mit Gott gleichgesetzt wurde, entsprach dem im Lateinischen nicht vorhandenen Substantiv `nihil` die teuflische Schöpfung, die diesseitige Welt. Die Interrogatio Johannis erzählt über deren Ursache von einem Aufbegehren des Teufels: „(...)Und er sann nach und wünschte, seinen Thron über die Wolken zu erheben und zu sein wie der Allerhöchste.“8

Über die Entstehung jener diesseitigen Schöpfung dagegen teilen sich die Ansichten in radikal- dualistische und gemäßigt-dualistische Weltanschauungen. Die Radikaldualisten, dessen Ansicht die Albigenser überwiegend vertraten, sahen in Satan einen Sohn Gottes, der aus eigener schöpferischer Kraft die Erde schuf. Demgegenüber glaubten die Gemäßigten, Satan sei ein besonders befähigter Engel Gottes gewesen, der sich der von Gott geschaffenen vier Elemente bedient habe.9

Beiden Sichtweisen war jedoch gemein, dass sie bereits in ihrem Fundament einen für die katholische Kirche untragbaren Anstoßpunkt inne hatten, die göttliche Schöpfung mit Teufelswerk gleichzustellen und damit den Teufel zum Gott der Katholiken zu machen. Gleichzeitig konnte die dualistische Ansicht einen einfach verständlichen Glauben anbieten, der auf alle Schichten gleichermaßen große Anziehungskraft ausübte und drohte, der katholischen Kirche den okzitanischen Boden unter den Füßen wegzuziehen.

3.1 Der Mensch

Es bestehen verschiedene jener mythischen Erzählungen über die Entstehung des Menschen und seiner Seele: „Die Radikalen erzählen, Satan habe 32 Jahre vor dem Himmelstor gewartet, ein weiteres Jahr sich im Himmel verborgen und den Engeln von seinen Schätzen berichtet, insbesondere von den Reizen einer Frau. Da die neugierigen Engel nicht wissen, was eine Frau ist, führt Satan heimlich ein schönes Weib in den Himmel ein: die entflammten Engel, von Begehrlichkeit schwer geworden, brechen durch den gläsernen Himmel durch, oder aber sie kämpfen vorher noch an Satans Seite um die Herrschaft im Himmel: Bis an die Bäuche der Pferde floß das Blut. Und dann werden ihre Körper nieder gestreckt, und ihre Seelen fallen.“10 Begründung erfuhren solche Geschichten durch die Offenbarung des Johannes, in dem vom Engelsfall berichtet wird.

Durch solche Erzählungen erfuhr die strikte Zweiteilung zwischen guter und böser, überirdischer und irdischer Welt, einen Bruch, der durch eine weitere Erzählung deutlicher wird: „Und der Satan dachte sich aus, den Menschen zu seinen Diensten zu erschaffen, und nahm Lehm und machte den Menschen, ihm selbst ähnlich. Und der befahl dem Engel (…), in den Körper aus Lehm zu gehen (…). Die Engel weinten sehr, als sie auf sich diese sterbliche Hülle in unterschiedlichen Formen sahen.“11

Aus den beiden Geschichten ergibt sich, dass der Mensch ein gefallener Engel ist, der in eine materielle Hülle gezwungen wurde. Vom Teufel geschaffen wie alles andere Materielle auf der Erde, kommt seine Seele dagegen von Gott, womit mit dem katharischen Glauben ein Moment der Erlösungshoffnung verknüpft ist. In der weiteren Ausführung wird darauf noch näher einzugehen sein.

3.2 Die Erlösung

„Sie haben diese Qual nicht nur in Geduld ertragen, sondern, was wirklich unglaublich scheint, in Freude auf sich genommen.“12 Diese Beobachtung hält Probst Everwien von Steinfeld in einem Brief an Bernhard von Clairvaux 1143 fest. Woher diese „Freude“ kam, lässt sich mit der Weltanschauung der Katharer erklären. War die irdische Welt vom Teufel geschaffen, dann folglich auch der Körper des Menschen. Was den Menschen ausmachte, war einzig sein überirdisches Element, seine Seele. Sittlichkeit konnte demnach nicht bedeuten, in der durchweg bösen Welt des Teufels tugendhaft zu leben. Eine adaptive Haltung gegenüber der irdischen Welt würde dessen Akzeptanz gleichkommen. „Sünde ist die Unterwerfung unter die Welt“13, schreibt Arno Borst darüber. Die katharische Erbsünde war schließlich nicht ein Vergehen als Mensch sondern als Engel. Schlüssel zur Erlösung musste also eine Lossagung von allem Materiellen als (Er)zeugnis des Bösen sein. Sie bedeutete die Leugnung der Zugehörigkeit zu dieser Welt und das Bekenntnis zum überirdischen Gott und zur Verantwortung gegenüber diesem.14

Es kann daher nicht verwundern, dass den Katharern eine Unversehrtheit ihres Körpers nicht am Herzen lag, waren sie nach ihrer Theologie doch nicht Menschen sondern gefallene Engel in menschlicher Hülle. Während dem Katholiken eine Verbrennung angesichts der eigenen Überzeugung einer fleischlichen Auferstehung als die höchste Strafe erscheinen musste, konnte sich der Katharer nur vom fleischlichen Gefängnis befreit sehen.

Wollten die Katharer aber als selbst bezeichnete „Boni Christiani“ ihren Anspruch auf eine christliche Religion geltend machen, mussten sie Jesus Christus als Figur in die Heilsgeschichte integrieren. Zunächst galt es das Paradoxon zu überwinden, dass Christus als göttlicher Erlöser durch einen Menschen (Maria) in einem fleischlichen Körper geboren sein sollte. „Sie behaupten nämlich, Christus sei, weil er in ihr [Maria], nicht von ihr einen Leib angenommen habe, nicht Teil dieser Schöpfung; er sei vielmehr durch das Wirken des Heiligen Geistes aus einer anderen Materie als Geistleib erschaffen worden.

[...]


1 Oberste, Jörg, Der „Kreuzzug gegen die Albigenser“, Darmstadt 2003, S.29.

2 Deggau, Hans-Georg, kleine Geschichte der Katharer, Freiburg 2005, S.42.

3 Seifert, Petra, Geheime Schriften mittelalterlicher Sekten, Augsburg 1997, S. 272.

4 Vgl . Deggau, Hans-Georg, kleine Geschichte der Katharer, Freiburg 2005, S.42.

5 Vgl . Lambert, Malcolm, Geschichte der Katharer, Aufstieg und Fall der großen Ketzerbewegung, Darmstadt 2001, S.172.

6 Vgl . Rottenwöhrer, Gerhard, Der Katharismus, Band IV/3, Glaube und Theologie der Katharer, Bad Honnef 1993, S.174.

7 Johannes 1,3. Die korrekte wörtliche Übersetzung lautet: Alles ist durch das Wort selbst gemacht und ohne das (Wort) selbst ist nichts gemacht, was gemacht worden ist.

8 Deggau, Hans-Georg, kleine Geschichte der Katharer, Freiburg 2005, S.51.

9 Vgl . Ebd.S.44-46.

10 Ebd. S.48-49.

11 Ebd. S.47.

12 Oberste, Jörg, Ketzerei und Inquisition im Mittelalter, Darmstadt 2007, S.45.

13 Deggau, Hans-Georg, kleine Geschichte der Katharer, Freiburg 2005, S.53.

14 Vgl. Fichtenau, Heinrich, Haresie, Haresie und Vernunftglaube, Munchen 1992, S. 74-75.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Der Katharismus - Analyse einer besonderen Häresie
Hochschule
Universität Konstanz  (Mittalterliche Geschichte)
Veranstaltung
Die Albigenser-Kreuzzüge
Note
2,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
22
Katalognummer
V164696
ISBN (eBook)
9783640798162
Dateigröße
461 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Katharismus, Analyse, Häresie
Arbeit zitieren
Jacob Rietberg (Autor:in), 2009, Der Katharismus - Analyse einer besonderen Häresie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/164696

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