Virtual Reality


Seminararbeit, 2000

29 Seiten, Note: 1 (Sehr gut)


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung - Wo beginnt die Virtuelle Wirklichkeit
1.1 Das Prothesenwesen
1.2 Wo finden die wahren Abenteuer statt?

2. Methoden der Konstruktion virtueller Welten
2.1 Fantasie und Medien
Bewegende bewegte Bilder
Grenzsprung der vermittelten Wirklichkeit
Interaktive Aussichten
2.2 Virtual Reality heute
2.3 Zukunft passiert - bloß wann?

3. Risken zukünftiger VR-Technologie
3.1 Simulatorkrankheit
3.2 Realitätsverlust und Wirklichkeitsflucht
3.3 Technologiegefälle

4. Better living through VR!
4.1 Erhöhte Bedienbarkeit von Computersystemen
4.2 Erleichterung für Kranke und Behinderte
4.3 Neue Unterrichts- und Trainingsmöglichkeiten
Info-VR-Tainment
Simulatoren
4.4 Militärischer Nutzen
4.5 Unterhaltung
4.6 Keine Grenzen

5. Schlußwort

Anhang - Quellenverzeichnis

1. Einleitung:

Wo beginnt die Virtuelle Wirklichkeit?

„Der ‘Realist’ ist insofern naiv, als er nicht zur Kenntnis nimmt, daß wir alle nicht ‘in der Welt’ leben, sondern nur in dem Bild, das wir uns von der Welt machen.“

- Hoimar von Ditfurth

Virtual Reality ist ein Schlagwort wie aus einem Science fiction-Film. Über die Koppelung der menschlichen Sinne mit einem Computer, generiert dieser im Verstand eine andere, nicht existente Wirklichkeit. Compter sind sowieso bereits Weltweit über das Internet vernetzt und teilen sich eine eigene gemeinsame Dimension: Cyberspace.

Ist das wirklich Science fiction? Oder leben wir in der Zukunft? Wieviel von all dem ist jetzt schon möglich? Was wird in Zukunft entstehen. Genau auf diese Fragen wird in dieser Arbeit eingegangen. Hier wird ein Überlick über den aktuellen Stand der Virtual Reality-Technologie geboten. Aber auch zukünftige Möglichkeiten und deren Chancen und Risken werden besprochen.

1.1 Das Prothesenwesen

In einer seiner letzten Kommentare vor seinem Tod nannte der Schweizer Schriftsteller und Dramatiker Friedrich Dürrenmatt das Wesen Mensch ein "Prothesenwesen".

Er meinte, Menschen brauchen für sämtliche Lebensbereiche Hilfsmittel. Damit meinte er nicht nur die medizinische Prothese, die es alten oder verletzten Menschen erlaubt körperliche Schwächen und Unzulänglichkeiten zu kompensieren. Dürrenmatt meinte vielmehr, der Mensch sei Hilflos ohne Dinge, die eine künstliche Erweiterung seiner natürlichen Möglichkeiten und Fähigkeiten.

Dies fängt an beim Bleistift und Notizblock als Gedächtnisersatz, schießt das Fernglas zur Beobachtung ferner Ereignisse und Gegenstände mit ein. Damit sind alltägliche Transportmittel wie das Automobil, Flugzeug oder die einfache Straßenbahn gemeint und reicht bis hin zu Medien als Erweiterung und gar Ersatz für die Wahrnehmung der Welt, die sich nicht im momentanen Wahrnehmungsfeld des Einzelnen befindet.

Die Gattung Mensch strebt also danach, ihre beschränkten Fähigkeiten durch Hilfsmittel zu erweitern oder gar Dinge möglich zu machen, die weit über die natürlichen Fähigkeiten eines Menschen hinausgehen. In den letzten Jahrhunderten erweiterte der Mensch seine physischen Möglichkeiten weit über alle natürlichen Grenzen hinaus. Autos, Schnellboote, Flugzeuge, Raumfahrzeuge brachten Menschen auf der ganzen Welt näher, machten sie schneller und brachten sie höher als es je zuvor vorstellbar war. Menschen konnten innerhalb eines Tages die Welt umkreisen - mit technischen Hilfmitteln, mit Prothesen.

Jeder strebte nach diesen Neuerungen. Nur die wenigsten zeigten sich skeptisch diesen Erfindungen gegenüber.

Alle bisherigen Entwicklungen mit wenigen Ausnahmen erweiterten die physischen Möglichkeiten des Menschen. Im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert trat aber eine Erfindung ihren Siegeszug an, die das geistige Leistungsvermögen steigerte.

Der Computer.

Wie schon der Name sagt, ermöglichten Computer dem Menschen weit schneller zu rechnen, als es bisher möglich war. Schier unermeßliche Datenmengen konnten von einem einzigen Menschen mit Hilfe seines "elektronischen Rechenhirns" verarbeitet werden. Anwendungsgebiets, von denen vor dieser Erfindung nicht einmal die Rede war, wurden plötzlich zur Wirklichkeit.

Ausgerechnet das machte den Menschen Sorgen. Mißtrauen wurde geweckt. Man sprach davon, daß Roboter und Computer Menschen in jeder Hinsicht überlegen seien und uns allmählich aus allen Lebensbereichen herausdrängen gar ersetzen würden. Dabei wird allzu schnell vergessen, daß Computer bloße Hilfsmittel sind. Sie verfügen über enorme Möglichkeiten, sind aber wertlos ohne einen geeigneten menschlichen Bediener.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Je leistungsfähiger diese Geräte wurden, desto mehr Lebensbereiche unterstützten sie. Bis sie heute eine der ureigensten und persönlichsten Fähigkeit des Menschen ergänzen: Die Wahrnehmung der Wirklichkeit.

Illu: Marin Balabanov

Durch realitätsnahe aber dennoch künstliche generierte Bilder können Computer aus reinen Daten Welten erschaffen. Bewegte dreidimensionale Bilder können jedem Augen zugespeist werden, die unterstützt durch eine räumliche Geräuschkulisse die Illusion einer anderen, einer nicht wirklich existenten, einer virtuellen Wirklichkeit erzeugen.

Und an der Bresche zum 21. Jahrhundert macht sich wieder Sorge breit. Wohin führt das noch, wenn man seinen eigenen Augen und Ohren, seinen eigenen Sinnen nicht mehr trauen kann?

1.2 Wo finden die wahren Abenteuer statt?

Doch halt ... Spulen wir die Geschichte zurück zu den Anfängen der menschlichen Zivilisation. Die Geschichte des Menschen begann mit der Schrift.

Was ermöglichte die Schrift anderes als die Erschaffung virtueller Wirklichkeiten. Plötzlich mußte ein bestimmter Mensch einen anderen nicht mehr persönlich begegnen, um an seinen Gedanken teilhaben zu können. Es genügte, seine Schriften zu lesen. Damit mußte dieser nicht einmal mehr am Leben sein, solange er etwas schriftlich hinterlassen hat.

Man mußte nicht mehr einen bestimmten Ort aufsuchen, um etwas über ihn zu erfahren. Es reichte, eine schriftliche Beschreibung darüber zu lesen, um ihn sich in seinem Geiste ausmalen zu können.

Und Geschriebenes war nicht einmal an die Wirklichkeit gebunden. Fantasiegeschichten entstanden und wurden niedergeschrieben. Der Leser konnte vor seinem geistigen Auge Dinge erleben, die in der Realität nicht möglich waren.

Geschichten ware die erste Form von Virtual Reality.

Dies ist auch nur eine Geschichte. Die Geschichte von Virtual Reality.

2. Methoden der Kontruktion virtueller Welten

„virtuell: dem Wesen nach geltend: gedacht, möglich.

Realität, die: Wirklichkeit, Gegebenheit: Tatsächlichkeit.

Wirklichkeit, die: Wahrheit, Tatsache.“

- Das neue deutsche Wörterbuch, Heyne, 1997

Hinter dem Begriff Virtual Reality - kurz VR - wird oft etwas höchst modernes gar erst in den Kinderschuhen seiner Entwicklung stehendes vermutet. Dabei haben Menschen seit jeher die Wirklichkeit, die sie umgibt verändert, ihrem Wirklichkeitssinn mißtraut und künstliche Wirklichkeiten in ihrer Fantasie entstehen lassen.

Heute denkt man bei VR an Visorhelme, in denen ein Bildschirm für jedes Auge die Illusion räumlichen Sehens vermittelt und Datenhandschuhe, die sämtliche Bewegungen der Hand an den Computer weiterleiten.

Der Weg hierhin ist weit, doch Virtual Reality gab es in irgendeiner Form in jedem Zeitalter.

2.1 Fantasie und Medien

Alle Medien konstruieren Wirklichkeit. Sie liefern Einblicke in ein winziges, genau abgegrenztes Sepgment, daß nach bestimmten, willkührlich festgelegten Kriterien geordnet ist. Medien liefern „Wirklichkeitsangebote„. Selbst die einfachste Form willkürlicher Kommunikation, die Sprache, kann Welten im Geiste des Zuhörers entstehen lassen.

Ein Märchenerzähler kann durch die Beschreibungen der Figuren, Schauplätze und Ereignisse in seiner Erzählung vor dem geistigen Auge eines Kindes die unmöglichsten Dinge - für einen Augenblick zumindest - Wahrheit werden lassen.

Seit jeher galt die Lektüre von Romanen und Geschichten unterschiedlichstem literarischen Stellenwertes auch als Escapismus, als Flucht vor der Wirklichkeit. Bücher lassen eine neue Realität im Leser entstehen, die jene, die ihn umgibt in seiner Wahrnehmung momentan verdrängt.

Doch virtuelle Welten, die über Sprache entstehen setzen viel Arbeit beim Rezipienten voraus. Er/Sie muß nicht nur der Sprache mächtig sein und sie lesen können. Er/Sie muß auch bereit sein, den physischen Leseakt zu vollziehen und - das erweist sich oft als der schwierigste Teil - sich die Beschreibungen vorzustellen. Mehr noch, damit sich diese Fantasiewirklichkeiten effektiv manifestieren, muß der Rezipient daran glauben. Oder zumindest muß er bereit sein, vollkommen unmögliche und somit unglaubwürdige Schilderungen nicht „nicht„ zu glauben. Suspension of disbelief.

Hier ist nicht die Rede von Fantasieerzählungen, nicht von sprechenden Tieren, fliegenden Menschen und beweglichen Bergen. Allein die Tatsache, daß ein Mensch im Kaffeehaus (seiner „realen„ Umgebung) sitzen und trotzdem ein Buch über andere Menschen oder Schauplätze lesen oder in einer Zeitung Berichte über das ferne Tschetschenien auf der Bühne seiner Imagination zur Aufführung bringen kann, ist eine enorme Leistung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Da fällt es einem oft leichter, etwas zu glauben, wenn man es mit eigenen Augen sehen kann. Auf dieser Grundlage setzten Fotografie und das bewegte Bild ihren Siegszug an.

Datenbrille

Illu: Marin Balabanov

- Bewegende bewegte Bilder

Der Paradigmenwechsel begann mit den ersten unscharfen Fotoaufnahmen über die ersten bewegten Bilder im Kino bis hin zum momentanen Höhepunkt in der schnellen Schnittfolge des ultimativen Fluchtmediums Fernsehen.

Mit jeder technischen Entwicklung wurde es einfacher, Eindrücke zu vermitteln, die nicht den momentanen realen Umständen entsprechen. Wenn ein Fernsehzuseher in seinem Wohnzimmer sitzt und eine Reportage über die Regierungsverhandlungen am Ballhausplatz sieht, dann befindet er sich sensorisch nicht mehr im Wohnzimmer[1].

Nicht bloß die technischen Möglichkeiten werden immer ausgefeilter auch das Verständnis um die Umsetzung der psychologischen Mechanismen, die Aufmerksamkeit erzeugen, Fantasie anregen und neue Wirklichkeiten entstehen lassen. Das ist ebenfalls Konstruktionsvorgang.

Film und Fernsehen versetzen Zuseher z. B. in Reiseberichten und Reportagen an die entferntesten Orte, in Spielfilmen versetzen sie diese in unwahrscheinliche Situationen. Selbst die Naturgesetze werden in der „Wirklichkeitsmaschinerie“ von Kino und Fernsehen außer Kraft gesetzt. Immer ausgefeiltere Spezialeffekte lassen neue Lebewesen und irreale Schauplätze entstehen.

„Seeing is believing“.

- Grenzsprengung der vermittelten Wirklichkeit

Bis vor einigen Jahrzehnten hat man aber die Kamera vor einen Schauplatz, einen Schauspieler oder zumindest eine Explosion haben müssen, um diese auf die Leinwand oder auf die Mattscheibe zu bringen.

Inzwischen können Computergrafiker und Compteranimateure Bilder aus reiner Information entstehen lassen, die „echten“ Aufnahmen um nichts nachstehen. Virtuelle Schauplätze und Fantasieschauspieler bevölkern das Kino und die Fernsehstudios der Gegenwart.

Plötzlich konnte man etwas sehen, daß es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Die antike Vorstellung davon, daß man den Sinnen nicht trauen kann bewahrheitete sich immer mehr.

Künstliche Bilder wurden immer realistischer, immer plastischer, immer fantastischer, wirkten aber trotzdem echt. Man kann dreidimensionale Modelle am Computer erstellen. Diese werden mit einer Reihe von Eigenschaften versehen, Farbe, Oberflächenbeschaffenheit, Transparenz. Der Computer berechnet dann für eine Ansicht, wie die Lichtstrahlen auf das Objekt fallen. Dadurch gelingt die wirklichkeitsgetreue Darstellung von Schattenwurf, Spiegelungen, Glanz und Mattheit. Gegenstände, die es gar nicht gibt, werden am Bildschirm real.

Auf der anderen Seite können Computergrafiker bereits bestehendes Fotomaterial in den Computer scannen. Dort können sie beispielsweise Gesichter digital verändern. Gestalten ineinander verschwimmen lassen, Farben verfälschen und vieles mehr.

Alles nur Vorstellbare war darstellbar geworden.

Auf einmal galt nicht mehr „Seeing is believing“, sondern „Imagining is believing“. Wenn sich jemand etwas vorstellen kann, dann kann er es auf einem Computerbildschirm sichtbar machen.

Wenn uns die Welt über die Sine vermittelt wird, dann kann über die Sinne eine neue Welt entstehen.

[...]


[1] Er befindet sich aber auch nicht am Ballhausplatz, sondern in einer Konstruktion seines Verstandes.

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Virtual Reality
Hochschule
Universität Wien  (Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft)
Veranstaltung
Elektronische Medien
Note
1 (Sehr gut)
Autor
Jahr
2000
Seiten
29
Katalognummer
V16441
ISBN (eBook)
9783638212984
Dateigröße
808 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Virtual, Reality, Elektronische, Medien
Arbeit zitieren
Marin Balabanov (Autor:in), 2000, Virtual Reality, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16441

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