Die Parteien und Verbände sowie die Machtstellung politischer Eliten in Hamburg während des deutschen Kaiserreiches


Seminararbeit, 2003

22 Seiten, Note: 1- (Noch sehr gut)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung und Grundlagen
1. Einleitung
2. Die verfassungsmäßigen Grundlagen

II. Die Machtstellung politischer Eliten am Beispiel des Senats

III. Die Parteien
1. Die Nationalliberalen
2. Die Vereinigten Liberalen
3. Die Sozialdemokraten
4. Die Antisemitenparteien

IV. Die Verbände am Beispiel der Bürgervereine

V. Die Cholera-Epidemie 1892 im Kontext der politischen Verhältnisse in Hamburg während des Kaiserreiches

VI. Abschlussbewertung

Anhang: Literaturverzeichnis

I. Einleitung und Grundlagen

1. Einleitung

Diese Arbeit soll die politischen Verhältnisse in Hamburg während der Zeit des deutschen Kaiserreiches von 1871-1918 beleuchten.

Der Schwerpunkt soll hierbei auf der Vorstellung der wichtigsten Parteien und Verbände, sowie der Machtstellung politischer Eliten unter besonderer Berücksichtigung der Cholera-Epidemie in Hamburg 1892 liegen. Vor allem soll dabei hinterfragt werden, welchen Zusammenhang es zwischen dem Ausmaß der Epidemie und den politischen Verhältnissen in der Stadt gegeben haben könnte. Den Abschluss dieser Arbeit soll eine Abschlussbewertung darstellen.

2. Die verfassungsmäßigen Grundlagen

Nach dem jahrhundertealten Stadtrecht wurde grundsätzlich zwischen den Einwohnern und den Bürgern der Stadt Hamburg unterschieden. Nur wer das Bürgerrecht erworben hatte, konnte bei der Bürgerschaftswahl seine Stimme abgeben.[1] Voraussetzung für das Bürgerrecht war zunächst der Nachweis eines frei vererbbaren, also unbelasteten, Grundbesitzes innerhalb der Stadt. Ferner kamen die Ableistung des Bürgereides, die Zahlung eines Bürgergeldes und seit der Reformation bis 1814 der Nachweis der lutherischen Religionszugehörigkeit hinzu. Juden konnten das Bürgerrecht seit 1849 erlangen.[2]

Da die Zahl der Bürgerrechtsinhaber gering war (1880: 30.500 Bürger unter 454.000 Einwohnern), wurde 1896 das Bürgergeld abgeschafft und durch eine bestimmte, mehrjährige Steuerleistung als Voraussetzung für den Erwerb des Bürgerrechts ersetzt.[3]

Das staatliche Leben in Hamburg wurde beherrscht durch die Pflege der kaufmännischen, industriellen und kulturellen Interessen der Stadtgemeinde.[4]

Die Bürgerschaft der Stadt Hamburg setzte sich, nach der revidierten Verfassung von 1879, aus 160 Mitgliedern zusammen; von diesen wurden 80 Abgeordnete durch allgemeine, direkte Wahlen von sämtlichen steuerzahlenden Bürgern, 40 von den Grundeigentümern und 40 von den sogenannten Notabeln (d.h. Mitgliedern des Senats, der Bürgerschaft, der Gerichte, der Verwaltungsbehörden, der Handels- und Gewerbekammern) gewählt.[5]

Aus Sorge um ein Überhandnehmen der Sozialdemokratie empfahl der konservative Senat am 10. Mai 1905 der Bürgerschaft, für die Wahl der 80, durch alle Bürger gewählten Parlamentarier das Klassenwahlrecht einzuführen. Hiernach wurden 48 Abgeordnete von Bürgern mit einem Jahreseinkommen von über 2.500 Mark, 24 Abgeordnete von Bürgern mit einem Jahreseinkommen zwischen 1.200 Mark und 2.500 Mark und acht Abgeordnete von den Landbürgern gewählt. Die Notabeln und die Grundbesitzer wurden auch weiterhin jeweils von 40 Abgeordneten vertreten.[6] Dieses Wahlgesetz ging unter dem Schlagwort „Wahlrechtsraub“ unrühmlich in die Geschichte Hamburgs ein.[7]

Der Senat bestand zu dieser Zeit aus 18 Mitgliedern, von denen neun Juristen und mindestens sieben Kaufleute sein mussten. Seine Mitglieder wurden von der Bürgerschaft auf Lebenszeit gewählt.[8] Ihnen standen vier Syndici und zwei Staatssekretäre zur Seite. Der Senat wählte dann aus seiner Mitte die beiden Bürgermeister, die ihr Amt aber nicht länger als zwei Jahre hintereinander ausüben durften. Von einigen Ausnahmen abgesehen war es üblich, dass sich die drei ältesten juristischen Senatoren im Amt des Ersten und Zweiten Bürgermeisters ablösten.[9]

II. Die Machtstellung politischer Eliten am Beispiel des Senats

Nach der Verfassung von 1860 stand die „höchste“, nämlich verfassungsgebende Staatsgewalt dem Senat und der Bürgerschaft gemeinschaftlich zu: „Die gesetzgebende Gewalt wird von Senat und Bürgerschaft, die vollziehende vom Senat, die richterliche von den Gerichten ausgeübt.“[10] Die Wirklichkeit entsprach dem aber wohl nicht.[11]

Ein Beispiel ist hier das Verfahren nach dem sich der Senat, wenn eines der Mitglieder ausschied, nachbesetzte: Für die Senatswahl wurde gemäß der Verfassung ein Gremium von je vier Vertretern des Senats und der Bürgerschaft gebildet, das einen Wahlaufsatz erarbeitete, auf dem die Namen von vier Kandidaten standen. Dieser wurde dann im Senat beraten, wo zwei der Kandidaten von der Liste gestrichen wurden und die übrigen beiden Kandidaten der Bürgerschaft zur Wahl vorgelegt wurden. Der Senat brachte mit diesem Modus regelmäßig den von ihm favorisierten Kandidaten durch, da auf dem zweiten Platz immer ein Kandidat platziert wurde, den die Bürgerschaft auf keinen Fall wählen würde. Dies bedeutete praktisch, dass der Senat sich selbst ergänzte.[12] Ein Vordringen nichtgewünschter Kandidaten in den Senat war faktisch unmöglich.

Bei dieser Wahl hatten starke und eigenwillige Persönlichkeiten oft geringere Chancen als Kandidaten, die als angepasst galten. Der als eher vorausschauend bekannte Bürgermeister Johannes Versmann beklagte im Jahre 1891 den „stets wiederkehrenden Mangel an geeigneten Kandidaten bei den Senatswahlen“. Dies erklärte sich vor allem daraus, dass es nicht nur eine relativ begrenzte Zahl an Notabeln gab, sondern auch die Konfession den Kreis der Wählbaren noch weiter einschränkte, denn weder Katholiken noch Juden galten als wählbar.[13]

Aber nicht nur dieses Selbstergänzungsverfahren zeigt die Machtstellung des Senats in Hamburg zu dieser Zeit.

Er übte zudem das Patronat über die evangelisch-lutherische Kirche aus. Nach der seit 1860 geltenden Verfassung standen die Religionsgemeinschaften unter der Oberaufsicht des Staates. Das Patronat gab dem Senat folgende Rechte: Bestätigung der von der Synode beschlossenen kirchlichen Verordnungen, Wahl der Pastoren und des Seniors des Geistlichen Ministeriums, Ernennung der beiden Präsidialmitglieder für den Kirchenrat und die Gemeindevorstände.[14]

Geleitet wurde die evangelisch-lutherische Landeskirche von einer Synode und einem Kirchenrat mit einem Präses an der Spitze. In der Ausübung seiner Patronatsrechte, die erst im Jahre 1921 erloschen, entsandte der Senat zwei seiner Mitglieder in die Synode und in den Kirchenrat. Da der Bürgermeister zugleich auch den Vorsitz der Synode führte, war das Gewicht des Senates in den leitenden Gremien der Kirche sehr stark.[15]

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Mitglieder des Senats eine enorme Machtstellung hatten und durch verschiedene verfassungsmäßige Hindernisse nicht genehmen Personen den Zugang zur politischen Macht verweigerten.

III. Die Parteien

Da das Hamburger Bürgertum lange Zeit die öffentlichen Interessen mit ihren eigenen identifizierte, zeigte es bis in das erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts hinein nur geringe Neigung sich politisch zu organisieren. Durch das Bürgerschaftswahlrecht wurden ihrer Ansicht nach die notwendigen Privilegien gesichert, so dass sie zusätzliche Anstrengungen zur Sicherung und Stärkung der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung für nicht notwendig hielten.

[...]


[1] Vgl. Schambach, Sigrid: Hamburger Köpfe – Carl Petersen, Hamburg 2000, Seite 20

[2] Vgl. Kopitzsch, Franklin/Tilgner, Daniel (Hrsg.): Hamburg Lexikon, Hamburg 1998, Seite 92

[3] Vgl. ebd., Seite 93

[4] Vgl. Kalkoff, Hermann (Hrsg.): Nationalliberale Parlamentarier 1867-1917 des Reichstages und der Einzellandtage, Berlin 1917, Seite 481

[5] Vgl. Studt, B./Olsen, H.: Hamburgische Geschichte – Ein Grundriss, Hamburg 1920, Seite 143

[6] Vgl. Schütt, Ernst Christian (u.a.): Die Chronik Hamburgs, Dortmund 1991, Seite 358

[7] Vgl. Schambach, Sigrid: Hamburger Köpfe – Carl Petersen, Hamburg 2000, Seite 27

[8] Vgl. Studt, B./Olsen, H.: Hamburgische Geschichte – Ein Grundriss, Hamburg 1920, Seite 143

[9] Vgl. Jochmann, Werner/Loose, Hans-Dieter (Hrsg.): Hamburg – Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner, Band II: Vom Kaiserreich bis zur Gegenwart, Hamburg 1986, Seite 78

[10] Vgl. Erdmann, Heinrich: Der „Wahlrechtsraub“ von 1906 als Traditionsbruch – Zum Verhältnis von Senat und Bürgerschaft nach den Verfassungen von 1860 und 1879, 1906, 1919, in: Landeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Hamburg im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts – Die Zeit des Politikers Otto Stolten (Sieben Abhandlungen), Hamburg 2000, Seite 33

[11] Vgl. Stolten, Otto: Hamburgische Staatseinrichtungen und hamburgische Politik – Wie sie sind und wie sie sein sollten (Informatorische und kritische Betrachtungen zu den bevorstehenden Bürgerschaftswahlen), Hamburg 1903, Seite 10

[12] Vgl. Jochmann, Werner/Loose, Hans-Dieter (Hrsg.): Hamburg – Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner, Band II: Vom Kaiserreich bis zur Gegenwart, Hamburg 1986, Seite 78

[13] Vgl. ebd., Seite 78f.

[14] Vgl. Schütt, Ernst-Christian (u.a.): Die Chronik Hamburgs, Dortmund 1991, Seite 267

[15] Vgl. Jochmann, Werner/Loose, Hans-Dieter (Hrsg.): Hamburg – Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner, Band II: Vom Kaiserreich bis zur Gegenwart, Hamburg 1986, Seite 79

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die Parteien und Verbände sowie die Machtstellung politischer Eliten in Hamburg während des deutschen Kaiserreiches
Hochschule
Universität Hamburg  (Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte)
Veranstaltung
Mittelseminar
Note
1- (Noch sehr gut)
Autor
Jahr
2003
Seiten
22
Katalognummer
V16458
ISBN (eBook)
9783638213127
Dateigröße
420 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Parteien, Verbände, Machtstellung, Eliten, Hamburg, Kaiserreiches, Mittelseminar
Arbeit zitieren
Marc Petersen (Autor:in), 2003, Die Parteien und Verbände sowie die Machtstellung politischer Eliten in Hamburg während des deutschen Kaiserreiches, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16458

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