Francis Galton und die Begründung der Eugenik

Hinterlassenschaften eines Genies seiner Zeit


Seminararbeit, 2009

24 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Humangenetische Forschung
2.1 Die Vererbung von Eigenschaften
2.2. Nature and Nurture - Natur und Erziehung
2.3. Die Zwillingsmethode
2.4. Die Vererbung erworbener Eigenschaften

3. Der Mechanismus der Vererbung
3.1. Pangenesis
3.2 Galtons Vererbungskonzept

4. Statistik
4.1. Zahlen und Messen
4.2. DieNormalverteilung

5. Eugenik - Das Prinzip der Hoherzuchtung
5.1. Was ist das?
5.2. Eugenik in der Praxis
5.3. Eugenik und Religion
5.4. Eugenik nach Galton bis heute

6. Galton im Kontext seiner Zeit

7. Schluss

8. Literaturliste

9. Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

„Die englische Wissenschaft kennt einen Gelehrtentypus, der uns Deutschen im allgemeinen fremd ist. Die gunstige Lebensstellung ubte auf viele von ihnen nie einen lahmenden Einfluss, befahigte sie aber nach freier Wahl die Welt mit offenem Blick zu durchforschen, um dann vielfach in originellerer Weise, als dies bei systematisch erzogenen Gelehrten der Fall ist, schwierige Probleme kuhn in Angriff zu nehmen. Zu diesem Gelehrtentypus gehorten auch die beiden Enkel des beruhmten Erasmus Darwin, der grofie Charles Darwin und sein ihm in vielem kongenialer Vetter Francis Galton.“ So beginnt die Einleitung der deutschen Ubersetzung von ,,Hereditary Genius“ aus dem Jahre 1910 und trifft damit recht genau den Geist des Francis Galton. Ein englischer Gelehrter, der sich leidenschaftlich auf verschiedenstem Gebiet beschaftigte. Zunachst als Forscher und Meteorologe tatig, spater als Sozialdarwinist. Inspieriert wurde er von seinem Vetter Charles Darwin und dessen Werk ,,The Origin of Species“. Es wurde die Quelle seines Lebenswerks. Galton schopfte daraus seine Gedanken zu einer eigenen Vererbungslehre. Er sollte die Wissenschaft mit unkonventionellen Methoden um viele Erkenntnisse bereichern. Auf dem Gebiet der Genetik, Statistik, der Biometrie und der von ihm erst begrundeten Eugenik. Was war Galtons Lebenswerk? Wie ging er dabei vor? Was ist uns von Galton geblieben? Welche Verdienste sind ihm zuzuschreiben und welche Verantwortung? Im folgendem will ich diese Fragen naher untersuchen.

2. Humangenetische Forschung

2.1. Die Vererbung von Eigenschaften

Galtons erster Aufsatz auf dem Gebiet der Vererbungslehre erschien 1865 unter dem Titel „Hereditary Talent and Character44. Grundlage dessen war eine breite Quantifizierung von Stammbaumen herausragender Personen verschiedenster Begabung, aus denen er Schlusse uber die Vererbung geistiger Eigenschaften ziehen wollte.

Zunachst untersuchte er ein Referenzbuch, in welchem 605 angesehene Menschen im Zeitraum von 1453 bist 1853 aufgefuhrt waren. Es stellte sich heraus, dass davon 102 bzw. ein Sechstel der Personen zumindest einen nahen Verwandten aufwiesen, der ebenfalls der Liste zugehorte. Weitere Untersuchungen anderer Listen lieferten ahnliche Ergebnisse (Abb. 1). Seine Schlussfolgerung lautete: intellectual capacity is so largely transmitted by descent that, out of every hundred sons of men distinguished in the open professions, no less than eight are found to have rivalled their father in eminence."[1]

Diese Ergebnisse erweiterte er in seinem 1869 erschienenen Werk ,,Hereditary Genius“. Hatte er bisher seine Schlusse aufgrund von Listen, in denen spezielle Begabungen[2] von Personen aufgefuhrt waren, gezogen, stellte sich nun die Frage, was die Kriterien fur eine solche Begabung sein sollten. Galton behauptete, dass vor allem das Ansehen etwas uber die naturliche Begabung aussage. Dabei war er sich im Klaren, dass Ansehen durchaus durch soziale Vorteile bedingt sein kann. Dem setzte er drei Argumente entgegen:

Erstens wurden viele Menschen niedrigen Ranges in der Gesellschaft zu hohen Ehren gelangen. Zweitens gabe es in Landern, die sich durch weniger soziale Schranken auszeichneten, trotz allem nicht mehr hervorragende Menschen. Drittens wurden sozial bevorteilte Menschen, solange sie nicht uber eine naturliche Begabung verfugten, scheitern, zu grofier Bedeutung zu gelangen.[3] Dies war fur ihn Beweis dafur, dass Ansehen ein hinreichender Indikator fur Begabung sei.

Darauf aufbauend fuhrte er ausfuhrliche Stammbaumuntersuchungen u.a. von Richtern, Politikern, Literaten, aber auch von Personen, die sich durch korperliche Eigenschaften auszeichneten, durch. Seine Behauptungen bestatigten sich. Begabung auf verschiedenstem Gebiet schien tatsachlich erblich zu sein.

2.2. Nature and Nurture - Natur und Erziehung

,,I do not think, I ever in all my life read anything more interesting and original.“ schrieb Darwin uber ,,Hereditary Genius“ in einem Brief an Galton.[4] Die allgemeine Reaktion auf Galtons Werk war jedoch eher skeptisch. Man gestand Galton zwar zu, die Erblichkeit spiele fur die Herausbildung geistiger Eigenschaften eine grohe Rolle. Fachvertraute hingegen, wie der Botaniker Alphonse de Candolle, entgegneten, dass die Erziehung und gesellschaftliche Bedingungen ebenfalls Einfluss auf die Herausbildung einer Fahigkeit nahmen.[5]

1874 erschien daraufhin Galtons Werk ,,English Men of Science: Their Nature and Nurtured indem er die Ergebnisse eines umfangreichen Fragebogens prasentierte. Diesen hatte er an 190 ausgewahlte Mitglieder der Royal Society[6] geschickt und darin zwei fur die ,,Nature-Nurture- Debatte“ relevante Fragen gestellt: ,,Can you trace the origin of your interest in science in general? How far do your scientific tastes appear to have been innate?“[7] Die 91 zuruckgehenden Fragebogen ergaben, dass 56 Falle ihre wissenschaftliche Leidenschaft definitiv Vererbung und nicht Erziehung zu schrieben. Galton sah seinen Standpunkt damit bestatigt.

2.3. Die Zwillingsmethode

1875 entdeckte Galton eine Moglichkeit, die Nature-Nurture-Debatte neu zu beleuchten. ,,The History of Twins“ sollte seine Auffassung, geistige Eigenschaften seien erblich, endgultig bestatigen. Zwillinge, die sich von fruher Kindheit an nicht ahnlich waren, sollten daraufhin untersucht werden, ob sie sich unter gleicher Umgebung wahrend der Kindheit anglichen. Beantwortete Fragebogen der Zwillinge selbst oder naher Verwandten ergaben eindeutig, dass dies nicht so sei.

Mit dieser Untersuchung hatte Galton eine Methode geschaffen, die der heutigen Zwillingsmethode ahnelt. Galton nahm allerdings an, dass sowohl eineiige und zweieige Zwillinge, ja sogar Geschwister dasselbe genetische Material von den Eltern erhalten. Eineiige Zwillinge ahnelten sich aufgrund ihrer Umgebung wahrend ihrer pranatalen Entwicklung, also aufgrund derselben Eizelle.[8] Damit war ihm die klassische, 1920 in Deutschland und Amerika entwickelte Zwillingsmethode nicht mehr zuganglich.[9] Nichts desto trotz hatte er eine Moglichkeit gefunden, Zwillinge dafur zu nutzen, den Einfluss der Umgebung auf die Herausbildung von Eigenschaften zu untersuchen. Es machte ihn zum Pionier auf diesem Gebiet, der es anderen uberliefi, seine Methoden fur den wissenschaftlichen Fortschritt zu perfektionieren.[10]

2.4. Die Vererbung erworbener Eigenschaften

So wie Galton den Einfluss der Umwelt auf die Herausbildung von Eigenschaften ablehnte, so stand er auch der Lamarckschen These von der Vererbung erworbener Eigenschaften gegenuber. Mit dieser Einstellung war er seiner Zeit voraus; die Vererbung erworbener Eigenschaften, die sogenannte indirekte Vererbung, war weitgehend akzeptiert im 19. Jahrhundert.[11] Selbst Darwin, wenn er auch kein Lamarckist war, konnte sich gewisse Erscheinungen in der Natur nur durch die These von Gebrauch und Nicht-Gebrauch[12] erklaren.[13] [14] Dieser Meinung schloss sich Galton schliefilich an und gewahrte der These, erworbene Eigenschaften wurden weitergegeben, minimale Bedeutung, obgleich er keine klare Vorstellung uber dessen Mechanismus hatte: ,,If the habits of an individual are transmitted to his descendants, it is, as Darwin says, in a very small degree, and is hardly, if at all, traceable/414 Erst August Weismann konnte sich mit der Kontinuitat des Keimplasmas endgultig von der Annahme indirekter Vererbung losen. Eine Position, die wir heute Neo-Darwinismus nennen und die die Molekularbiologie prinzipiell bestatigt hat.[15]

3. Per Mechanismus der Vererbung

3.1. Pangenesis

Charles Darwin hatte in ,,The Origin of Species44 behauptet, dass naturliche Selektion die treibende Kraft der Evolution sei. Kontinuierliche Variationen eines Typs wurden nach ihrer zufalligen Anpassung uberleben. Uber die Art und Weise, wie Variationen uberhaupt entstehen, also einen Mechanismus der Vererbung, hatte Darwin hingegen nur eine vage Vorstellung.

Nach der „Pangenesis-Theorie“ zirkulieren sogenannte „Gemmule“ frei im Korper und mischen sich beim Geschlechtsverkehr, sodass sie von beiden Elternteilen an die Folgegeneration weitergegeben werden. Jedes dieser Gemmule bestimmt eine Funktion oder Eigenschaft, aber nur manche von ihnen kommen zum Tragen und entwickeln sich zu Zellen, wahrend andere uber Generationen hinweg latent bleiben.[16]

Galton nahm an, dass die frei zirkulierenden Gemmule sich im Blut befanden. Eine Reihe von Versuchen, dies zu beweisen, scheiterten aber.[17] Damit war die Pangenesis-These hinfallig geworden.

3.2. Galtons Vererbungskonzept

Nachdem er die Pangenesis-Theorie widerlegt hatte, machte Galton sich daran, eine eigene Theorie zu entwickeln. Hatte er noch in ,,Hereditary Genius“ eine bloBe Quantifizierung der Haufigkeiten von Begabungen unter Stammbaumen ermittelt, wollte er nun konkret Gedanken zu deren Vererbung fassen.[18] Da Galton seine Theorien des ofteren veranderte, mochte ich mich auf seine letzten und damit bleibenden Ideen zur Vererbung befassen, niedergeschrieben 1889 in ,,Natural Inheritance44.

Danach besitzt der Korper Elemente, welche die Gestalt und die Eigenschaften des Menschen bestimmen. Entgegen Darwins Uberzeugung zirkulieren sie nicht frei im Korper, sondern befinden sich in den Zellen. Diese nennt er „Germs“, die Summe aller Germs ist der „Stirp“.[19] Zwei verschiedene Arten von Germs gibt es: Patente und latente; sichtbare Merkmale und unsichtbare. Dies ist darauf zuruckzufuhren, dass durch die Vielzahl der Germs nichtjedes zur Geltung kommen kann. Vielmehr dominieren manche Germs uber andere. Von beiden Elternteilen werdenjeweils die Halfte ihrer latenten wie patenten Germs an die Folgegeneration weitergegeben.[20] Dabei haben sowohl latente wie patente Germs dieselbe Chance, im Nachwuchs zur Auspragung zu gelangen,[21] viele Merkmalskombinationen sind also moglich.

[...]


[1] Bulmer, M., Francis Galton, PioneerofHeredity andBiometry, Baltimore 1988, S.45.

[2] Begabung bedeutet fur Galton ,,those qualities of intellect and disposition, which urge and qualify a man to perform acts that lead to reputation/1 (Hereditary Genius, S.37.)

[3] Vgl. Bulmer, M., Francis Galton, Pioneer ofHeredity andBiometry, Baltimore 1988, S.47.

[4] Galton, F., Hereditary Genius, Gloucester 1972.

[5] Vgl. Bulmer, M., Francis Galton, PioneerofHeredity andBiometry, Baltimore 1988, S.60.

[6] Britische Gelehrtengesellschaft der Wissenschaft, 1660 gegrundet.

[7] Bulmer, M., Francis Galton, Pioneer ofHeredity andBiometry, Baltimore 1988, S.62.

[8] Vgl. Ebd., S.64-67.

[9] Deren Basis ist die Unterscheidung zwischen genetisch identischen (monozygotischen) und genetisch verschiedenen (dizygotischen) Zwillingen und deren Untersuchung auf Ahnlichkeiten.

[10] Vgl. Bulmer, M., Francis Galton, Pioneer ofHeredity andBiometry, Baltimore 1988 S.67.

[11] Vgl. Wolfgang, W., Der Geist der Eugenik, Fancis Galtons Wissenschaftsreligion in kultursoziologischer Perspektive, Bielefeld 1983, S. 73.

[12] Nach Lamarck, starkt der haufige Gebrauch eines Organs dasselbe, wahrend es bei Nichtgebrauch verkummert.

[13] Vgl. Mayr, E., Die Entwicklung der biologischen Gedankenwelt, Vielfalt, Evolution und Vererbung, Berlin 1984 S.552.

[14] Bulmer, M., Francis Galton, Pioneer ofHeredity andBiometry, Baltimore 1988, S.106.

[15] Vgl. Mayr, E., Die Entwicklung der biologischen Gedankenwelt, Vielfalt, Evolution und Vererbung, Berlin 1984, S.245.

Parallel entstand der entgegengesetzte Neo-Lamarckismus und damit eine langwierige Debatte um die Richtigkeit der Theorien.

[16] Vgl. Bulmer, M., Francis Galton, Pioneer ofHeredity andBiometry, Baltimore 1988, S.109-110.

[17] Galton verabreichte Kaninchen Bluttransfusionen, die nach Darwins Pangenesis die Gestalt der Nachkommen beeinflussen mussten.

[18] Seine Gedanken dazu, die er noch in „Herditary Genius“ darstellte, waren vage und beriefen sich groBtenteils noch auf Darwin.

[19] „Germs“ wurden wir heute als Gene bezeichnen, dementsprechend „Stirp“ als Genom oder Erbgut.

[20] Das von einem Elternteil vererbten Erbguts besteht allerdings nur zu Halfte aus eigenen Germs. Die andere Halfte kommt von den Vorfahren, ein Achtel von den Grofieltern, ein Sechzehntel von den Urgrofivatern usw. Streng genommen gibt ein Elternteil also nur ein Viertel des eigenen Erbguts weiter. Dieses Gesetz nennt Galton das ,,Ancestral Law ofHeredity“

[21] Uber den genauen Vorgang, nachdem sich welches Germ durchsetzt, hatte Galton keine plausible Erklarung

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Francis Galton und die Begründung der Eugenik
Untertitel
Hinterlassenschaften eines Genies seiner Zeit
Hochschule
Universität Konstanz  (Wissenschaftsgeschichte)
Veranstaltung
Sozialdarwinismus
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
24
Katalognummer
V164695
ISBN (eBook)
9783640798155
Dateigröße
838 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Francis, Galton, Begründung, Eugenik, Hinterlassenschaften, Genies, Zeit
Arbeit zitieren
Jacob Rietberg (Autor:in), 2009, Francis Galton und die Begründung der Eugenik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/164695

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