Kapitalverkehrsfreiheit versus Verbandsautonomie

Eine Analyse der 50+1-Regel


Masterarbeit, 2010

70 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung
I. Die Gesellschaftliche Bedeutung des Fußballs
II. Profifußball als Wirtschaftsgut

B. Fiktives Fallbeispiel - Ausgangspunkt

C. Europäisches Recht
I. Die europäische Sportpolitikvor und nach dem Vertrag von Lissabon
II. Relevante Urteilssprüche des EuGH in Bezug auf den Sport
III. Kapitalverkehrsfreiheit

D. Entwicklung von Profifußballvereinen
1. Rechtsform –GmbH
2. Rechtsform –GmbH & Co KGaA
3. Rechtsform –Aktiengesellschaft

E. Verbandsstruktur
I. Verbandsautonomie
II. Beschränkungen von Mehrheitsbeteiligungen (50+1-Regel)
III. Vergleichder deutschen Regelung mit den europäischen Fußballligen

F. Vereinbarkeit der 50+1-Regel mit der Kapitalverkehrsfreiheit
I. Problemstellung
II. Anwendungsbereich
1. Persönlicher Anwendungsbereich
2. Sachlich-räumlicher Anwendungsbereich
III. Gewährleistung
IV. Schranken
V. Ergebnis

G. Fazit

Kapitel 1

Einführung

A. Einleitung

Bereits Anfang der 80er Jahre kritisierte die argentinische Trainerlegende Cesar Luis Menotti[1]

„Der Fußball gehört dem einfachen Volk, denn aus ihm ist er hervorgegangen. Er beinhaltet alle Werte der Arbeiterklasse... Es sind Werte, die dem Menschen einen Ausweg bieten, die ihn anspornen, in Würde, Gerechtigkeit und Freude zu leben. Seit nun der Fußball zu einem weiteren Konsumgut und – mit dem Aufkommen des Industriezeitalters – zu einem kapitalistischen Produkt herabgewürdigt wurde, das man kaufen und verkaufen kann, werden jene ursprünglichen Werte gewaltsam verändert. Die Welt der Utopien ist gestorben. Wir leben in einer Nützlichkeitsgesellschaft, und da ist der Fußball zur Welt der großen Geschäfte verdammt.“ (Cesar Luis Menotti)

die bestehenden ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Dimensionen des Profifußballs.Heute– rund 30 Jahre später – hat sich der Fußball im ökonomischen Bereich weiter professionalisiert und in gigantischem Ausmaßweiterentwickelt. Das Gesamtvolumen des europäischen Fußballmarktes beziffert sich derzeit laut einer Studie von Deloitte & Touche auf 15,7 Milliarden Euro[2]. Dieser Umfangdokumentiertden ökonomischen, aber auch den gesellschaftlichen Stellenwert, den Fußball gegenwärtig einnimmt. Darüber hinaus bescheinigen Fußballexperten dem Fußball ein weiteres Wachstumspotential. Einhergehend mit der Veränderung der Rahmenbedingungen in den letzten 30 Jahren, hat sich auch dieGesetzgebung dahingehendanpassen müssen. Im gegenwärtigen „Post-Bosman-Zeitalter[3] hat sich deshalb nicht nur die Rechtslage, sondern auch die Rechtsform der Vereine verändert:Aus Bundesligavereinen wurden meist Kapitalgesellschaften, im Fall Borussia Dortmund sogar börsennotiert.Ein Vergleich zeigt, dass die Rechtsformen der professionellen Fußballklubs in Deutschland mit denen des europäischen Auslandsdivergieren und differenziert zu betrachten sind. Demnach dürfen milliardenschwere Investoren à la Roman Abramowitsch bspw. in der Premiere League[4] oder der Primera División[5] eine Mehrheitsbeteiligung an einem Profifußballklub erwerben, die es ihnen ermöglicht, den Spielerkader nach Belieben durch Spielerzukäufe aufzuwerten oder die Infrastruktur des Vereinsmit Hilfe ihres erheblichen Kapitalaufkommens zu professionalisieren. In Deutschland hingegen ist es Kapitalanlegern nicht gestattet, die Stimmenmehrheit in den von Fußballvereinen gegründeten Kapitalgesellschaften zu übernehmen; dies untersagt die so genannte „50+1-Regel“.[6] Dieser Umstand begründet wesentliche branchenspezifische Probleme bei der Beteiligung an Kapitalgesellschaften im Profifußball.

Befürworter der 50+1-Regel argumentieren im Kern, dass die Übernahmeeinschränkung auf dem deutschen Fußballmarkt dazu beiträgt, die Schere zwischen armen und reichen Klubs nicht noch weiter auseinander gehen zu lassen, als sie ohnehin schon ist. Kritiker der 50+1-Regel verweisen hingegen auf den Wettbewerbscharakter bzw. die Wettbewerbsgleichheit („competitive balance“) der deutschen Klubs im Vergleich zu anderen europäischen Spitzenklubs, welche unter der bestehenden, deutschen Regel leidet und eingeschränkt würde.

Daraus ergibt sich folgende Forschungsfrage: Verstößt die „50+1-Regel“ gegen die im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen UnionverankerteKapitalverkehrsfreiheit? Daraus lassen sichfolgende These ableiten:Der freie Kapital- und Zahlungsverkehr von Investoren in Deutschland wird durch die jeweiligen Satzungen des DFL und des DFB eingeschränkt, so dass sich eine Wettbewerbsverzerrung ergibt.Diese Form derVerbandsautonomie („50+1-Regel“)könnte somit europarechtswidrig sein und wäre umzuwandeln. Das erste Kapitel dieser Arbeit befasst sich mit der gesellschaftlichen wie ökonomischen Bedeutung des Profifußballs. In diesem Rahmen wird ein Fallbeispiel konstruiert, mit dessen Hilfe der Verlauf der Untersuchung vereinfacht dargestellt werden soll. In Kapitel 2 folgt de lege lata eine exakte Analyse der maßgebenden europäischen und nationalen Rechtsvorschriften. Ferner sollen sport- und verbandsrechtliche Regelungen geprüft werden, um weitere Grundlagen der Untersuchung zu schaffen. Kapitel 3 dient der Analyse des weiter oben eingeführten Fallbeispiels, vor dem Hintergrund der Vereinbarkeit der 50+1-Regel mit der Kapitalverkehrsfreiheit des AEUV. Im Anschluss werden in Kapitel 4 wesentliche Vorschläge diskutiert, die bei einer Unvereinbarkeit der „50+1-Regel“ mit geltendemRecht des AEUV, zur Lösung dieses Rechtsverstoßes beitragen könnten. Darüber hinaus ist das Kapitel einer zusammenfassenden Darstellung der Fakten sowie einem Fazit der Analyse gewidmet.

I. Die Gesellschaftliche Bedeutung des Fußballs

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Fußballübertragungen im Fernsehensind heute globale und vor allem auch mediale Ereignissemit besonderer Bedeutung. Während derFußballweltmeisterschaft 2002 in Japan und Korea wurden beispielsweise 28,8 Milliarden Zuschaltungen[7] registriert: Damit hat, statistisch gesehen, jeder der 6,9 Milliarden Menschen[8] auf der Erde mindestens vier Mal während des Turnierverlaufs den Fernseher eingeschaltet. Darüber hinaus beläuft sich die Anzahl der Fußballspielerinnen und -spieler auf der Welt laut einer Studie der FIFA auf nahezu 270 Millionen – das ergibt einen Weltbevölkerungsanteil von 3,9 Prozent (siehe Abbildung 1).[9] Zudem zählt die FIFA 207 Mitgliedsverbände und ist damit flächendeckender verbreitet als die UN, welche über 192 Mitglieder verfügt. Eine aktuelle Fußballstudie der Sportmarketingagentur Sportfive[10] ergab zudem, dass 71 Prozentder Bevölkerung in Deutschland, Italien, Großbritannien, Spanien und Frankreich an Fußball interessiert sind.Das sind ca.175 Millionen Menschen, von denen überdies 52 Prozent angeben, dass Fußball im Allgemeinen der beliebteste Sport sei – vor Handball und Tennis.[11]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Sowohl im Sommer 2008 als auch im Sommer 2010 erlebte Deutschland rauschende Fußballfeste. Beflügelt durch das jeweilige gute Abschneiden der deutschen Nationalmannschaft wurde die Nationderart von Fahnenmeeren durchzogen, dass der Eindruck hätte entstehen können, die Fußballanhängerschaft würde stetig ansteigen. Nach Abbildung 2waren 2009 mehr als 52 Millionen Bundesbürger fußballinteressiert, welche einen Anteilvon 81 Prozent an der Gesamtbevölkerung darstellten. Damit stieg die Zahl der Fußballbegeisterten von 2007 auf 2009 um mehr als drei Millionen Menschen in Deutschland an.

Abseits des globalen und medialen Charakters erfülltder Fußball aber auch weitere gesellschaftliche Aufgaben:[12] Im Rahmen seines erzieherischen Auftrags kann Sport, damit auch Fußball, in fast jeder Altersstufe erheblich zur Persönlichkeitsbildung eines Menschen beitragen. Zusätzlich kommt dem Sport in häufigen Fällen auch eine gesundheitsfördernde Aufgabe zu, da er die Widerstandskraft des Körpers erhöhen und helfen kann Krankheiten vorzubeugen.

Des Weiteren wird dem Fußball eine politische und soziale Aufgabe zugesprochen, da er eine gewisse Bedeutung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt hat und als Identifikationsrahmen dient.[13] So leisten Fußballvereine in Deutschland einen erheblichen Beitrag zur Integration von Migranten. Schätzungen zufolgesind rund 1,3 MillionenMenschen mit Migrationshintergrundin deutschen Fußballvereinenverortet, wobei die Vereinsmitgliedschaft hierbei als Indikator dient. Von dieser großen Masse sind nahezu17.300 Menschen ehrenamtlich tätig.[14]

Zusätzlich ergreifen mehr als 11 Prozent der Fußballvereine Sondermaßnahmen, um die Integration voranzutreiben – bspw. durch Kooperationen mit anderen Akteuren des Gemeinwohls:[15] So arbeiten über 79 Prozent der reinen Fußballvereine mit anderen Sportvereinen zusammen und mehr als 58 Prozent kooperieren mit Schulen. Darüber hinausopponieren38 Prozent dieser Vereine mit Kindergärten bzw. Kindertagesstätten,während 39 Prozent mit einem Wirtschaftsunternehmen zusammenarbeiten.Neben dem eigentlichen Sportangebot wird die Gemeinwohlbedeutung der Sportvereine durch Vereinsfeiern etc. intensiviert.

Ferner tragen Fußballvereine maßgeblich zur Repräsentation Deutschlands im Ausland bei, weil rund 5.400 deutsche Fußballvereine durchgängig internationale Kontaktezu ausländischen Klubs knüpfen und pflegen; z.B. bei internationalen Tournieren oder Europapokalspielen.[16] Damit wirkt Fußball völkerverbindend, überwindet politische Grenzen und hilft Vorurteile abzubauen.

Des Weiteren sind in deutschen Fußballvereinen rund 500.000 Menschen ehrenamtlich tätig – davon nahezu 200.000 auf der Vorstandsebene und annähernd 300.000 auf der Ausführungsebene (Übungsleiter-, Betreuer-, Schiedsrichtertätigkeit).[17] Die Quantität der freiwilligen Mitarbeit unterstreicht den außergewöhnlichenStellenwert des Fußballs innerhalb der deutschen Gesellschaft.

Darüber hinaus darf auch die arbeitsmarktpolitische und ökonomische Bedeutung der Fußballvereine nicht unterschätzt werden, dadie rund 1.400 deutschen Fußballvereine eine Vielzahl von bezahlten Mitarbeitern beschäftigen. Für den Bereich des Amateurfußballs ergeben sich damit knapp 8.000 vollzeitäquivalente Stellen, im Bereich des Profifußballs 70.000 Arbeitsplätze[18].

Jedoch muss man die verschiedenen gesellschaftlichen Aufgaben des Fußballs in zwei divergierende Bereiche aufteilen, da einerseits der Profifußball und andererseits der Amateurfußball unterschiedlich organisiert sind und divergierende ökonomische und politische Ausmaße umfassen. Obwohl im Folgenden nur der Profifußball behandelt wird, muss dennoch erwähnt werden, dass der Profifußball vom Amateurfußball nicht künstlich getrennt werden darf, weil ersterer sehr wohl auf einen Unterbau im Amateurbereich angewiesen ist.[19]

II. Profifußball als Wirtschaftsgut

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Seit Mitte der 1980er Jahre hat sich die Kommerzialisierung desProfifußballs durch die stetig ansteigende Popularität des Fußballs beschleunigt. Sowohl Sportvereine als auch Sportverbände haben sich von ihrer ideellen und gemeinnützigen Funktion distanziert und sind vermehrt zu bedeutungsvollen Wirtschaftsunternehmen herangewachsen. Die Tendenz zur Umwandlung in Kapitalgesellschaften hat rapide zugenommen, so dass mittlerweile Vereinsgrößen wie Manchester United oder Borussia Dortmund an der Börse notiert sind und Investoren durch den Erwerb mehrheitlicher Anteile an den Klubs zunehmendan Einfluss gewonnen haben. Abbildung 3 zeigt, dass der professionelle Fußball boomt: Die 36 deutschen Erstliga- und Zweitligavereine haben im Spieljahr 2007/ 2008 einen Gesamtertrag von 1,93 Milliarden Euro erwirtschaften können. Das entspricht einem Anstieg von nahezu 11 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.[20] Jedoch wurden die Fußballklubs nicht nur kommerzialisiert, auch Management- und Organisationsstrukturen der Vereine mussten die veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden.

Laut der aktuellen Bundesligastudie von McKinsey[21] sind drei Indikatoren wichtig, um die wirtschaftliche Bedeutung des professionellen Fußballs am besten beurteilen zu können: Wertschöpfung (a), steuerliche Abgaben an den Staat (b) und Arbeitsplätze (c). Die Wertschöpfung (a) gibt an, wie hoch der Beitrag des deutschen Profifußballs zum Bruttoinlandsprodukt ist und „entspricht der Summe der im Rahmen des Profifußballs erzeugten Bruttoeinkommen aus unselbstständiger Arbeit, Abschreibungen, Steuern/Abgaben und Unternehmensgewinnen und ist somit nur ein Teil des Umsatzes der beteiligten Unternehmen.“[22] Der Indikator steuerliche Abgaben (b) zeigt auf, wie die durch den deutschen Profifußball entstandenen Steuereinnahmen zu bewertensind.Der Indikator Arbeitsplätze (c) hingegen dient der Darstellung der Höhe derBeschäftigtenzahlinnerhalb des deutschen Profifußballs und somit den Einfluss des Profifußballs auf den deutschen Arbeitsmarkt. Diesen Indikatoren folgend hat der deutsche Profifußball im Jahr 2009 eine Wertschöpfung (a) von 5,1 Milliarden Euro erzielt.[23] Das bedeutet, dass jeder fünfhundertste Euro durch den Profifußball erwirtschaftet wird, was in puncto Wertschöpfung dem Versandhandel oder der Bergbaubranche verglichen werden kann.Laut DFL[24] verschafft der Profifußball der öffentlichen Hand Einnahmen durch Steuern und Abgaben (b) in Höhe von über einer halben Milliarde Euro (siehe Abbildung 4). McKinsey[25] beziffert darüber hinaus die Nettoeinnahmen des Staates auf ca. 1,5 Milli arden Euro. Die divergierende Höhe der Einnahmen ist durch die unterschiedliche Beschäftigtenzahl zu erklären. Während McKinsey mit mehr als 70.000 Vollzeitarbeitsplätzen (c) im deutschen Profifußballkalkuliert, rechnet die DFL mit knapp 38.000. Jedoch sind im Allgemeinen weniger als 10 Prozent direkt bei den Klubs angestellt, sondern vielmehr in anderen Branchen wie bspw. der Bekleidungsindustrie oder den Medien.[26] Somit kann die Fußballbranche keineswegs auf besserverdienende Fußballprofis reduziert werden, da der Profifußballmarkt durchaus einen weit umfangreicheren Beitrag zur Arbeitswelt leistet.

B. Fiktives Fallbeispiel - Ausgangspunkt

Eine Investorengruppe aus Deutschland plant den Erwerb der Mehrheitsanteile am deutschen Profifußballklub Hamburger SV. Wegen der Finanzkrise mussten einige der Sponsoren ihre finanziellen Zuwendungen auf ein Mindestmaß reduzieren, so dass dem Verein ein Budgetdefizit von mehreren Millionen Euro entstanden ist. Da der Spielbetrieb aufgrund der finanziellen Einbußen gefährdet ist, erwägt die Klubführung um den Vorstandsvorsitzenden Bernd Hoffmann dem Werben des Investorenkonsortiums nachzugeben und plant den Verkauf von 51 Prozent der Aktienanteile der ausgegliederten Profifußballabteilung. Der Hamburger SV erhofft sich durch die Veräußerung der Stimmanteile wettbewerbsfähiger zu werden, da die Investorengruppe beabsichtigt, die Profimannschaft mittels Einkäufen von Top-Spielern zu verbessern. Das erklärte Ziel ist eine kontinuierliche Teilnahme an der Champions League sowie der baldige Gewinn der Deutschen Meisterschaft. Fußballexperten und Fans protestieren gegen die geplante Übernahme durch das Konsortium, da sie eine Wettbewerbsverzerrung im Ligabetrieb befürchten und verweisen auf die bestehende 50+1-Regel, wonach ein Verein wie der Hamburger SV stets 50 Prozent plus eine Stimme an der ausgegliederten Fußball-Kapitalgesellschaft halten muss. Damit wäre dem Werben der Investorengruppe Einhalt geboten, da die geltende 50+1-Regel ein Investment in diesem Umfang untersagt. Die Investorengruppe beruft sich in diesem Zusammenhang auf die Kapitalverkehrsfreiheit der EU, da sie an der Zulässigkeit der Verbandsregelung zweifelt und erwirkt dadurch eine Klärung des Sachverhalts vor dem EuGH.

Kapitel 2

Rechtliche Grundlagen

C. Europäisches Recht

Spätestens seit dem Bosman-Urteil des EuGH aus dem Jahr 1995 wird der Einfluss des Europarechts auf den Sport breit diskutiert.[27]

Artikel 165 des AEUV lautet:

„ …Die EU trägt zur Förderung der europäischen Dimension des Sports bei und berücksichtigt dabei dessen besondere Merkmale, dessen auf freiwilligem Engagement basierende Strukturen sowie dessen soziale und pädagogische Funktion… “

Festzustellen ist dabei, dass die Grundsatzverträge der EU das Thema Sport bisher gänzlich unberührt ließen. Erst der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union(AEUV) hat sich, auch aufgrund der zum Teil hitzigen öffentlichen Diskussionen, mit dem Einfluss von Europarecht auf den Sport befasst.[28] Die EU besitzt nämlich nur die Kompetenzen und Zuständigkeiten, die ihr auf der Grundlage des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung des AEUV zugewiesen sind[29], wonach die EU nur dann außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs tätig wird, wenn die Ziele der Maßnahmen von den Mitgliedsstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können (Subsidiaritätsprinzip).Ehemals wurde eine stärkere Verankerung des Sports im Gemeinschaftsrecht diskutiert und gefordert, welche nun erstmals in einem „Sportartikel“ im AEUV konstatiert wurde und folglich am 1. Dezember 2009 in Kraft getreten ist. Damit erhielt die EU erstmals eine im Primärrecht verankerte Kompetenz für den Sport. Durch diesen Artikel ist dieErwartungshaltung enorm gestiegen. So erhofft sich bspw. die FIFA eine baldige Klärung hinsichtlich Verbandsautonomie und wettbewerbsrechtlicher Fragen. Letztlich wird die Berücksichtigung des Sports als Gemeinschaftsziel von der FIFA als positiv gewertet, da „dank zusätzlicher finanzieller Mittel die Sportorganisationen in Europa (…) gestärkt werden.“[30] Zudem begrüßt der DFB zwar auf der einen Seite ebenso die gestiegene Bedeutung der sportlichen Belange, erwartet aber auf der anderen Seite auch eine Vielzahl von EU-Maßnahmen im Bereich des Sports.[31] Fraglich ist jedoch, was unter der „europäischen Dimension“ zu verstehen ist und wie die zukünftige Handhabung der EU diesbezüglich aussieht. Laut EU-Kommission soll das Weißbuch Sport[32] von 2007 handhabend sein[33]. Dies sei laut Experten unzureichend, weil es hinsichtlich wettbewerbsrechtlicher Fragen keine Rechtssicherheit bietet sowie kein klares Bekenntnis zur Verbandsautonomie beinhaltet.[34]

[...]


[1] Vgl. Azzellini/ Thimmel (2006), Futbolistas. Fußball und Lateinamerika, S. 27.

[2] Vgl. Deloitte & Touche (2010), Europäischer Fußballmarkt.

[3] Damit ist die Zeit nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Bosman gemeint (Urteil vom 15.12.1995, Rs. C-415/93), als Ablösesummen im Profifußball und Ausländerklauseln als nicht vereinbar mit Art. 48 EG-Vertrag, jetzt Art. 63 – Art. 66 AEUV, erklärt wurden.

[4] höchste Spielklasse im englischen Fußball.

[5] höchste spanische Fußballliga.

[6] Zum Schutz des Wettbewerbs in den Profiabteilungen der deutschen Fußballligen legte der DFB in seiner Satzung im § 16c Abs. 2 fest, dass ein Verein nur eine Lizenz erhalten kann, wenn „50 Prozent zuzüglich mindestens eines weiteren Stimmanteils in der Versammlung der Anteilseigner“ der „Mutterverein“ innehat. Diese Regelung wurde wörtlich in die Satzung der DFL (§ 8 Abs. 2) übernommen.

[7] Vgl. Eisenberg (2004), Fußball als globales Phänomen, S. 7 ff.

[8] Vgl. UN, Pressekonferenz vom 25.10.2010.

[9] FIFA Big Count 2006: Eine Umfrage ergab zudem, dass sich die Zahl der registrierten Fußballerinnen und Fußballer seit 2000 um rund 23 Prozent auf über 38 Millionen erhöht hat. Einen extrem starken Zuwachs verzeichnete der Frauenfußball, da die Zahl der registrierten Spielerinnen um 54 Prozent auf 4,1 Millionen angestiegen ist. Bei den Männern ist ein starker Zuwachs von 21 Prozent auf 34,2 Millionen zu verzeichnen. Die schon im Rahmen der letzten Big-Count-Studie aus dem Jahr 2000 erhobene Zahl von nicht registrierten Gelegenheitsfußballern ist um 7 Prozent auf 226 Millionen angestiegen.

[10] Vgl. Sportfive (2009), S. 8 ff.

[11] Ebd.

[12] Vgl. Breuer/ Wicker (2008), Fußballvereine in Deutschland, S. 1 ff.

[13] Vgl. Dörr (2000), Sport im Fernsehen, S.42.

[14] Vgl. Breuer/ Wicker (2008), Fußballvereine in Deutschland, S. 6 ff.

[15] Vgl. Breuer/ Wicker (2010), Sportentwicklungsbericht 2009/2010, S. 8 ff.

[16] Vgl. Breuer/ Wicker (2010), Sportentwicklungsbericht 2009/2010, S. 8 ff.

[17] Ebd.

[18] Vgl. McKinsey (2010), Wirtschaftsfaktor Bundesliga, S. 14.

[19] Vgl. Mentzel (2007), Solidarität im prof. Fussballsport vs. europäisches Wettbewerbsrecht, S. 16.

[20] Vgl. auch DFL, Bundesliga Report 2009, S. 15.

[21] Vgl. McKinsey (2010), Wirtschaftsfaktor Bundesliga, S. 9.

[22] Ebd.

[23] Ebd, S. 11.

[24] Vgl. DFL, Bundesliga Report 2009, S. 23.

[25] Vgl. McKinsey (2010), Wirtschaftsfaktor Bundesliga, S. 14.

[26] Ebd, S. 13.

[27] Vgl. Tettinger (2001), Sport im Schnittfeld von europäischem Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht, RuS Nr.29; Tokarski (1998), EU-Recht und Sport; Groß, Rechtfertigungsmöglichkeiten von Sportverbänden bei Beschränkungen von Grundfreiheiten, in: Vieweg (2005), Perspektiven des Sportrechts, S.37 ff.; Hovemann und Wieschemann (2009), Die 50+1-Regel aus sportökonomischer und wettbewerbsrechtlicher Sicht, in: SpuRt 5/2009; Deutscher (2009), 50+1-Regelung in der Fußball-Bundesliga – Zur Mehrheitsbeteiligung von Investoren an Fußballklubs, in: SpuRt 3/2009; und weitere

[28] Vgl. Art.165 AEUV.

[29] Vgl. Art. 5 AEUV

[30] Vgl. FIFA, Der Vertrag von Lissabon fördert den Sport, Pressemitteilung vom 30.11.2009.

[31] Vgl. DFB, Der Sport ist gelebte Verfassung, Pressemitteilung vom 17. März 2008.

[32] Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2007), Weißbuch Sport.

[33] Vgl. Europäische Kommission (2010), Das Referat Sport und sein Auftrag.

[34] Vgl. Centrum für Europäische Politik (2007), Kurzanalyse.

Ende der Leseprobe aus 70 Seiten

Details

Titel
Kapitalverkehrsfreiheit versus Verbandsautonomie
Untertitel
Eine Analyse der 50+1-Regel
Hochschule
Philipps-Universität Marburg
Note
1,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
70
Katalognummer
V163879
ISBN (eBook)
9783640787111
ISBN (Buch)
9783640786800
Dateigröße
1369 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kapitalverkehrsfreiheit, Verbandsautonomie, Eine, Analyse, 50+1, Fußball, Europarecht
Arbeit zitieren
Udo Wichmann (Autor:in), 2010, Kapitalverkehrsfreiheit versus Verbandsautonomie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/163879

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