Die Beziehung zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus

Eine Fallstudie (Input-Output-Analyse) am Beispiel amnesty international


Magisterarbeit, 2007

195 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

I Einleitung

1. Gegenstand der Arbeit
2. Zielsetzung und Forschungsfragen
3. Aufbau der Arbeit

II. Theoretische Grundlagen

4. Die Beziehung zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus
4.1 Zum Verständnis von Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit
4.2 Öffentlichkeit im Kontext der Öffentlichkeitsarbeit
4.3 Die Determinationshypothese
4.3.1 Die Determinationshypothese in der Diskussion
4.4 Das Intereffikationsmodell
4.4.1 Das Intereffikationsmodell in der Diskussion
4.4.3 Weiterentwicklung des Intereffikationsmodells
4.4.2 Empirische Überprüfung des Intereffikationsmodells
4.5 Zwischenfazit

5. Non-Governmental-Organizations - NGOs
5.1 Definition und Begriffsbestimmung
5.2 NGOs als Akteure in der Öffentlichkeit
5.3 Die Öffentlichkeitsarbeit von NGOs
5.3.1 Die Öffentlichkeitsarbeit von NGOs als Non-Profit-PR
5.3.2 Die Ziele der Öffentlichkeitsarbeit von NGOs
5.3.3 Die Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit von NGOs
5.4 NGOs im Feld der Menschenrechte
5.5 Die Menschenrechtsorganisation amnesty international
5.5.1 Aufbau und Struktur der deutschen Sektion von amnesty international
5.5.2 Die Kommunikatortypen in der Kommunikation von amnesty international
5.5.3 Die Ziele der Öffentlichkeitsarbeit von amnesty international
5.5.4 Die Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit von amnesty international
5.6 Zwischenfazit

6. Vertrauen
6.1. Begriffliche Vorklärung zu Vertrauen und Glaubwürdigkeit
6.2 Vertrauen in der wissenschaftlichen Betrachtung - Ein Überblick
6.2.1 Politik und Vertrauen
6.2.2 NGOs und Vertrauen
6.3 Eine Theorie des öffentlichen Vertrauens
6.3.1 Vertrauensfaktoren als Einflussfaktoren öffentlichen Vertrauens
6.3.2 Kommunikative Diskrepanz und Konsistenz
6.3.3 Empirische Überprüfung einer Theorie des öffentlichen Vertrauens
6.4 Zwischenfazit

III. Input-Output-Analyse am Fallbeispiel amnesty international

7. Konzeption der Input-Output-Analyse
7.1 Die Methode der Inhaltsanalyse
7.2 Erkenntnisinteresse und Forschungsfrage
7.3 Hypothesen
7.4 Untersuchungsanlage
7.4.1 Analyseeinheit und Stichprobe
7.4.2 Kategoriensystem
7.4.3 Validität und Reliabilität
7.5 Methodenkritik

8. Darstellung und Interpretation der Ergebnisse
8.1 Ergebnisse der Inhaltsanalyse des Inputs
8.1.1 Formale Kategorien
8.1.2 Inhaltliche Kategorien
8.2 Ergebnisse der Inhaltsanalyse des Outputs
8.2.1 Formale Kategorien
8.2.2 Inhaltliche Kategorien
8.2.3 Einflussfaktoren öffentlichen Vertrauens in den Presseartikeln
8.3 Ergebnisse der vergleichenden Inhaltsanalyse
8.3.1 Übernahme der Themen und genannten Akteure in den Artikeln
8.3.2 Übernahme von Kernbotschaften und zitierten Akteuren
8.3.3 Übernahme von Zahlenangaben
8.3.4 Timing der Berichterstattung
8.3.5 Quellentransparenz der Artikeln
8.3.6 Transformationsleistungen der Journalisten
8.3.7 Übernahme von Bewertungen in den Artikeln
8.3.8 Einflussfaktoren öffentlichen Vertrauens
8.4 Hypothesengeleitete Interpretation der Ergebnisse
8.5 Induktions- und Adaptionsleistungen

IV. Zusammenfassung und Fazit

9. Erkenntnisse für das Intereffikationsmodell

10. Erkenntnisse für eine Theorie öffentlichen Vertrauens

11. Fazit

Literatur- und Quellenverzeichnis

Codebuch

Kernbotschaften und Bewertungen in den Presseinformationen

Datenblatt der vergleichenden Inhaltsanalyse

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildung 1: Vier-Akteursmodell der öffentlichen Kommunikation

Abbildung 2: Das Intereffikationsmodell

Abbildung 3: Induktionstypen in der sachlichen Dimension

Abbildung 4: Organisations- und Arbeitsstruktur von ai

Abbildung 5: Organisations- und Arbeitsstruktur der deutschen Sektion von ai

Abbildung 6: Vertrauen gegenüber NGOs in Deutschland

Abbildung 7: Vertrauen amnesty international im Vergleich zu NGOs weltweit

Abbildung 8: Vertrauen gegenüber amnesty international im Ländervergleich

Abbildung 9: Bewertung der Vertrauensfaktoren

Abbildung 10: Konzeption der Input-Output-Analyse

Abbildung 11: Häufigkeiten der zitierten Akteure in den Presseinformationen

Abbildung 12: Zahlenangaben in den Presseinformationen zu den Ereignissen

Abbildung 13: Häufigkeit der Medien in den Artikeln

Abbildung 14: Häufigkeit der Darstellungsformen in den Artikeln

Abbildung 15: Aufteilung der Artikel nach Ereignissen

Abbildung 16: Häufigkeit zitierter Akteure in den Artikeln

Abbildung 17: Häufigkeit Zahlenangaben in den Artikeln

Abbildung 18: Gewichtung der Vertrauensfaktoren in den Artikeln

Abbildung 19: Bewertung der Vertrauensfaktoren in den Artikeln

Abbildung 20: Diskrepanzen und formalisierte Quellenangaben in den Artikeln

Abbildung 21: Übernahme der Kernbotschaften in den Artikeln

Abbildung 22: Übernahme der Zitate und Kernbotschaften in den Artikeln

Abbildung 23: Übernahme der Zahlenangaben und Kernbotschaften

Abbildung 24: Timing der Berichterstattung und Kernbotschaften

Abbildung 25: Häufigkeit der formalisierten Quellenangaben in den Artikeln

Abbildung 26: Transformationsleistung der Journalisten und Kernbotschaften

Abbildung 27: Übernahme der Bewertung und Kernbotschaften in den Artikeln

Abbildung 28: Bewertung der Vertrauensfaktoren in den Artikeln

Abbildung 29: Vertrauensfaktoren und Kernbotschaften in den Artikeln

Abbildung 30: Diskrepanzen und Kernbotschaften in den Artikeln

Tabelle 1: Transformationsleistung der Journalisten

Tabelle 2: Vertrauensfaktoren

Tabelle 3: Vertrauensdimensionen

Tabelle 4: Datenmaterial nach Medien

Tabelle 5: Kategoriensystem

Tabelle 6: Erscheinungsdatum der Presseinformationen nach Datum der Ereignisse

Tabelle 7: Häufigkeit der Themen in den Presseinformationen

Tabelle 8: Häufigkeit der genannten Akteure in den Presseinformationen

Tabelle 9: Häufigkeit der Urheber der Bewertungen innerhalb der Presseinformationen

Tabelle 10: Häufigkeit der Größe der Artikel

Tabelle 11: Häufigkeit der Themen in den Artikeln

Tabelle 12: Häufigkeit der genannten Akteure in den Artikeln

I Einleitung

1. Gegenstand der Arbeit

In der heutigen Informationsgesellschaft wird die Bildung von Werten und Meinungen einer Gesellschaft zu großen Teilen von der Medienwirklichkeit bestimmt. Dem Journalismus fällt als Produzent der Medienrealität die zentrale Rolle in der Meinungs- und Wertbildung zu. Die dadurch entstehende Verantwortung in der Auswahl und Bewertung von Medieninhalten nehmen die Journalisten durch eine möglichst neutrale und ausgewogene Darstellung wahr. In diesem Zusammenhang wird die Öffentlichkeitsarbeit1 als Vermittler in der Kommunikation zwischen den Institutionen bzw. Organisationen und ihren Umwelten bedeutsam. Das Ver- hältnis zwischen dem PR-System und dem journalistischen System in Bezug auf die Bestim- mung der Medieninhalte und damit auf den öffentlichen Meinungsbildungsprozess gewinnt dadurch an Interesse. Das Beziehungsgeflecht der beiden Systeme ist nicht nur für die Praxis der beiden Berufsfelder interessant, sondern hat Auswirkungen auf die Formung der gesell- schaftlichen Wertvorstellungen im Allgemeinen.

Eine Voraussetzung für den Erfolg von Institutionen oder Organisationen ist das Vertrauen ihnen gegenüber in der Öffentlichkeit. Die Bevölkerung verfügt jedoch nur über geringe Möglichkeiten, das vertrauensvolle Handeln von Unternehmen durch eigene Betrachtungs- weisen zu überprüfen. Dadurch ist das Publikum auf die Vermittlung der öffentlichen Kom- munikation angewiesen. In diesem Zusammenhang werden die in der Berichterstattung the- matisierten und messbaren Vertrauensfaktoren zu Einflussfaktoren öffentlichen Vertrauens. Eine Funktion von Öffentlichkeitsarbeit ist daher der Aufbau von Vertrauen über die Medien, welche wiederum durch die Beziehungsstrukturen zwischen den beiden Systemen beeinflusst wird. In den eher wenigen empirischen kommunikationswissenschaftlichen Untersuchungen zur Vertrauensthematik liegt der Schwerpunkt in der Betrachtung des kontinuierlichen Ver- trauensschwundes in der Bevölkerung gegenüber der Politik und speziell in der Untersuchung politischer Vertrauenskrisen im Zeitverlauf. Das in dieser Arbeit gewählte Fallbeispiel der Nichtregierungsorganisation amnesty international beinhaltet eine eher gegenteilige Richtung. Umfragen zeigen, dass NGOs2 in der Bevölkerung ein kontinuierlich hohes Vertrauen mit steigender Tendenz entgegen gebracht wird. In diesem Zusammenhang wird in der vorliegen- den Arbeit die positive Bewertung von Einflussfaktoren öffentlichen Vertrauens eine ent- scheidende Rolle spielen. Ein weiterer Grund für die Entscheidung zu dieser Fallstudie liegt in der wachsenden Professionalisierung und Bedeutung von NGOs in der Öffentlichkeit. Die Öffentlichkeitsarbeit von NGOs rückt daher immer mehr in das Blickfeld der Forschung. Die grundlegenden Aufgaben und Ziele der Öffentlichkeitsarbeit von international agierenden NGOs, die von nicht-materiellen Werten bestimmt sind, unterscheiden sich inzwischen nur noch geringfügig von der Öffentlichkeitsarbeit wirtschaftlicher Unternehmen. Auf dem „NGO-Markt“ wird genauso um Aufmerksamkeit, Unterstützer und Spender gerungen wie im wirtschaftlichen Sektor um Marktanteile und Kaufkraft. Die Pflege eines guten Images und des Vertrauens in der Öffentlichkeit nimmt daher auch für NGOs einen immer wichtigeren Stellenwert ein. Die Menschenrechtsorganisation amnesty international stellt aufgrund ihrer basisdemokratischen Arbeits- und Organisationsstruktur eine besondere Herausforderung an die Öffentlichkeitsarbeit dar, die sich auf die Beziehungsstruktur der beiden Systeme PR und Journalismus sowie die Vertrauensbildungsprozesse auf besondere Weise auswirken könnte. Diese Vermutung und die Erfahrungen aus einem halbjährigen Praktikum in der deutschen Sektion von amnesty international waren Grund für die Auswahl des Fallbeispiels.

Zentraler Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist demnach die Beziehungsstruktur zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus. Innerhalb dieser soll weiter die Thematisierung von Einflussfaktoren öffentlichen Vertrauens in der Berichterstattung untersucht werden. Die konkrete Darstellung erfolgt vor dem Hintergrund der Fallstudie zur Öffentlichkeitsarbeit der deutschen Sektion von amnesty international und der Berichterstattung zu der NGO. Die Un- tersuchung erfolgt anhand des Ansatzes des Intereffikatiosmodells und einer Theorie des öf- fentlichen Vertrauens.

2. Zielsetzung und Forschungsfragen

Das zentrale Ziel der Arbeit ist, die Induktions- und Adaptionsleistungen der Öffentlichkeits- arbeit von amnesty international im Bezug auf die Printmedienberichterstattung zu der NGO zu untersuchen. Da der jetzige Stand der Forschung von einer wechselseitigen Beziehung zwischen PR-System und journalistischem System ausgeht, werden die Induktions- und Ad- aptionsleistungen der Journalisten ebenfalls in die Untersuchung mit einfließen. Einflüsse auf das hohe Vertrauen in der Bevölkerung lassen sich in der Art und Weise der Berichterstattung lich verwendet, außer die Autoren einer indirekt oder direkt zitierten Aussage haben einen anderen Begriff ge- wählt. vermuten. Aus diesem Grund soll die Darstellung der Organisation in der Berichterstattung betrachtet werden. Hierbei werden besonders die Art und Ausprägung der Einflussfaktoren öffentlichen Vertrauens in der Berichterstattung untersucht, um daraus Rückschlüsse auf das Vertrauen gegenüber amnesty international in der Bevölkerung zu ziehen. Abschließend soll ermittelt werden, ob die Induktionsleistung des PR-Systems Auswirkungen auf die Einfluss- faktoren öffentlichen Vertrauens in der Berichterstattung hat. Daraus ergeben sich folgende Forschungsfragen:

1. Welche Induktions- und Adaptionsleistungen können im Verhältnis der Öffentlichkeitsarbeit von amnesty international und der Medienberichterstattung zu der NGO festgestellt werden?
2. Wie wird in der Printmedienberichterstattung im Bezug auf Vertrauen über amnesty international berichtet?
3. Welchen Einfluss haben die Induktions- und Adaptionsleistungen des PR-Systems und des journalistischen Systems auf die Einflussfaktoren öffentlichen Vertrauens?

Die Beantwortung der Forschungsfragen sollen Erkenntnisse für das Intereffikationsmodell und eine Theorie des öffentlichen Vertrauens sowie für die Ausrichtung der Öffentlichkeitsarbeit von amnesty international liefern.

3. Aufbau der Arbeit

Die Arbeit teilt sich in einen theoretischen und einen empirischen Teil. Der theoretische Teil liefert die Grundlagen für die Input-Output-Analyse der Fallstudie zu amnesty international und ist in vier Kapitel unterteilt. Im ersten Abschnitt werden die gesellschaftlichen Grundla- genannahmen der Arbeit vorgestellt, um dann eine kurzen Darstellung der zwei Systeme Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit folgen zu lassen. Hier werden, in einem für diese Ar- beit angemessenen Umfang einige für die weiteren Veranschaulichungen wichtige theoreti- sche Ansätze vorgestellt. Auf Basis dieser Vorbetrachtungen wird die Beziehungsstruktur der Systeme der Öffentlichkeitsarbeit und des Journalismus im nächsten Teil des Kapitels aufge- zeigt. Da in der Forschungstradition das Intereffikationsmodell als Gegensatz zur Determina- tionshypothese entwickelt wurde, wird diese zunächst eingeführt und zentrale Ergebnisse der Studie von Baerns vorgestellt. Durch die Diskussion der Determinationshypothese ergibt sich die Notwendigkeit eines komplexeren Modells, das sich in den Annahmen des Intereffikati- onsmodells von Bentele, Liebert und Seeling findet. Der Betrachtung einiger auf dem Interef- fikationsmodell basierender empirischer Untersuchungen schließt sich die Vorstellung der von Bentele und Nothhaft daraufhin publizierten Weiterentwicklungen des Modells an.

Im fünften Kapitel nimmt die Autorin den Versuch einer Einordnung des Begriffs „NGOs“ vor, um eine für die Arbeit gültige Definition zu entwickeln. Darauf folgt die für den Untersuchungsgegenstand zentrale Darstellung der Öffentlichkeitsarbeit von NGOs. Die Be- sonderheiten in der Organisationsstruktur und Öffentlichkeitsarbeit des Fallbeispiels der deut- schen Sektion von amnesty international nehmen den zweiten Teil des Kapitels ein.

Das sechste Kapitel befasst sich mit dem Begriff des Vertrauens und dem Begriff der Glaub- würdigkeit als Voraussetzung von Vertrauen sowie einigen zentralen Ansätzen zu dieser Thematik. Zur Erarbeitung einer Theorie des öffentlichen Vertrauens ist die theoretische Be- trachtung einiger interdisziplinärer Theorien nicht außen vor zu lassen. Besonders wird das politische Vertrauen und in diesem Zusammenhang das Vertrauen gegenüber NGOs in Au- genschein genommen, um anschließend eine Theorie des öffentlichen Vertrauens von Bentele auszuführen. Besondere Beachtung erhalten dabei die Einflussfaktoren öffentlichen Vertrau- ens in Form von Vertrauensfaktoren, innerhalb derer die kommunikative Diskrepanz bzw. Konsistenz als zentral betrachtet werden kann. Eine kurze Ausführung der bisherigen empiri- schen Untersuchungen zur Theorie beendet den theoretischen Teil der Arbeit. Der empirische Teil zur Fallstudie amnesty international beginnt mit der Konzeption der In- put-Output-Analyse und einer Beschreibung der gewählten Methode der Inhaltsanalyse. Nachdem die aus der Fragestellung entwickelten Hypothesen vorgestellt und begründet wur- den, erfolgt die Abbildung der Untersuchungsanlagen in Form der Analyseeinheit, Grundge- samtheit und des Kategoriensystems, an dem sich das für die Inhaltsanalyse entwickelte Co- debuch orientiert. Die Inhaltsanalyse des Untersuchungsmaterials teilt sich in drei Schritte: die Inhaltsanalyse des Inputs, die Inhaltsanalyse des Outputs und eine vergleichende Inhalts- analyse von Input und Output. Der Input und der Output werden sowohl nach formalen als auch nach inhaltlichen Kriterien untersucht. In die inhaltliche Inhaltsanalyse des Outputs fließt die Erfassung der Einflussfaktoren öffentlichen Vertrauens in Form von Vertrauensfak- toren und Diskrepanzen mit ein. Eine Überprüfung des Codebuchs anhand der Gütekriterien sowie eine Methodenkritik schließt sich an. In Kapitel acht werden die Ergebnisse der In- haltsanalyse vorgestellt und anhand der Hypothesen interpretiert, um dann die Adaptions- und Induktionsleistungen der untersuchten Systeme herauszuarbeiten. Die Zusammenführung des theoretischen und empirischen Teils soll dann abschließend zu Erkenntnissen für das Interef- fikationsmodell und für eine Theorie des öffentlichen Vertrauens führen. Den Schluss der Arbeit bildet das Fazit mit einer zusammenfassenden Betrachtung der Ergebnisse.

II. Theoretische Grundlagen

4. Die Beziehung zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus

Als Voraussetzung dieser Arbeit wird von einem Begriff der Informationsgesellschaft ausge- gangen, der sich am öffentlichen Diskurs über eine Gesellschaft, deren Informations- und Kommunikationsbedarf stetig steigt, orientiert. Saxer sieht den Grund hierfür in der zuneh- menden funktionalen Differenzierung und wachsenden Komplexität der modernen Gesell- schaft. Das Ausmaß der Entstehung arbeitsteiliger Subsysteme erfordere den Mechanismus der Integration, um das Funktionieren der Gesellschaft zu gewährleisten. Diese Funktion übernehme die Kommunikation, was bei dem Bedarf der Teilsysteme an externen Kommuni- kationsstrukturen zu einem Anstieg des Bedarfs an Information und Kommunikation führe (vgl. Saxer 1998: 53). Information wird also als grundlegende Dimension des Strukturwan- dels der modernen Gesellschaft betrachtet und rückt so in das Zentrum der Beschreibung der Gesellschaft (vgl. Löffelholz/Altmeppen 1994: 571). Bentele grenzt die Informationsgesell- schaft durch ökonomische, technische und soziostrukturelle Kriterien ab. Als einen Indikator nennt er die quantitative und ökonomische Größenordnung des Informationssektors.

„Wenn 40 Prozent, 50 Prozent der Beschäftigten einer Gesellschaft oder mehr innerhalb des Wissens- sektors beschäftigt sind, wenn der Anteil der Ausgaben für Informationsgüter und -dienstleistungen in privaten Haushalten in eine Größenordnung von 50 Prozent und mehr steigt, so sind dies vergleichswei- se harte ökonomische Indikatoren für das Vorliegen einer Informationsgesellschaft“ (Bentele 1994: 132).

Ein weiteres Kennzeichen sei das hohe Niveau von Informationstechnologien und dass deren Entwicklung und Vernetzung stetig voranschreitet. Innerhalb einer Informationsgesellschaft werden die meisten Informationen über die Medien vermittelt und verbreitet3, wodurch die durch die Public Relations und die Medien produzierten Informationen eine wichtige Rolle in der Informationsgesellschaft einnehmen. Bentele und Seeling sehen in der Informations- oder auch Kommunikationsgesellschaft sogar eine Abhängigkeit der Gesellschaft von den Leistungen der öffentlichen Kommunikation von PR und Journalismus. Erst die Leistung der öffentlichen Kommunikation ermögliche es der Gesellschaft, sich selbst zu beobachten und als Ganzes zu erkennen (vgl. Bentele/Seeling 1996: 159).

Über die Verortung der beiden Systeme Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit in der Infor- mationsgesellschaft herrscht in der Literatur jedoch Uneinigkeit. Ronneberger geht, um PR theoretisch zu verorten, von einem pluralistischen Gesellschaftskonzept aus. PR wird hier als Funktion eines gesamtgesellschaftlichen Systems interpretiert und nicht als Funktion einzel- ner Organisationen verstanden (vgl. Ronneberger 1977: 7). In dieser Arbeit wird die Einord- nung von Bentele, Liebert und Seeling übernommen, die innerhalb des gesellschaftlichen Ge- samtsystems mehrere Untersysteme identifizieren. Das publizistische Teilsystem kann als eines dieser Untersysteme betrachtet werden und teilt sich wiederum in das journalistische und das PR-System. Innerhalb der dadurch ermöglichten öffentlichen Kommunikation sei die Massenkommunikation ein wichtiger Teilbereich. Die Kommunikationsleistung der Öffent- lichkeitsarbeit sei dabei kein Teil der Massenkommunikation, aber konstitutiv für diese und die Publizistik. Das Verhältnis des sozialen Systems der Massenmedien und deren Akteuren, den Journalisten einerseits, und dem sozialen System Öffentlichkeitsarbeit und dessen Akteu- ren, den PR-Praktikern anderseits, ist dabei von zentralem Interesse (vgl. Bente- le/Liebert/Seeling 1997: 225). Um die Beziehung der beiden Teilsysteme Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit näher betrachten zu können, soll eine kurze Einführung der beiden Be- griffe vorweggeschickt werden.

4.1 Zum Verständnis von Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit

Zunächst muss an dieser Stelle eine Einordnung der Begriffe „Journalistik“ und „Journalismus“ erfolgen. „Journalistik“ wird in der Literatur überwiegend als die Wissenschaft über den Journalismus beschrieben. Weischenberg sagt zusammenfassend:

„Journalistik beschäftigt sich theoretisch-empirisch und praktisch-normativ mit dem Journalismus (...). Das Fach analysiert Bedingungen und Folgen der Aussagenentstehung in den Massenmedien und stellt Wissen darüber im Rahmen von Journalistenausbildung bereit“ (Weischenberg 1992: 37).

In Anlehnung an diese Systematisierung wird in dieser Arbeit der Begriff Journalismus Verwendung finden. Journalismus bezeichnet nicht nur das Akteursfeld der Journalisten. Weischenberg definiert den Begriff als

„Sinn- und Handlungszusammenhang, der von anderen Bereichen der Gesellschaft durch eine besondere Zuständigkeit abzugrenzen ist: Themen zu selektieren und zu präsentieren, die neu, relevant und faktisch sind“ (Weischenberg 2005: 132).

Blöbaum identifiziert Journalismus als System und differenziert zwischen Journalismus und Öffentlichkeit sowie zwischen Journalismus und Massenmedien als eine Organisationsform von Journalismus (vgl. Blöbaum 1994: 84). Dabei unterscheidet er zwischen einer Leistungs- rolle des Journalismus und einer Publikumsrolle, deren Rezeption eine Entscheidung zur Teilnahme am journalistischen System sei (vgl. Blöbaum 1994: 291). Als Primärfunktion des Journalismus betrachtet er die „aktuelle Selektion und Vermittlung von Informationen zur öffentlichen Kommunikation“ (Blöbaum 1994: 261). Als eines der zentralsten Selektionskri- terien kann dabei die Aktualität identifiziert werden. Scholl und Weischenberg identifizieren einen Aktualitätsbegriff des Journalismus auf drei Ebenen. Er impliziert eine zeitliche Dimen- sion in Abgrenzung an die periodische Form der Publizistik, eine sachliche Dimension in Hinblick auf die Orientierung an Faktizität und in sozialer Hinsicht eine Relevanz durch die höhere Reichweite im Vergleich zu privaten Publikationen. Die Journalisten können bei der Gestaltung der Medieninhalte auf drei Arten von Informationsquellen zurückgreifen. Dabei lassen sich zunächst die durch Recherche selbst gefundenen Themen nennen, die auf der Grundlage eines berichtenswerten Sachverhaltes basieren und den Hauptmerkmalen der jour- nalistischen Verantwortung, der Relevanz eines Themas, der Gültigkeit der Informationen und der Verstehbarkeit folgen (vgl. Haller 1989: 17f.). Als zweites stehen die Anregungen von Außen, die meist durch die Öffentlichkeitsarbeit von verschiedenen Organisationen und Institutionen erfolgen und als dritte und eine der wichtigsten Informationsquellen die Nach- richtenagenturen, die sowohl eigene Recherchearbeiten veröffentlichen als auch fremde Texte redigieren und weiterverbreiten. Dadurch entsteht eine Art Vor-Selektion durch die Nachrich- tenagenturen (vgl. La Roche 1991: 45ff.). Zur Nachrichtenauswahl und den Selektionsmecha- nismen der Journalisten gibt es zahlreiche Ansätze und empirische Studien in der Journalis- musforschung, auf die hier nicht ausführlich eingegangen werden soll. Als zwei zentrale For- schungsrichtungen können die Gatekeeper-Forschung4, die sich auf die Filterfunktion des Journalismus, der Ereignisse und Meldungen auswählt und damit zur Formung des Gesell- schaftsbildes beiträgt, konzentriert, und die Nachrichtenwert-Theorien5, die die Nachrichten- auswahl der Massenmedien auf spezielle Eigenschaften - die Nachrichtenfaktoren - der Erei- gnisse oder Meldungen zurückführen, betrachtet werden.

Journalismus erfüllt außerdem die Funktionen der Synchronisation der Teilsysteme einer Ge- sellschaft sowie der Thematisierung gesellschaftlicher Kommunikation. Die Abgrenzung zur Öffentlichkeitsarbeit als Themenlieferant sehen Scholl und Weischenberg in der Ausrichtung. Öffentlichkeitsarbeit betreibe Thematisierung als Selbstdarstellung, während es beim Journa- lismus um Fremddarstellung gehe. Journalismus trage außerdem in einer dritten Funktion zur Selbstbeobachtung und Selbstverständigung von Gesellschaft bei und damit auch zu einer Repräsentation von öffentlicher Meinung. Öffentlichkeitsarbeit repräsentiere ebenfalls öffent- liche Meinung, die aber im Gegensatz zum Journalismus durch die Summe der Selbstbeob- achtungen der gesellschaftlichen Teilsysteme zustande kommt (vgl. Scholl/Weischenberg 1998: 75ff.).

Öffentlichkeitsarbeit und Public Relations gehören zu den Begriffen, für die in den letzten Jahrzehnten eine Vielzahl von Definitionen entstanden sind, die hier nicht ausführlich be- trachtet werden können. Öffentlichkeitsarbeit kann je nach Kontext mit verschiedenen Ar- beitsfeldern und Aufgaben verknüpft werden. Außer dem Begriff der Public Relations, der auch in dieser Arbeit synonym verwendet wird, werden oftmals Teilbereiche der Öffentlichkeitsarbeit wie Unternehmenskommunikation, Public Affairs oder Publicity mit dieser gleichgesetzt (vgl. Kunczik 2002: 22f.) Des Weiteren ist eine Abgrenzung zu den Begriffen der Propaganda, Marketing und Werbung notwendig, auf die hier nicht im Einzelnen eingegangen werden kann. Bedeutend ist hier die Unterscheidung der Ziele: „Das zentrale Element von PR ist der Versuch, Vertrauen6 zu gewinnen, wohingegen Werbung vor allem vom Kampf um Marktanteile bestimmt wird“ (Kunczik 2002: 24).

In einer konstruktivistischen Definition von Öffentlichkeitsarbeit steht das Ergebnis von PR im Mittelpunkt.

„Public Relations sind ein Prozess intentionaler und kontingenter Konstruktion wünschenswerter Wirk- lichkeiten durch Erzeugung und Befestigung von Images in der Öffentlichkeit“ (Merten/Westerbarkey 1994: 210).

Hier wird die Bildung eines Images7 als zentrale Funktion und Aufgabe von Öffentlichkeits- arbeit betrachtet. Ronneberger und Rühl definieren Öffentlichkeitsarbeit in ihrer Theorie der Public Relations als gesellschaftliches Funktionssystem mit der „Wirkungsabsicht“ (Ronne- berger/Rühl 1992: 252), Anschlusshandlungen auszulösen, die öffentliches Vertrauen stärken, indem sie Themen her- und bereitstellt. Hier wird eine weitere wichtige Funktion der Öffent- lichkeitsarbeit, die Themengenerierung innerhalb der öffentlichen Diskussion, genannt. Sy- stemtheoretisch kann Öffentlichkeitsarbeit als operative Ausprägung von Systemen betrachtet werden, die sich „als kontextbezogene Steuerungsstrategie gegenüber dem System Public Relations darstellen“ (Marcinkowski 1993: 224). PR wird weiterhin in zahlreiche Definitio- nen als Management-Funktion verstanden, deren Aufgabe das Management von Kommunika- tion zwischen einer Organisation und ihren Öffentlichkeiten sowie die Regelung der Kommu- nikationsbeziehungen zwischen den Teilöffentlichkeiten darstellt.

„In one way or another, however, each of these public relations activities is part of the management of communication between an organization and its publics, (...)“ (Grunig/Hunt 19984: 6).

Diese Definition dient Grunig und Hunt als Grundlage zur Entwicklung ihres Vier-Typen- Modells der PR8, in dem die Autoren vier Idealtypen von Public Relations vorstellen (vgl. Grunig/Hunt 1984: 11). Nach Grunig nehmen die vier Typen im Berufsfeld der PR eine Leit- bildfunktion ein, sowohl für ein grundlegendes Kommunikationsverständnis innerhalb der Organisation als auch als Ausgang für konkrete Kommunikationsprogramme (vgl. Gru- nig/Grunig/Dozier 1996: 220f.). Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Kommunikations- richtung, ihrer Ausgewogenheit der Wirkung und ihrer Funktion für das Unternehmen. Dabei stützen sich Organisationen nicht ausschließlich auf einen Modelltypen. Vielmehr stellen die Typen situationsbedingte Handlungsalternativen dar, die je nach bestehender Beziehungs- struktur zwischen Organisation und ihren Umwelten eingesetzt werden können (vgl. Kunczik 2002: 124). Der erste Typ der Press Agentry/Publicity impliziert teilweise stark verkürzte Aussagen mittels der Einwegkommunikation mit dem Ziel einer positiven Reaktion innerhalb des Kauf- oder Wahlverhaltens, während der zweite Typ der Public Information nach Grunig und Hunt die Einwegkommunikation in Form umfassender Informationen mit dem Ziel der Aufklärung meint (vgl. Grunig/Hunt 1984: 21ff.). Diese Form der Organisationskommunika- tion findet nach Ansicht der Autoren die häufigste Verwendung (50%) und das hauptsächlich im Feld der Non-Profit-Organisationen. Im Laufe der Arbeit wird deutlich, dass dieser Typ auch als zentral für die Kommunikation der NGOs betrachtet werden kann. Der Typ der In- formationstätigkeit geht dabei oftmals in den dritten Typ der Two-Way Asymmetric über (vgl. Bentele 1997: 29). Die Asymmetrische Kommunikation zeichnet sich durch die zusätzliche Aufnahme des Feedbacks der Teilöffentlichkeiten aus. Dies gewährleiste eine effektivere Ge- staltung der PR-Aktivitäten zur gezielten Überzeugung der Teilöffentlichkeiten (vgl. Gru- nig/Hunt 1984: 24f.). Der vierte Typ der Two-Way Symmetric hat schließlich das Ziel einer wechselseitigen Kommunikation. Hier geht es um den Austausch zwischen Gruppen, unter denen eine kommunikative Gleichberechtigung besteht.

„If persuasion occurs, the public should be just as likely to persuade the organization´s management to change attitudes or behavior as the organization is likely to change the publics´ attidudes or behavior. Ideally, both management and public will change somewhat after a public relations effort.” (Gru- nig/Hunt 1984: 23).

Der vierte Typ des Public Relations Model von Grunig und Hunt integriert den verständi- gungsorientierten Dialog, der in späteren Ansätzen wie der Verständigungsorientierten Öf- fentlichkeitsarbeit von Burkart und Probst weiter geführt wird. Die Autoren sehen Öffentlich- keitsarbeit als ein „Medium zur Optimierung gesellschaftlicher Verständigung“ (Bur- kart/Probst 1993: 268) in Zeiten zunehmender Konflikte, während Grunig und Hunt „public responsibility“ als Grund für die Notwendigkeit der symmetrischen Kommunikation in be- sche Entwicklung der Public Relations entlang einer niedrigen Entwicklungsstufe, der Publicity hin zu einer hohen in Form der symmetrischen Kommunikation (vgl. Kunczik 2002: 124). stimmten Situationen anführen (vgl. Grunig/Hunt 1984: 48). Die symmetrische Zwei-Weg- Kommunikation ist in diesem Sinne auch für NGOs erstrebenswert. Aus diesen Ausführungen ergibt sich eine für diese Arbeit gültige Definition von Öffentlichkeitsarbeit:

„Öffentlichkeitsarbeit oder Public Relations ist das Management von Informations- und Kommunikationsprozessen zwischen Organisationen einerseits und ihren internen oder externen Umwelten (Teilöffentlichkeiten) andererseits. Funktionen von Public Relations sind Information, Kommunikation, Persuasion, Imagegestaltung, kontinuierlicher Vertrauenserwerb, Konfliktmanagement und das Herstellen von gesellschaftlichem Konsens" (Bentele 1997: 22f.).

Öffentlichkeitsarbeit ist also das Management von Kommunikationsprozessen mit den Funk- tionen der
1. Information,
2. Kommunikation,
3. Persuasion,
4. Imagegestaltung,
5. Vertrauenserwerb,
6. Konfliktmanagement und
7. Herstellen von gesellschaftlichem Konsens.

Ob diese Funktionen ebenfalls auf die Kommunikation von NGOs zutreffen, bleibt zu über- prüfen.

Im Zusammenhang mit NGOs spielen die Besonderheiten der politischen Öffentlichkeitsar- beit eine Rolle. Begriffe wie political relations oder governmental relations werden nicht als Öffentlichkeitsarbeit von politischen Institutionen, sondern als Öffentlichkeitsarbeit von Or- ganisationen mit der „Zielgruppe“ Politik verstanden (vgl. Bentele 1998: 124). Ausgehend von der Öffentlichkeitsarbeit als Management-Funktion sieht Bentele politische Öffentlich- keitsarbeit „als einen Teil des Kommunikationsmanagements politischer Institutionen und Akteure mit ihren externen und internen Umwelten“ (Bentele 1998: 130). Politische Akteure sind für ihn diejenigen, die in erster Line innerhalb von politischen Institutionen Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Hier steht nicht nur das politische Thema im Mittelpunkt der PR-Aktivitäten.

„In weiteren Sinne könnte man es auch als politische Öffentlichkeitsarbeit´ bezeichnen, wenn ein Wirtschafts- oder Umweltverband mit politisch Verantwortlichen bzw. mit zuständigen politischen Institutionen kommuniziert, Lobbying betreibt. (...) Da Politik thematisch universell ausgerichtet ist, wäre dann aber jegliche Form von PR, die mit Politik in Berührung kommt, auch politische Öffentlichkeitsarbeit in einem weiteren Sinne“ (Bentele 1998: 130).

Nach Bentele würden damit NGOs keine politische Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Adam, Berkel und Pfetsch erweitern die Definition 2005 jedoch:

„Politische PR bezeichnet die öffentlichkeitswirksame, an der Medienlogik ausgerichtete strategische Kommunikation aller am politischen Prozess beteiligten Akteure“ (Adam/Berkel/Pfetsch 2005: 598).

Diese Definition politischer Akteure beinhaltet außer den Akteuren innerhalb des politischen Systems wie Regierungen und Parteien auch gesellschaftliche Gruppen wie z. B. Interessengruppen, Gewerkschaften und NGOs, die „versuchen, durch PR-Arbeit Aufmerksamkeit und Zustimmung für ihre Interessen im politischen System zu finden und ihre Mitlieder an die Organisation zu binden“ (Adam/Berkel/Pfetsch 2005: 598).

Auch Voss schlägt eine Erweiterung vor, um die Kommunikation der NGOs mit einzubeziehen. Politische Akteure können danach in der folgenden Arbeit als Organisationen und Institutionen verstanden werden, „deren Hauptanliegen es ist, politische Prozesse und Entscheidungen zu beeinflussen“ (Voss 2007: 50).

4.2 Öffentlichkeit im Kontext der Öffentlichkeitsarbeit

Betrachtet man Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit als Akteure einer massenmedial herge- stellten Öffentlichkeit, ist die Öffentlichkeit eine relevante Bezugsgröße für beide Systeme (vgl. Schweda/Opherden 1995: 27). In der Literatur gibt es eine Vielzahl von verschiedenen Ansätzen und Theorien zum komplexen Begriff der Öffentlichkeit, auf die an dieser Stelle nicht detailliert eingegangen werden soll. Die Ansätze können in Spiegelmodelle9, Modelle der Öffentlichkeit als intermediäres System10 und Diskursmodelle11 unterteilt werden. Ge- meinsamkeiten in den vorfindbaren Ansätzen lassen sich in der demokratietheoretischen Be- gründung für Öffentlichkeit finden, d.h. die hauptsächliche Thematisierung in Bezug auf Poli- tik, politische Entscheidungen und Öffentlichkeit als Produkt und Kennzeichen moderner Ge- sellschaften (vgl. Theis-Berglmair 2005: 335). Einigkeit besteht meist darüber, dass es sich bei Öffentlichkeit um eine nicht klar begrenzte Menge von Menschen handelt. „Öffentlichkeit entsteht dort, wo ein Sprecher vor einem Publikum kommuniziert, dessen Grenzen er nicht bestimmen kann“ (Neidhardt 1994: 10). Öffentlichkeit kann man nach Habermas hier grund- legend

„als ein Netzwerk für die Kommunikation von Inhalten und Stellungnahmen, also von Meinungen beschreiben; dabei werden die Kommunikationsflüsse gefiltert und synthetisiert, dass sie sich zu themenspezifisch gebündelten öffentlichen Meinungen verdichten“ (Habermas 1992: 436).

In Zusammenhang mit dem Diskursmodell von Habermas und dem Spiegelmodell von Luh- mann wurde ein Arenenmodel der Öffentlichkeit entwickelt (vgl. Neidhardt 1994). Die Öf- fentlichkeit als Kommunikationssystem besteht hier aus mehreren Ebenen, wie Encounters, öffentliche Veranstaltungen und Massenkommunikation. In prinzipiell frei zugänglichen „Kommunikationsforen“ äußern sich individuelle und kollektive Akteure vor einem breiten Publikum und produzieren somit eine öffentliche Meinung12, die sich von der „Individual- meinung“ des Einzelnen unterscheiden kann (vgl. Gerhards 2002: 694). In der Öffentlichkeit als ein Kommunikationssystem, das allen Akteuren gleichermaßen zugänglich ist, bilden sich verschiedene Akteursgruppen und Rolleninhaber. Akteure in der Öffentlichkeit können die Rollen wechseln oder zugleich als Sprecher und Vermittler auftreten. Sprecher können nach Neidhardt in der Öffentlichkeit wiederum verschiedene Rollen wahrnehmen:

1. Repräsentanten von gesellschaftlichen Gruppen oder Organisationen,
2. Advokaten, die im Namen von Gruppen deren Interessen vertreten, ohne politische Vertretungsmacht zu besitzen,
3. Experten, die sich durch Sonderkompetenzen auszeichnen,
4. Intellektuelle, die sozialmoralische Sinnfragen aufnehmen und
5. Kommentatoren, Journalisten, die nicht nur berichten, sondern auch eine eigene Mei- nung vermitteln (vgl. Neidhardt 1994: 14).

Nach dem Arenenmodell der Öffentlichkeit entsteht öffentliche Meinung, wenn sich eine Konsonanz zwischen den Akteuren, d.h. den Sprechern und den Kommunikateuren, herstellt. Die öffentliche Meinung werde nicht als die Summe der Individualmeinungen, sondern als herrschende Meinung verstanden, die von der Bevölkerungsmeinung unterschieden wird, sich aber durchaus mit dieser decken kann (vgl. Neidhardt 1994: 7). Öffentliche Meinungen seien dabei nicht die inneren Einstellungen der Bevölkerung, sondern

„Meinungen, die in öffentlichen Kommunikationen, (...) derart geäußert werden, dass sie von einem (...) Publikum wahrgenommen werden können. In einem Forumsmodell von Öffentlichkeit bezieht sich `öf- fentliche Meinung` also nicht auf individuelle Meinungen des Publikums, sondern auf medial vermittelte Meinungsäußerungen der Sprecher vor einem Publikum“ (Neidhardt 1994: 26).

Die Mediatisierung der öffentlichen Meinung entsteht durch den indirekten Zugang zu Infor- mationen für die Öffentlichkeit über die Medien. Als „Vehikel der öffentlichen Mei- nung“ (Rinck 2001: 67) gewinnen die Medien so an Macht. Durch Selektionsmechanismen ignorieren oder bevorzugen Medien bestimmte Meinungen aus einzelnen Öffentlichkeitsforen aufgrund von Nachrichtenwerten. Öffentliche Meinung wird für das PR-System zu einer „strategischen Größe“ (Merten 1992: 43). Die Mechanismen eines Agenda-Setting- Prozesses13 und die Merkmale der verschiedenen Arenen der Öffentlichkeit sind für die Öf- fentlichkeitsarbeit hiernach von zentraler Bedeutung, da diese „die jeweils aktualisierbaren Themen beeinflussen“ (Zerfaß 1993: 134).

Ausgehend vom Arenenmodell der Öffentlichkeit soll als Grundlage dieser Studie das Vier- Akteursmodell der öffentlichen Kommunikation von Bentele, Liebert und Seeling dienen. Die Autoren gehen davon aus, dass zwischen den drei Hauptgruppen von Kommunikatoren14, den journalistischen Kommunikatoren, den PR-Kommunikatoren und Fachkommunikatoren, und den Rezipienten „komplexe und differenzierte Beziehungen“ (Bentele/Liebert/Seeling 1997: 228) bestehen.

Abbildung 1: Vier-Akteursmodell der öffentlichen Kommunikation

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: Bentele/Liebert/Seeling 1997: 229)

Hinzu kommen drei weitere Elemente:

a) die PR-Medien/Medienereignisse stellen die Verbindung zwischen PR-Kommunikatoren und Medienkommunikatoren durch Pressemitteilungen, Publikationen, Events etc. dar,
b) die Publikumsmedien bilden die Verbindung zwischen Medienkommunikatoren und Rezipienten durch Zeitungen, Fernsehsendungen etc.
c) die Sachverhalte/Ereignisse, die in Interaktion mit den Themen stehen (vgl. Bentele/Liebert/Seeling 1997: 228f.).

Die Themen bzw. Sachverhalte und Ereignisse stellen ein Bezugselement dar, auf das sich die vier Akteursgruppen beziehen. Die Beschreibungen, Interpretationen und Bewertungen der Sachverhalte und der Äußerungen über diese von Kommunikatorgruppen basieren meist auf beobachtbaren Sachverhalten und Ereignissen. Die drei Kommunikatorgruppen konstituieren dabei primär die Themen. Welchen Stellenwert die Themen beim Publikum einnehmen, hängt dabei von deren Verhältnis zu den eigentlichen Sachverhalten und Themen ab. Die Einflüsse der Berichterstattung auf das Publikum lassen sich durch die inhaltsanalytische Untersuchung der Medien Zeitung, Fernsehen etc. rückschließen, da eine direkte Beziehung zwischen Jour- nalismus und Publikum eher durch wenige Kontakte gekennzeichnet ist (vgl. Bente- le/Liebert/Seeling 1997: 229f.).

Im Folgenden soll nun die wissenschaftliche Auseinandersetzung der Beziehungsstrukturen zwischen Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit vorgestellt werden. Dabei kann in dieser Arbeit nur ein Ausschnitt des komplexen Angebots an Theorien und Studien dargestellt und diskutiert werden. Deshalb hat sich die Autorin in der theoretischen Auseinandersetzung auf zwei zentrale und oft verwendete Ansätze konzentriert: die Determinationshypothese und das Intereffikationsmodell. Das als Grundlage für die anschließende Fallstudie dienende Intereffi- kationsmodell wird in der Literatur oft als Gegensatz zu dem Ansatz der Determinationshypo- these bezeichnet. Im Folgenden werden die Gründe hierfür und die Entscheidung für die Wahl des Intereffikationsmodells als Grundlage für die Untersuchung der Forschungsfrage dieser Arbeit deutlich.

4.3 Die Determinationshypothese

Die Determinationsforschung hat den Prozess der Entstehung von Medieninhalten zum Ge- genstand, mit dem Fokus auf der Rolle der Öffentlichkeitsarbeit als Quelle der Medieninhalte. Die Determinationshypothese fußt weder auf einem geschlossenen Denkansatz noch handelt es sich dabei um eine deduktiv abgeleitete Hypothese. Mit Hilfe des Forschungsdesigns der Input-Output-Analyse und der Methode der Inhaltsanalyse werden Rückschlüsse auf den Ein- fluss von Öffentlichkeitsarbeit auf die Medienberichterstattung gezogen. Im Gegensatz zu Selbstaussagen von Journalisten und PR-Praktikern, die Interessen geleitet oder sozial erwünscht sein können, hat die Inhaltsanalyse den Vorteil, dass anhand der Ergebnisse des Zusammenwirkens von Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus Aussagen über das Zustandekommen der Medieninhalte gemacht werden können (vgl. Raupp 2005: 205f.). Ausschlaggebend für die deutschsprachige Determinationsforschung ist die Veröffentlichung von Barbara Baerns 1985 „Öffentlichkeitsarbeit oder Journalismus - Zum Einfluss im Mediensystem“. Ziel der Studie war die Klärung der Fragen

1. Welche Beziehungsstrukturen bestehen zwischen den Berufsfeldern der Öffentlich- keitsarbeit und des Journalismus?
2. In welchen Dimensionen ist der relative Einfluss der Öffentlichkeitsarbeit auf den Journalismus spürbar und wie stark ist er?
3. Wie hoch ist die publizistische Leistungsfähigkeit der Medien? (vgl. Baerns 1985: 13ff.).

Der Untersuchung von Baerns lag die Annahme zu Grunde, dass für die Konsonanz in der Medienberichterstattung die Verwendung von Informationen aus der Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich sei. Denn trotz hoher Medienvielfalt, die eine hohe inhaltliche Vielfalt vermuten lässt, ist eine einheitliche Medienberichterstattung zu beobachten.

Ausgehend von der funktionalen Unterscheidung zwischen Öffentlichkeitsarbeit als Selbstdarstellung, Journalismus als Fremddarstellung und der Funktion des Gesamtinteresses konzipiert Baerns die beiden Subsysteme als Kontrahenten. Ihre Gleichartigkeit liege in ihren zielgerichteten Aktionen auf das Mediensystem mit dem Zweck der Information (vgl. Baerns 1985: 16). Den Einfluss, den die Beziehung zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus auf Medieninhalte hat, beschreibt Baerns wie folgt:

„Öffentlichkeitsarbeit hat erfolgreich Einfluss geübt, wenn das Ergebnis der Medienberichterstattung ohne diese Einflussnahme anders ausgesehen hätte. Andererseits dürfte gesagt werden: Journalismus hat erfolgreich Einfluss geübt, wenn das Ergebnis ohne diesen anders ausgefallen wäre. Unter der Voraus- setzung, andere Faktoren existieren nicht, wäre schließlich eine gegenseitige Abhängigkeit zu konstatie- ren: je mehr Einfluss Öffentlichkeitsarbeit ausübt, umso weniger Einfluss kommt Journalismus zu und umgekehrt“ (Baerns 1985: 17).

Demnach führt eine erhöhte Einflussnahme durch die Öffentlichkeitsarbeit zu einer geringeren Einflussnahme durch den Journalismus. Dabei ignoriert Baerns die Existenz anderer möglicher Einflussfaktoren.

Um diese Vermutung zu festigen, griff Baerns zu der Methode der Prozessanalyse, mit der sie versuchte, die Produktionsprozesse von Nachrichten zu rekonstruieren. Dabei analysierte sie nicht nur Medieninhalte, sondern auch deren Quellen. Es wurde untersucht, auf welche Quelle sich die journalistischen Beiträge zurückführen ließen, unterteilt in identifizierbare Quellen der Öffentlichkeitsarbeit, weitere Quellen und journalistische Eigenrecherche. Journalistische Recherche wurde dabei als „Abwesenheit anderer Quellentypen“ (Baerns 1985: 43) definiert. Die Ergebnisse von Baerns lassen sich in drei Bereiche systematisieren:

1. Thematisierungsleistungen,
2. Transformationsleistungen und
3. Quellentransparenz (vgl. Raupp 2005: 195).

Im Untersuchungszeitraum zeigen sich über alle Medientypen hinweg konstant hohe Anteile von Beiträgen, die auf Themenlieferung der Öffentlichkeitsarbeit basieren und ein eher geringer Anteil journalistischer Eigenrecherche. In 64% der Printbeiträge, 63% der Fernsehsendungen, in 61% der Hörfunksendungen und 59% der Agenturbeiträge beruhen die Primärquellen15 auf Informationen aus Pressemitteilungen oder Pressekonferenzen. In Bezug auf den Prozess der Informationsverarbeitung zeigen die Ergebnisse ebenfalls einen geringen Anteil des Journalismus an der Entwicklung der Medieninhalte: Mehr als 80% der Beiträge beruhten auf nur einer Quelle. Die Nachrichtenagenturen wiesen eine journalistische Eigenrecherche von 8% und die Primärmedien von 11% auf (vgl. Baerns 1985: 88).

Ein weiteres Ergebnis von Baerns ist die schnelle Verarbeitung des Materials der Öffentlichkeitsarbeit von den Journalisten. Nachrichtenagenturen und Fernsehen verarbeiten die Informationen zu über 70%, Hörfunk zu über 60% noch am selben Tag. Die Tageszeitungen verarbeiteten die Informationen der Öffentlichkeitsarbeit zu 65% am nächsten Tag (vgl. Baerns 1985: 89). Eine weitere Transformationsleistung war die Kürzung des Materials der Öffentlichkeitsarbeit von den Journalisten in 87,5% aller Beiträge. Lediglich 6,5% aller Beiträge wurden vollständig übernommen, wobei dies nicht wortwörtlich erfolgte.

Tabelle 1: Transformationsleistung der Journalisten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: Baerns 1985: 89)

Durch die Quellentransparenz in den Medien wird eine Einflussnahme der Öffentlichkeitsar- beit auf den Journalismus für den Rezipienten sichtbar. Nur wenn der Initiator der Information ersichtlich ist, ist eine mögliche Interessengebundenheit der Information erkenntlich. Als ersichtliche Quelle wurden Nennungen wie bspw. „Erklärung vor/gegenüber Journalisten...“, „Ein Ministerium/Amt teilt mit...“ oder „Im Gespräch mit...“ codiert (vgl. Baerns 1985: 131). Baerns stellte eine hohe Intransparenz der Informationen in der Berichterstattung fest. Das Fernsehen nannte die Quelle ihrer Informationen zu 83% nicht, während die Nachrichtenagenturen immerhin 55% ihrer Quellen benannten. Hinzu kam, dass die Tagespresse ihre von Öffentlichkeitsarbeit stammenden Informationen häufig als Agenturmeldungen kennzeichneten oder anonymisierten (vgl. Baerns 1985: 73).

Zusammenfassend sieht Baerns folgende Annahme bestätigt:

„In den Einzelleistungen der Medien, seien es Primär- oder Sekundärmedien, Druck- oder Funkmedien, öffentlich-rechtliche oder privatwirtschaftlich organisierte Einrichtungen, zeigten sich konstant hohe Beiträge, die auf Öffentlichkeitsarbeit zurückgehen. Öffentlichkeitsarbeit dominiert nicht nur journali- stische Recherche, sondern alle Quellentypen, und die für die beiden Untersuchungsmonate April und Oktober 1978 ermittelten Ergebnisse zeigten sich höchsten 4% differierend, invariant“ (Baerns 1985: 87).

Die Öffentlichkeitsarbeit habe die inhaltliche Themengestaltung der Berichterstattung durch Initiierung, Forcierung und Platzierung „unter Kontrolle“ (Baerns 1985: 98). Die geringe journalistische Leistung bestehe vor allem in der schnellen Verarbeitung der Informationen, so dass nach Baerns die Zweifel an der allgemeinen Medieneffizienz berechtigt seien. Der öffentliche Eindruck von der durch das Mediensystem hergestellten Informationsvielfalt täuscht.

„Der Eindruck von Informationsvielfalt entsteht auf dieser Grundlage fast nur durch Selektion und/oder Interpretation des Angebots sowie durch medientechnisch und -dramaturgisch ungleiche Umsetzung“ (Baerns 1985: 89).

Nach Baerns werde die Konsonanz in der Berichterstattung weder durch die Prominenz der Nachrichtenwerte noch durch die journalistische Produktionsroutine bestimmt, sondern durch die Primärquellen der Öffentlichkeitsarbeit, die von den Journalisten vervielfältigt werden. Hinzu komme, dass die „Abhängigkeit der täglichen Medienberichterstattung“ (Baerns 1985: 90) von den Quellen der Öffentlichkeitsarbeit für den Rezipienten nicht transparent sei, da die Ursprungsquellen nur in wenigen Fällen offen gelegt wurden. Hier sieht Baerns den Grund dafür, dass den Journalisten und den Medien eine Leistung zugeschrieben wird, die eigentlich der Öffentlichkeitsarbeit zusteht. Außerdem werde das Timing der Berichterstattung von der Öffentlichkeitsarbeit bestimmt, da in den meisten Fällen die PR-Informationen Anlass für die Medienberichterstattung seien. Die Effektivität der zeitlichen Beeinflussung durch die Öffent- lichkeitsarbeit werde bestimmt durch die Flexibilität und die guten Kenntnisse über journali- stische Arbeitsabläufe (vgl. Baerns 1985: 98).

4.3.1 Die Determinationshypothese in der Diskussion

Nach dem Erscheinen der ersten Auflage des Buches 1985 räumte Baerns zunächst ein, dass ihre Ergebnisse mit Berücksichtigung des zugrunde liegenden Datenmaterials nur auf den Teilbereich der politischen Kommunikation anwendbar seien und daher eigentlich keinen Geltung für die Aussagen über die Berichterstattung in anderen Bereichen habe. In ihrem kommentierten Buch von 1991 erweitert sie den Geltungsbereich ihrer Hypothese jedoch mit dem Verweis auf andere Studien16, die ihre Ergebnisse in anderen Gesellschaftsbereichen bestätigen:

„Bei vergleichender Berücksichtigung ähnlich angelegter Fallstudien aus dem journalistischer Recherche nicht ohne weiteres zugänglichen beispielsweise privatwirtschaftlichen Bereich werden wesentliche Abweichungen zugunsten größerer journalistischer Aktivitäten im Feld politischer Öffentlichkeitsarbeit nicht deutlich“ (Baerns 1991: 99).

Trotzdem wiesen viele Autoren die Ergebnisse von Baerns zurück und machten methodische Mängel im Untersuchungsdesign der Studie für die, ihrer Meinung nach, verzerrenden Befunde verantwortlich. Saffarnia ist der Meinung, dass die Determinationshypothese nicht theoretisch ableitbar ist und spricht ihr daher den Status einer elaborierten Theorie ab. Aus kommunikationstheoretischer Sicht sei die Determinationshypothese ein Rückfall in eine einfache Stimulus-Reaktions-Vorstellung, die jedoch durch ihre starke Unterstützung innerhalb der Kommunikationswissenschaft eine „Legimitation nicht zu scheuen braucht“ (Saffarnia 1993: 114). Szyszka betrachtet Öffentlichkeitsarbeit als eine potentielle Quelle journalistischer Arbeit, aber nicht als dominierende. Sie mache Informationsangebote, die an Aktualität, Gewichtung und anderen journalistischen Kriterien gemessen werden und in Konkurrenz mit anderen Informationsanbietern stehe (vgl. Szyszka 1997: 222).

Einer der zentralen Kritikpunkte zahlreicher Folgestudien zur Determinationshypothese war die ceteris-paribus-Klausel. Die Determinationshypothese untersucht das Verhältnis von Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus „unter der Voraussetzung, andere Faktoren existieren nicht“ (Baerns 1985: 17). Ausgehend von einem komplexen publizistischen System gehen einige Autoren jedoch von einer hohen Anzahl weiterer Faktoren aus. Die konstruktbedingte Faktorenreduktion stelle eine starke Vereinfachung dar und liefere daher, laut Hoffjann, letzt- endlich verfälschte Ergebnisse (vgl. Hoffjann 2001: 177). Journalismus werde zwangsläufig und jederzeit von Umweltsystemen determiniert. Als eine wichtige intervenierende Variable sieht Hoffjann die Qualität des persönlichen Kontaktes zwischen Journalisten und PR- Praktikern. Die rein quantitative Auswertung der Übernahmequoten von Pressemitteilung und Pressekonferenzen sei nicht ausreichend, um die Beziehung von Öffentlichkeitsarbeit zum Journalismus zu beschreiben (vgl. Hoffjann 2001: 178).

Raupp identifiziert vier intervenierende Variablen, die im Blickpunkt der Forschung stehen:

- Die Schlüsselrolle der Nachrichtenagenturen17,
- Einfluss von Nachrichtenfaktoren18,
- Transformationsleistung des Journalismus19,
- Einfluss der redaktionellen Linie auf die Verwendung von PR-Informationen20 (vgl. Raupp 2005: 200ff.).

Grenzt man wie Baerns intervenierende Variablen nach der ceteris-paribus-Klausel aus, so kommt man zu dem Ergebnis: „je mehr Einfluss Öffentlichkeitsarbeit ausübt, um so weniger Einfluss kommt Journalismus zu und umgekehrt“ (Baerns 1985: 17) und impliziert folglich eine Nullsummen-These, die bestimmte Handlungskonstellationen zwischen den beiden Sy- stemen ausschließt (vgl. Szyszka 1997: 222). Im Anschluss an die Theorie wurden daher zahl- reiche Vorschläge erarbeitet, die das Verhältnis zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Journa- lismus als wechselseitig betrachten.

Für Hoffjann führen die verschiedenen Forschungsansätze unmittelbar zu einem Konzept der strukturellen Kopplung von Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit, das davon ausgeht, dass die Systeme in der Lage sind, sich gegenseitig zu irritieren, und es dadurch zu selbstinduzier- ten Strukturänderungen kommt (vgl. Hoffjann 2001: 194). Ausgehend vom sozialen System Journalismus als selbstreferentielles System21 entstand das Konzept der strukturellen Kopp- lung anhand der Studie „Journalismus in Deutschland“, die zeigt, dass die Beziehung zwi- schen dem PR-System und dem journalistischen System durch Rollenselbstverständnisse be- stimmt wird. Journalisten sehen sich vor allem als neutrale Vermittler komplexer und bestä- tigter Sachverhalte, die die Aufgabe der Kritik- und Kontrollfunktion innehaben (vgl. Wei- schenberg/Löffelholz/Scholl 1994: 65f.). Umgekehrt betrachten Journalisten die Informatio- nen der Öffentlichkeitsarbeit als interessenabhängige „Selbstdarstellungen partikularer Inter- essen und speziellen Wissens durch Informationen“ (Baerns 1990: 38). Journalisten geben dabei ungern zu, dass die Informationsquelle der Öffentlichkeitsarbeit Ausgangsmaterial für Eigenrecherche sein kann (vgl. Hintermeier 1982: 7). Dabei gibt es vor allem in den Arbeitstechniken Gemeinsamkeiten in beiden Kommunikationssystemen. Unterschiede ergeben sich durch die Kommunikationsziele, die bei der Öffentlichkeitsarbeit in der Präsentation des Unternehmens und der Themeninitiierung liegen, ohne die die Journalisten wiederum keine Informationen über das Unternehmen hätten. Daraus ergibt sich eine klare Rollenverteilung zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus:

„das PR-System dient dem Journalismus als Informationsquelle, während das Mediensystem für die PR Vermittlungsleistungen erbringt, indem es die Öffentlichkeit für die PR-Botschaften herstellt“ (Rinck 2001: 79).

Die Öffentlichkeitsarbeit bietet einen journalistisch aufgearbeiteten Input an das Mediensystem. Das Mediensystem wiederum erbringt eine Transformations- und Selektionsleistung und liefert es dann als Output an die Öffentlichkeit. Es entsteht ein Nachrichtenfluss in Form eines „Input-Output-Prozesses“ (Hintermeier 1982: 75), bei dem soziale Systeme Leistungen aus der Umwelt aufnehmen und an die Umwelt abgeben. Durch den Prozess der Transformation werden „Inputs durch das System kraft seiner eigenen Entscheidungsfähigkeiten in Outputs umgewandelt“ (Hintermeier 1982: 75).

Durch Themenselektion kann das journalistische System Einfluss auf die Meinungsbildungs- prozesse ausüben. Delitz stellt anhand der Kriterien der Determination und der Selektion den Zusammenhang zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Medieninhalten dar. Dabei definiert er Determination als „Anteil PR-induzierten Materials am gesamten Medieninhalt“ und Selekti- on als „den Anteil des in den Medien publizierten PR-Materials am gesamten PR- Material“ (Delitz 1986: 515f.). Im Gegensatz zu Baerns kommt Delitz zu dem Ergebnis, dass sich die Systeme der Öffentlichkeitsarbeit und des Journalismus nicht konkurrierend gegen- über stehen und stimmt damit Grossenbacher zu, der sie als interdependente Systeme betrach- tet:

„Die eigentliche Informationsproduktion ist weitgehend Sache der Öffentlichkeitsarbeit. Sie bestimmt die Aktualität, Angebot und Gewichtung der Themen und gibt bis zu einem gewissen Grad auch die Kommentierungsmuster vor. Die wichtigste Medienleistung sind Selektion, Neutralisierung und Ver- dichtung des Inputs sowie dessen Umsetzung in Auflage und Reichweite“ (Grossenbacher 1986: 730).

Grossenbacher sieht eine gegenseitige Abhängigkeit zwischen dem PR- und dem Mediensystem, da die Medien von den Informationen der Öffentlichkeitsarbeit genauso abhängig seien wie diese von der Funktion der Medien, Öffentlichkeit herzustellen. Außerdem fände eine Anpassung seitens der Öffentlichkeitsarbeit an die Nachrichtenwerte und die Produktionsroutine der Journalisten statt (vgl. Grossenbacher 1986: 730).

Besonders das Intereffikationsmodell von Bentele, Liebert und Seeling von 1997, auf das im folgenden Kapitel näher eingegangen werden soll, wird häufig als Gegenmodell zur Determinationshypothese betrachtet, da es das Verhältnis zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus nicht als einseitige Einflussbeziehung, sondern gekennzeichnet durch gegenseitige Einfluss- und Abhängigkeitsstrukturen begreift.

4.4 Das Intereffikationsmodell

Hoffjann sieht den Grundgedanken des Intereffikationsmodell in der von Saxer Anfang der 80er Jahre aufgestellten Interdependenzthese (vgl. Hoffjann 2001: 184). In Saxers Betrach- tung der Interaktion zwischen dem politischen System und dem publizistischen System unter- sucht er das Vorhandensein einer „Medienmacht“ (Saxer 1983: 448). Saxer ist der Meinung, dass die Öffentlichkeitsarbeit „Gegen- oder zumindest kompensatorische Strukturen“ (Saxer 1983: 450) errichte, die den publizistischen Medien entgegengesetzt werden. Er identifiziert zwischen dem politischen PR-System und dem publizistischen System „Verflechtungen“ (Sa- xer 1981: 501) sowie „elementare funktionale Interpedenzen“ (Saxer 1981: 505), „gegenseiti- ge Funktionszusammenhänge“ und „Parallelstrukturen“ (Saxer 1981: 502).

Das Intereffikationsmodell von Bentele, Liebert und Seeling berücksichtigt 1997 im Gegenzug zur Determinationshypothese mit einem „Modell höherer Komplexität“ (Bentele 2005: 209) drei zentrale Aspekte:

1. Eine Machtbeziehung der Öffentlichkeitsarbeit im Bezug auf den Journalismus sei zu einfach.
2. Neben den Einflüssen von der Öffentlichkeitsarbeit auf den Journalismus gebe es auch gegenläufige Einflüsse.
3. Neben den unmittelbar wirkenden Einflüssen existiere eine weitere fundamentale Be- ziehungsdimension der „Adaption“ (Bentele 2005: 210).

Die Autoren gehen von dem bereits erläuterten Arenenmodell der Öffentlichkeit aus, das ihnen als Basis für ihr Beziehungsmodell zwischen Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit dient. Sie plädieren dafür, das Verhältnis zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus

„kommunikationswissenschaftlich besser als komplexes Verhältnis eines gegenseitig vorhandenen Einflusses, einer gegenseitigen Orientierung und einer gegenseitigen Abhängigkeit zwischen zwei relativ autonomen Systemen zu begreifen“ (Bentele/Liebert/Seeling 1997: 240).

Die jeweiligen Kommunikationsleistungen der beiden Systeme seien ohne die andere Seite nicht zu verwirklichen. Die Öffentlichkeitsarbeit benötigt zur Umsetzung ihrer Kommunikati- onsziele das Mediensystem, während die Journalisten auf die Kommunikationsbereitschaft der PR-Praktiker angewiesen sind, um ihre Informationsfunktion zu gewährleisten. Jede Seite ermöglicht so die Leistungen der anderen Seite und führt Bentele et al. zum Begriff der Inte- reffikation, der die „komplexe Gesamtbeziehung zwischen den publizistischen Teilsystemen Journalismus und Public Relations“ (Bentele/Liebert/Seeling 1997: 241) bezeichnet. Inner- halb der Intereffikationsbeziehung konkretisieren die Autoren die Einflussbeziehungen

1. der kommunikativen Induktion und
2. der kommunikativen Adaption.

Induktionen können als „gerichtete Kommunikationsanregungen oder -einflüsse“ (Bente- le/Liebert/Seeling 1997: 241), die zu beobachtbaren Wirkungen auf der komplementären Sei- te führen, definiert werden (Bentele/Nothhaft 2004: 73). Dabei kann sowohl von der PR als auch von journalistischer Seite Induktion ausgehen. Die Induktionsleistung kann in PR- induzierter Berichterstattung durch eine Input-Output-Analyse erfasst werden, die durch in- haltsanalytische Verfahren die Seite des Inputs der Öffentlichkeitsabteilung mit der Seite des journalistischen Outputs in Beziehung setzt. Adaption hingegen sei das „kommunikative und organisatorische Anpassungshandeln“ (Bentele/Liebert/Seeling 1997: 241), das sich bewusst an den sozialen Umständen der anderen Seite orientiere, um eine erfolgreiche Interaktion zu gewährleisten. Beide Einflussbeziehungen beruhen auf Erwartungen und vergangenen Erfah- rungen. Das Intereffikationsmodell sei trotz der graphischen Form jedoch nicht als Symme- triemodell zu verstehen. Sowohl Adaption als auch Induktion können in den verschiedenen Dimensionen unterschiedliche Ausprägungen annehmen.

Eine Induktionsleistung von der Öffentlichkeitsarbeit zum Journalismus sei die Themenset- zung bzw. Themengenerierung. Weiterhin bestimme sie, wie innerhalb der Determinations- hypothese festgestellt, das Timing. Aber auch die Bewertung von Sachverhalten, Personen, Ereignissen u.s.w. gehöre zu den Induktionsleistungen seitens der Öffentlichkeitsarbeit. Die Adaption der Öffentlichkeitsarbeit beinhalte die „Anpassung an zeitliche, sachliche und sozia- le (z.B. redaktionelle) Regeln und Routinen des Journalismus, (...)“ (Bentele/Liebert/Seeling 1997: 243). Die Induktion spiegelt sich bei der Öffentlichkeitsarbeit vor allem in Informati- ons- und Kommunikationsangeboten wider, durch die sie Themen in zeitlicher und inhaltli- cher Hinsicht setzen.

„Die journalistische Induktionsleistung besteht vor allem in der Auswahl aus diesen Themen- und Text- angeboten, in ihrer Veränderung (Verkürzung, Anreicherung, Vervollständigung) sowie in der Ent- scheidung über Gewichtung und Bewertung, schließt darüber hinaus immer aber auch die Möglichkeit ein, weitere Themen oder bestimmte Akzente innerhalb aufgenommener Themen zu setzen“ (Bente- le/Nothhaft 2004: 73).

Beim Journalismus finde man Induktionsleistungen in Bezug auf die Selektion, die Platzie- rung, die Eigenbewertung, die Veränderung sowie die Generierung der Informationsangebote durch die Öffentlichkeitsarbeit. Die zeitlichen, sachlich-thematischen und organisatorischen Dimensionen des PR-Systems bedingen die Adaptionsleistungen des Journalismus durch eine Orientierung an diesen Vorgaben. Adaptionsleistungen werden jedoch auch verwendet, um eigene Induktionsleistungen zu optimieren. Sie sind häufig Folge eines fehlgeschlagenen In- duktionsversuchs, aus dem sich feste Handlungsstrukturen bilden (vgl. Bentele/Nothhaft 2004: 94).

Durch das gleichzeitige Stattfinden von Induktions- und Adaptionsprozessen auf beiden Seiten komme es zu einer gegenseitigen Beeinflussung. Daher sprechen die Autoren „von einem doppelten und gleichzeitig dualen Kommunikationssystem“ (Bentele/Liebert/Seeling 1997: 243), das sie in drei unterschiedliche Dimensionen differenzieren:

1. eine psycho-soziale Dimension,
2. eine sachliche Dimension,
3. eine zeitliche Dimension.

Der psycho-sozialen Dimension liegt u.a. die Frage nach den persönlichen und sozialen Be- ziehungen zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Mediensystem zu Grunde. Die Strukturen einer Organisation, denen sich die Journalisten anpassen müssen, beeinflussen z.B. die Kommuni- kation der Organisation sowohl nach innen als auch nach außen. Genauso beeinflussen die Strukturen einer Redaktion den gesamten publizistischen Informationsfluss. Die psychische Dimension wird durch die personalen Akteure und deren Handlungen mitbestimmt. Als wei- tere Faktoren der Sozialdimension benennen Bentele et al. die journalistischen Ressourcen wie Anzahl der Journalisten oder persönliche Beziehungen zwischen den beiden Systemen (vgl. Bentele/Liebert/Seeling 1997: 244).

Die Möglichkeit des PR-Systems, den Aktualitätszeitpunkt von Themen zu bestimmen, könne als Induktionsleistung in der zeitlichen Dimension angeordnet werden. Untersuchungen bestä- tigen jedoch, dass das Ausmaß der Kontrolle von der sozialen Situation abhängt.22 Das Fest- legen von Pressemitteilungen und Events, aber auch das zeitliche Strukturieren von Kampag- nen sei ebenfalls eine Induktionsleistung in der zeitlichen Dimension. Die zeitliche Adap- tionsleistung der Öffentlichkeitsarbeit sollte sich, um eine erfolgreiche Kommunikation zu gewährleisten, in der Berücksichtigung der Zeitdimensionen der Medien widerspiegeln. Die Periodizität von Medien und die zeitliche Medienroutine, wie z.B. Redaktionsschluss sollten in der Planung und dem Aufbau von PR-Maßnahmen erkennbar sein. Die „Aktualität“ und die „Punktualität“ eines Themas beeinflussten die Auswahl eines Themas seitens des Journalis- mus und stellte ebenfalls eine Adaptionsvorgabe bei der Themenauswahl des PR-Systems dar.

Somit seien die zeitlichen Adaptionsleistungen des PR-Systems weitestgehend identisch mit den Induktionsleistungen des journalistischen Systems und in beiden Systemen heute auf der organisatorischen Ebene in der Arbeitsroutine und Arbeitslogik zu finden.

Abbildung 2: Das Intereffikationsmodell

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: Bentele/Liebert/Seeling 1997: 242)

Innerhalb der Sachdimension benennen die Autoren vier zentrale Bereiche:

a) „die Themen und deren Selektion,
b) Festlegung von Relevanz,
c) die Bewertung von Sachverhalten Personen und Themen und
d) die Präsentation der Information“ (Bentele/Liebert/Seeling 1997: 245).

Die Themengenerierung der Öffentlichkeitsarbeit werde durch die Anpassung an die Nach- richtenfaktoren eingeschränkt. Die Nachrichtenfaktoren als historisch entstandener relativ stabiler Orientierungsrahmen könnten sich sowohl kulturell wie intermediär unterscheiden. Wenn das PR-System Nachrichtenfaktoren innerhalb der Themengenerierung anbiete, ent- scheide das journalistische System weitgehend autonom über die Annahme der Themen. Die Themenadaption der Öffentlichkeitsarbeit ist zwar vorhanden, die Entscheidung über die Themenrelevanz liege jedoch hauptsächlich auf der Seite des Mediensystems, so dass sich das PR-System an die Relevanzkriterien des Journalismus anpassen müsse. Das PR-System liefert auf der Ebene der Bewertung Vorgaben, die der Journalismus in abgeschwächter Form meist übernimmt und ergänzt, aber durch journalistische Formen wie Kommentare oder Platzierung eine eigenen zusätzlichen Bewertung unterziehen kann. In der Präsentation sehen Bentele et al. eher das journalistische System als Richtgröße, da die Präsentationsroutine innerhalb des Me- diensystems die Öffentlichkeitsarbeit zur Adaption zwinge (vgl. Bentele/Liebert/Seeling 1997: 246).

4.4.1 Das Intereffikationsmodell in der Diskussion

In der Diskussion der letzten Jahre erntete das Intereffikationsmodell in Bezug auf seine For- mulierung und Tauglichkeit für die Praxis weitaus weniger Kritik als die Determinations- hypothese. Weber bezeichnet das Intereffikationsmodell als „neuen Ansatz“, der „anregen und somit der Forschung eine neue und differenzierte Grundlage geben“ könne (Weber 1999: 270), auch wenn die empirische Dokumentation der Adaptionsprozesse nicht hinreichend sei. Hoffjann lobt das „heuristische Potential“ (Hoffjann 2001: 184) der Formulierung der Induk- tions- und Adaptionsprozesse und Dernbach die Modelldarstellung „der gegenseitigen Ab- hängigkeit von Journalismus und PR“ (Dernbach 1998: 62). Die Konzentration auf die Mo- dellhaftigkeit des Intereffikationsmodells betonen Bentele und Nothhaft in einem späteren Aufsatz. Eine direkte empirische Überprüfung in Form von Falsifikation oder Verifikation von Hypothesen wie bei einer Theorie sei bei dem Intereffikationsmodell nicht möglich, je- doch könne eine Für- oder Gegensprache mit empirischen Argumenten stattfinden. Es solle als Modell mittlerer Reichweite als Anstoß für empirische Studien dienen (vgl. Bente- le/Nothhaft 2004: 68f.). Hier schließt sich die Kritik der systemtheoretischen Argumentatio- nen Schantels an, die das Intereffikationsmodell zwar als „elaborierteste Gegenposition zur Determinationshypothese“ (Schantel 2000: 86) bezeichnet, andererseits aber eine klare Ab- grenzung des journalistischen Systems zum PR-System vermisst. Sie sieht den Geltungsbe- reich des Intereffikationsmodells in Ermangelung der Formulierung einer „Funktion“ und „Leitdifferenz“ auf die „individuelle und organisatorische Ebene beschränkt“ (Schantel 2000: 79). Eine system- und handlungstheoretische Einbettung durch eine Anbindung an Öffent- lichkeitsmodelle sei, laut Bentele und Nothhaft, durchaus Ziel und ein Ausblick für die Zu- kunft (vgl. Bentele/Nothhaft 2004: 71).

Ruß-Mohl stößt sich an der Wortschöpfung der „Intereffikation“ (vgl. Ruß-Mohl 1999: 169f.). Bentele und Nothhaft ziehen eine Intereffikationsbeziehung jedoch vor, da von einer hohen Induktionsquote nicht voreilig auf eine Determinierung zu schließen sei. Zum einen erfassen die meisten Forschungsdesigns nicht die gesamte Induktionsleistung des PR-Systems und können somit nicht auf eine Determinierung der Berichterstattung hinweisen. „Zum ande- ren kann der Begriff der Determinierung auch bei Beschränkung auf eine PR-zentrierte Per- spektive sehr missverständlich interpretiert werden“ (Bentele/Nothhaft 2004: 82f.). Die Wort- neuschöpfung der Intereffikation gewährleiste eine Neutralität, die eine Konnotation mit be- stehenden Begrifflichkeiten wie Partnerschaft, Kooperation oder Symbiose verhindere. Ruß- Mohl sieht weiter in den Erkenntnissen des Modells eine „Beschönigung und Verharmlo- sung“ sowie „Verschleierung bestehender Zustände“ (Ruß-Mohl 1999: 169f.). Er ist der Mei- nung, dass sich das PR-System den journalistischen Nachrichtenfaktoren unterwerfen müsse und daher keine PR-induzierte Themensetzung stattfände. Grundlegend bezweifelt er die Auf- fassung, PR sei ein weiteres journalistisches Teilsystem. Diese Annahme dient jedoch als Voraussetzung des Intereffikationsmodells. Die drei Autoren hätten außerdem eine PR-affine Sichtweise, die gar nicht den Versuch unternehme, die Machtverhältnisse zwischen Öffent- lichkeitsarbeit und Journalismus offen darzulegen. Er lehnt die Annahme sich wechselseitig bedingender Einflüsse mit der Begründung, dass Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus „ver- schmelzen“ würden und damit eine „Unkenntlichkeit des Journalismus“ (Ruß-Mohl 1999: 170) provozierten, ab. Der Kritik von Ruß-Mohl treten Bentele und Nothhaft mit dem Argu- ment entgegen, das Intereffikationsmodell sei der Versuch der wertneutralen Beschreibung des Verhältnisses zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus in Form „wechselseitiger Ermöglichungen und gegenseitiger Abhängigkeit“ (Bentele/Nothhaft 2004: 70). Dieses wech- selseitige Verhältnis wird in verschiedenen von Bentele angeführten Untersuchungen bestätigt (vgl. Bentele 2005: 216ff.).

Bentele und Nothhaft stellen jedoch fest, dass sich auch in den Studien, in denen das Interef- fikationsmodell als Grundlage diente, die Untersuchungsanlage häufig nur auf Teilaspekte beschränkte. Vernachlässigt werde nach wie vor die von den Medien ausgehende Induktions- leistung sowie die gegenläufige Adaption der Arbeitslogik und -routinen des journalistischen Systems an Vorgaben der Öffentlichkeitsarbeit. Zentraler Aspekt der Forschung ist weiterhin die Induktionsleistung der Öffentlichkeitsarbeit auf den Journalismus (vgl. Bentele/Nothhaft 2004: 72). Weiterhin stellen die Autoren bei der Betrachtung der verschiedenen Leipziger Magisterarbeiten, die sich in ihrer empirischen Untersuchung auf das Intereffikationsmodell stützen, fest, dass diese hauptsächlich auf die Sachdimension zielen. Auch die Operationali- sierung der Subdimensionen Relevanz und Präsentation findet aufgrund forschungstechni- scher Beschränkungen selten statt. Dies veranlasst sie dazu, 2004 eine Reduzierung und Wei- terentwicklung des Modells vorzulegen, die im Folgenden vorgestellt wird.

4.4.2 Weiterentwicklung des Intereffikationsmodells

Aufgrund der erläuterten Erkenntnisse scheint Bentele und Nothhaft eine reduzierte Systematik angebracht, die besonders in der Lage ist, sachliche Induktionsleistungen des Intereffikationsmodells differenziert zu beschreiben (vgl. Bentele/Nothhaft 2004: 74f.). Folgende Induktionstypen werden von den Autoren unterschieden:

1. Themeninitiative (oder Themeninduktion),
2. Textinduktion,
3. Tendenz- (oder Bewertungs-) induktion.

Die Themeninitiative, d.h. die Frage nach dem Anstoß der Berichterstattung, lasse sich wiederum in drei bzw. vier Konstellationen unterscheiden:

a) Quelleninitiative, somit liegt die Initiative meist bei der Öffentlichkeitsarbeit,
b) Redaktionsinitiative durch journalistischen Akteur oder Redaktion,
c) gemischte Quellen- und Redaktionsinitiative
und der aus Gründen der Übersichtlichkeit in der Abbildung nicht skizzierten
d) Initiative, die weder bei den fokalen Quellen noch bei der Redaktion liegt (vgl. Bentele/Nothhaft 2004: 75).

Liegt die Themeninitiative auf der PR-Seite, wird dies an einer Textinduktion deutlich. For- mulierungen aus PR-Materialien oder Zitate von Sprechern oder Vorständen finden sich in der journalistischen Berichterstattung wieder. Textinduktion gehe zwar mit Themeninitiative einher, sei jedoch als unabhängig zu betrachten. Der in dem Schaubild dargestellte Typus der Initiativinduktion meint den zeitlich-thematischen Anstoß von Seiten der Öffentlichkeitsarbeit (z.B. Ereignisankündigungen), die nicht mit einer elementaren textlichen Induktion einhergeht. Von Tendenz- oder Bewertungsinduktion sprechen die Autoren, wenn die Journalisten Be- wertungen übernehmen, die von der Öffentlichkeitsabteilung vorgegeben sind. Tendenzinduk- tion setzt ein Minimum an Textinduktion voraus und ist deshalb dieser untergeordnet.

Abbildung 3: Induktionstypen in der sachlichen Dimension

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: Bentele/Nothhaft 2004: 76)

Baerns vernachlässigt, wie bereits erläutert, in ihrer Determinationshypothese beeinflussende Faktoren der Beziehung von Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit. Seidenglanz und Bentele betrachten anhand einer empirischen Studie zur sächsischen Landespolitik das Verhältnis von Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus im Kontext verschiedener Variablen23 und kommen damit der Forderung der in Kapitel 4.3.1 vorgestellten Autoren zur Relevanz verschiedener Einflussfaktoren auf die Beziehungsstruktur der beiden Systeme PR und Jornalismus nach. Die spezifischen Wirkungen, die den Variablen zugeordnet werden, beziehen sich in der Be- ziehung zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus auf die Stärke des Einflusses, der jeweils auf die andere Seite ausgeübt wird. Auf Basis des Intereffikationsmodells erarbeiten die Autoren ein Einfluss-Modell zum Verhältnis der beiden Systeme. Mit Hilfe systemati- scher Constraints24 integrieren sie handlungstheoretische Aspekte in einen systemischen Kon- text. Dabei seien innerhalb einer Intereffikationsbeziehung zweier Systeme die Constraints des einen Systems auch für das andere und dessen Akteure von Bedeutung. Als Beispiel kön- nen Nachrichtenfaktoren angeführt werden, die als ein „relativ stabiler Orientierungsrahmen verstanden werden“ (Bentele/Liebert/Seeling 1997: 245) können. Die Orientierung an Nach- richtenfaktoren ermögliche Journalisten ein effektives und zielgerichtetes Arbeiten. Zur Errei- chung eigener Ziele werden sie somit auch für die Öffentlichkeitsarbeit und deren Akteure zur relevanten Handlungsorientierung. Denn, so konstatieren die Autoren: „Eine Presseinformati- on, die Nachrichtenfaktoren berücksichtigt, erreicht mit großer Wahrscheinlichkeit eine höhe- re Publizität.“ (Seidenglanz/Bentele 2004: 107). Sie gehen davon aus, dass im Verhältnis der beiden Systeme gemeinsame Constraints existieren können, die ursprünglich einem der bei- dem Systeme zuzuordnen waren. In der Wechselbeziehung seien sie jedoch für das jeweilig andere System strukturell restriktiv für das Handeln geworden. Somit kann auf Systemebene eine gegenseitige Bereitstellung von Constraints in Form von Induktion und die Anpassung an diese in Form von Adaptionen festgestellt werden. Die Adaption ist dabei nicht unbedingt ein passiver Prozess, sondern kann sich an dem Ziel, die eigenen Handlungen effektiver zu ge- stalten und einen höheren Einfluss auf die andere Seite zu erlangen, orientieren. Daraus zie- hen die Autoren den Schluss, dass eine höhere oder geringere Adaption einen höheren oder geringeren Einfluss zur Folge haben kann, und gründen darauf die Annahme von Adaptionsvariablen. Diese

„beschreiben den Grad eines aktiven und intendierenden Anpassungsverhalten an Constraints des jeweils anderen Systems (gemeinsame Constraints). Die Stärke der Adaptionsvariable gibt an, wie stark es einer Seite gelingt, sich unter Berücksichtigung gemeinsamer Constraints (zum Beispiel Nachrichtenfaktoren) an die andere Seite anzupassen. Diese Anpassung zielt darauf ab, die eigene Induktionsleistung auf der Gegenseite zu verstärken“ (Seidenglanz/Bentele 2004: 108).

Auf der anderen Seite arbeiten die Autoren die Variablengruppe der Akteursvariablen heraus, die sich stärker an Induktionen binden lassen. An dieser Stelle führen sie die erhöhte Eigenre- cherche von Journalisten im Krisenfall an, die eine Induktionsleistung beinhaltete, da die Öf- fentlichkeitsarbeit lediglich reagieren kann (vgl. Seidenglanz/Bentele 2004: 108). Anhand der Studie zur Pressearbeit der sächsischen Landtagsfraktionen mit dem Methodendesign der In- put-Output-Analyse untersuchen die Autoren die „Krisenhaftigkeit“, die sowohl als PR- Adaptions- und Akteursvariable die Gegenüberstellung der beiden Variablentypen ermöglicht. Außerdem erfassten sie die PR-Adaptionsvariablen „Grad der Personalisierung“ und „Profes- sionalisierungsgrad der Pressemitteilung“ und die journalistische Akteursvariable der „Größe der Zeitungsredaktion“. Die Ergebnisse zeigen, dass PR-Texte im Krisenfall in der sachlichen Dimension deutlich häufiger übernommen und in den Medien besser präsentiert werden. Au- ßerdem belegen die Ergebnisse von Barth und Donsbach eine höhere Transformationsleistung in Krisensituationen (vgl. Barth/Donsbach 1992: 157ff.). Auch die Anzahl der eigenen Be- wertungen durch die Journalisten erhöht sich. In der zeitlichen Dimension zeigt sich eine schnellere Veröffentlichung, da Krisenthemen eine höhere Relevanz und Brisanz besäßen (vgl. Seidenglanz/Bentele 2004: 115). Im Falle der Personalisierung der Pressemiteilungen durch statushohe Persönlichkeiten (Prominenz) konnte ein positiver Zusammenhang zwischen Übernahme und Personalisierungsgrad nachgewiesen werden. Die Chance in die Berichter- stattung Eingang zu finden, war umso höher, je stärker der Personalisierungsgrad der Presse- mitteilung ausgeprägt war. Die Autoren der Pressemitteilung spielten hingegen nur eine un- tergeordnete Rolle. Die Variable Redaktionsgröße hatte dagegen nur geringe Auswirkungen auf die Auswahl und Präsentation der Informationen aus der Öffentlichkeitsabteilung, durch- aus aber auf die journalistischen Bearbeitungsleistungen, die in großen Redaktionen stärker war. Mit steigendem Grad der Personalisierung sinkt also die PR-Induktion im Bereich der Transformationsleistungen der Journalisten, steigt jedoch in Bezug auf die Selektion und Prä- sentation. Die Professionalität der Pressemitteilung hatte ebenfalls Auswirkungen auf den Bearbeitungsgrad durch die Journalisten.

„Je stärker ein Text die journalistischen Standards der Textproduktion adaptierte, umso weniger verän- dert ging er in die Berichterstattung ein. Die Kernbotschaften von sehr professionellen Pressemitteilun- gen wurden beispielsweise von den Journalisten in sehr viel geringerem Maße verändert als dies bei umständlich formulierten (zum Beispiel lange Sätze, viele Fremdwörter) PR-Texten der Fall war“ (Sei- denglanz/Bentele 2004: 118).

Professionelle Pressemitteilungen wurden also in verstärkte Form wortwörtlich übernommen. Allgemein stellen die Autoren fest, dass Aussagen über das Einflussverhältnis der beiden Sy- steme Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus nicht zu allgemein getroffen werden sollten und die Einteilung nach Dimensionen (sachliche, zeitliche und sozial-psychische Dimension), wie das Intereffikationsmodell es vorsieht, sinnvoll ist (vgl. Seidenglanz/Bentele 2004: 118f.).

4.4.3 Empirische Überprüfung des Intereffikationsmodells

Das Intereffikationsmodell wurde im Zusammenhang mit einer empirischen Untersuchung zwischen 1995 und 1997 entwickelt. Die Studie hatte die kommunale Öffentlichkeitsarbeit der Städte Halle und Leipzig zum Gegenstand. Die Methoden umfassten eine Medienreso- nanzanalyse der Pressearbeit und die Befragung von PR-Praktikern und Journalisten, mit dem Ziel den komplexen Prozess der Themengenerierung und Themengestaltung auf Seiten der Öffentlichkeitsarbeit modellhaft abzubilden (vgl. Bentele 1999: 187). In Bezug auf die empi- rische Forschung waren von Anfang an drei Ziele zentral für das Intereffikationsmodell: Ei- nen begrifflichen Rahmen zur Überprüfung der bestehenden empirischen Ergebnisse zu lie- fern, zukünftigen Unersuchungen als ein „tragfähiges konzeptionelles Fundament“ (Bente- le/Nothhaft 2004: 71) zu dienen und die Einschränkungen einseitiger Modelle, wie die De- terminationshypothese eines darstellt, zu überwinden. Verschiedene empirische kommunika- tionswissenschaftliche Untersuchungen25 auf Basis des Intereffikationsmodells zeigen die wechselseitigen Induktions- und Adaptionsleistungen, wie im Intereffikationsmodell be- schrieben, auf (vgl. Bentele 2005: 216). Zusammenfassend lässt sich in den Studien feststel- len, dass die Themeninitiative in den meisten Fällen auf der Seite der Öffentlichkeitsarbeit liegt. Ein Drittel der journalistischen Beiträge sind auf Pressemitteilungen zurückzuführen. Dieser Einfluss wird jedoch auf formaler Ebene nur unzureichend offen gelegt. Wenn Journa- listen Presseinformationen verwenden, übernehmen sie in den meisten Fällen mindestens eine Kernbotschaft. Bloße Initiativinduktion - also eine Themenanregung ohne Beeinflussung der journalistischen Formulierungen - ist dagegen eher selten (vgl. Bentele/Nothhaft 2004: 98f.). Rinck untersucht 2001 mit Hilfe einer Input-Output-Analyse und einer Journalistenbefragung die Einflüsse von Öffentlichkeitsarbeit auf den Journalismus am Fallbeispiel der BMW-PR zum Thema „Mobilität“. In ihrer Studie bestätigt sie, wie auch Donsbach und Wenzel in ihrer Untersuchung von 2002 zur Aktivität und Passivität von Journalisten gegenüber parlamentari- scher Pressearbeit, verschiedene Einflussbeziehungen, wie sie im Intereffikationsmodell be- schrieben werden. Rinck stellt fest, dass die von der Öffentlichkeitsarbeit induzierten Kern- aussagen in der Berichterstattung Resonanz erzeugen. Dabei ist ein Ergebnis von Rinck, dass „eine eigenständige Aufarbeitung der PR-induzierten Botschaften weitgehend unterbleibt. Eine echte Transformationsleistung konnte (...) nicht festgestellt werden.“ (Rinck 2001: 234). Die Journalistenbefragung ergibt, dass weniger die redaktionsgerechte Gestaltung sondern vielmehr das Thema entscheidend für die Veröffentlichung eines Pressetextes ist. Als Adap- tionsleistung von PR-Seite bewertet Rinck die Anpassung an die in der Befragung als bedeu- tend ermittelten Nachrichtenfaktoren der Aktualität, Relevanz, Prominenz der Handlungsträ- ger und geographischen Nähe des Ereignisses (vgl. Rinck 2001: 197ff.). Daraus ergibt sich für die Autorin folgendes Bild der Öffentlichkeitsarbeit:

„Meines Erachtens hat das PR-System die Bedeutung der Massenmedien als Meinungsbildner, Opinion Leader und kostengünstigen Multiplikator erkannt und versteht es zunehmend, journalistische Kriterien zu antizipieren, d. h. z. B. Nachrichtenfaktoren und -werte in ihrem Interesse einzusetzen und zu nut- zen“ (Rinck 2001: 245).

[...]


1 In der folgenden Arbeit wird der Begriff „Öffentlichkeitsarbeit“ synonym mit dem Begriff „Public Relations“ (PR) verwendet.

2 NGOs ist die Abkürzung der englischen Bezeichnung „Non Governmental Organizations“, übersetzt Nichtre- gierungsorganisationen, auch NROs abgekürzt. In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung hat sich die Ab- kürzung NGOs jedoch weitgehend durchgesetzt. Die Abkürzung wird deshalb auch in dieser Arbeit hauptsäch-

3 Der konkurrierende Begriff der „Mediengesellschaft“, oder „Medialisierung“ der Gesellschaft, also die steigende Bedeutung medienvermittelter Kommunikation, findet sich in dem verwendeten Begriff der Informationsgesellschaft durch diese Feststellung wieder.

4 Siehe dazu White 1950, Lewin 1963.

5 Siehe dazu Lippmann 1922, Galtung/Ruge 1987.

6 Siehe hierzu Kapitel 6 Vertrauen.

7 Image wird hier verstanden als „konsonantes Schema kognitiver und emotiver Strukturen, das der Mensch von einem Objekt (Person, Organisation, Produkt, Idee, Ereignis) entwirft“ (Merten/Westerbarkey 1994: 206). „Images sind allgegenwärtig in unserer Gesellschaft“ (Jarren 1998: 657). Sie bilden sich im öffentlichen Kommunikationsprozess und können aktiv gestaltet werden.

8 Dieses Modell wird als eine kommunikationswissenschaftliche Theorie mittlerer Reichweite näher vorgestellt, da es als Grundlage für diese Arbeit passend erscheint. Außerdem zeigen die vier Typen des Modells die histori-

9 Luhmann entwirft ein Spiegelmodell von Öffentlichkeit, in dem er eine Beobachtung zweiter Ordnung beschreibt. Im Spiegel der öffentlichen Meinung sehe der Beobachter nicht durch diesen Spiegel hindurch, sondern nur sich „vor dem Spiegel für den Spiegel bewegen“ (Luhmann 1992: 84).

10 Jarren und Donges sehen die Funktion des intermediären Systems in der Vermittlung zwischen den Interessen der Bürgerinnen und Bürger und den Entscheidungsträgern. Die beidseitige Kommunikation beinhalte aber kei- nen reinen Transport von Interessen und Entscheidungen. Vielmehr entwickeln Akteure des intermediären Sy- stems eigene, aus den gesellschaftlichen Interessen generierte Kommunikationsweise, um zu beiden externen Systemen Anschluss zu finden. Daher müsse die Öffentlichkeit als intermediäres System als ein für alle indivi- duellen und kollektiven Akteure offener Handlungs- und Kommunikationsraum verstanden werden (vgl. Jar- ren/Donges 2006: 120ff.).

11 Habermas konzipiert Öffentlichkeit in seinem Diskursmodell als eine Sphäre, in der alle Bürger die öffentli- chen Belange mit rationalen Argumenten gemeinsam diskutieren. In diesem idealen basisdemokratisch orientier- ten Modell fließt der Diskurs, der die öffentliche Meinung darstellt, in die politischen Entscheidungen ein. Dem gegenüber steht die massenmedial erzeugte Öffentlichkeit, die die aktive, denkende und sachlich informierte Öffentlichkeit durch eine von Werbung und Public Relations erzeugte Öffentlichkeit ersetze. (Habermas 1979: 42f.).

12 Öffentliche Meinung soll hier als „thematischer Resonanzraum öffentlicher Kommunikation“ fungieren, der sich „auf den Umfang und die Formenvielfalt publizistischer Thematisierung“ (Ronneberger/Rühl 1992: 298) bezieht, die sowohl vom PR- als auch vom Mediensystem in die Öffentlichkeit transportiert wird. Themen werden durch Meinungsführer artikuliert und dadurch zur öffentlichen Meinung, wobei Themen hier als „symbolisch generalisierte Erwartungskomplexe zur Reduktion und Ordnung der Ereignishaftigkeit der Welt“ (Ronneberger/Rühl 1992: 130) verstanden werden.

13 Agenda-Setting/Building stammt aus dem amerikanischen und meint „die Thematisierungs- bzw. Themenstrukturierungsfunktion der Massenmedien“ (Bentele 2005: 576). Die Häufigkeit der von den Medien behandelten Themen zeige die zugeschriebene Bedeutung bestimmter Themen beim Publikum.

14 „Kommunikatoren“ soll hier im erweiterten Sinne Akteure bezeichnen, die sich durch die Beteiligung an der Herstellung von Öffentlichkeit auszeichnen. Die Kommunikatorfunktionen der Generierung, Verarbeitung und Weiterverarbeitung gelten mit unterschiedlichen Schwerpunkten sowohl für das Mediensystem als auch für das PR-System (vgl. Bentele/Liebert/Seeling 1997: 227).

15 Bei der Analyse fand lediglich die Primärquelle eines Beitrages, die den Aufhänger der Meldung liefert und sich in der Überschrift und Vorspann des Textes wieder findet, Berücksichtigung (vgl. Baerns 1985: 56).

16 Siehe dazu Baerns 1991: 3 und Wilke 1986, Grossenbacher 1989.

17 Siehe dazu Rossmann 1993, Saffarnia 1993, Knoche/Lindgens 1998, Donsbach/Meißner 2004.

18 Siehe dazu Barth/Donsbach 1992, Baerns 1999, Donsbach/Wenzel 2002.

19 Siehe dazu Grossenbacher 1989, Schweda/Opherden 1995, Fröhlich/Rüdiger 2004.

20 Siehe dazu Knoche/Lindgens 1998, Donsbach/Wenzel 2002.

21 Nach der Theorie selbstreferentieller Systeme erhalten und konstituieren sich soziale Systeme „durch Erzeu- gung und Erhaltung einer Differenz zur Umwelt und sie benutzen ihre Grenzen zur Regulierung dieser Differen- zen. (...) In diesem Sinne ist Grenzerhaltung Systemerhaltung“ (Luhmann 1985: 35). Das Verhältnis und die Differenz der Teilsysteme zur Gesellschaft werden durch die Funktion sozialer Systeme beschrieben und schaf- fen die Voraussetzung, Kommunikation als systemzugehörig zu identifizieren (vgl. Löffelholz 1997: 189).

22 Siehe dazu die Studie von Barth und Donsbach 1992 über die Öffentlichkeitsarbeit in Krisenfällen.

23 Variablen werden in der empirischen Sozialwissenschaft gemeinhin als Merkmale oder Eigenschaften von verschiedenen Merkmalsträgern bezeichnet. Merkmalsträger können z. B. Personen, Personengruppen oder so- ziale Beziehungen sein. Die Ausprägungen sind dabei entweder kontinuierlich oder diskret (vgl. Diekmann 2007: 116f.).

24 Constraints sind Handlungsorientierungen, die nach Gerhards als strukturelle Restriktionen bezeichnet werden können, unter denen Akteure ihre Wahlen treffen und dem entsprechend handeln (vgl. Gerhards 1994: 80).

25 Es handelt sich hierbei teilweise um unveröffentlichte Magisterarbeiten, vorgelegt am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaften der Universität Leipzig, die hier nicht im Einzelnen vorgestellt werden sollen. Vgl. Schmidtke 2002, Schmidt-Henrich 2002, Röwer 2002 u.a.

Ende der Leseprobe aus 195 Seiten

Details

Titel
Die Beziehung zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus
Untertitel
Eine Fallstudie (Input-Output-Analyse) am Beispiel amnesty international
Hochschule
Universität Leipzig
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
195
Katalognummer
V164642
ISBN (eBook)
9783640797936
ISBN (Buch)
9783640797981
Dateigröße
1740 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
amnesty international, Public Relations, Input-Output-Analyse, Vertrauen, PR, Pressearbeit
Arbeit zitieren
MA Julia Marg (Autor:in), 2007, Die Beziehung zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/164642

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